Anna-Luisa hat geschrieben: ↑Fr., 04.12.2020, 07:45
Ich würde nie einem Betroffenen die Schuld geben! Oder als verantwortlich für seine Erkrankung. Ich habe bereits mit Kollegen gearbeitet, die gelernt haben "öfter mal einen Gang zurückzuschalten" und "rückzumelden, wenn sie sich durch manche Aufgaben überlastet fühlten". Diese waren in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass es insgesamt eher unliebsame Aufgaben waren.
Es ist genau diese Gleichsetzung von psychischer Erkrankung mit "Drückebergertum" die ich absolut unterirdisch finde. Oder die Annahme, dass das auf "Kosten" der anderen "Gesunden" ginge.
Es ist genau so eine Haltung, die dazu führt, dass über solche Dinge nicht offen geredet werden kann und nach Lösungen gesucht werden kann mit den Vorgesetzten oder Personalverantwortlichen. Und zwar Lösungen, von denen *alle* etwas haben, auch die nicht unmittelbar Betroffenen. Es können alle davon profitieren, wenn es möglich ist, mal einen nicht so guten Tag zu haben, ohne gleich Angst haben zu müssen, dass man dafür an den Firmen-Pranger gestellt wird oder von den Kollegen gedisst wird. Ganz sicher wirst auch du Tage haben, Anna-Luisa, an denen du weniger als 100% leistest.
Ich sehe es übrigens als Kompetenz an, dass ich über meine Grenzen besser Bescheid weiß, und dass ich inzwischen auch weniger Scheu habe, das im Teamkontext zu thematisieren. Meine Erfahrung ist ähnlich wie No Twists: Durch längere AU war ich mehr oder weniger "zwangsgeoutet". Und es gab viele Rückmeldungen von Kollegen, die froh und dankbar darüber waren, dass durch meinen Ausfall das Thema "psychische Be- oder Überlastungen am Arbeitsplatz" mal überhaupt besprochen werden konnte. Nicht ständig und überall. Aber es war nicht mehr länger ein Tabuthema. Und dadurch haben sich im Teamkontext tatsächlich Dinge verbessert. Für alle.
Klar werde ich als psychisch Kranke auch Dinge machen (müssen), die mir nicht so liegen, das ist auch nicht das Thema. Und es ist auch meine Verantwortung, dass ich mir einen Arbeitszusammenhang suche, der mich nicht von Anfang an komplett überfordert. Es geht auch nicht darum, die Erkrankung als Freibrief zu nutzen, um unliebsame Arbeit auf die Kollegen abzuwälzen, wie du es hier immer implizierst.
Für mich hat deine Haltung etwas krass Darwinistisches. Ich hoffe für dich, dass das von dir propagierte "Survival of the fittest" dir nicht mal irgendwann auf die Füße fällt.
PS neue Beiträge noch nicht gelesen.