Bindungstrauma und mehr...

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Marilen
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:21

doch der Hunger, der wird bleiben
wird mich hüten, wird mich treiben
wird mir Liebesschwüre schreiben
macht mir Herz und Seele weit
ganz egal, sagen die Lieder
ob mit klapperndem Gefieder
man geht immer fort und kommt auch wieder
doch der alte Hunger bleibt


Vom Klaus Hoffmann, weil ich deinen so großen Hunger so gut spüren kann, Henryette.
Ich wünsch dir, dass du in deinem Therapeuten jemanden findest, der auf dich achtet.

Marilen.
Rabbi Nachman lehrt uns etwas Bahnbrechendes. Wenn es schwer wird, bleibt dir nur noch eines: Sei glücklich und freue dich.

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mio
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:23

Räbin hat geschrieben: So., 11.02.2018, 18:57 Ich würde meinen, das geht. Ich kann mich natürlich irren...
Ich glaube das kommt auf den Einzelfall an und auf das Ausmass/die Art der Vernachlässigung/Traumatisierung.

Mit 17/18 hab ich ein mehrmonatiges Praktikum in einem Kindergarten gemacht und da gab es ein Kind dass von den Eltern die ersten drei/vier Lebensjahre komplett emotional vernachlässigt worden war. Es war "körperlich versorgt" worden, aber ansonsten wurde es einfach "in der Ecke geparkt". Es bekam also weder positive noch negative emotionale Zuwendung, es wurde schlicht "ignoriert". Dieses Kind war zu dem Zeitpunkt 7 Jahre alt, aber auf dem Entwicklungsstand einer 3-4jährigen, zudem hatte es massive körpermotorische Probleme und konnte nur sehr schlecht sehen.

Die Erzieherinnen hatten das Kind testen lassen und es war in keinster Weise geistig behindert, die ganzen "Einschränkungen" kamen nur von der totalen Vernachlässigung in den ersten Lebensjahren. Das zu erleben war ziemlich erschreckend, zumal klar war, dass dieses Mädchen das niemals wieder komplett wird ausgleichen können, auch bei intensiver Förderung nicht.

Es ist mittlerweile ja auch erwiesen, dass emotionale Vernachlässigung Einfluss auf die Gehirnentwicklung hat. Und da lässt sich dann denke ich nur sehr bedingt was "wieder gut machen". Dh. bestimmte frühkindliche Einflüsse lassen sich nicht vollständig korrigieren, es kann allerdings gelernt werden damit so umzugehen, dass ein glückliches, erfülltes Leben möglich wird.

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Henryette
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:24

@Philosophia
Sehr coole Signatur 😂
Ja ich glaube lechzend nach körperlicher Nähe betteln ist die falsche Intention. Als ich den Wunsch äußerte fragte er auch danach, warum ich mir das wünsche. Damals wusste ich es gar nicht wirklich. Es war einfach ein Wunsch, der aus einem Impuls in einer ziemlich intensiven Stunde entstanden ist. In der Stunde sprachen wir „Missbrauchserregung“ und Schuld. Ich bin in die Schockstarre gefallen und habe irgendwann begonnen zu Zittern wie verrückt. Er hat super reagiert. Ich wusste was das Zittern ist, deshalb hat es mich nicht völlig von den Sockenngehauen. Hatte gerade in einem Buch von Levine drüber gelesen. Je mehr ich hier drüber schreibe und lese, desto mehr wird mir eigentlich klar was hinter diesem Wunsch steckt. Jetzt kann ich es endlich mal vor ihm formulieren!
Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.
Martin Johannes Walser

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Kaonashi
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:26

Scout hat geschrieben: So., 11.02.2018, 18:02 Darin sehe ich aber oft genau das Problem in einer Therapie. Therapeuten die selbst vermeintlich etwas gutes geben wollen, Nähe, auch körperliche, und der ausgehungerte Patient nimmt das natürlich gern an, weil es fühlt sich ja in dem Moment so gut an. Auf lange Sicht kann das aber gerade sehr zerstörerisch sein. Nur wie soll man als Patient dieser Versuchung widerstehen
Ja, warum? Was spricht dagegen, es anzunehmen? Das heißt doch keineswegs, dass man dann auf Dauer abhängig bleiben muss. Es kann eine Phase sein, die man durchläuft, oder nicht?

Das von Broken Wing: finde ich ziemlich den Hammer, zu behaupten, dass Kinder, die nicht geliebt werden, selbst daran schuld sind. Es gibt genug Kinder, die keine Behinderung oder sonst irgendwas haben oder tun, die einfach nur das Pech haben, blöde Eltern zu haben. Wär das Kind solcher Eltern z.B. im Krankenhaus gegen ein superduper Designerkind ausgetauscht worden, wäre die Erziehung auch nicht anders abgelaufen. Das superduper Designerkind hätte vermutlich auf das Erziehungsverhalten der Eltern schnell reagiert und wäre dann auch nicht mehr so superduper gewesen.
Und es gibt auch sehr viele Eltern (die Mehrzahl), die sehr liebevoll mit einem behinderten Kind umgehen. Für gute Eltern spielt es keine Rolle, wie das Kind aussieht oder was es kann.

Habe neulich welche kennengelernt, die ein wirklich schwieriges Kind mit frühkindlichem Autismus haben, nonverbal, inzwischen erwachsen und macht immer noch Sorgen ohne Ende (21 Jahre nichts als Stress, das ist nicht übertrieben). Aber sie lieben ihren Sohn und wollen ihn lieber zu Hause betreuen als in einer Einrichtung, weil die Einrichtung mit ihm nicht klarkommt und es ihnen wehtut, wenn sie sehen, dass er dort nicht liebevoll behandelt wird. Dafür wird die Mutter sogar ihre Arbeit aufgeben. So kann das auch sein, wenn man ein behindertes Kind hat. So viel Liebe.

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Philosophia
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:27

@ Henryette: und das zu formulieren wird sicher sehr hilfreich sein. Ich wünsche dir, dass er behutsam mit dem umgeht, was du sagen wirst - egal, wie du es ihm mitteilst.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Henryette
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:30

@ Marilen und Philosophia
Vielen Dank für eure lieben Worte!!
Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.
Martin Johannes Walser

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Scout
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:51

Kaonashi hat geschrieben: So., 11.02.2018, 19:26
Scout hat geschrieben: So., 11.02.2018, 18:02 Darin sehe ich aber oft genau das Problem in einer Therapie. Therapeuten die selbst vermeintlich etwas gutes geben wollen, Nähe, auch körperliche, und der ausgehungerte Patient nimmt das natürlich gern an, weil es fühlt sich ja in dem Moment so gut an. Auf lange Sicht kann das aber gerade sehr zerstörerisch sein. Nur wie soll man als Patient dieser Versuchung widerstehen
Ja, warum? Was spricht dagegen, es anzunehmen? Das heißt doch keineswegs, dass man dann auf Dauer abhängig bleiben muss. Es kann eine Phase sein, die man durchläuft, oder nicht?
Es kann eine Phase sein, das stimmt schon. Und es anzunehmen kann sehr heilsam sein. Aber bei den Erfahrungsberichten dieses Forums hat sich bei mir einfach der Gedanke angeschlichen, dass das alles dennoch sehr dünnes Eis ist, natürlich immer abhängig von Behandler und Patient. Das sehe ich ähnlich wie mio, dass es wohl dienlicher bei Vertrauensproblemen ist, als bei Patienten, die gehalten, gerettet oder sich die Verantwortung abnehmen lassen möchten. Verantwortung in dem Sinne, ich kann mich nicht halten und nähren, mach du das bitte für mich
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Henryette
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:58

Naja, irgendwie muss dieser Art der Therapie ja aber auch eine Berechtigung haben und sich bewährt haben. Diese Richtung der Körpertherapie gibt es ja nicht umsonst. Und die Therapeuten haben es ja auch studiert. ;) Es gibt da einen total irren Typen, ich muss mal schauen wie der heißt, der behandelt nur Leute mit so einer Bindungsproblematik und nährt diese körperlich unentwegt. Der Typ hat eine Heilungschance von nahezu 100 % das ist total irre. Bei Gelegenheit suche ich noch mal wie der heißt. Sein Buch kann man online komplett lesen ich finde das super spannend!
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Broken Wing
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Beitrag So., 11.02.2018, 20:04

Ob meine Eltern krank waren oder sind, weiß ich nicht. Sie würden aber auf jedenfall mit irgendeiner Diagnose konfrontiert werden, weil Psychologen und Psychiater sowas wie gesund nicht kennen und alles krank sein muss, was nicht in ihr Weltbild passt. Dabei ist in manchen Kulturen eine Ohrfeige ein alltägliches Erziehungsmittel und eine Verletzung eine adäquate strafe, solange man nicht ins Krankenhaus muss. Sowas wie psychische Vernachlässigung gibt es gar nicht, denn Eltern, Lehrer u.ä. haben immer Recht. Ob diese Kulturen mehr psychisch auffällige Kinder hervorbringen? Das bezweifle ich.

Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, woanders besser aufgewachsen zu sein. Ich meine damit Adoption oder Pflegeelternschaft, denn bei anderen Erzeugern gäbe es mich so nicht.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Henryette
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Beitrag So., 11.02.2018, 20:06

Dr. Paul Vereshack und das Buch heißt „Hilf mir - Ich bin‘s leid mich so schlecht zu fühlen.“
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Philosophia
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Beitrag So., 11.02.2018, 20:10

100%Heilungschance...na...das allein klingt für mich nicht glaubwürdig.
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Marilen
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Beitrag So., 11.02.2018, 20:12

Henryette, Achtung, bei Regressionstherapie wenn du selbst schon sehr viel Regression mitbringst.
Das kann sehr nach hinten los gehen.
Manchmal ist die Erfüllung dessen wonach der Mensch hungert nicht das, was ihn weiter bringt.
Alles Liebe
Marilen.
Zuletzt geändert von Marilen am So., 11.02.2018, 20:15, insgesamt 2-mal geändert.
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Scout
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Beitrag So., 11.02.2018, 20:13

Henryette hat geschrieben: So., 11.02.2018, 19:58 Naja, irgendwie muss dieser Art der Therapie ja aber auch eine Berechtigung haben und sich bewährt haben. Diese Richtung der Körpertherapie gibt es ja nicht umsonst. Und die Therapeuten haben es ja auch studiert. ;) Es gibt da einen total irren Typen, ich muss mal schauen wie der heißt, der behandelt nur Leute mit so einer Bindungsproblematik und nährt diese körperlich unentwegt. Der Typ hat eine Heilungschance von nahezu 100 % das ist total irre. Bei Gelegenheit suche ich noch mal wie der heißt. Sein Buch kann man online komplett lesen ich finde das super spannend!
Ich sage ja nicht, dass Körpertherapie keine Berechtigung hat und schlecht ist. Darum ging es mir gar nicht. Sondern dass Körperkontakt in der Therapie auch schwer nach hinten losgehen kann. Aber eine Therapie kann auch ohne Körperkontakt nach hinten losgehen.
Was das studiert angeht. Es gibt etliche Therapeuten mit hochwertigem Abschluss, die dennoch völlig ungeeignet sind...
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Scout
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Beitrag So., 11.02.2018, 20:18

Broken Wing hat geschrieben: So., 11.02.2018, 20:04 Ob diese Kulturen mehr psychisch auffällige Kinder hervorbringen? Das bezweifle ich.
Das ist für dich also Indikator für gelungene Erziehung und Rechtfertigung für Gewalt....
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Henryette
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Beitrag So., 11.02.2018, 20:18

Naja machen würde ich das glaub in der Art auch nicht. Das wäre mir zu viel und zuu nah. Aber ich finde es interessant was das auslösen kann! Ich kann ja so schon kaum einem Vertrauen 😉
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Martin Johannes Walser

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