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Sa., 02.11.2019, 13:56
Hey Suspiria, weiß denn Thera B, dass du von Thera A kommst? Wenn nicht würde ich ihr das auf jeden Fall so schnell wie möglich sagen, denn sonst könnte es passieren, dass sie dir dann, sobald sie das erfährt (und das wird die auf jeden Fall erfahren, weil sie bei der Krankenkasse die Übernahme der Stunden beantragen muss) doch noch absagt und dann würdest du viel Zeit für die Suche nach einem anderen Therapeuten verlieren.
Falls sie es schon weiß, fände ich das sehr ungewöhnlich, wenn sie dich nimmt. Normalerweise ist die Regelung in Gemeinschaftspraxen so, dass man Patienten, wenn man feststellt, dass ein Kollege besser passen würde, an den/die passende/n Kolleg/in freiwillig weiterleitet, aber ein "Fischen in fremden Gewässern", also ein "Abwerben" von Patienten gegen dessen Wunsch ist in einer Gemeinschaftspraxis eigentlich tabu, weil das die Gefahr birgt, dass es zu unnötigen Konflikten zwischen den Kollegen kommt, die man in einer Gemeinschaftspraxis, wo man sich jeden Tag sieht, eigentlich nicht haben will. Da wird der Frieden der Arbeitsgemeinschaft in der Regel über den Wunsch eines einzelnen Patienten gestellt.
Davon abgesehen weiß ich nicht, ob das wirklich für dich eine gute Situation wäre. Auch wenn du es nicht beabsichtigst, ist in meinen Augen schon die Gefahr einer Verstrickung in so einer Konstellation hoch und ich würde vielleicht doch noch mal genau bei dir schauen, was dich dazu bewegt, zu Thera B gehen zu wollen. Eine Thera besteht ja nicht nur aus ihrer Qualifikation und einer sympathischen Art, sondern ist auch selbst in ein soziales Umfeld eingebunden, was auch Einfluss auf die Therapie haben wird, ob sie das will oder nicht. Wenn du eine Therapie, von der man ja am Anfang sowieso noch nicht weiss, wie sie sich entwickeln wird, von Anfang an unter eher ungünstigen Rahmenbedingungen anfangen willst, dann würde ich vermuten, dass du da entweder (vielleicht unbewusst, ohne es selbst zu bemerken) gewisse Spaltungstendenzen oder du hast wenig Problembewusstsein für schwierige soziale Situationen. Denn das ist in meinen Augen eine schwierige soziale Situation, in jedem Fall für die beiden Therapeuten, wahrscheinlich auch für dich, denn du wirst ihm mit Sicherheit irgendwann dort über den Weg laufen und du wirst auch immer die Gedanken mit dir herumtragen ob und wenn ja wie die beiden über dich reden.
Noch ein Nachsatz zur rechtlichen Situation bezüglich Schweigepflicht: Die beiden dürfen sich nicht ohne deine ausdrückliche Zustimmung über dich austauschen. Allerdings dürfen sich Therapeuten in sogenannten Supervisionen oder Intervisionen in anonymisierter Form fachlich austauschen. Meistens wird dann zur Unterscheidung dann der erste Buchstabe des Nachnamens verwendet, also z.B. "Frau S.", manche vergeben aber auch so eine Art Spitznamen für ihre Patienten z.B. "die Kaufsüchtige" , "das Muttersöhnchen" o.ä. In Gemeinschaftspraxen gibt es häufig solche Intervisionsgruppen, so dass schon eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass Thera A dort in anonymisierter Form von dir berichtet hat.
Normalerweise ist das kein Problem, da die Kollegen dich ja nicht kennen, sind i.d.R. keine Rückschlüsse auf deine Identität möglich, aber wenn die Thera B im Rahmen der Therapie viele Details aus deinem Leben kennen lernt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie frühere Berichte, die Thera A über dich gemacht hat, anhand ihrer Informationen entschlüsseln und dir zuordnen kann. Inwieweit sie sich von diesen Vorinformationen von Thera A beeinflussen lässt, kann natürlich keiner sagen, aber sie ist sicherlich dann nicht so unvoreingenommen, wie eine Therapeutin, die noch nichts über dich gehört hat. Sobald bekannt ist, dass 2 Therapeuten eine Patientin kennen wird allerdings meist vereinbart, dass in dieser Intervision nicht mehr über die Patientin gesprochen wird. Thera A wird also wahrscheinlich offiziell nichts mehr über deinen Therapieverlauf bei Thera B zu hören bekommen. So zumindest die Theorie. Ob und wenn ja die beiden sich u.U. auch an der einen oder anderen Stelle über die Schweigepflicht hinwegsetzen in dem Wissen, dass es ja keiner Erfahren wird, so lange keiner von beiden was darüber sagt, weiß natürlich niemand, sollte ihnen aber auch niemand automatisch unterstellen.
Du siehst also, ganz so unproblematisch ist diese Situation nicht. Ich würde mir gut überlegen, ob ich den Start einer neuen Therapie wirklich mit einer solchen Hypothek belasten will oder nicht doch lieber schaue, ob ich noch eine andere geeignete Therapeutin finde und notfalls halt noch etwas warte. Wenn du das aber wirklich so machen willst, würde ich dir zur Vermeidung unguter, verstrickter Dynamiken empfehlen, die Sache mit maximaler Transparenz zu handhaben, also auch bei Thera A mit offenen Karten zu spielen, beide Therapeuten werden es sowieso irgendwann erfahren, dass lässt sich in einer Gemeinschaftspraxis mit gemeinsamem Wartezimmer wohl kaum vermeiden...
It is better to have tried in vain, than never tried at all...