Autonomie versus autark

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

montagne
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 4600

Beitrag So., 16.04.2017, 18:18

Ich kenne das System in Österreich nicht. Ist es so viel schlechter als Deutschland? Ja auch hier wird an behinderten und chronisch kranken Menschen gerne gespart, bis dahin, das man dadurch unterm Strich noch mehr Kosten verursacht. Hauptsache kurzfristig gespart. Sind ja Leute, die sich nicht wehren können, weil sie es halt nicht können oder allzu oft die Kraft nicht haben. Aber es gibt Betreuungsplätze, weil es ja gerade bei mehrfach schwerbehinderten Menschen normal ist, dass sie in ihrer pflegebedürftigkeit die Eltern überleben (im Gegensatz zu pflegebedürftigen Eltern eben).

Meine ganz persönliche Sicht. Das sind zwei Fragen. Das eine ist was ganz praktisches und es muss gelöst werden. Die Zeit wird kommen, dass du nicht mehr kannst und bei pflegenden Angehörigen eher früher als später.

Das andere ist was transzendentales. das zu vermischen, bevor man Klarheit hat, weiß nicht.

Mit Pseudoautonomie ist etwas anderes gemeint. Es ist eigentlich eine psychologische Autarkie. Aber man kann eben davon ausgehen, dass es psychologische Autarkie nicht gibt. Sicher meinen viele Leute psychisch autark zu sein und bilden sich mächtig was drauf ein. Aber es ist eine Illusion, entsprungen aus dem ungelösten Nähe/Distanz-Konflikt, den wir alle irgendwo haben. Jemand der Pseudoautonom ist sagt halt: Ich brauche niemanden. Ich komme alleine klar (in jeglicher Hinsicht).

Vielleicht verstehe ich an diesem Ostersonntag auch nur etwas nicht richtig. Aber mir erscheint das seltsam, was dein Therapeut da sagt oder was du verstanden hast, was er sagt. Vielleicht liegt ein Missverständnis vor. Ich keine du als verheiratete Frau, die wie du sagst, ein lebendiges Eheleben hat, die durch euer Kind auch finanziell abhängig ist, wird NIE autark sein. Und was soll daran erstrebenswert sein? Es ist doch toll eine funktionierende Partnerschaft zu haben, mit Teilung der Lebensaufgaben, Liebe, Emotionalität, Sex...

Nicht immer ist das, was einen anspricht auch das Entwicklugsziel, finde ich... manchmal ist es auch Ausdruck eines ungelösten Konfliktes, also eine Seite des Konfliktes.
amor fati

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Schneerose
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 1134

Beitrag So., 16.04.2017, 18:42

Unsere Tochter ist tagsüber untergebracht in einer Werkstätte.
Sie ist seit ihrem sechsten Lebensjahr auf der Bedarfsliste für einen Wohnplatz.
Es gibt allein in unserem Bundesland 3000 WARTENDE MENSCHEN! !!
Ja unser System ist um einiges schlechter als in Deutschland.
Es gibt 80 jährige Mütter die ihre behinderten "Kinder" daheim haben und keinen Platz bekommen.
Stirbt die Pflegeperson gibt es Notplätze irgendwo in Österreich; da werden sie dann wenn notwendig auch entwurzelt.
Der Notplan ist da in Österreich. Es bleibt niemand auf der Straße; aber ob es ei guter Platz ist..? ? ?
Es wird halt erwartet dass man als Eltern lange genug kann.

Nein ich bin nicht Pseudoautonom - ich kämpfe in einem Elternverein mit...
Ich bitte um Hilfe, nehme die auch an...
Nur, selten gibt es diese Hilfe.
Verwandte leben ihr Leben, was verständlich ist.
Öffentliche Einrichtungen arbeiten von 8 bis 16 Montag bis Freitag.
Nur pflegt man rund um die Uhr 365 Tage im Jahr.

Ich würde gerne ein anderes Leben erfahren dürfen,
und doch ist es lebenswertes Leben.
Das versteht man erst wenn man es erlebt.
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->


montagne
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 4600

Beitrag So., 16.04.2017, 19:11

Ich habe doch garnicht gesagt, das du Pseudoautonom bist. Autarkie wäre eine Pseudoautonomie, die ich eben als Ziel anzweifle, gerade, wenn du eben dein leben so beschreibst, wie du lebst, es zumindest von außen betrachtet wie ein Rückschritt für dich klingt.
Daher fand ich es seltsam, das dies ein Ziel sein könnte, wenn du eigentlich schon weiter bist. Wollte dir da nur sagen, ohne das jetzt zu werten, wie es allgemein in der Psychologie gesehen wird. Steht natürlich jedem frei, das anzuzweifeln und anders zu sehen, eh klar.
amor fati


mio
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 9268

Beitrag So., 16.04.2017, 20:26

Ist denn Deine Tochter - also so wie die Situation momentan ist und nicht, wie sie in der Zukunft sein wird - mit Teil Deiner Frage Schneerose? Und wenn ja, inwiefern? Oder geht es Dir um etwas, was mehr Dein Inneres betrifft?

Werbung

Benutzeravatar

Broken Wing
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 2978

Beitrag So., 16.04.2017, 21:14

Meine Therapeutin heißt es nicht gut, dass ich am liebsten alles allein und perfekt können würde.
sie hat natürlich auch vollkommen recht. Es wäre absolut einfacher zu sagen, ich sei selbstständig und eben autonom, autark, u.ä. Aber damit würde sie nur sich selbst die Arbeit einfacher machen und unangenehme Fragen meiden, um nicht mit Ohnmachtsgefühlen konfrontiert zu werden.
Sexualität und Liebe gehören zu einem guten Leben dazu, auch das schwer behinderte Kind wird nach Autonomie und erfüllten Beziehungen streben. Das sind so primitive Dinge, weshalb anzunehmen ist, dass nicht nur geistig Fitte Menschen dieser bedürfen.
Allerdings wird der Kampf härter, wenn die Bezugspersonen, sei es auch seinetwegen, sich vernachlässigen und sogar keine Zeit für Schweinekram zu haben meinen. Dazu kommt, dass es keinem Kind gut tut, eine so starke Last für die Eltern zu sein.

Sicher sind die Voraussetzungen nicht gut in Österreich. Aber ich behaupte mal, dass Liebe und Sexualität nicht als Kram abgetan werden können und dass man zu sich ehrlich sein sollte. Es ist etwas Anderes zu sagen, dass man sich nicht jeden Wunsch erfüllen kann. Das ist ehrlich, das kann niemand.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

Benutzeravatar

Lockenkopf
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 52
Beiträge: 2400

Beitrag So., 16.04.2017, 23:48

Schneerose hat geschrieben: So., 16.04.2017, 07:17
Lockenkopf hat geschrieben: So., 16.04.2017, 00:54


Das Leben von Mönchen und Nonnen im Kloster ist auf die Minute durchgetaktet. Rund um die Uhr mit Arbeit und Gebet gefüllt. 6 Std. Schlaf müssen reichen. Privatleben und Freiheiten gibt es nicht.
Das Leben im Kloster bedeutet das Gegenteil von Autonomie.
Und wer meint, das seinen auch nur Klischee, meine Tante (Schwester meines Vaters) war bis zu ihrem Tod, 48 Jahren lang Klarsissin.
Empfindest du diese Art zu leben autark? Wie siehst du das?
Die Klarsissinnen leben auch heute noch zu einem großen Teil von Spenden. Sie sind also auf die Gnade ihrer Mitmenschen und der Wallfahrer angewiesen. Das kann man wohl kaum als autark bezeichnen.

Und autark ist der einzelne Mönch oder die Nonne schon mal garnicht. Er/Sie lebt in enger Gemeinschaft und hat keinen persönlichen oder sonstigen Freiraum. Die Regeln der Gemeinschaft sind bindend. Es gibt nahezu keinen persönlichen Besitz, alles wird der Gemeinschaft zugeführt.
Und somit ist der einzelne auf das Wohlwollen der Gemeinschaft, des Abts oder der Äbtissin angewiesen.
Zuletzt geändert von Lockenkopf am Mo., 17.04.2017, 00:28, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
Lockenkopf

Benutzeravatar

Lockenkopf
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 52
Beiträge: 2400

Beitrag Mo., 17.04.2017, 00:16

Schneerose hat geschrieben: So., 16.04.2017, 11:57

In diesem Rahmen müssen wir das Leben so leben. Ja und ich möchte oft mal frei sein.
Aber ein Rolli Fahrer würde auch gern laufen...
Manches ist wie es ist.
Das erlebe ich anders.
Menschen, welche körperliche Einschränkungen haben, könne sehr oft sehr gut damit umgehen.
Jemand der nicht laufen kann, hat in der Regel auch nicht das Bedürfnisse zu laufen.
Das lässt sich so ziemlich auf alle körperlichen Fähigkeiten, ob bei der Mehrheit vorhanden oder nur selten vorkommend, übertragen.
Solange man eine Fähigkeit hat, will man sie behalten. Geht sie verloren, ist trauer angesagt. Ist die Trauer bewältigt, ist die verlorenen Fertigkeit nicht mehr wichtig.


Kommt jemand mit Einschränkungen zur Welt oder verliert diese sehr früh, vermisst er nichts.
Liebe Grüße
Lockenkopf

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Schneerose
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 1134

Beitrag Mo., 17.04.2017, 05:34

Broken Wing hat geschrieben: So., 16.04.2017, 21:14 Meine Therapeutin heißt es nicht gut, dass ich am liebsten alles allein und perfekt können würde.
sie hat natürlich auch vollkommen recht. Es wäre absolut einfacher zu sagen, ich sei selbstständig und eben autonom, autark, u.ä. Aber damit würde sie nur sich selbst die Arbeit einfacher machen und unangenehme Fragen meiden, um nicht mit Ohnmachtsgefühlen konfrontiert zu werden.
Sexualität und Liebe gehören zu einem guten Leben dazu, auch das schwer behinderte Kind wird nach Autonomie und erfüllten Beziehungen streben. Das sind so primitive Dinge, weshalb anzunehmen ist, dass nicht nur geistig Fitte Menschen dieser bedürfen.
Allerdings wird der Kampf härter, wenn die Bezugspersonen, sei es auch seinetwegen, sich vernachlässigen und sogar keine Zeit für Schweinekram zu haben meinen. Dazu kommt, dass es keinem Kind gut tut, eine so starke Last für die Eltern zu sein.

Sicher sind die Voraussetzungen nicht gut in Österreich. Aber ich behaupte mal, dass Liebe und Sexualität nicht als Kram abgetan werden können und dass man zu sich ehrlich sein sollte. Es ist etwas Anderes zu sagen, dass man sich nicht jeden Wunsch erfüllen kann. Das ist ehrlich, das kann niemand.
Da hast du einiges von mir überlesen oder nicht verstanden? !
Ja meine Tochter strebt nach Autonomie. Sie lernt mit gerade mal 17 Jahre Klo gehen und ist mächtig stolz.

Geh erst einen Mond lang in den Mokkassains des anderen. ..

Ich denke der es selber nicht erlebt kann es nicht nachfühlen.
Wenn man es nicht akzeptiert ein behindertes Kind zu haben wird man darauf aufmerksam gemacht.
Wenn man anscheinend das Kind nicht loslässt auch.
Man soll das Lebe genieß die Hilfe gibt's aber nur schwach.
Das alles waren meine Lebenskrisen.

Die Leute wissen immer sehr genau wie man handeln sollte?
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Schneerose
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 1134

Beitrag Mo., 17.04.2017, 05:36

Lockenkopf hat geschrieben: Mo., 17.04.2017, 00:16
Schneerose hat geschrieben: So., 16.04.2017, 11:57

In diesem Rahmen müssen wir das Leben so leben. Ja und ich möchte oft mal frei sein.
Aber ein Rolli Fahrer würde auch gern laufen...
Manches ist wie es ist.
Das erlebe ich anders.
Menschen, welche körperliche Einschränkungen haben, könne sehr oft sehr gut damit umgehen.
Jemand der nicht laufen kann, hat in der Regel auch nicht das Bedürfnisse zu laufen.
Das lässt sich so ziemlich auf alle körperlichen Fähigkeiten, ob bei der Mehrheit vorhanden oder nur selten vorkommend, übertragen.
Solange man eine Fähigkeit hat, will man sie behalten. Geht sie verloren, ist trauer angesagt. Ist die Trauer bewältigt, ist die verlorenen Fertigkeit nicht mehr wichtig.


Kommt jemand mit Einschränkungen zur Welt oder verliert diese sehr früh, vermisst er nichts.
Meine Tochter ist geistig schwer behindert körperlich völlig normal.
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Schneerose
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 1134

Beitrag Mo., 17.04.2017, 05:38

mio hat geschrieben: So., 16.04.2017, 20:26 Ist denn Deine Tochter - also so wie die Situation momentan ist und nicht, wie sie in der Zukunft sein wird - mit Teil Deiner Frage Schneerose? Und wenn ja, inwiefern? Oder geht es Dir um etwas, was mehr Dein Inneres betrifft?
Deine Fragestellung versteh ich nicht,
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Schneerose
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 1134

Beitrag Mo., 17.04.2017, 06:30

Ich habe kurz in mich reingefühlt was die "Diskussion " mit mir macht.
Für mich gut gewesene Wunden rund um mein Kind werden wieder aufgerissen, daher schließe ich für mich die Beteiligung in diesem Thread.
Es tut mir und unserem FamilienLeben nicht gut, der Diskussion um das Leben mit der Behinderung ausgesetzt zu sein.

Mir ging es auch eingangs um ganz was anderes.
Einzig mio
schien das wirklich erkannt zu haben.

Ich habe lediglich erwähnt, dass man möglicherweise mit einem behinderten Kind anders denken lernt.
Damit sprang die ganze Diskussion in diese Richtung, was überhaupt nicht meine Frage war.

Es geht mir um das Innere autark sein.
Das hat leider nur mio verstanden.
Durch die Diskussion um Sexualität ect. ging leider meine Fragestellung verloren.

Ich lebe Sexualität genauso wie den Schweinekram NUR HAT DIESER FÜR MICH nicht mehr oberste Priorität.
Es bringt mir wenig, erklärt zu bekommen dass das wichtig ist im Leben,
wenn meine Eingangsfrage eine andere war.

Auch dass mein Therapeut falsch denken würde. ..
Er hat mich ja lediglich nur angestoßen in dieser Frage.

Schade; wäre interessant gewesen,
wenn nicht gleich wieder gut gemeinte Ratschläge vordergründig geworden waren, bzw. "dass andere wissen was ich falsch mache. .."

Mir ging es um eine INNERLICHE AUTARKIE ,
was NICHT bedeutet das Leben in Einsamkeit zu leben.
Ich habe nicht vor ALLEIN ZU LEBEN!
Diese Sicht entstand durch eure Sicht der Dinge.

Eines hat euch sicher in Irre geführt : das Klosterleben in meinem zweiten Beitrag.
Ich meinte damit aber, ich liebe es mich spirituell weiter zu bilden! !!
Das war alles.
Vielleicht wirklich von mir unglücklich geschildert.

Aber trotzdem Danke für den Austausch!

LG Schneerose
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

Benutzeravatar

Broken Wing
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 2978

Beitrag Mo., 17.04.2017, 09:17

War von Anfang an abzusehen, dass sich niemand auf die weltbewegende Diskussion über Autonomie und Autarkie einlassen würde.
Aber OK.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Schneerose
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 44
Beiträge: 1134

Beitrag Mo., 17.04.2017, 09:46

Die Stufen der spirituellen Reife sind unterschiedlich groß.
Das ist ok.
Ich fange an zu begreifen dass man auf verschiedenen Wellen sich nie erreichen KANN.
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->


Jenny Doe
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 56
Beiträge: 5037

Beitrag Mo., 17.04.2017, 10:27

Hallo Schneerose
Eines hat euch sicher in Irre geführt : das Klosterleben in meinem zweiten Beitrag.
Ich meinte damit aber, ich liebe es mich spirituell weiter zu bilden! !!
Ich habe mir die letzten Tage beim Streichen der Türen die Frage gestellt: Sind Nonnen wirklich selbstgenügsam? Vielleicht passt mein Gedankengang nicht zu Deinem Thema und Deiner Fragestellung? Oder vielleicht doch? Meine erste Antwort war, ja sie sind selbstgenügsam. Sie brauchen wenig. Sie sind zufrieden mit dem was sie haben. Aber resultiert deren Zufriedenheit auch wirklich aus ihnen selbst heraus? Bei dieser Frage wurde ich stutzig. Resultiert ihre Zufriedenheit nicht vielleicht aus ihrem Glauben an Gott, an ihren Glauben auf Gottes Hilfe, ...? Dann wären sie nicht mehr autonom, sondern abhängig von dem, was Gott für sie tut.
Mir fällt dazu ein Satz ein, den ich so oft gehört habe "Dank Gottes Hilfe habe ich es geschafft" oder "Gott hat bewirkt". Ich denke dann immer: "Schade, dass Du nicht sehen kannst, was Du selbst geleistet und geschafft hast, wieviel Kraft in Dir selbst steckt, so dass Du es geschafft hast". Aber das soll hier keine Glaubensdikussion werden.
Mir ging es um eine INNERLICHE AUTARKIE ,
was NICHT bedeutet das Leben in Einsamkeit zu leben.
Ich habe nicht vor ALLEIN ZU LEBEN!
Auch mich hat Deine Fragestellung zum Nachdenken angeregt.
Es gab mal eine Zeit, da habe ich viel Geld verdient. Ich hätte mir viel leisten können. Aber ich brauchte nicht viel. Ich gönnte mir Urlaub, das wars auch schon. Mode war (und ist) mir nicht wichtig, auch nicht, dass meine Umwelt sagte, "mach doch mal einen Führerschein". Meine Möbel reichten mir, ich brauchte nicht sonst was an Luxus. Ich war zufrieden mit dem, was ich hatte. Ich fühlte mich innerlich unabhängig. Ich fühlte mich von anderen unabhängig. Mir war es egal, was andere haben. Ich brauchte es nicht. Das war für mich ein Gefühl von Selbstgenügsamkeit. Das Glück und die Zufriedenheit in mir selbst zu finden, zu spüren und zu halten, war (und ist es auch heute noch) das, worauf es für mich ankommt.

Ich hatte eine ähnliches Diskussion auch oft mit meiner Freundin, die nahezu jeden Tag unterwegs ist. Ich bin auch gerne mit meinen Freunden zusammen. Der Unterschied zwischen mir und meiner Freundin ist jedoch, dass sie Sorge hat, sie könnte ein Ereignis versäumen. Sie findet ihr Glück scheinbar in äußeren Dingen, wie Ereignisse. Ich bin da anders. Ich möchte, so wie du, nicht alleine sein. Aber ich möchte auch nicht so wie meine Freundin das Gefühl von Zufriedenheit von äußeren Dingen abhängig machen. Seit einer Weile merkt auch meine Freundin, dass ihr etwas fehlt, was sie nicht in äußeren Dingen findet.

Selbstgenügsamkeit kann man, meiner Erfahrung nach, nur dann erleben, wenn man es auch aushalten kann, sich selbst zu genügen. Wenn äußere Dinge unwichtig werden, und man das Glück und die Zufriedenheit in sich selbst sucht, dann bedeutet dies auch Konfrontation mich sich selbst, auch mit dem, wo man am Liebsten wegsehen möchte.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.


Waldschratin
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 4199

Beitrag Mo., 17.04.2017, 10:35

Liebe Schneerose,
ja, die Stufen der spirituellen Reife sind (natürlich) unterschiedlich groß.
Aber umso mehr sind die, die dem Empfinden nach "weiter" sind, dazu angehalten, mit ner Haltung der Güte (die man sich dann ja leisten kann ;-) ) denen zu begegnen, die "noch nicht so weit" sind. Dem Empfinden nach.

Im Grunde denke ich, dass jeder halt einfach grade an dem Punkt ist, der für ihn grade am wichtigsten ist - und dann auch viel Raum einnimmt.
Uns allen gleich ist dabei das Bedürfnis, verstanden zu werden, "angenommen und wahrgenommen" in dem, wie wir sind.
Und da les ich grade dein Verletzt-Sein drüber raus, dass dem hier nicht so wahr, wie du es dir gewünscht hättest mit deiner Fragestellung. :ugs:

Ich bin selber jemand, der schnell mit "Tipps" kommt - nicht wegen "Besserwisserei", sondern weil ich helfen will, die "Spannung" ein bissl "mitlindern" will beim Anderen.
Dabei vergesse ich auch oft einfach den Wunsch des Anderen nach "Bei-Stand" im wahrsten Sinn des Wortes : mit aushalten, mit betrachten, mit-tragen etc.

Jetzt mal zu deinem Thema:
Unterschied zwischen autark und autonom... Mal abgesehen von den "belegten" Definitionen, alleine meinem derzeitigem Bauchgefühl nach, würde ich sagen : "autonom" ist möglichst unabhängig von anderen leben zu können.
Autark dagegen ist für mich eher ne innere "Unabhängigkeit" von Umständen und Gegebenheiten.
Dass ich also meinen inneren Frieden, meine "Seelenruhe" und innere Festigkeit/Gelassenheit habe und im Hier und Jetzt leben kann, egal, wie meine Lebensumstände grade sind.

Also auch dann, wenn mich die Pflege eines Angehörigen ganz einnimmt. Oder ich selber (wie bei mir) durch Krankheit recht eingeschränkt bin.

"Autark sein" beschreibt für mich nen ganzen Komplex : Die Balance hinzukriegen, im "rechten Maß" Veränderungen anzustreben oder mich mit Gegebenheiten auszusöhnen. Also ne Art inneres "Bei-mir-sein-Können", so daß ich in jedem Moment das wahrnehmen kann, was grade "richtig" ist für mich. (Im Sinne des Gebets "Gott gebe mir die Kraft....", kennst du sicher.)

Bin ich autark, dann ist es "egal", von wie vielen Menschen ich umgeben bin, wer von mir abhängig ist, von wem ich abhängig bin, mit wem ich tiefe, innere Verbindungen eingehe - oder eben nicht. Dann bin ich "frei", das je nach Bedarf und Gusto zu leben, zu "praktizieren".

Ich denke mal, autark zu werden, dürfte ein lebenslanger Lernprozess sein. Der auch und gerade ne wichtige spirituelle Seite hat. Und in den man "reinwachsen" muß - denn "Freiheit" hat ja auch immer zwei Seiten : Man wird "verantwortlich", muß sich selber ins Gesicht sehen lernen etc.
Es ist ja nicht nur der Aspekt des "Nicht-Bedürfens".

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag