Traumaverarbeitung, ein langer Prozess

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.

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Maskerade
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 18:57

Hallo mio,
mio hat geschrieben:Ich denke die Bearbeitung geht nur stückweise nach und nach. Ich kann zB. sagen, dass ich zwei "Monotraumen" wohl vollständig "integriert" habe, einfach weil die damit zusammenhängende Symptomatik (körperliche Symtome beim einen, eine bestimmte Form von Angst beim anderen) verschwunden ist. Generell denke ich das Monotraumen sich leichter verarbeiten/integrieren lassen als Traumatisierungen die wiederholt und über einen längeren Zeitraum stattfanden.

Denke und erlebe auch, daß es nur stückchenweise geht. Wobei ich tatsächlich einen großen Unterschied finde, ob es um ein einmaliges Trauma geht, oder um eins, das über Jahre hinweg immer und immer wieder geschieht. Ich will das einmalige Trauma nicht herunterspelen, ganz bestimmt nicht, aber ich denke, durch die zahlreichen Wiederholungn wird das Trauma viel intensiver verinnerlicht und nimmt so, viel mehr Raum ein, in einem Menschen. Es verfestigt sich sozusagen und macht es schwerer, sich irgendwann einmal davon zu lösen und zu befreien.

Meine Thera nennt das immer gerne "in Häppchen in sich aufnehmen" oder so. Und ich denke auch, dass es nur so funktionieren kann, wenn es wirklich integriert werden soll. Integration bedeutet ja letztlich nichts anders als eine bewusste Verbindung herstellen zu können zwischen dem ehemals Erlebten und der Gegenwart. Gefühl und "Verstand" müssen also quasi gleichzeitig auf zwei Spuren laufen können um eine Integration zu ermöglichen und das geht eben nicht gleich mit dem "ganzen Paket" und auch die "Vernetzung" muss immer wieder wiederholt werden, damit eine stabile Verbindung entsteht.

Ich finde es sher gut und verständlich, wie Du die Integration eines Traumas beschreibst, herzlichen Dank. Diese Worte werde ich sicher noch mehrmals lesen und hoffentlich verinnerlichen.

Die Problematik bei traumatischen Erlebnissen ist ja, dass sie sozusagen "isoliert" ihr "Unwesen" treiben in einem und dass man sie aus der "Isolation" rausbekommen muss damit sie weniger (autonom) "wirksam" sind.

Klingt logisch, ich habe allerdings oft das Problem, daß Verstand und Gefühl so gar nicht zusammenpassen und dann schon auch mal völlig entgegengesetzt halndle.

Das ist wohl auch der Grund warum Täterkontakt meist nicht gewünscht wird, weil damit immer wieder - unkontrolliert - die "alten Bahnen" aktiviert werden können zumindest wenn sich nicht wirklich was geändert hat und geleugnet wird. Und es geht ja darum diese "kontrolliert" zu aktivieren so dass sie ins "bewusste Spektrum" integriert werden können und kein "Eigenleben" mehr führen.

Ja, wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich sogar. Wie das ist, wenn Täter leugnen kann ich nicht hundert Prozentig sagen. Ich schrieb schon vorher mal, das Leugnen kann auch eine Überlebensstratgie sein. Ich denke, wenn mein Vater zulassen würde, was wirklich war, dann könnte er sich den Strick geben. Das Leugen würde dann mit nicht sehen und nicht anerkennen wollen nur bedingt erklärbar sein. Das ist eine Gratwanderung, finde ich.
Liebe Grüße, Maskerade

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Schneerose
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 19:09

Hallo Maskerade,

naja, weisst du, für mich ist meine Mutter AUCH TÄTERIN ! den Missbrauch findet ja nicht nur sexuell statt, gerade der emotionale Missbrauch, oder die Traumatisierung im Bindungsbereich ist auch sehr schwerwiegend.

Ich dachte immer, dass mir egal ist ob der Täter d. s.M. lebt oder gestorben ist... Tatsache war, dass ich mit dem Zeitpunkt wo er vorstorben war, fähig war in Therapie zu gehen... sprich, meine Seele gab das ok.
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Schneerose
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 19:12

Maskerade hat geschrieben:
blade hat geschrieben:ein Trauma ist dann verarbeitet, wenn man sich selbst kennt.
so kennt, wie man wäre, ohne das Trauma. Sich selbst kennt, wie man ist.

dann erkennt man das Trauma als entbehrlich und kann es ersatzlos streichen.
Darüber muß ich erst nachdenken.
darüber muss auch näher nachdenken - denn für mich ist es eher so, dass ich es gerade nicht streichen will, denn es macht mich aus, es ist Teil meines Lebens, hat mich geprägt und dahin geführt wo ich heute steh... nämlich auch als sehr sensibler, mitfühlender Mensch, das mich durch dieses Trauma ausmacht. Ich möchte es garnicht streichen müssen.
Natürlich wäre ein anders Leben vielleicht schöner gewesen, vielleicht, das weiß ich nicht...
aber Tatsache ist auch dass ich gerade wegen dem Trauma viele Wege gegangen bin, die sonst nie gegangen wäre, ich habe dadurch Menschen kennengelernt, und Dinge erlebt dich ich anders wohl nie erlebt hätte...
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 19:22

Schneerose hat geschrieben:Hallo Maskerade,

naja, weisst du, für mich ist meine Mutter AUCH TÄTERIN ! den Missbrauch findet ja nicht nur sexuell statt, gerade der emotionale Missbrauch, oder die Traumatisierung im Bindungsbereich ist auch sehr schwerwiegend.

Ich dachte immer, dass mir egal ist ob der Täter d. s.M. lebt oder gestorben ist... Tatsache war, dass ich mit dem Zeitpunkt wo er vorstorben war, fähig war in Therapie zu gehen... sprich, meine Seele gab das ok.
Hallo Schneerose,

das hatte ich so verstanden und dargestellt, daß ich auch meine Mutter als TÄTERIN sehe. Daran führt kein Weg vorbei. Hab halt versucht, ihre Situation damals und heute zu sehen. Ist keine Rechtfertigung, dient aber zu etwas mehr Verständnis des Geschehens.

War es demnach für Dich schwierig, das Tabu und das Schweigeverbot zu brechen ? Muß nucht einmal ausgesprochen sein, man kann trotzdem eine immense Angst entwickeln.
Liebe Grüße, Maskerade

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Schneerose
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 19:25

hm, ich weiß nicht, das ist im Laufe der Therapie so geschehen, mit mir passiert, dass ich es ihr plötzlich sagte, von daher nein, mir fiel es überhaupt nicht mehr schwer in dem Moment, auch meinen Geschwistern gegenüber, ich habe es allen gesagt.
Der Preis dafür ist natürlich ein sehr distanziertes Verhältnis zu allen, man verändert sich ja mit soviel Mut - plötzlich, aber das ist ja das Gute jetzt, dass ich dazu stehen kann.
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 19:26

Schneerose hat geschrieben: ...darüber muss auch näher nachdenken - denn für mich ist es eher so, dass ich es gerade nicht streichen will, denn es macht mich aus, es ist Teil meines Lebens, hat mich geprägt und dahin geführt wo ich heute steh... nämlich auch als sehr sensibler, mitfühlender Mensch, das mich durch dieses Trauma ausmacht. Ich möchte es garnicht streichen müssen.
Natürlich wäre ein anders Leben vielleicht schöner gewesen, vielleicht, das weiß ich nicht...
aber Tatsache ist auch dass ich gerade wegen dem Trauma viele Wege gegangen bin, die sonst nie gegangen wäre, ich habe dadurch Menschen kennengelernt, und Dinge erlebt dich ich anders wohl nie erlebt hätte...
Da bin ich Dir wesentlich näher, als dem Gedankenansatz von blade. Du hast es so gut beschrieben, daß ich es genau so auch sagen würde.
Liebe Grüße, Maskerade

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Beitrag Mo., 23.01.2017, 19:29

Schneerose hat geschrieben:hm, ich weiß nicht, das ist im Laufe der Therapie so geschehen, mit mir passiert, dass ich es ihr plötzlich sagte, von daher nein, mir fiel es überhaupt nicht mehr schwer in dem Moment, auch meinen Geschwistern gegenüber, ich habe es allen gesagt.
Der Preis dafür ist natürlich ein sehr distanziertes Verhältnis zu allen, man verändert sich ja mit soviel Mut - plötzlich, aber das ist ja das Gute jetzt, dass ich dazu stehen kann.
Klasse Ergebnis. Herzlichen Glückwunsch.
Liebe Grüße, Maskerade

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Sommerwind90
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 22:04

Das distanzierte Verhältnis im Rahmen des mutiger Werdens erlebe ich auch als notwendigen aber unheimlich schmerzhaften Prozess.

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Pianolullaby
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 23:16

ja, ich könnte keinen Kontakt mehr mit dem Täter haben.
Mit meinen Eltern habe ich schon Kontakt, sie sind nicht grundsätzlich Täter
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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Sommerwind90
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Beitrag Mo., 23.01.2017, 23:35

Ich meine vorwiegend das Verhältnis zur Familie .

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Ophelia12
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Beitrag Di., 24.01.2017, 10:44

Ich frage mich sehr oft, was wäre wenn...ich diesen Mist nicht durchgemacht hätte, wäre ich auch dann (körperlich) krank geworden. ? Welchen Weg hätte ich eingeschlagen. ? Privat / beruflich. ? Etc pp. Da ich schon von Kleinkind an massive Gewalt erfahren hab gibt es für mich kein " vorher / nachher"
Ich versuche langsam es so anzunehmen. Ich kann daran eh nix ändern. Ich kann jetzt besser auf mich aufpassen, was ich vorher nicht konnte und dennoch ist der Weg für mich viel schwieriger als vorher. Da ich es so verinnerlicht hab das ich egal bin.


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Beitrag Di., 24.01.2017, 18:27

Pianolullaby hat geschrieben:ja, ich könnte keinen Kontakt mehr mit dem Täter haben.
Mit meinen Eltern habe ich schon Kontakt, sie sind nicht grundsätzlich Täter
Und schau, das macht für mich halt ein Unterschied. Zu fremden habe ich kein Problem, mich zu distanzieren, aber zu den eigenen Eltern, die mir noch dazu heute wohlgesonnen sind ...
Liebe Grüße, Maskerade

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Beitrag Di., 24.01.2017, 18:53

blade hat geschrieben:ein Trauma ist dann verarbeitet, wenn man sich selbst kennt.
so kennt, wie man wäre, ohne das Trauma. Sich selbst kennt, wie man ist.

dann erkennt man das Trauma als entbehrlich und kann es ersatzlos streichen.
Den ersten Teil kann ich noch iegendwie verstehen, aber den zweiten Teil, nein, das geht für mich gar nicht.

Ich bin nicht Deiner Meinung, daß man ein Trauma ersatzlos streichen sollte. Es geht aus meiner Sicht vielmehr darum, das Trauma zu akzeptieren und in mein Leben zu integrieren. Ersatzlos streichen funktioniert gar nicht, dann ich habe das Trauma ( viele über Jahre ) ja erlebt, es ist also ein Teil von mir. Den kann ich nicht wegmachen und damit ungeschehen machen. Traumata, die Erinnerung, emotional und rational, werden bleiben, wenn vielleicht auch verblassen. Nur, wie ich das künftige Leben sehe und gesatalte, das liegt schon in meiner Hand. Das nehme ich zwar oft noch nicht so wahr, aber das ändert nicht am Wahrheitsgehalt.
Liebe Grüße, Maskerade

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mio
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Beitrag Di., 24.01.2017, 19:01

Maskerade hat geschrieben:es ist also ein Teil von mir. Den kann ich nicht wegmachen und damit ungeschehen machen. Traumata, die Erinnerung, emotional und rational, werden bleiben, wenn vielleicht auch verblassen. Nur, wie ich das künftige Leben sehe und gesatalte, das liegt schon in meiner Hand. Das nehme ich zwar oft noch nicht so wahr, aber das ändert nicht am Wahrheitsgehalt.
Das sehe ich auch so. Und deshalb gefällt mir auch das "Häppchen" Bild meiner Thera. Ich nehme das Trauma sozusagen erst mal in verdaulichen Stückchen "aus mir raus" und stelle es (gedanklich) vor mir auf ein "Tellerchen". Da steht es dann und ich schaue es mir an. Irgendwann, wenn ich bereit bin, nehme ich etwas davon zu mir. Und noch was. Und noch was. Und dann kann ich es sozusagen "verdauen". Und nachdem es "verdaut" ist, ist es "transformiert" in einem Sinne, dass es zwar noch da ist, aber eben nicht mehr von mir "isoliert" und damit auch weniger eigenständig, mächtig und belastend. Es kann zur "Vergangenheit" werden und auch dort bewusst von mir verortet werden.

So ungefähr verstehe ich den "Integrationsgedanken".


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Maskerade
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Beitrag Di., 24.01.2017, 19:11

mio hat geschrieben:
Das sehe ich auch so. Und deshalb gefällt mir auch das "Häppchen" Bild meiner Thera. Ich nehme das Trauma sozusagen erst mal in verdaulichen Stückchen "aus mir raus" und stelle es (gedanklich) vor mir auf ein "Tellerchen". Da steht es dann und ich schaue es mir an. Irgendwann, wenn ich bereit bin, nehme ich etwas davon zu mir. Und noch was. Und noch was. Und dann kann ich es sozusagen "verdauen". Und nachdem es "verdaut" ist, ist es "transformiert" in einem Sinne, dass es zwar noch da ist, aber eben nicht mehr von mir "isoliert" und damit auch weniger eigenständig, mächtig und belastend. Es kann zur "Vergangenheit" werden und auch dort bewusst von mir verortet werden.

So ungefähr verstehe ich den "Integrationsgedanken".
Du hast das so treffend beschrieben, daß ich sehr gut mit gehen kann.
Liebe Grüße, Maskerade

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