Transgenerationale Traumatisierung

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Solage
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 19:41

https://www.bundestag.de/resource/blob/ ... f-data.pdf

Link: Transgenerationale Traumatisierung: Deutscher Bundestag.

Auszug:
"2.1. Der psychoanalytische Ansatz
Dem psychoanalytischen Ansatz zufolge führen das ungelöste Trauma, dessen mangelnde emotionale Verarbeitung sowie die verdrängten bzw. unbearbeiteten Traumafolgen bei den Opfern zu
emotionalen Störungen, die sich schädlich auf nachfolgende Generationen auswirken können.
Die den Holocaust überlebenden Eltern neigen demnach dazu, ihr traumatisiertes Ich unbewusst
auf die sich entwickelnde Persönlichkeit ihrer Kinder zu externalisieren, indem sie diese – ebenfalls unbewusst – zu wesentlichen Adressaten ihrer unerwünschten und verstörenden Emotionen
machen. Aufgrund dessen absorbieren die Kinder „die verdrängten, ungenügend verarbeiteten
Holocaust-Erfahrungen“ der traumatisierten Eltern sowie deren Wünsche und Erwartungen.“ Das
Kind entwickelt aufgrund dieser Einflüsse spezifische Verhaltensweisen, etwa indem es die
„Pflicht der Trauerarbeit und der Rückgängigmachung der Erniedrigungs- und Hilflosigkeitsgefühls“, das durch die traumatischen Erfahrungen der Eltern hervorgerufen wurde, übernimmt.
"Die Traumaweitergabe ist insofern sekundär, als die Kinder die von den Eltern verleugneten und
daher nur unbewusst vermittelten traumatischen Erfahrungen und Emotionen wie Wut, Trauer
und Angst nur indirekt und verzerrt wahrnehmen und nachempfinden können. Auch wenn die
Eltern ihren Kindern die Belastungen der eigenen Traumatisierungserfahrungen ausdrücklich ersparen wollen, werden, so Kellermann, diese Emotionen von den Kindern „in einem Prozess der
»projektiven Identifikation« aufgenommen, absorbiert und inkorporiert“. Solche indirekten Auswirkungen der elterlichen Traumatisierung auf die Kinder wurden besonders häufig bei Kindern
beobachtet, die um die Gesundheit der Eltern besorgt waren oder zu Schuldgefühlen wegen des
Leids der Eltern neigten.9 Aus psychoanalytischer Sicht kann die transgenerationale Traumaweitergabe durch verschiedene Mechanismen wie Symbiose, Empathie, Bindung, Verstrickung, Identifikation und Akkulturation erfolgen.10"

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Solage
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 19:45

Marie3punkt0 hat geschrieben: Mo., 30.09.2019, 19:39 Es geht m.E. ganz stark darum, von welchen Taten die Redr ist. Und da habe ich für mich klare Definitionen, dass ein Täter ein Täter ist, UNABHÄNGIG davon, ob er selbst auch Opfer war/ist.

Alles andere.. kein Mensch ist fehlerlos. Gerade im Alltag ist das Wort "Täter" ohne relevante Tat meiner Meinung nach unpassend.
Ich meine auch juristisch Täter!


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 19:47

Vielleicht wird es verständlicher wenn man bei sich selbst mal guckt was z.B. der Anschlag auf das World Trade Center und die zahlreichen Terroranschläge mit einem selbst gemacht haben. Ich bin sicher, hätte ich zu diesem Zeitpunkt Kinder bekommen, dann hätte ich diese nicht mehr so angstfrei erziehen können, wie vor den Anschlägen. Selbst wenn ich meinen Kindern gesagt hätte "Klar, geh auf die Großerveranstaltung", meine Kinder hätten trotzdem meine Angst und Unruhe zu spüren bekommen. Ich hätte meinen Kindern meine eigenen Ängste weitergeben, selbst wenn ich mich bemüht hätte eigene Ängste die Kinder nicht spüren zu lassen. Kinder spüren es trotzdem.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 19:50

Übrigens, super interessant die ARD-Apha Doku. Ich gucke sie gerade. Sie berichtet auch darüber wie schwer es ist den Teufelskrieslauf zu durchbrechen. So einfach ist das nicht.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Solage
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 19:53

Jenny Doe,

es geht mir nicht darum, dass es verkehrt ist, wenn Eltern aufgrund schlimmer Erfahrungen eben Ängste an die Kinder weitergeben, das ist für mich eben etwas, was nicht so leicht beeinflusst werden kann. Dass auch immer etwas passieren kann und man nie sicher sein kann, ist mir klar.Und ja, diese Ängste durch Krieg und Verfolgung, die sind mir vielleicht vererbt worden.
Aber, wenn mich jemand misshandelt, missbraucht, dann muss das nicht passieren, weil die Eltern so etwas vielleicht erlebt haben, oder es ihnen gerade schlecht geht!

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Solage
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 19:55

Danke Jenny, ich suche jetzt auch mal den Fernsehkanal!

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stern
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 20:00

Ich schaue die gerade auch. Hammer. Aber obwohl ich schon alles abgedunkelt habe, quatschen meine Vögel dauernd rein, so dass ich hoffe, dass ich sie in der Mediathek nochmals in Ruhe ansehen kann, um alles zu verstehen. :lol:

Die Mutter, die selbst Opfer war und gegenüber ihrer Tochter zur Täterin würde, finde ich heftig. Erinnert sie sich wirklich nur teilweise an ihre Taten oder ist das Leugnung (die es lt. Huber, die auch zu Wort kommt, u.a. auch gibt). Und wie kann man dann wieder zu dem Mann zurück, wenn man selbst glaubt, dass er die Tochter missbrauchte.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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Solage
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 20:01

Ich finde die nicht.

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Solage
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 20:03

Hab`s gefunden!


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 20:09

Die Doku ist leider schon zu Ende. Jetzt kommt Teil 2 über Genetik.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Beitrag Mo., 30.09.2019, 20:13

Ich finde den Teil 2 auch sehr interessant!

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stern
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 20:14

Am 1.10 wird sie nochmals wiederholt. In der Mediathek finde ich sie nicht. Aber auf youtube wäre sie auch abrufbar.
Liebe Grüße
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saffiatou
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Beitrag Mo., 30.09.2019, 22:52

Teil zwei war zwar interessant, aber am Thema : Trauma und Genetik vorbei.


In der Diskussion hier werden unterschiedliche Dinge miteinander vermischt und einiges falsch verstanden, bzw. bewertet.

1. Wenn meine Eltern, oder Großeltern traumatisiert sind, dann können sie es an mich weitergeben:

A. Je nach den Traumen, die sie erlebt haben: sie misshandeln oder missbrauchen mich ebenfalls, etc

B. Oder auch noch zusätzlich indem durch die epigenetik ihr Stress an mich weitergegeben wird.

C. Sie ständig in einem erhöhten stresslevel leben und das Verhalten an mich weitergeben


2. Das Wort Stress wird falsch verstanden, es ist hin diesem Fall ein biologisch/ psychisch/ medizinischer Stress, der mit dem was wir heutzutage als Stress bezeichnen nichts zu tun hat.

3. Die Vermischung von traumaweitergabe und Schuld und Verantwortung.


Diese Begriffe müssen in der Diskussion hier getrennt werden.
never know better than the natives. Kofi Annan

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Marie3punkt0
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Beitrag Di., 01.10.2019, 05:34

Jenny Doe hat geschrieben: Mo., 30.09.2019, 19:20
Wenn ich einem Täter den freien Willen abspreche, dann mache ich den auch zum Opfer und ich bin dann das Opfer vom Opfer, oder?
Sind Kriefsopfer usw. keine Opfer?
Ja, es ist so, dass ein Opfer das Selbsterfahrene an die nächste Generation weiter gibt - durch Gene, durch Erziehung, ... - und diese das dann wieder an die eigenen Kinder weitergibt, ... solange, bis einer den Teufelskreislauf durchbricht.
Hier steckt m.M.n. etwas drin, das mir bedenklich erscheint.
Denn es interpretiert die Forschung so (die selbst erstmal davon aus geht, dass sich Anfälligkeit für Krankheiten wie Autoimmunerkrankungen.., mangelnde Emotionsregulation und damit so passiv machende Erkrankungen wie Depression auslösen kann oder zumindest in Medien so beschrieben wird), dass sich die negativen Eigenschaften vererben, die Aggressionsneigung, die dissoziale Persönlichkeit, die aufpassen muss, nicht wieder zum Täter zu werden. Mehrere User wissen dann die Lösung: Therapie! (logischerweise müsste dann aber die/der TherapeutIn sehr viel Selbsterfahrung gemacht haben, um ihre eigenen faschistoiden Anteile in der Arbeit genauestens zu erkennen.) In manchen Statements hier, wird damit eine Pflicht zur Therapie abgeleitet, weil man sonst Gefahr läuft, seine Nachkommen zu beschädigen, hier benannt als, sie radikal oder rücksichtslos zu erziehen, ihre Autonomie behindern, ect. Im Nebulösen des "ein reifer Mensch werden", geht es hier im Thread vor allem darum, ein gewaltloser Mensch zu sein.

Viktor Frankl hat in einem Interview gesagt, (das es original im Netz gibt, ich verlinke, wenn ich Zeit finde), dass er gegen die Annahme einer Kollektivschuld ist. Denn, Zitat: man kann nur Schuld haben an dem, was man selbst getan oder unterlassen hat. Zu denken, das Böse würde sich in einer Gruppe mit bestimmten Merkmalen (hier im Forum Leben zu Kriegszeiten) weitervererben, das wäre wieder Denken im nationalsozialistischen Sinne. Zitat Ende.

Forschung und Wissenschaft hat den Anspruch der Neutralität, ausgerichtet auf Handlungsoptionen und Innovationen in der Zukunft. Mit Interpretationen und Emotionen aufladen, das machen andere! Vorsichtig sollte man sein, wenn man daraus vorschnell Handlungsempfehlungen und Lösungen in der Gegenwart daraus ableitet.
Damit meine ich nicht umbedingt euch User hier, sondern Medien, Politik, Therapeuten ect.

Die epigenetische Forschung ist super interessant und kann im positiven Sinn vllt in der Zukunft durch PRÄVENTION (also Gabe irgendeines Medikaments) verhindern, dass es epigenetische Veränderungen auf DNA Ebene gibt, wenn ein Trauma passiert ist.
Bis dahin ist es lediglich ein "Beweis" dafür, dass der Einfluss der Umwelt auf das Individuum sehr stark ist und eine Warnung, traumatische Kriege zu führen, weil es Menschen in erster Linie krank macht.
Man erkennt die Möglichkeit zum Missbrauch der Forschung: Soldaten wird das Medikament gegeben, das vor PTBS schützt, und damit wird es keine negativen Effekte für die Nachkommen geben, also keine Krankheiten. Also im Sinne der Argumentation aktuell hier im Forum(!), ein Anlass, der zum Umdenken und zur Reifung eines ethisch guten oder besseren Menschen führen würde.

"Woher das "Böse" kommt": diesen Beweis führt die epigenetische Forschung NICHT. Aber das liegt gedanklich sehr nahe, nicht nur hier im Forum.

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stern
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Beitrag Di., 01.10.2019, 06:55

Therapie bedeutet auch lange noch nicht, dass jemand seine eigenen Täteranteile bearbeitet. :lol: Sondern vielleicht geht derjenige eher wegen seines Opferseins in Therapie. Oder wie Huber in der Doku meinte (wörtlich bekomme ich es, glaube ich, nicht ganz hin): Täter haben eines gemeinsam: Sie räumen das meist nicht ein. Hierfür nannte sie dann auch einige mögliche Gründe, was dann meine Fragen zu der Mutter in der Doku beantwortete. Dissoziation (die dann gerne genannt wird) war jedoch nur eine Möglichkeit. Es gibt auch Leugnung und andere. Dann kann der Therapeut das ja auch nicht hellsehen. Selbst würde ich auch sagen, unter Traumatisierten ist die Opferidentifikation i.d.R. höher. Ja, es gibt Fälle, wo sich jemand tatsächlich nicht mehr an Taten erinnert oder nicht mehr Herr seiner Sinne war. Aber auch juristisch macht das eben nur einen Bruchteil aus. Auch juristisch wird bei vielen Tätern keine psychische Störung gesehen, die sie ihrer Schuld und Verantwortung entheben würde. Insofern kann das wiederum Opferinszenierung sein, wenn man sich nicht erinnern kann. Kann, muss nicht immer. Auch in der Doku: Die Tochter (die mir aufgeräumter erschien als die Mutter) wurde als kranke Therapiepatientin vorgestellt, nicht die Mutter (wobei sich die Doku dazu nicht äußerte, ob sie später in Therapie ging).
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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