Psychotherapie - wollen aber nicht können?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
Benutzeravatar

Scars
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 27
Beiträge: 1555

Beitrag Di., 26.05.2020, 20:46

Kann es sein, dass du dich einfach sehr schämst? Glaube in einem Umfeld wie deinem ist die Hürde nochmal höher. Ich denke, dass was Wahres dran ist, dass die Menschen, die es wirklich wert sind, bleiben - und die, die nicht bleiben, auch gehen dürfen. Es geht bei dem Ganzen vor allem um dich und dein Leben. Und du hast nur eins davon!
Remember to leave pawprints on hearts.

Werbung

Benutzeravatar

Montana
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 3360

Beitrag Di., 26.05.2020, 21:43

Und manchmal ist es auch so, dass andere sich auch offenbaren, wenn man erzählt, dass man eine Therapie macht. Die sich vorher auch nicht getraut haben, davon etwas zu sagen, wegen den Leuten mit der großen Klappe, die erst reden und das Denken überspringen.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
bakerygirl
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 95

Beitrag Di., 26.05.2020, 21:52

Montana hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 12:48 Kannst und willst du wirklich dein ganzes Leben lang keine Kinder bekommen? Weißt du, meine Angst war da immer, ich könnte wie meine Mutter werden. Niemals hätte ich mich einem Kind zumuten wollen. Aber wir sind als Menschen dazu fähig, uns weiterzuentwickeln. Wünsche ändern sich und Fähigkeiten auch. Allein, dass du so reflektiert bist, ist schon der erste Schritt dazu. Vielleicht wirst gerade du eine wunderbare Mutter sein, weil du dir der Größe dieser Aufgabe voll bewusst bist. Also sag bitte nicht, dass du niemals Kinder haben wirst, weil du dazu sowieso nicht taugst. Inzwischen bin ich übrigens selber Mutter geworden, mit 38 erst. Mit 28 wäre ich ganz sicher keine gute Mutter gewesen, aber ich bin "gewachsen ".
Ich weiß es nicht, ich denke aber eher nicht. Ich meine, ich liebe Kinder, wirklich, aber ich habe mich eigentlich nie als Mutter gesehen (wenn ich mich jetzt mit anderen vergleiche). Ich bin schon alleine total beziehungsunfähig und wüsste nicht (sofern es sich jemals ergeben sollte), dass ich einem Kind ein Gefühl von Liebe vermitteln könnte. Ich bin emotional so kalt wie ein Eisblock.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
bakerygirl
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 95

Beitrag Di., 26.05.2020, 21:54

Pianolullaby hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 18:41 Ganz ehrlich, ich sehe nicht, dass Du weit genug unten bist, um eine Therapie zu beginnen. Dir geht es noch immer zu gut, denn du erfindest jegliche Ausreden, nur um dich nicht mit Dir zu beschäftigen, genau wie Du dich nicht mit Deinen Gefühlen beschäftigen willst.

Provokant? ja auf jeden Fall, aber vllt erkennst Du da drin was? Dann hätte ich damit mein Ziel erreicht
Ja stimmt wahrscheinlich. Ich bin voriges Jahr auch nur zur Therapie hingegangen, weil ich es keinen Tag länger mehr ausgehalten hätte und im Nachhinein betrachtet hat es mir auch in der Hinsicht geholfen, dass ich mir damals wirklich nichts angetan habe (auch wenn ich nicht direkt konkrete Absichten hatte).

Werbung

Benutzeravatar

chrysokoll
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 45
Beiträge: 3984

Beitrag Di., 26.05.2020, 21:55

bakerygirl hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 21:52
Ich weiß es nicht, ich denke aber eher nicht. Ich meine, ich liebe Kinder, wirklich, aber ich habe mich eigentlich nie als Mutter gesehen (wenn ich mich jetzt mit anderen vergleiche). Ich bin schon alleine total beziehungsunfähig und wüsste nicht (sofern es sich jemals ergeben sollte), dass ich einem Kind ein Gefühl von Liebe vermitteln könnte. Ich bin emotional so kalt wie ein Eisblock.
und damit sind wir wieder am Anfang. Willst du so bleiben, willst du das so lassen?

Ich empfinde dich hier übrigens überhaupt nicht emotionslos, gar als Eisblock, im Gegenteil.
Auch und grade an diese Selbsteinschätzung kann man arbeiten.

Ich hatte meine Tochter ja auch nicht geplant, es ist halt passiert, wie das oft der Fall ist.
Aber ich denke ich hab meine Sache soweit gut gemacht, das bestätigt sie jedenfalls, nicht nur mit Worten sondern durch ihre Art, ihren Lebensweg, und das freut mich so, das macht mich stolz.
Das zeigt einfach auch: Man kann an sich arbeiten, man kann sowas durchbrechen, und es lohnt sich!

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
bakerygirl
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 95

Beitrag Di., 26.05.2020, 21:57

Scars hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 20:46 Kann es sein, dass du dich einfach sehr schämst? Glaube in einem Umfeld wie deinem ist die Hürde nochmal höher. Ich denke, dass was Wahres dran ist, dass die Menschen, die es wirklich wert sind, bleiben - und die, die nicht bleiben, auch gehen dürfen. Es geht bei dem Ganzen vor allem um dich und dein Leben. Und du hast nur eins davon!
Ja ich schäme mich. Es ist nicht so dass ich irgendjemanden verurteile der in Therapie ist oder psychische Probleme hat. Ich versteh das bei allen anderen vollkommen und kann es auch nachvollziehen, nur bei mir nicht. Ich schäme mich deshalb, weil ich immer die starke war und das das einzige war wofür ich bewundert wurde. Jetzt bin ich eine hässliche, dicke, weinerliche Person die nichts auf die Reihe bringt (ja es strotzt nur so vor Selbstmitleid)

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
bakerygirl
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 95

Beitrag Di., 26.05.2020, 22:02

chrysokoll hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 21:55
bakerygirl hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 21:52
Ich weiß es nicht, ich denke aber eher nicht. Ich meine, ich liebe Kinder, wirklich, aber ich habe mich eigentlich nie als Mutter gesehen (wenn ich mich jetzt mit anderen vergleiche). Ich bin schon alleine total beziehungsunfähig und wüsste nicht (sofern es sich jemals ergeben sollte), dass ich einem Kind ein Gefühl von Liebe vermitteln könnte. Ich bin emotional so kalt wie ein Eisblock.
und damit sind wir wieder am Anfang. Willst du so bleiben, willst du das so lassen?

Ich empfinde dich hier übrigens überhaupt nicht emotionslos, gar als Eisblock, im Gegenteil.
Auch und grade an diese Selbsteinschätzung kann man arbeiten.

Ich hatte meine Tochter ja auch nicht geplant, es ist halt passiert, wie das oft der Fall ist.
Aber ich denke ich hab meine Sache soweit gut gemacht, das bestätigt sie jedenfalls, nicht nur mit Worten sondern durch ihre Art, ihren Lebensweg, und das freut mich so, das macht mich stolz.
Das zeigt einfach auch: Man kann an sich arbeiten, man kann sowas durchbrechen, und es lohnt sich!
Nein natürlich nicht, aber ich denke, dass ist eben mein Charakter so bin ich nunmal.
Mir wurde schon unabhängig voneinander von mehreren Personen gesagt, dass mein zukünftiger Mann (welcher?) und meine Kinder (selbe Frage?) schon ordentlich abgebrüht sein müssen damit sie mich aushalten.
Ich bin in mancher Hinsicht einfach knallhart. Beispielsweise wenn meine Schwester unterwegs ist und nicht nach Hause kommt und meine Mutter sich den ganzen Tag Sorgen macht wo sie bleibt etc. Ich sag ihr knallhart ins Gesicht, spätestens wenn die Polizei und das Kriseninterventionsteam vor der Tür steht wissen wir es. Das war jetzt vlt ein blödes Beispiel aber ich bin einfach teilweise so herzlos. Ich hätte Angst das auch auf mein Kind so zu vermitteln und das kann ich nicht einfach ablegen.

Benutzeravatar

chrysokoll
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 45
Beiträge: 3984

Beitrag Di., 26.05.2020, 22:12

das ist nicht herzlos sondern völlig realistisch.

Ich seh da aber viel zu viel Verstrickung mit anderen Leuten, mit deiner Familie etc.
Wer sind diese anderen Personen dass sie so ein Urteil über dich abgeben können und dürfen und du das auch noch glaubst ?

Benutzeravatar

lisbeth
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 4023

Beitrag Mi., 27.05.2020, 07:11

bakerygirl hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 21:57 Ich schäme mich deshalb, weil ich immer die starke war und das das einzige war wofür ich bewundert wurde.
bakerygirl hat geschrieben: Di., 26.05.2020, 12:18 Jeder hat ja eine Rolle in seinem Freundeskreis und ich war immer die entspannte, die alles regelte und alles im Griff hatte, ich habe dann das Gefühl, mir wird diese Rolle weggenommen.
Kann es sein, dass du dich so an deine "Rollen" klammerst, weil du sonst nix hast?
Willst du wirklich, das die anderen - egal ob deine "Freunde" oder Familie - bestimmen, wie du sein sollst?
Fragst du dich nie, wie du *wirklich* bist, jenseits dieser Rollen, die du FÜR DIE ANDEREN spielst?
Ich kenne das, diese Angst, was passiert, wenn ich nicht den Erwartungen der anderen entspreche. Und die Angst, dass man dann auf sich alleine gestellt ist. Aber ganz ehrlich: Alleine bist du jetzt schon. Mutterseelenallein.

Wenn sich das ändern soll, dann solltest du damit aufhören, dich selbst auch noch allein zu lassen. Denn dann kannst du auch damit anfangen, dich anderen so zu zeigen wie du tatsächlich bist und dann weißt du auch, dass es wirklich um dich selbst geht und nicht um die Rolle die du in den Augen der anderen erfüllen sollst oder die Funktion die du für die anderen hast...

Und damit bin ich hier erstmal raus, weil mir von dem Im-Kreis-drehen langsam schwindelig wird...
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

Benutzeravatar

Scars
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
anderes/other, 27
Beiträge: 1555

Beitrag Mi., 27.05.2020, 09:58

Naja. Mit relativer Sicherheit bist du weder herzlos noch dick und hässlich und hast einen „schlechten“ Charakter. Auf mich wirkt das eher so, als würdest du deine Aggressionen auch mental gegen dich richten. Dein Ego ist jetzt halt zusammengebrochen, weil es logischerweise irgendwann den Punkt gibt, wo’s nicht mehr geht die Starke zu spielen, wenn man innerlich eingeht. Vielleicht gibt dir deine Essstörung kurzfristig narzisstische Aufwertung aber langfristig wird es dich nicht retten. Zudem scheinst du in einem Umfeld zu leben, in welchem du krank geworden bist und welches es sich vllt auch ein bisschen einfach macht - darin kann man nicht gesunden.

Wenn du willst, mach halt erstmal dein Studium zu Ende. Irgendwie geht’s immer weiter, vielleicht kommst du irgendwann an den Punkt, wo dir alles andere egal ist und du über deinen Schatten springst. Vielleicht verändert sich etwas so in deinem Leben, dass du’s gar nicht mehr brauchst. Tatsächlich - auch wenn sich‘s manchmal nicht so anfühlt und schrecklich schwierig sein kann - haben wir unser Schicksal ein Stück weit selbst in der Hand.
Remember to leave pawprints on hearts.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
bakerygirl
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 95

Beitrag Mi., 27.05.2020, 21:17

Ich bedanke mich bei euch allen mal für die Antworten. Es hat mir schon mal gut getan mich auszutauschen, da ich sonst immer das Gefühl habe komplett alleine mit dem Thema zu sein.
Ich werde es jetzt mal bis Anfang Juli so weiterlaufen lassen und hoffe, dass ich das mit dem Studium hinbekomme.
Ich werde jetzt nochmal den Versuch starten mir selbst da ein bisschen zu helfen (auch wenns nur ein bisschen besser werden sollte). Ich danke euch!

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
bakerygirl
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 95

Beitrag Mo., 08.06.2020, 21:40

Nachdem mein letzter Beitrag gerade mal etwas über 1 Woche her ist, bin ich jetzt kurz davor mir endgültig einzugestehen, dass es einfach nicht mehr geht, da es von Tag zu Tag immer schlimmer wird.

Bevor ich mich allerdings schlussendlich doch an einen Therapeuten wende, wollte ich fragen ob ihr persönlich der Ansicht seit, dass Therapie wirklich helfen kann? Mir scheint momentan einfach alles so aussichtslos und ich weiß nicht wie Gespräche mir da raushelfen sollen. Ich sehe die Therapie als letzten Rettungsanker und habe Angst, dass mir hierbei nicht geholfen werden kann.

Mir ist klar, dass wenn ich es nicht versuche ich es auch nie wissen kann, aber wenn ich hier häufig lese, dass Leute jahrelang in der Therapie sind bekomm ich Angst.
Bitte versteht das jetzt nicht falsch, aber manche von euch sind ja hier schon ziemlich lange registriert und auch in Therapie, seid ihr denn glücklich geworden? Haben sich eure Probleme signifikant gebessert?


GuterGeist2019
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 48
Beiträge: 332

Beitrag Mo., 08.06.2020, 22:31

Für mich persönlich kann ich deine Frage nach signifikanter Besserung ganz klar mit JA beantworten.

Ich bin seit gut drei Jahren in einer Folgetherapie nach sexuellem Missbrauch durch den ersten "Therapeuten", bei dem ich wegen Missbrauchs und Abwertung in der Kindheit, Bedrohung sowie mehrerer Gewalterfahrungen Hilfe gesucht hatte.

Zu Beginn der Folgetherapie war ich phasenweise suizidgefährdet und hatte weder Vertrauen in mich und meine Wahrnehmung, noch in Therapie und Therapeuten. Ich war misstrauisch und emotional sehr instabil. Meine Stimmung war oft gedrückt und ich hatte wenig Hoffnung auf große Therapieerfolge.

Meine jetzige Therapie wird in absehbarer Zeit enden. Ich bin ein bisschen wehmütig, aber zuversichtlich, dass ich dann alleine klarkomme. Wir sprechen auch über den Abschied und wie wir ihn gestalten, damit es für mich gut ist.

Ich habe so vieles bearbeitet, verstanden, gelernt - und auch verändert! Es geht mir über weite Strecken gut. Ich konnte den Missbrauch in der Vortherapie bearbeiten, habe begriffen, was da eigentlich abgelaufen war - und wir sind auch die Probleme angegangen, wegen derer ich mich damals überhaupt in die erste. Behandlung begeben hatte.

Natürlich kannst nur du selbst entscheiden, ob du eine Therapie machen möchtest. Ein Spaziergang ist es nicht und auch nicht immer passen Therapeut oder Therapieform auf Anhieb - dennoch kann Psychotherapie eine große Chance sein. Außerdem: So wie es jetzt ist, geht es dir ja auch nicht gut.

Für mich war/ist die aktuelle Therapie absolut hilfreich, gerade nach dem Vertrauensbruch in der "Therapie" davor. Ich bin froh, mich trotz allem nochmal einem Therapeuten geöffnet zu haben und erfahren zu dürfen, was mit Einsatz (auf beiden Seiten) und Professionalität möglich ist.

Klar gibt es unterschiedliche Verläufe hier im Forum zu lesen - aber das sollte dich nicht "abschrecken". Gemeinsam haben wir doch alle, dass wir unser Bestes geben - für ein besseres Leben. Jeder individuell mit seiner Geschichte und nach seinen Erfahrungen und Möglichkeiten.

Was aber doch zählt, ist DEINE persönliche Situation - und wie du sie verbessern kannst.

Viel Glück!

Benutzeravatar

GlaubAnDieSonne
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 36
Beiträge: 70

Beitrag Di., 09.06.2020, 12:19

Liebe bakerygirl,
in vielen deiner Posts finde ich mich persönlich wieder.

Meine Eltern waren auch stets überfordert, meine Schwester hatte viele Probleme und auch heute noch ständig irgendwas. Ich war die Starke, eben die, die funktioniert, weil bei einer muss ja das Leben einfach mal gut laufen.
Dass man so früh auf sich alleine gestellt ist und faktisch vernachlässigt wurde (ich habe immer noch Probleme damit, dass so richtig in seiner Härte einzusehen) gibt einem viel mit fürs Leben. Negatives, aber auch Positives.

Was wir lernen:
Autonom und selbstständig sein. Sich um sich selbst kümmern, sich selbst beruhigen zu können und die eigenen Probleme selbst anzupacken, ohne sich wegen jedem Mist Hilfe suchen zu müssen. Wir haben gelernt, die Arschbacken zusammenzukneifen und einfach unseren Weg zu gehen.

Was wir nicht lernen:
Dass wir uns wegen jedem Mist Hilfe suchen DÜRFEN, wenn wir dies möchten oder einfach mal brauchen. Dass wir nicht schwach sind, wenn wir uns auch einmal anlehnen. Und ganz wichtig (was ich leider von meiner Familie auch anders eingespeichert habe), dass wir nicht „zu viel“ sind und uns auch niemandem „aufbürden“, wenn wir uns an jemanden wenden.

Jetzt die gute Nachricht, wie ich es zumindest aus meiner Therapie kennengelernt habe: Das, was ich gelernt habe, ist geblieben. Ich bin immer noch autonom und kann mich um mich selbst kümmern, ich bin immer noch „stark“. ABER ich habe auch gelernt, mich im Freundeskreis anzuvertrauen, mir Hilfe zu holen und mich einfach mal „zuzumuten“. Auch für meine Freunde war ich immer die Starke, die, an die man nicht so rankommt (emotional gesehen).

Meine größte Angst war, dass mich plötzlich alle anders wahrnehmen würden. Dass ich plötzlich „die Schwache“ bin, das Häufchen Elend, dass es nicht alleine packt und nur noch Mitleid erntet. Dies hat sich allerdings bei keinem einzigen meiner Freunde bestätigt. Ich bin immer noch „die Starke“, jetzt allerdings mit mehr Tiefe, wenn ich das so sagen darf. Sich Hilfe zu holen, ist auch stark. Das ist wirklich etwas, dass ich lernen musste und das war nicht einfach.

Ich bin es auch überhaupt nicht gewohnt über mich selbst zu sprechen. In Therapie (nach 3 Jahren) rede ich übrigens immer noch nicht groß und schon gar nicht von mir aus. Es werden Fragen gestellt und ich antworte. Am Anfang war es so extrem, dass ich bald nichtmal auf die Frage nach meinem Namen geantwortet hätte, um es mal etwas übertrieben zu formulieren. Mittlerweile geht das sehr viel besser. In der Therapie kann ich einfach sein. Es wird vollkommen so akzeptiert. Ich werde genauso mit dieser Schwäche angenommen. Und genau dadurch konnte ich mich im Freundeskreis öffnen. Nicht auf Nachfrage, sondern von mir eingeleitet. Ich nehme mir jetzt diesen Raum, wenn ich das möchte und brauche. In der Therapie klappt das überraschenderweise weniger. Da rede ich wie gesagt nicht von mir aus. Aber das wichtigste war mir auch, dass es „im echten Leben“ klappt. Deshalb habe ich mich auch darauf konzentriert. Aber durch seine Art. Dass ich da einfach schweigend und überfordert sitzen darf und er mir mit Fragen etc. auf die Sprünge hilft, hat überraschenderweise echt viel geändert. Wie genau das funktioniert verstehe ich bis jetzt nicht.^^

Es ist für mich immer noch seltsam. Man sitzt da, schweigt, spricht darüber, dass man nicht sprechen kann. Dass es komisch ist, zu unwichtig, zu ungewohnt und was nicht alles. Gefühlt hat man die Stunde in Sand gesetzt und dennoch bewegt sich im privaten so viel. Ich begreife es wirklich nicht, aber es funktioniert. 😊

Ich habe übrigens keine Diagnose und brauche auch keine. Meinen Freunden habe ich einfach erzählt, dass ich in Therapie bin, um Dinge aufzuarbeiten oder besser klar zu kommen. Wurde so akzeptiert. Ich werde kein Stück anders behandelt. Die Freundschaften sind einfach noch enger und stabiler geworden.

Das war aber definitiv nicht leicht! Ich will das nicht beschönigen. Du willst nicht wissen, wie meine ersten Versuche aussahen, jemandem was zu erzählen :D Damals war das gar nicht lustig für mich, aber heute kann ich mit meinen Freunden darüber lachen. Aber es war wirklich schwierig für mich, ich habe mich dämlich dabei gefühlt und im Nachhinein war es mir immer unvorstellbar peinlich. Inzwischen ist es mir wurscht.

Benutzeravatar

GlaubAnDieSonne
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 36
Beiträge: 70

Beitrag Di., 09.06.2020, 12:21

Also um deine Frage zu beantworten: Ja, Therapie hilft definitiv. Auch bei absoluten Stillschweigern wie uns, die sehr darauf bedacht sind, ja niemandem „zu viel“ zu sein, ja niemanden zu belasten oder gar Zeit „zu stehlen“ und dass auch noch wegen so unwichtigen Kinkerlitzchen wo andere doch ganz andere Sorgen haben. An sich thematisiert haben wir dieses Problem vielleicht ein oder zwei Sitzungen in der Therapie. Man kann das definitiv lernen, auch wenn es erstmal unmöglich scheint.

Meine Familie weiß übrigens bis heute nichts von der Therapie und das habe ich momentan auch noch vor so zu halten. Denn bei ist es wie bei dir: Meiner Familie (insbes. Meinen Eltern) wäre das u viel. Ganz wichtig an dieser Stelle zu unterscheiden: Es IST NICHT zu viel, ICH bin NICHT zu viel, aber es wäre IHNEN zu viel, weil SIE damit nicht umgehen können. Das hat nichts mit mir zu tun. Dennoch wäre es für mich eine Mehrbelastung, weil sie eben damit nicht umgehen könnten und mir Druck machen würden, das in Griff zu bekommen und wie schlimm das doch für sie ist, weil sie sich jetzt solche Sorgen machen müssen und oh oh oh….Kann dich also vollkommen verstehen, dass die Vorstellung, es deinen Eltern (v.a. deiner Mutter) zu erzählen, dir vollends widerstrebt.

Was du machen könntest, ist erstmal die Psychologische Beratung deiner Uni zu nutzen. Die kostet nichts. Da war ich auch ein Jahr lang. Dann brauchst du deinen Eltern erst einmal nichts zu erzählen.

Ansonsten kann man einmal im Quartal ja eine Beratungssitzung bei einem Therapeuten machen, wenn ich mich nicht irre. Wäre ja auch besser als gar nicht. Du könntest auch mal deine Therapeutin fragen, ob es Zuschüsse gibt, die man bei Krankenkassen beantragen kann oder ob sie andere Hilfestellen und Alternativen kennt. Therapeuten sind gerade in dem Bereich natürlich am besten vernetzt. Außerdem bekommst du qualitative Aussagen, auf die du dich in der Regel verlassen kannst, was bei Internetrecherchen ja nicht immer der Fall ist.

Ich wünsche dir auf jeden Fall für deinen Weg alles Gute! Entschuldige bitte den langen Post.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag