Wie anstrengend ist Therapie?

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Vivy
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 19:41

chrysokoll hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:36
(das belastet mich ja auch im Alltag, vor allem weil ich auch Amnesien habe, mich an anderen Stellen in der Stadt wieder finde etc.)
Ja, das ist großer Mist.
Ich hab nicht so viele Amnesien, aber ich verlaufe mich ganz gern mal, weil ich einfach nicht mehr weiß, wo ich bin, das ist richtig scheizze .
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chrysokoll
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 19:47

Vivy hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:41
Ja, das ist großer Mist.
Ich hab nicht so viele Amnesien, aber ich verlaufe mich ganz gern mal, weil ich einfach nicht mehr weiß, wo ich bin, das ist richtig scheizze .
ja, das ist bei mir leider auch so, ich dachte auch immer ich bin einfach irgendwie zu doof weil ich mich phasenweise immer mal verlaufe. Sogar auf ganz bekannten Strecken.
Ich hab erst jetzt erklärt gekriegt was das wirklich ist, jetzt ergibt das Sinn.
Dazu die Amnesien, mal mehr mal weniger, das ist richtig Mist.


montagne
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 19:50

Entspannungsverfahren sehe ich eher als punktuelle Einlage in den Stunden an, die man dann, wie gesagt im Alltag regelmäßig anwenden kann. Bzw. sich auf den Weg machen, aus der Fülle der Verfahren, das für sich geeignete zu finden.
Das Ausgleich, sich regulieren können, zur Ruhe kommen können, schwer sein kann und deshalb um so wichtiger ist, klar.

Ich denke mir halt, Therapie heißt ja letztlich das Gehirn umstrukturieren. Es ist ein Lernprozess, der so intensiv sein kann, wie in dem Lebensalter, in dem man sich therapeutisch bewegt. Und wer lernt schon als Erwachsener so extrem intensiv, wie als Kleinkind oder Kind?

Dass das Erschöpfend sein kann, finde ich normal.
amor fati

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Vivy
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 19:53

montagne hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:50
Ich denke mir halt, Therapie heißt ja letztlich das Gehirn umstrukturieren. Es ist ein Lernprozess, der so intensiv sein kann, wie in dem Lebensalter, in dem man sich therapeutisch bewegt. Und wer lernt schon als Erwachsener so extrem intensiv, wie als Kleinkind oder Kind?

Dass das Erschöpfend sein kann, finde ich normal.
Wow!

So einfach hab ich mir das noch nie klar gemacht.
Auch wenn ich immer wieder von neuen Synapsen und synapsenautobahnen rede.
Danke!
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chrysokoll
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 19:59

Vivy hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:39 Nochmal zu seiner „bist du noch da?“ Frage:

Es ist sogar so, dass ich inzwischen weiß, wann die Frage gleich kommt.
"Sind Sie noch da...?" fragt meine Therapeutin dann auch immer :)

Und ja, ich weiss auch schon Sekunden vorher wann das kommt.
Aber da bin ich dann eben schon nicht mehr da, bin schon am wegdriften, aus dem Blickkontakt raus.


Waldschratin
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 20:01

montagne hat geschrieben:Dass das Erschöpfend sein kann, finde ich normal.
Ich auch. :ja:

Aber es braucht schon auch Verhältnismäßigkeit. Da macht die Dosis für mich das Gift.
Wenn ich von Therastunde zu Therastunde hechle und dazwischen nix mehr übrigbleibt von mir für nen halbwegs vernünftigen Alltag, dann kann das nicht heilsam sein. Dann setze ich nur in der Therapie fort und in Wiederholung um, was eh schon eins der Probleme ist in meinem Leben : Mich hetzten, nie "genügen", das vegetative Nervensystem chronisch hochgeputscht durch die Traumata von Kindheit an, nicht erfahren, dass ich auch mal einfach "sein" darf, ohne im Tempo 220 durch die Tage zu hetzen und mein ganzes Leben etc.

Dann wird das zu einem der Symptome, aus deren Grund ich in Therapie gehe. Und dann braucht das seinen Platz und seine Behandlung auch dort. (Schwerpunkt auf dem "auch")

Und mal so gesagt : In den Stunden erarbeitet man sich die Knackpunkte, probiert aus, im geschützten Rahmen, was in "freier Wildbahn" zum Desaster werden könnte, wenns daneben geht.
Das Üben an sich, das Lernen dabei, umgesetzt und in sein Leben eingebaut bekommen, was man Neues angeht, macht man doch eh immer zwischen den Stunden.
Ob das nun zur Ruhe kommen lernen oder sich Disziplin angewöhnen ist.

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Vivy
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 20:08

chrysokoll hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:59
Vivy hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:39 Nochmal zu seiner „bist du noch da?“ Frage:

Es ist sogar so, dass ich inzwischen weiß, wann die Frage gleich kommt.
"Sind Sie noch da...?" fragt meine Therapeutin dann auch immer :)

Und ja, ich weiss auch schon Sekunden vorher wann das kommt.
Aber da bin ich dann eben schon nicht mehr da, bin schon am wegdriften, aus dem Blickkontakt raus.
Ja, kenn ich. Das war bei mir auch lange so.
Inzwischen ist es besser.
Ich kann auf die nicht gestellte frage antworten mit „ich bin noch da“, ohne dass ich mich mühsam und mit ganz viel konzentration zurückholen muss. Zumindest manchmal.

Das kann besser werden. ( sag ich mir auch grad selbst, denn so ist es natürlich nicht immer)
Es dauert halt seine Zeit.
Und ich glaube, grad bei sowas „archaischem“ und mächtigem, wie dem dissoziieren, bringt es nichts sich Druck zu machen.
Auch wenn man es gern „weg“ haben will, da langsam und behutsam zu machen, bringt viel mehr.
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chrysokoll
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 20:13

ja, das stimmt, das kann man überhaupt nicht erzwingen.
Ich bin da auch sehr ungeduldig mit mir.

Die ganzen antidissoziativen Skills helfen auch nur ausgewählt und entweder bei leichten Dissoziationen oder nach einer ganzen Zeit. Also bei mir ist das so.

Was ganz lustig ist:
Anfangs hat meine Therapeutin ganz klassisch versucht mich mit Fragen wieder in die Realität zu holen, also wer ich bin, wo ich bin, welches Jahr wir haben etc.
Mich bedrängt und verwirrt das aber noch mehr, das haben wir auch so besprochen, seither sagt sie die Dinge gleich selber, das find ich niedlich.

Aber: Es kommt gar nicht drauf an WAS sie sagt, aber tatsächlich kann ich mich an ihrer ruhigen Stimme aus der Dissoziation raushangeln, rausziehen lassen. Das ist klasse !

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Montana
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 20:26

Ich wünsche mir dann eigentlich nichts mehr, als in Ruhe gelassen zu werden. Jede Form von Druck macht es schwerer. Ich wurde aufgrund von Dissoziation schon in Kliniken eingeliefert; in einem Extremfall wurden Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt und ein Notarzt gerufen (von einem Arzt übrigens). Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann hätte ich gern, dass mir jemand sagt, dass er sowas nicht tun wird. Mein Therapeut weiß das. Allerdings geht er nicht raus, wie sein Vorgänger. Der hat mich auch alleine gelassen und mit dem nächsten Patienten in einem anderen Raum eine Stunde gemacht. Das fand ich gut, denn es nahm mir etwas den Druck. Der aktuelle findet Alleinelassen nicht gut. Es nach draußen zu schaffen und erst dort völlig weg zu sein, versuche ich seit jeher. Aber da ist eben das Risiko durch fremde Leute gegeben. In der Praxis wäre es sicherer.


montagne
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 20:35

Sehe ich auch so. Nur ging es ja hier erstmal um Erschöpfung nach der Stunde.
Und das finde ich nicht schlimm.

Was ich aber auch denke Aushalten muss man nicht. Das Gefühl "es ist zu viel" ist so individuell. Ich würde dann in der Therapie drüber sprechen und die verschiedenen Aspekte zu betrachten.
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Sadako
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 20:47

chrysokoll hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 20:13
Die ganzen antidissoziativen Skills helfen auch nur ausgewählt und entweder bei leichten Dissoziationen oder nach einer ganzen Zeit. Also bei mir ist das so.
Ja, das ist bei mir auch so. Oft bin ich so komplett weg, dass mir der Moment einzugreifen und selbst wenn ich merke, dass ich abdrifte, ist es mühsam mit Techniken dagegen anzuarbeiten. Wenn ich herausbekomme, was mich dazu bringt, flüchten zu wollen, oder was jemand anderes auf den Plan ruft, habe ich eine viel bessere Chance. Solche Skills nutze ich, wenn ich in einer Situation bin, wo ich „nicht sicher“ bin...in der Öffentlichkeit. Die ganze Zeit gegen Benommenheit und Weggezogen werden gegenan zu skillen ist für mich einfach furchtbar anstrengend. Deshalb versuche ich es anzunehmen, dass das eben ein Schutzmechanismus ist, den ich brauche.

Wenn das in meinem Alltag total überhand nimmt, dann weiß ich, dass etwas im Busch ist, und ich (meistens) einem heftigen Trigger ausgesetzt bin, den ich noch nicht bewusst wahrnehme, weil er mich direkt rauskatapultiert.
An solchen Stellen ist für mich, die Auseinandersetzung mit dem Mist von früher sinnvoll und nötig, deshalb, weil sich der alte Scheiss sowieso mit voller Wucht in mein Leben drängt. Mich mit Trauma systematisch zu beschäftigen und mir jeden Mist einzeln und in Technicolor anzugucken, ist für mich kein Weg und da fehlt mir auch die Kraft.

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Sadako
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 20:58

chrysokoll hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:27
Ich denke immer das ist jetzt aber meine letzte Therapie und die muss ich richtig nutzen und jede Stunde nutzen und so.

Ich denke schon jetzt sonst komm ich ja mit dem Stundenkontingent nicht hin, setze mich da selber brutal unter Druck.

Auch das merke ich erst jetzt wo ich hier schreibe.

Und klar wärs schön wenn es die letzte Therapie wäre, aber es muss nicht so sein
Das wäre vielleicht auch etwas, was du mit deiner Therapeutin ansprechen könntest. Bei mir war relativ schnell klar, dass das Richtlinienkontingent nicht ausreicht und wir haben uns dann entschieden, die Therapie mit Mitteln aus dem Fonds weiterzumachen. Als da die Bewilligung da war, ist bei mir plötzlich ganz viel möglich gewesen.ich konnte Dinge verändern und ausprobieren, wo ich vorher blockiert war. Mein Gefühl war, meine Therapeutin ist stabil da, wir haben den Rahmen und ich kann mich auf diesen Prozess einlassen.
Ich glaube, dass ist nicht zu unterschätzen, was das ausmacht, wenn dieser Druck wegfällt.


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Beitrag Mo., 31.08.2020, 22:02

chrysokoll hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:24
Waldschratin hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 18:50 Ich kann mich da auch nur anschließen! :ja:
Meine ganze Traumatherapie hat sich um Stabilisation lernen gedreht, wie ich mich "dosiert" bekomme, wie, woran und auf welche Weise ich mitkriegen und einschätzen lerne, bis wohin es "zugelassene Belastung" ist und ab wann es mich überwältigt und in Wahnsinn ausartet, wie ich mich aus Dissos selber
danke Waldschratin...
Auch bei mir ist leider Dissoziation ein ständiges, heftiges Thema.
Ich drifte in jeder Stunde weg wenns heftig wird, die Therapeutin holt mich zwar jedesmal vehement zurück, aber das ist hart und irgendwie wird das gar nicht besser.
Ok, auch da bin ich zu ungeduldig, so viele Stunden hatten wir noch nicht
Hmmm.... Ich wurde nie aus einer Disso rausgeholt.
Es gab lautes Schweigen... und Warten bis ich wieder da bin. Bis zu einer Stunde sogar. Anschließend gab es sogar kein Kommentar dazu. Mir tat das gut, in Disso sein zu dürfen. Dass sie das erträgt, in Ruhe bleibt und mir vertraut. Manchmal fragte sie mich,“ was kann Ihnen helfen“. Mehr nicht.
Das war für mich gefühlt die pure Liebe.
Ich selbst habe mir keinen Druck gemacht rauszukommen. Wozu? Es war doch sicher dort.
Tja und ich bin aktuell und relativ lange Disso- frei.

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Pianolullaby
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Beitrag Mo., 31.08.2020, 22:47

DieBeste hat geschrieben: Mo., 31.08.2020, 19:37 Wie muss man sich das genau vorstellen mit der Dissosation?
Da gibt es x Varianten der Dissoziation, vllt liest du dich mal ein wenig ein in das Thema oder fragst Deinen Therapeuten, denn das ist bei keinem Menschen gleich, und hilft Dir wohl wenig, wenn dir jeder was anderes erzählt.
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum


Waldschratin
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Beitrag Di., 01.09.2020, 07:33

Bilderbuch,
aus den Dissos rausgeholt von meinem Thera wurde ich auch nur ganz selten, wenn das mal in der Stunde passierte.
Allerdings habe ich diesen gelähmten, in mir selber gefangenen Zustand der Ohnmacht nienienie als irgendwie sicher oder angenehm empfunden.
Das war und ist für mich das Maximum an ausgelieferten sein.

Ich wollte von Anfang an möglichst schnell es SELBER können, mich im Notfall da schnellstmoeglich wieder rauszukriegen.
Und noch wichtiger war mir, dass ich da gar nicht erst wieder reingeraten muss.

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