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Mo., 18.06.2018, 19:42
Ich versteh' trotzdem nicht dein Problem. Dass das 'ne Gesetzeslücke ist, ist bekannt und es gibt auch schon Bestreben, das bei der nächsten Gesetzesnovelle (in Deutschland) ins StGB mit aufzunehmen. Dass es eine solche Schweigepflicht bisher nicht gibt, liegt daran, dass zu dem Zeitpunkt, als das StGB geschrieben wurde, noch keiner an Gruppentherapie gedacht hat...
Dass es aber nun mal so ist wie es ist, haben sich weder Therapeuten noch Patienten ausgesucht und müssen jetzt eine Lösung finden, damit umzugehen. Denn auch wenn du, Anna-Luisa, für dich keine Vorteile in der Gruppentherapie siehst, so hat sie doch deren viele. Gerade bei Patienten mit Depressionen, Ängsten oder Problemen im sozialen Kontakt, bieten Gruppen Möglichkeiten, die in der Einzeltherapie nicht gegeben sind. So mancher, in der Einzeltherapie im Kontakt "unproblematische" Patient zeigt im Kontext der Gruppe Verhaltensweisen, die dem Therapeuten sonst nicht zugänglich wären und die Therapie erheblich weiterbringen können.
Aber Gruppentherapien sind sicherlich nichts für Menschen, die ein Problem mit der eigenen Krankheitsakzeptanz haben und daher in der ständigen Sorge darum leben, es könnte "herauskommen" was sie für ein Problem haben. Teilweise sind diese Ängste sicherlich berechtigt, vor allem, wenn die Gruppe direkt am Wohnort ist und man ländlich wohnt, teileweise aber auch übertrieben (Wenn es eine Gruppe in einer Klinik ist, wo die Patienten übers ganze Land verstreut leben). Eine Schweigepflicht kann und sollte daher vereinbart werden. Dabei handelt es sich zunächst einmal um eine moralische Verpflichtung, der durch die Schriftform einfach mehr Nachdruck und Bedeutung gegeben werden soll. Gleichzeitig hat diese Vereinbarung auch eine rechtliche Bedeutung, aber eben nicht straf- ,sondern zivilrechtlich. D.h. also man hätte theoretisch schon die Möglichkeit, eine "Plaudertasche" zivilrechtlich zu verklagen, was allerdings recht schwierig ist, da ja genau nachgewiesen werden müsste, welcher Schaden entstanden ist und für immaterielle Schäden traditionell nur geringe Entschädigungen zugesprochen werden. Trotzdem ist die Vereinbarung nicht ohne rechtliche Bedeutung.
Letztendlich kann man aber sicherlich (auch wenn eine Zuwiderhandlung strafrechtlich verfolgbar wäre) nicht 100%ig garantieren, dass in einer Gruppe niemand plaudert, weshalb es oft üblich ist, dass die Teilnehmer zum Schutz der Privatsphäre nur mit Vornamen angesprochen werden und jeder nur soviel über sein Umfeld erzählt, wie er mag. Aber "geschützter Raum" heißt eben nur "geschützt" (durch Vereinbarungen) und nicht 100%ig sicher (so wie ein vom Wachschutz geschütztes Objekt auch keine Garantie hat, nie überfallen zu werden), aber daraus eine "Lüge" oder gar "fehlende Vertrauenswürdigkeit" eines Therapeuten zu konstruieren finde ich schon arg abenteuerlich...
It is better to have tried in vain, than never tried at all...