Was nutzt Übertragungsliebe?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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candle.
[nicht mehr wegzudenken]
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weiblich/female, 56
Beiträge: 15213

Beitrag Fr., 17.04.2015, 20:25

Widow hat geschrieben:
Leslie hat geschrieben:Sich zu verlieben ist, denke ich, so ein stabilisierendes Gefühl. Es lenkt mich von meiner Scham und den schwer oder gar nicht aushaltbaren Gefühlen ab und lenkt die Blickrichtung auf den Therapeuten (und zwar ziemlich radikal). Nicht umsonst hat man also keine anderen Gedanken mehr als nur noch "an den Therapeuten".

Schämst Du Dich nicht entsetzlich für diese Liebe zu Deinem Therapeuten?
Ich finde es interessant, dass Du sie als stabilisierend empfindest. (Wenn ich mich für etwas schäme, zerkloppt mich das ziemlich.)
Diese Gedanken gingen mir auch schon durch den Kopf und dazu die Frage, ob DAS dann überhaupt Übertragungsliebe ist? Aber ich kenne mich damit auch nicht aus.

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mondlicht
Forums-Gruftie
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weiblich/female, 55
Beiträge: 657

Beitrag Fr., 17.04.2015, 22:31

Widow hat geschrieben: Das klingt so, als hätte Deine Therapeutin Dir diese Gefühle in Form einer Tablette eingegeben - und Du selbst wärest an ihrem Entstehen überhaupt nicht beteiligt. Aber es sind DEINE Gefühle - nicht die der Therapeutin. Und es ist nichts 'Fremdes', das Dir 'von außen übergestülpt' wird.
DAS ist mir sehr klar! Ich fühle nichts von außen Kommendes.
Widow hat geschrieben:Warum "gibt es die" denn nicht, diese andere Person? Was soll denn eine solche andere Person für Dich sein? Was weißt Du von Deiner Thera, außer, dass sie einmal oder mehrfach pro Woche für Dich 50 Minuten lang da ist?
Es stimmt, von der Thera weiß ich recht wenig, was ihr Leben außerhalb unserer Gespräche betrifft. Ich will es auch gar nicht so genau wissen. Und naja, dass ich seit einigen Jahren nach einer eher schwierigen Beziehung gewollt/ ungewollt Single bin, hat mehrere Gründe, nicht alle kenne ich. Was diese andere Person sein soll? Ich sehne mich danach, in den Arm genommen zu werden und in den Arm zu nehmen, sich zu spüren gegenseitig, füreinander da zu sein, Zeit zu nehmen füreinander .... usw.
Widow hat geschrieben:Solange Du Dir selbst fremd bist und Dein Begehren nicht kennst ....
Woraus schließt Du, dass ich mein Begehren nicht kenne ...??
Widow hat geschrieben: Wunsches nach einer "engen zärtlichen und sexuellen Beziehung" (find ich übrigens interessant, was für Dich in einer Beziehung offenbar besonders wichtig ist).
Was findest Du daran interessant?
Widow hat geschrieben:Vielleicht kannst Du mit Deiner Übertragungsliebe ja doch "therapeutisch arbeiten" und der mal in ihren sehr verschiedenen Einzelheiten nachspüren, zusammen mit Deiner Therapeutin?
Das wäre schön, aber ich habe es bisher nicht geschafft. Und es passiert mir nicht zum ersten Mal. Es gibt wahrscheinlich viele Arten von Übertragungslieben. Meine fühlt sich sehr eindimensional an. Aber Du hast Recht, theoretisch könnte man mehr rausholen. Hängt vielleicht auch von der Therapie ab. Mir wurde / wird eher vermittelt, dass "das" irgendwann vergeht.

LG

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mariebelle
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Beiträge: 82

Beitrag Fr., 17.04.2015, 22:47

Es war tatsächlich anfänglich eher ein Gefühl der Stabilisierung bzw. durch die empfundenen Gefühle ein angenehmere Lebenssituation geschaffen worden. Allerdings hat dieses Gefühl einen völligen Cut erfahren, nachdem ich mich sichtbar nicht mehr auf die Therapie konzentriert habe, stecken geblieben bin und nun eher ein Gefühl von Wut und Erniedrigung geblieben ist. Ich komme mir vorgeführt vor, weil auch kein Gespräch in diese Richtung initiiert wird. Meine Gefühle werden nicht wert geschätzt sondern unter den Teppich gekehrt. Meine Gefühlslage ist deutlich gestört dadurch und ich bin auch nicht wirklich in der Lage dieses Gefühlschaos bei meinem Therapeuten anzusprechen. Ich brauche Ihn da als Anführer, bzw. Lenker-das tut er nicht. Manchmal fühle ich mich wie in einer Experimentierphase- probieren wir es halt mal so.
Er prägte die Aussage, dass ich das auch als erotische Übertragung sehen könnte, das wars. Aber zu welchem therapeutischen Zweck? Ohne Erklärung wo es hingeht. Meine Enttäuschung ist derzeit groß und ich möchte eigentlich Probleme abbauen und nicht neue dazu bekommen.


Leslie
Helferlein
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weiblich/female, 37
Beiträge: 53

Beitrag Sa., 18.04.2015, 08:02

Die Meinungen gehen hier sicher auseinander, aber ich glaube nicht, dass diese Gefühle einen therapeutischen Zweck haben, sondern eher einen innerpsychischen (eben eine Gegenreaktion auf die belastende Beschäftigung mit sich selbst).
Ich habe übrigens meine Gefühle nicht thematisiert (sie waren vielleicht auch nicht so heftig wie bei dir). Ich habe mich nicht dafür geschämt (warum auch?), hatte aber immer das Gefühl, dass sie irgendwie mit der Therapiesituation zu tun haben. Das hat mich auf dem Boden gehalten. Bei mir waren diese Gefühle nur eine Phase und haben deutlich abgenommen, je länger (und lockerer) ich mich mit mir selbst beschäftigt habe.

Mariebelle, wenn du davon ausgeht, dass diese Gefühle eher mit dir selbst zu tun haben als mit der Person deines Therapeuten - hilft dir diese Vorstellung nicht ein wenig? Dann kann man mit diesen Gefühlen, die sicher einen inneren Sinn haben, vielleicht etwas gelassener umgehen.

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Bumpam
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Beiträge: 169

Beitrag Sa., 18.04.2015, 08:52

Ich habe länger gezögert, ob ich auch etwas dazu schreiben soll – wenn es unpassend ist,bitte um Entschuldigung!
Ich mache (seit fast 2 Jahren) Traumatherapie bei einer VT Thera. Und ich bin zutiefst überzeugt, dass ich nur deswegen bis jetzt habe bleiben können, weil ich ihr gegenüber diese Übertragungsliebe NICHT empfinde. Ich kenne das Gefühl bestens, ich brauche dafür null reales Gegenüber - ich kann es zur Not auch aus der Ferne, ohne die Person zu kennen. In einer Therapie würde ich daran zerbrechen, oder (wahrscheinlicher) abbrechen und davonlaufen. Mein Respekt für alle, die diese Gefühle aushalten können, bzw. sogar „durcharbeiten“, wie immer das funktioniert – soweit käme ich ja gar nicht……
mariebelle hat geschrieben: Er prägte die Aussage, dass ich das auch als erotische Übertragung sehen könnte, das wars. Aber zu welchem therapeutischen Zweck? Ohne Erklärung wo es hingeht. Meine Enttäuschung ist derzeit groß und ich möchte eigentlich Probleme abbauen und nicht neue dazu bekommen.
Mariebelle, ich glaube, ich kann mir ein bisschen vorstellen, wie es Dir damit geht - und ich kann Deine Enttäuschung gut nachvollziehen. Könnte es hilfreich sein aus der Situation den Nutzen zu ziehen, genauer für Dich herauszufinden, welche Hilfe und Unterstützung Du von Deinem Therapeuten brauchst,und wie Du ihn darum bittest? Nur so eine Idee, ich bin ja eben in einem ganz anderen Setting.

Bei mir ist wohl der Grund für die Heftigkeit die frühkindliche Vernachlässigung. Ich habe das Thema mit der Übertragungsliebe in meiner Therapie auch schon besprochen. Dass ich einen Anteil habe, der eine unendliche Sehnsucht nach Geborgenheit, Zuwendung, Gehaltenwerden verspürt - mein Ansatz ist eher, dass ich lernen will, mir selber mehr davon zu geben, und für mich ist die Voraussetzung dafür, zu akzeptieren, dass es auch niemand anderen gibt, der das für mich machen kann. Ich profitiere gefühlt sehr davon, dass meine Therapeutin darauf achtet, dass diese Einsicht auch präsent bleibt, und ich keine Versorgungswünsche auf sie abschiebe. Ich erlebe (vielleicht ist dieses Erleben aber auch falsch) mehr Fortschritt, wenn ich mich auf mich konzentrieren kann, und nicht meine Tage in verliebter Sehnsucht verbringe.
Ich hätte noch ein paar Fragen: Kann es sein, dass man tatsächlich eher bindungstechnisch „gesund“ sein muss, um sinnvoll mit Übertragungsliebe zu arbeiten? Wenn man die Bindungsliebe bearbeitet, kriegt man dann eigentlich auch Informationen über seine anderen Probleme?
Liebe Grüße, Bumpam


Leslie
Helferlein
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Beiträge: 53

Beitrag Sa., 18.04.2015, 09:44

Bumpam hat geschrieben:Ich erlebe (vielleicht ist dieses Erleben aber auch falsch) mehr Fortschritt, wenn ich mich auf mich konzentrieren kann, und nicht meine Tage in verliebter Sehnsucht verbringe.
Das ist genau das, was ich gemeint habe. Es gibt, denke ich, eine Wechselwirkung zwischen der verliebten Sehnsucht und der Beschäftigung mit sich selbst. Die übersteigerten (!) Liebesgefühle blockieren diese Beschäftigung - und umgekehrt.

Es gibt sicher alle möglichen Übertragungsgefühle, die bearbeitet werden können - die übersteigerten Liebesgefühle zähle ich aber nicht zu den Übertragungsgefühlen. Die sind eher ein innerer Widerstand (und manchmal ist deswegen ein Wechsel und Neustart sinnvoller, wenn sie sich nicht wieder auflösen).

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Bumpam
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Beiträge: 169

Beitrag Sa., 18.04.2015, 11:48

Leslie hat geschrieben: Es gibt sicher alle möglichen Übertragungsgefühle, die bearbeitet werden können - die übersteigerten Liebesgefühle zähle ich aber nicht zu den Übertragungsgefühlen.
Diese Interpretation macht für mich jede Menge Sinn. Ich kenne ja Übertragung - und es stimmt, diese "Verliebtheit" fühlt sich anders an, zumindest bei mir. Danke für diesen Input!


Widow
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weiblich/female, 51
Beiträge: 2240

Beitrag Sa., 18.04.2015, 14:39

@ mariebelle: Ich finde es sehr schade, dass Dein Thera nicht mit Deiner Art der Übertragungsliebe arbeitet. - Das kann am Verfahren liegen. Mir ist allerdings nicht klar geworden, welches therapeutische Verfahren Du gewählt hast:
mariebelle hat geschrieben:Ich komme mir vorgeführt vor, weil auch kein Gespräch in diese Richtung initiiert wird. [...] ich bin auch nicht wirklich in der Lage dieses Gefühlschaos bei meinem Therapeuten anzusprechen. Ich brauche Ihn da als Anführer, bzw. Lenker-das tut er nicht.
Dein Gefühl, "vorgeführt" worden zu sein, ist schlimm - hast Du wenigstens das in der Therapie sagen können? (Vielleicht wiederholt sich da auch was, und das Gefühl hat seinen Anlass gar nicht im Verhalten Deines Therapeuten?). Dass Dein Thera nicht die Themen vorgibt oder "initiiert", dass er die Rolle des "Anführers" oder "Lenkers" verweigert, klingt eigentlich nach einer psychoanalytischen Therapie - und in der sind doch gerade alle Arten von Liebe zentral.
Vielleicht versuchst Du doch (noch) einmal, das zum Thema zu machen?
Bumpam hat geschrieben:Dass ich einen Anteil habe, der eine unendliche Sehnsucht nach Geborgenheit, Zuwendung, Gehaltenwerden verspürt - mein Ansatz ist eher, dass ich lernen will, mir selber mehr davon zu geben, und für mich ist die Voraussetzung dafür, zu akzeptieren, dass es auch niemand anderen gibt, der das für mich machen kann. Ich profitiere gefühlt sehr davon, dass meine Therapeutin darauf achtet, dass diese Einsicht auch präsent bleibt, und ich keine Versorgungswünsche auf sie abschiebe. [Herv. v. Widow]
Genau darum, irgendwann zu akzeptieren, dass kein Mensch einen so vollumfänglich lieben, halten, emotional versorgen kann, wie man sich das so sehnlich wünscht (zumal, wenn man es in der frühen Kindheit gar nicht erst in den möglichen und nötigen Ansätzen erfahren hat ...) -, genau darum geht es, soweit ich das verstanden habe, auch bei der Arbeit mit den Arten von Übertragungsliebe: Die "depressive Position", die Traurigkeit darüber irgendwann aushalten zu können, und mehr noch: damit einigermaßen gut zurecht kommen zu können.

EDIT: Sorry, ich hatte ein posting übersehen:
mondlicht hat geschrieben:Woraus schließt Du, dass ich mein Begehren nicht kenne ...??
Aus zweierlei: 1. Ich glaube, es gehört mit zum Schwierigsten und Schwersten für jeden Menschen, sich über sein Begehren, den Inhalt, Charakter und die Natur seiner tiefsten Wünsche klar zu werden (nicht zuletzt, weil die keineswegs nur etwas Positives sind). 2. Daraus, dass das "Ziel" Deines Begehrens im Moment relativ egal ist ("austauschbar": Du weißt nur wenig über Deine Therapeutin, und liebst sie doch).


Ein schönes Wochenende
Widow

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Bumpam
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Beiträge: 169

Beitrag So., 19.04.2015, 06:09

Widow hat geschrieben:Genau darum, irgendwann zu akzeptieren, dass kein Mensch einen so vollumfänglich lieben, halten, emotional versorgen kann, wie man sich das so sehnlich wünscht (zumal, wenn man es in der frühen Kindheit gar nicht erst in den möglichen und nötigen Ansätzen erfahren hat ...) -, genau darum geht es, soweit ich das verstanden habe, auch bei der Arbeit mit den Arten von Übertragungsliebe: Die "depressive Position", die Traurigkeit darüber irgendwann aushalten zu können, und mehr noch: damit einigermaßen gut zurecht kommen zu können.
Eh. Aber denkst Du nicht auch, dass es sein kann, dass jemand den Weg zur Akzeptanz nicht über die (ungebremste, ungesteuerte) Übertragungsliebe nehmen kann? Also auf mich bezogen meine ich damit, ich habe von vornherein so wenig Kompetenz auf diesem Gebiet, ich brauche einfach viel Anleitung. Und die kann ich primär einmal nur aus der (sicheren) Distanz annehmen und verwenden. Mit dem vollen Ausmaß der Traurigkeit bin ich völlig überfordert, das werde ich noch eine Weile nicht aushalten können. Deswegen auch meine Frage, ob die Übertragungsliebe nicht eher für die mit (viel?) vorbestehenden Ressourcen geeignet ist.
Auch ein schönes (Rest) Wochenende!

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