Suizidgedanken in Therapie ansprechen - nur wie?

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MrN
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Beitrag Di., 22.06.2010, 15:24

Hi SPURlos,
daß ich mit dem Thema etwas forscher umgehe, liegt vielleicht daran, daß ich ein Mann bin.
Ich habe keine Angst vor einem "Stempel" oder gar der Einweisung. Die Gewissheit, daß ggf. "Sense" ist, wann und wo ich das will, ist mir ja geblieben. Genauso wie mich mein Überlebenswille zur Therapie treibt. Also habe ich gar nichts aus der Hand gegeben.

Es ist schon ein Unterschied, ob man verheult oder irgendwie anders verzweifelt (und für alle deutlich neben der Spur) daher getrieft kommt: "Ich tu mir was an!!!!..." oder doch gefaßt und vielleicht mit etwas eisigem Abstand (und dabei ganz im Vertrauen) zum Therapeuten sagt: "Ich hatte vor, mich umzubringen..." (Und so wird es ja wohl sein, wenn du hier im Forum bereits darüber schreiben kannst.) Kein Therapeut (glaube und hoffe ich) würde im letzteren Falle das Gesprächsangebot ausschlagen und es sicher nach Möglichkeit vermeiden, das aufkeimende Vertrauen durch übertriebene Interventionen gleich wieder zu zerstören. Er will dir ja helfen, Dein Erleben zu verarbeiten...

Bei mir war es so, daß, wann immer ich das Thema auch anschnitt, sie mir anbot, ich könne sie jederzeit anrufen, und ich solle das auf jeden Fall tun, falls ich die Ausführung meines Vorhabens einmal ernstlich in Erwägung ziehen würde. Ich habe ihr dann gesagt, daß ich das zu schätzen wüßte, und sie anrufen würde - wenn mir dann noch danach wäre.
Und dann hat sie sich erst einmal angehört, was mir gerade auf dem Herzen lag. In der folgenden Therapiesitzung hat sie nochmal darauf Bezug genommen und mich (vielleicht mit einer kurzen Frage) mit meinen letzten Äußerungen konfrontiert.

Ich denke mal, das war der Test, ob ich tatsächlich Abstand davon halten könne oder mich selbst da wieder in etwas hineinsteigere.

Ansonsten hat sie nie von sich aus an den wunden Punkt gerührt, zumindest nicht so aufdringlich, daß ich es gleich gemerkt hätte. Soll heißen, sie hat schon gezielt nachgeforscht, wo mich der "Schuh am meisten drückt". Dabei wußte sie von Anfang an auch, daß Suizidgedanken eine Rolle bei mir spielen. Sie hat aber nie darauf gedrängt, ich solle mich ihr diesbezüglich offenbaren, sondern irgendwann kam ich dann von selbst im Gespräch an einen Punkt, wo ich gesagt habe: "Dazu muß ich noch sagen..." - und dann brach es förmlich aus mir heraus.
LG
MrN

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spurlos
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Beitrag Di., 22.06.2010, 19:37

Hallo MrN,

ja du hast sicher recht...vermutlich würde ich wohl kaum in die SItzung gehen und sagen: Ich tue mir jetzt was an. Das klänge ja auch schon fast vorwurfsvoll...so nach dem Motto: Retten Sie mich gefälligst
Ich würde es wohl dezenter formulieren, anschließend abschwächen (und wenn ich Pech habe auch gleich direkt wieder zurück nehmen). Also mit einer Einweisung wäre so schnell bei mir wahrscheinlich nicht zu rechnen.

Als ich deinen Text gelesen habe, ist mir allerdings noch etwas aufgefallen...nämlich, dass ich neben der Angst jemandem Sorgen zu bereiten, "abgestempelt" zu werden und "total krank" zu sein...auch irgendwie wieder Angst davor hätte gar nicht richtig ernst genommen zu werden. Würde sie einfach nur mit Gleichgültigkeit oder sagen wir "normalem Gemütszustand" darauf reagieren würde ich mich nicht ernst genommen fühlen. Ich hätte wohl auch irgendwie Angst, dass sie es einfach abtut und eben nicht wie deine Thera mit Notfallplänen zu reagieren.
...wenn ich mich schonmal offenbare...die "Ablehnung" könnte ich nicht ertragen.Ist mir irgendwie gerade eben erst bewusst geworden, dass auch das da mit reinspielt...
Lache über niemanden, der einen Schritt zurück geht...vielleicht ist das nur der Anlauf!

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MrN
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Beitrag Di., 22.06.2010, 19:57

Hey SPURlos,
das wirst Du allerdings erst wissen, wenn Du es mal versucht hast anzubringen.

Und wenn Du es dann tatsächlich nicht ertragen kannst, also ICH würde dich dann schon ernst nehmen. Wir zwei könnten uns dann ja mal unverbindlich auf einer hübschen Brücke treffen.

Nein, im Ernst. Daß es jemand einfach abtut, kann ich mir gut im Kollegenkreis oder bei weiteren Bekannten vorstellen, Leute halt, die mit so etwas nichts zu tun haben und im übrigen auch nicht erpresst werden wollen - aber keinesfalls bei psychologisch geschultem Personal!!!

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spurlos
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Beitrag Di., 22.06.2010, 21:32

Hallo MrN...

...da hast du vermutlich nicht Unrecht
Nun ja, ich dreh mich noch ein bisschen weiter im Kreis mit meinen Gedanken hier und verschiebe es auf "vielleicht mal"...
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spurlos
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Beitrag Do., 24.06.2010, 16:14

...woooh ...es ist raus...
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MrN
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Beitrag Do., 24.06.2010, 16:53


Ja und? Wie denn...???

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spurlos
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Beitrag Do., 24.06.2010, 21:37

Irgendwie ist es "entstanden" durch eine Formulierung von mir, die das Wort "sterben" beinhaltete. Sie hakte dann nach und dann wäre es ein bewusstes anlügen gewesen alles abzustreiten...also stammelte ich.

Jaa es war eine schwierige Geburt...ich habe wohl auch mehr drumrum geredet anstatt konkret zu werden, gleich beschwichtigt und so...aber die Raktion war ok, keine "Panik" kein übertreiben. Ich fühlte mich auch nicht nicht ernst genommen oder so. Allerdings habe ich mich trotzdem sehr bemüht nicht den Eindruck zu erwecken, dass es akut ist.
Nur jetzt ist die Möglichkeit weg...ich weiß für den Moment, dass ich es nicht tun werde. Das Gute ist: Es fühlt sich gut an. "Abgestempelt" komme ich mir auch nicht vor...mal sehen wie lange das gute Gefühl andauert
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MrN
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Beitrag Do., 24.06.2010, 22:03

Hihi!
Entschuldige - ich muß gerade Schmunzeln, weil die Geschichte so schön zu Deiner Signatur paßt. Scheint so, als hättest Du gerade ein Stückchen "Selbst" wiedergefunden.

Oh ja, ich wünsch Dir, daß Dir das Hochgefühl (sei es nun: Erleichterung, Stolz, Triumph) noch ein wenig bleibt. Koste es richtig aus, damit etwas davon in der Erinnerung bleibt. So schmeckt der Erfolg:
Du hast Dich überwunden! Du selbst hast es Dir verdient!!!
LG
MrN

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spurlos
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Beitrag Fr., 25.06.2010, 07:15

Dankee
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B-Moll
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Beitrag Mi., 03.11.2010, 10:06

Ich möchte gern den Thread nochmal nach oben holen, weil mich das Thema (wieder) gerade sehr beschäftigt.

Ich bin schon einige Jahre wegen Depressionen und chron. Schlafstörungen in Therapie. Mich quälen phasenweise immer wieder heftige Suizidgedanken. Doch ich brachte es einfach nicht fertig, in den Stunden darüber zu reden. Schäme mich so dafür. Machte es immer mit mir alleine aus. In den Stunden geht es mir auch immer besser und dann erscheint mir alles lebendiger, leichter und ich denke dort, dass ich doch ganz gut zurechtkomme. Dann in der Zeit zwischen den Stunden (manchmal bis zu 4 Wochen) geht es wieder in Richtung der trüben Gedanken...

Da ich gerade wieder ein größeres Tal durchlebe und mein Gedankenkarussell sich oft um diese "Lösung" dreht, ich es aber einfach nicht fertig brachte, darüber zu reden, hab ich meiner Thera nun einen Brief geschrieben, wo ich ihr von diesen Gedanken oder Phantasien berichte.

Nun habe ich große Angst vor der nächsten Stunde. Ich hatte gehofft, mich nach dem Abschicken erleichtert zu fühlen, aber ich fühle mich so schuldig für diese Gedanken. Hab das Gefühl, ich darf sowas nicht denken, schon gar nicht, andere damit belasten. Zumal ich (oder ein kleiner Teil in mir) ja auch weiterleben will und ES also wahrscheinlich auch nicht wirklich machen würde. Wozu dann drüber reden, denkt ein Teil in mir. Andererseits quält mich das häufige Drandenken, die ständige Suche nach Möglichkeiten, das gedankliche Durchgehen der Situation usw. Vielleicht sind es Zwangsgedanken?

Irgendwie habe ich das Gefühl, da ich es ja (wahrscheinlich) nicht in die Tat umsetzen werde, darf ich auch nicht drüber reden. Nicht so viel Wind um nix machen. Kann mir jemand helfen, diese wirren Gedanken ein wenig zu sortieren? Und mir ein bißchen Mut machen, in der Stunde irgendwie drüber reden zu können? Hat da Jemand Erfahrungen, 0der wie geht ihr mit solchen S.-phantasien um (falls ihr welche habt?)

LG. B-Moll

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Kimberly
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Beitrag Mi., 03.11.2010, 16:47

Hallo B-Moll,

ich hoffe ich kann dich ein wenig beruhigen. Bei mir sind auch oft Suizidphantasien vorhanden und ich habe ganz offen mit meinem Therapeuten drüber gesprochen. Er wollte dann einige Einzelheiten wissen und konnte mich etwas beruhigen, da er Suizidphantasien auch als eine Entlastung ansieht. Solang es denn bei Phantasien bleibt. Für den Notfall hab ich seine Handynr. und das beruhigt mich ungemein.

Dann hab ich noch die Möglichkeit wann immer ich will ihm eine Mail zu senden. Das nehme ich häufiger in Anspruch, gerade wenn diese Phantasien aufkommen. Er antwortet nicht darauf, aber für mich ist es eine große Erleichterung meine Gedanken zu formulieren und aufzuschreiben. In der nächsten Std. sprechen wir nur darüber, wenn ich davon anfange.

Mir machen diese Zustände Angst, aber da mein Therapeut so locker damit umgeht, beruhigt es mich schon wieder. Wenn jemand mit diesem Thema umgehen kann, dann wohl der Therapeut.

Also nur Mut, es ist nicht so schlimm und erleichtert wahnsinnig.

Von Einweisung war bei mir noch nie die Rede.

LG Kim

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B-Moll
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Beitrag Mi., 03.11.2010, 20:57

Hallo Kimberly,

ich danke dir für deine Ermutigung.
Ja, ich denke, es sind nur Phantasien, aber ich bin sehr oft in starken inneren Anspannungszuständen und denke dann, wie krieg ich die bloß weg. Dann kommen halt immer wieder diese Gedanken.
Ich hab trotzdem Angst vor der Stunde. Davor, mich zu öffnen, meine inneren schwarzen Gedanken auszusprechen. Nein, nicht vor einer Einweisung.
Das ist, denke ich, nicht nötig.
LG. B-Moll

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Susanna85
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Beitrag Do., 11.11.2010, 15:50

Ich möcht mich auch mal einklinken hier...
Finde das Thema sehr interessant und im moment mache ich mir selbst Gedanken darüber.

Habe auch ab und zu diese quälenden Gedanken, und konnte sie in meiner letzten Stunde
endlich ansprechen. Mein Therapeut hat angemessen darauf reagiert, ist ruhig geblieben und
ich hatte das Gefühl, dass er mich damit erst nimmt.
Am Ende der Stunde musste ich ihm auch versprechen, es nicht zu tun (zumindest bis zur
nächsten Stunde...). Eigendlich wollte ich ihm das Versprechen nicht geben, aber er hat
darauf bestanden. Was mich aber ziemlich verunsichert und traurig gemacht hat, war dann
der nachfolgende Satz von ihm, so in etwa: "Sie können sich dann umbringen, wenn Sie die
Therapie bei mir beendet haben". Diese Aussage hat mir stark das Gefühl gegeben, dass es
ihm nur um sich und seinen Ruf geht, also dass es ihm dann egal wäre, wenn er nicht mehr
in der Verantwortung steht (=durch beenden der Therapie).
Und falls das ein Witz sein sollte, kann ich darüber absolut nicht lachen...

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carö
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Beitrag Do., 11.11.2010, 16:09

hallo susanna,

ganz schön schwieriger satz.

"Sie können sich dann umbringen, wenn Sie die Therapie bei mir beendet haben"

so spontan dachte ich daran, dass er dir viell. damit auch deutlich machen will, dass es allein deine verantwortung ist, was du mit deinem leben machst... dass seine macht natürlich begrenzt ist. dass aber, solange er an deiner seite ist, es auch ihn etwas angeht. ... ich "höre" da also viel mehr ein sich an deine seite stellen heraus.

aber ich denke, es wäre sehr wichtig, ihm ganz genau zurückzumelden, wie es dir mit diesem satz ergangen ist... weil schwierig ist er schon und ich kann gut verstehen, dass man da ganz viel unterschiedliches hineininterpretieren kann.

LG
carö
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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leise
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Beiträge: 710

Beitrag Do., 11.11.2010, 19:50

Liebe Susanna,

also die Erklärung von deinem Thera würde mich auch sehr interessieren.
Der Satz ist grässlich, das kannst du ihm auch so weitergeben.

Es sollte ihm schon klar sein, dass man solche Dinge nicht ausspricht,
wenn sie nicht wirklich quälend in einem drin stecken.
Da ist echt nichts witzig dran.


leise

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