Heucheln Psychotherapeuten Sympathie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Philosophia
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anderes/other, 39
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 08:47

Hmm...hängen Sympathie und Empathie nicht doch ein bissl zusammen? Heißt, kann ich überhaupt empathisch sein, wenn ich nich wenigstens etwas Sympathie spüre? Ohne Sympathie könnte ich wirkliche Empathie wohl nur heucheln.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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stern
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weiblich/female, 99
Beiträge: 25013

Beitrag Fr., 23.06.2017, 08:51

noch nicht alles gelesen. Trotzdem vorab: Ich würde sagen, es ist nicht unbedingt "private Sympathie" - wie unter Freunden oder Bekannten bzw. allgemein im privaten Kontakt, z.B.: Ich finde Sie so nett und wir haben so viel gemeinsam, so dass wir ja mal einen Kaffee miteinander trinken könnten. Bestimmt verstehen wir uns gut. Sondern sie hat auch eine professionelle Komponente, so dass man nicht in jeder Sitzung ungefiltert mitteilen kann, was man denkt (ich denke aber, das gilt für viel Kontexte). Sondern das ist eher eine selektive Authentizität, bei der (im psychotherapeutischen Kontext) auch im Blick ist, dass die "Veranstaltung" bzw. Begegnung auch der Heilung dienen soll. Ich denke auch, nicht alle Störungsseiten sind sympathisch... aber wenn man dem Menschen nicht eine wohlwollende Haltung und gewisse Sympathie entgegenbringen kann, dürfte es schwer sein zu behandeln (dann besser abgeben). Eine professionelle Haltung würde ich aber nicht unbedingt als Heucheln bezeichnen. Denn das schließt ja auch nicht aus, dass der Therapeut auch mal Unmut äußern kann, wenn es geboten ist.

Ich finde es auch legitim, wenn sich auch Therapeuten mal auskotzen (lästern). ABER dann bitte so, dass es nicht Patienten hautnah miterleben müssen (sondern dann eher im privaten Kreis... ich denke, das gibt es in vielen Berufen oder wo Menschen zusammen sind, dass mal gelästert oder Frust geäußert wird). Wer das nötig hat im Wartezimmer zu lästern, bei dem würde ich jedoch überlegen, wie es mit dem eigenen Gefühlsmanagement steht. Denn selbst wenn sich ein Therapeut mal über etwas geärgert hat, spricht es nicht gerade für ihn, wenn er das so ausagieren muss. Insofern hat das ja auch eine positive Seite, wenn man nicht jedem alles mitteilen muss, was man gerade denkt... um sich so zu entlasten. Wenn ein Therapeut wirklich heucheln müsste (ich finde den Patienten nervtötend, aber ich tue halt so als wäre das Gegenteil der Fall), um mit einem Patienten arbeiten zu können, ist es besser, das Mandat gar nicht erst anzunehmen, würde ich sagen. Denn ich denke, das fällt dann auch irgendwie auf.
Zuletzt geändert von stern am Fr., 23.06.2017, 09:00, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
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(alte Weisheit)


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 08:58

Hallo Harmonia
Letztlich trainiert dieses Leistungsverhalten auch eher die Fähgikeit zu einem Roboter zu mutieren, der nur funktioniert und das Fühlen verlernt.
Ohne Wissen gehr es nicht. Man benötigt Wissen um einen Job ausüben zu können. Eine Therapeut könnte dir nicht helfen, wenn er nicht gelernt hätte wie. Er könnte Dir nichts erklären, wenn er nicht studiert hätte "wie Mensch funktioniert". Und einem Therapeuten mit mangelhaften Wissen gegenüber zu sitzen, ist auch nicht lustig, wie ich selber aus eigener Erfahrung weiß.

So wie sich angehende Abiturienten auf den Hosenboden setzten müssen und den ganzen Stoff in einer vorgeschriebenen Zeit in den Kopf zu kriegen, so müssen auch 'Auszubildene und Studenten lernen und pauken, ebenso wie PIAs.

Zum Roboter wird man dadurch nicht. Wenn man eine Psychotherapeutenberuf geeignete Persönlichkeit hat, dann hat man diese auch dann noch, wenn die Prüfungen vorbei sind und man nicht mehr pauken muss.

Wohl aber sollte die Persönlichkeit des Bewerbers auf eine Therapeutenausbildung mehr Berücksichtigung finden, so wie auch andere Berufe Eigenschaften wie Teamfähigkeit oder Stressresistenz fordern und voraussetzen. Die persönliche Eignung findet derzeit zu wenig Berücksichtigung, da die Ausbildung zum Psychotherapeuten in privaten Ausbildungsinstituten erfolgt, die sich über jeden Bewerber freuen, der bereit ist 30.000 - 60.000 Euro zu zahlen.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Broken Wing
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weiblich/female, 40
Beiträge: 2978

Beitrag Fr., 23.06.2017, 09:00

Ich kann mir das lebhaft vorstellen.

1. PT ist ein klassischer Frauenberuf. In einer Klinik kommt der Ententeich zusammen, dann wird halt gequak(salber)t.
Das hat man überall.
2. 40Jährige, die sich emotional nackig machen, im Leben versagt haben und das nicht so gesagt bekommen dürfen, provozieren nun mal eine zynische Haltung.
3. Solange sich meine Thera in der Stunde professionell verhält, ist mir der Rest egal. Sie sollte es allerdings schon so geschickt anstellen, dass ich von ihrem Missverhalten nichts mitbekomme. Das hätte die Kündigung der Therapie zur folge. Also entweder leise Quaken oder weit genug weggehen.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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RoboCat
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 09:02

Ich glaube dass dieses "Lästern" einen kathartischen Effekt haben kann. Erinnert mich ein bisschen an den so genannten Hitlerwitz im 3. Reich. Diesen Flüsterwitz hat man auch bewusst im Volk zugelassen, weil man wusste: Es tut denen auch mal ganz gut, sich so zu äußern.

Ich finde, Thrapeuten dürfen darum auch lästern. Solange es nicht wirklich boshaft/chronisch wird und der betreffende Patient davon nicht erfährt.
:axt:

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Kaonashi
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 10:47

Es wird nicht ausbleiben, dass man als Therapeut mal mit einem Menschen zu tun hat, den man unsympathisch findet. Ich denke, ein niedergelassener Therapeut kann so jemanden dann vielleicht ablehnen. In der Klinik ist das nicht so leicht möglich.

Es gibt aber Techniken, wie man eine positivere Einstellung bekommen kann zu Menschen, die einem unsympathisch sind oder die unsympathische Eigenschaften haben.

Ich habe mal ein Seminar besucht, wo es um "ressourcenorientierte Gesprächsführung" ging. Das ist nicht spezifisch für Therapeuten, sondern etwas, was man in jedem beratenden Beruf anwenden kann.
Dabei werden Eigenschaften, die auf den ersten Blick negativ wirken (wie z.B. "Klient kommt ständig zu spät") positiv umgedeutet (z.B. "Klient sorgt gut für sich selbst" oder "Klient ist unabhängig vom Urteil anderer"). Der Effekt ist eben, dass man dann mehr Sympathie empfinden kann. Außerdem kann man sogar besser an dem Problem arbeiten, wenn man es nicht nur negativ sieht. Auch der Klient ist offener für Kritik, wenn ihm signalisiert wird, dass sein "Problem" auch positive Eigenschaften repräsentiert.

Lästern ist aber auch bei unsympathischen Klienten kein feiner Zug. Frust abbauen, ja, das wird mal drin sein müssen, aber dann so, dass es andere Klienten nicht mitbekommen. Das können Therapeuten unter sich machen.

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CrazyChild
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 10:49

Harmonia,du wirst dich damit abfinden,bzw.arrangieren müssen dass Therapeuten nichts anderes als Ihren job machen und genauso wie jeder andere Mensch auch mal ablästern. Empathie zeigen gehört zum Spiel und ist schon auch echt,deswgen muss eine gewisse Sympathie vorhanden sein,sonst funktioniert es gar nicht.
Das kann man jetzt seitenweise hun und herdrehen,analysierr,zerpflücken usw.,es ändert sich nichts.Ist halt so.
LG, CrazyChild

***stay strong***


shesmovedon
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Beiträge: 2203

Beitrag Fr., 23.06.2017, 10:52

Ich fände das nicht so tragisch, wenn meine Therapeutin mal über mich ablästern würde. Das kann ich verkraften. Solang ich's net mitbekomme.
Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass meine Therapeuten je über mich gelästert haben.

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candle.
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 11:21

Harmonia hat geschrieben: Fr., 23.06.2017, 07:52 dass die Empathie von Therapeuten möglicherweise nur geheuchelt ist.
Kein Mensch kann durchweg heucheln, das wäre ja viel zu anstrengend. Dabei fände ich jetzt die Frage interessanter wieso dir das "dauernd" so vorkommt oder warum du Empathie nicht spürst.

Und wenn wir mal davon- wiederholt- ausgehen, das Therapeuten eben auch normale Menschen sind, dann spürt man auch- oder ich auch- wenn mal irgendwas ist was mit Therapie jetzt nichts zu tun hat, dass sie vielleicht mal einen schlechten Tag haben. Das merkt man bei nahestehenden Menschen doch auch? Und man mag sie dann auch weiterhin, auch wenn sie mal zicken.

Du mußt halt mal schauen was du für wirklich für Sicherheiten suchst, die es einfach auch manchmal nicht gibt, außer dass du sie im besten Fall in dir selbst findest. Darum geht es ja letztlich in Therapie.

Zu den Manipulationen kann ich nichts sagen, halte das aber generell für falsch im engeren Sinne. Therapie ist ja keine Sekte.

candle
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CrazyChild
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Beiträge: 942

Beitrag Fr., 23.06.2017, 11:37

Na ja, Manipulation finde ich auch zu negativ. In de r VT ist es halt so dass positives Verhalten verstärkt, gelobt und beachtet wird, negative Komponenten werden nicht wirklich beachtet um diese nicht zu verstärken.Das ist therapeutisches Vorgehen und sehe ich nicht so sehr als Manipulation.
LG, CrazyChild

***stay strong***

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sandrin
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 12:51

Also ich glaube, dass es schon vorkommt, dass Therapeuten Sympathie und Empathie heucheln müssen, wie schon geschrieben wurde vornehmlich in Kliniken, weil man sich da die Patienten auch nicht aussuchen kann.
Was ambulante Therapien betrifft, so denke ich, dass man sich am Anfang an durchaus sympathisch sein kann, dass sich das im Laufe einer Behandlung aber auch schnell ändern kann.

Lästern finde ich auch in einem gewissen Maß normal. Dass mein ambulanter Therapeut das tun könnte, fördert aber nicht unbedingt mein Vertrauen. In der Klinik habe ich sofort gemerkt, wie wer über mich denkt, wer mir wie gesonnen ist. Ich hab das akzeptiert, bin aber auch nicht recht redefreudig gewesen, weil ich Menschen, die eine solche Einstellung mir gegenüber haben, nicht unbedingt noch mit neuem Futter versorge. Da hab ich mich dann lieber an die anderen Therapeuten gehalten.

Überhaupt muss ich sagen, dass mir das sofort auffällt, wenn mir ein Mensch kritisch gegenübersteht bzw. wenn mein Therapeut genervt von mir ist. Ich spreche das auch an und bitte aktiv, er möge authentisch bleiben, weil ich geheuchelte Empathie oder Sympathie eh bemerken würde.


montagne
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 13:00

Es gibt schon Techniken Sympathie und Empathie zu entwickeln. Ist ja aber auch schon eine sehr wohlwollende Haltung, zu reflektieren, dass es einem bezüglich dieses Klienten an Sympathie oder Empathie magelt und dies dann bewusst zu suchen und zu entwickeln.

Ansonsten habe ich die Erfahrung gemacht, dass jeder, wirklich jeder Mensch, der auf Sympathie und Empathie wert legt (ist ja nicht bei jedem so), das sehr genau spürt, ob es echt ist oder gespielt. Bzw. halte ich das nicht für spielbar.

Wobei eben Sympathie und Empathie ja nicht heißt, dass man alles am anderen, also sie/ihn allumfassend toll findet. ich denke da tritt die Verunsicherung auf, weil man als Klient so viel schlechtes erleben musste, einen großen Mangel hat und gleichzeitig ein Idealbild einer versorgenden Bezugsperson einer ein idealbild von Empathie aufgebaut hat, was sich eben an der Realität stößt.
Bzw. Empathie und Sympathie ist ja nie das einzige, was jemand empfindet und das verwirt vielleichgt, wenn da auch Aggressionen oder ähnliches sind. (Ein Therapeut sollte natürlich professionell damit umgehen.)
amor fati


isabe
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 13:43

Ansonsten habe ich die Erfahrung gemacht, dass jeder, wirklich jeder Mensch, der auf Sympathie und Empathie wert legt (ist ja nicht bei jedem so), das sehr genau spürt, ob es echt ist oder gespielt. Bzw. halte ich das nicht für spielbar.
Sehe ich auch so. Wobei das eigentliche Problem m.E. darin liegt, dass der Patient sich nicht traut, seinem Gefühl zu trauen: Man merkt vielleicht die wohlwollende Haltung - und muss trotzdem sein destruktives Ding durchziehen. Oder umgekehrt: Man merkt, dass der Therapeut unaufrichtig ist, traut sich aber nicht, die Konsequenzen zu ziehen.

Wären die entsprechenden Patienten nicht vom Elternhaus her so vorbelastet, könnten sie besser mit dem Guten und auch ggf. mit den Schwachstellen umgehen.

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sandrin
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 16:09

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Im Grunde ist diese Einstellung gar nicht so verkehrt. Ich glaube, vieles will man einfach auch nicht wissen, und das ist gut so. Aber es ist meiner Meinung ein weiterer Grund dafür, gut zwischen der Funktion einer Therapie und dem Zweck des Zusammenseins mit dem Therapeuten und einer echten Beziehung im realen Leben zu unterscheiden. In einer solchen wäre es für mich nämlich inakzeptabel, wenn die mich im Grunde nicht leiden könnte oder wenn ihr irgendetwas an mir nicht passt, ohne dass sie es mir persönlich sagt. Da ist einfach eine viel engere Beziehung vorhanden, da geht es um viel mehr.

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Pianolullaby
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Beitrag Fr., 23.06.2017, 20:56

Jo entweder du willst eine Thera machen, dann such Dir einen Therapeuten der Dir sympathisch ist,
oder wenn du so etwas komplett ausschliessen willst, dann musst Du eine Therapie halt sausen lassen.
Ganz einfach, du wirst die Menschen nicht verändern. Und noch was. Es trifft NIE irgend eine These auf ALLE zu.
Und damit wieder tschüss
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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