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Fr., 13.09.2019, 21:28
@ Tröte
„Gewaltvolle“ Erfahrungen können unterschiedliche Qualitäten haben – dazu können regelrechte Vergewaltigung(en) auch im juristischen Sinne gehören, aber auch Gewalterfahrungen unterhalb des strafrechtlich relevanten Bereiches.
Gewisse Frauen neigen v.a. in heterosexuellen Beziehungen dazu, ein rüdes, „gewaltsames“ Verhalten ihrer Partner in sehr weitgehendem Umfang zu tolerieren, wofür es tiefenpsychologische Gründe geben kann. Eben wegen der emotionalen Befrachtung von Beziehungssexualität kann diese Toleranz weit gehen und lange anhalten, wenn etwa der Partner ausserhalb des Sexualvollzuges liebevoll und fürsorglich ist. Rein juristisch und wohl auch moralisch ist diesem nur „im Bett“ rüden Partner kein Vorwurf zu machen, weil er aufgrund des Verhaltens seiner Partnerin annehmen darf, daß sein rüdes Verhalten erlaubt, ja vielleicht sogar erwünscht sei.
Daraus kann u.U. ein „slain trauma“ werden. Traumata sind Erfahrungen, die unerträglich sind und deswegen ein Teil dieser Erinnerungen abgespalten - „dissoziiert“ - wird, regelmässig das Gefühl, der Affekt: Angst und Aggression. Beim „shock trauma“ ist es eine einzige solche Erfahrung, die so übermächtig ist, daß sie von den „Abwehrmechanismen“ ganz oder teilweise ins Unbewußte verschoben wird, aber von dort unter dem „Wiederholungszwang“ immer wieder ins bewußte Leben zurückkehren will. Beim „slain trauma“ sind die einzelnen Erfahrungen unterhalb der Schwelle des Unerträglichen, aber summieren sich zu einer unerträglichen Belastung auf, so daß die „Abwehrmechanismen“ wieder in Aktion treten müssen. Die Begriffe Trauma, shock trauma, slain trauma, Dissoziation und Abwehrmechanismen sind psychoanalytische bzw. traumatologische Fachbegriffe, die ich hier nicht auswalzen will. Die Wikipedia bietet hierzu schon sehr gute Möglichkeiten zum einlesen.
Ein Trauma kann auch stets zu Intrusionen führen, dh durch Situationen, die dem ursprünglichen Trauma in gewisser, oftmals nur sehr oberflächlicher Weise ähneln, werden die Affekte des Traumas wieder hervorgerufen. Mein – inzwischen: ehemaliger – Therapeut, PD Dr Seikowski, Leipzig, beschreibt in einem seiner Bücher einen Fall, in dem eine Patientin ihn selbst in der Hypnose mit einem Mißbrauchstäter „identifizierte“, ihn sogar ohrfeigte, nur weil er an diesem Tage eine schwarze Cordhose trug, ebenso wie der Täter. Absolut banale Kleinigkeiten können ausreichend sein, um solche Intrusionen auszulösen. Auch „Intrusion“ ist ein solcher Fachbegriff, der leicht nachzulesen ist.
Wenn man Vermutungen in dieser Richtung hegt, dann kann eine psychoanalytische Therapie indiziert sein. Eine solche Therapie beeinhaltet nicht notwendig eine Psychoanalyse, die sehr langwierig und belastend ist – meine eigene Analyse hat etwa 5 Jahre meines Lebens in Anspruch genommen gehabt. Ein Analytiker kann jedoch, wenn er sein Fach versteht und ein gutes „Arbeitsbündnis“ mit dem Patienten entsteht, die „Chemie stimmt“, recht frühzeitig erkennen, wo der Hase im Pfeffer liegt und die Therapie in eine geeignete, zielführende Richtung bringen. Selbst für mich als dilletierenden „Hobbyanalytiker“ tragen so manche Leute ihre Traumata sozusagen auf dem Silbertablett vor sich her und ein systematisch ausgebildeter, erfahrener Profi sieht noch viel, viel mehr „auf den ersten Blick“.
Postpubertäre Traumata können relativ leicht wieder zu Bewußtsein gebracht und „integriert“ werden. Je geringer die Zeitspanne zwischen Traumatisierung und Therapie ist, um so leichter kann das funktionieren und um so weniger belastend ist das Verfahren. Es kann aber auch sein, daß ein Analytiker die Indikation für die Psychoanalyse stellt, nämlich insbesondere dann, wenn die Patientin immer wieder destruktive und „gewaltsame“ Beziehungen einging. Dann besteht nämlich der Verdacht, daß es sich um „Re-Inszenierungen“ (auch so ein Fachbegriff) eines infantilen Traumas handelte. Man muß also mitunter sehr weit in die Vergangenheit zurück – in meinem eigenen Falle lagen die biblischen 40 Jahre zwischen den infantilen Traumata und ihrer erneuten Erinnerung in der Analyse, die auch deswegen sehr belastend gewesen war.
Aber letztlich ist das alles Kaffeesatzleserei und obendrein noch „stille Post“, weil nicht die betroffene Person berichtet, sondern ihre Partnerin. Wir können hier nur theoretische Möglichkeiten und Wege aufzeigen, mehr nicht.