ist eine Psycho-Therapie ein Stigma

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag Di., 03.01.2017, 22:32

Speechless hat geschrieben:Die Trennlinie ist vllt also doch nicht so besonders scharf.
In der Praxis sicher nicht, meine Thera meinte am Anfang auch mal, dass das was sie da momentan macht eher "Coaching" wäre als Therapie. Ich kann Dir aber nicht genau sagen, worauf sie das bezog.

Der "Hauptunterschied" ist wohl die "Zielsetzung" - also bei einer Therapie gehst Du hin und klassisch schaut der Thera dann, wie er Dich zur Lösung Deiner (tieferen, Dir vielleicht sogar unbekannten) Probleme bekommt. Beim Coaching gehst Du hin und benennst ein klar umrissenes Problem und nur an dem wird dann auch gearbeitet, der "Rest von Dir" wird also "in Ruhe gelassen".

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Speechless
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Beitrag Di., 03.01.2017, 22:33

Was soll das eigentlich für ein Attest gewesen sein? Normalerweise gibt es Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, aber keine Gesundschreibung oder Bestätigung, dass man fit ist, zu arbeiten. Zumindest glaube ich nicht, dass dein Arbeitgeber das hätte verlangen dürfen. Als Psychiater bzw. generell als Arzt finde ich es auch seltsam, jemandem schriftlich zu bestätigen, dass man arbeitsfähig ist. Ich würde das an Arztstelle lieber nicht riskieren, weil ich es nicht garantieren kann.


mio
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Beitrag Di., 03.01.2017, 22:40

Speechless hat geschrieben:jemandem schriftlich zu bestätigen, dass man arbeitsfähig ist
Ich glaube es gibt Bereiche in denen Sonderregelungen gelten und der medizinische Bereich dürfte so einer sein, falls ein "begründeter Verdacht" besteht. Denk nur mal an die "Schwestern" die Alte oder Kranke totspritzen, weil sie sich für "Erlöserengel" halten.

Und ich musste zB. am Anfang meines SozPäd Studiums auch ein polizeiliches Führungszeugnis vorweisen, dass musst Du auch nicht bei allen Studiengängen.


Speechless
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Beitrag Di., 03.01.2017, 22:48

Ja Führungszeugnis macht Sinn, ist aber auch was Allgemeines. Aber du hast Recht, medizinischer Bereich ist vllt etwas Besonderes, aber sowas hab ich trotzdem noch nicht gehört. Ist das dann ein Formular, ein Brief und was steht da drin, wenn ich fragen darf?

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mio
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Beitrag Di., 03.01.2017, 22:54

Speechless hat geschrieben:Ist das dann ein Formular, ein Brief und was steht da drin, wenn ich fragen darf?
Ich vermute das ja nur, Speechless. Weil es für mich eine schlüssige Erklärung der unterschiedlichen Bewertung wäre.

Aber vielleicht kann Schneeweiss das aufklären.

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schneeweiß
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Beitrag Di., 03.01.2017, 22:58

Ich denke auch nicht, dass es rechtlich haltbar gewesen wäre, dass sie das Attest verlangen hätten können. Ich ging den Weg des geringeren Widerstands und habe mit einem Psychiater gesprochen, der nachdem ich die Situation geschildert habe, bereit war, der Ausbildungseinrichtung meine Ausbildungs- und Arbeitsfähigkeit zu bestätigen.

Ich verstehe vollkommen, dass psychische Probleme für andere nicht greifbar sind (im Gegensatz zu körperlichen Erkrankungen, wo es häufig eine deutlichere Vorstellung gibt)..

Allerdings ist es dennoch beachtlich und kann Probleme bereiten, wenn eine Psychotherapie potentiell als Makel gesehen wird.
Und die meisten Menschen sind in irgendeiner Art und Weise im Laufe ihres Lebens entweder selbst oder als Angehörige mit psychischen Problemen und Erkrankungen konfrontiert.

Nein, meiner Erfahrung nach kann es immer wieder Situationen geben, in denen Menschen aufgrund einer Psychotherapie stigmatisiert werden, und zwar ohne, dass im Kontakt oder der erbrachten Leistung Schwierigkeiten feststellbar wären.

Da kann es dann schon genügen, in der Vergangenheit eine Psychotherapie gemacht zu haben.
Und das macht mich dann auch wütend, weil: Ja ich hatte Probleme, aber ich habe mich diesen gestellt und daran gearbeitet.
Gearbeitet hab ich allerdings immer, es hat sich sehr auf den Umgang mir selbst und in Beziehungen beschränkt.

Und jeder einzelne kann theoretisch schon morgen irgendwelche Störungen entwickeln..in andere Menschen hineinschauen funktioniert nie.

Aber rechtfertigen muss sich dann unter Umständen derjenige, der in seiner Vergangenheit eine Psychotherapie gemacht hat..
(ein polizeiliches Führungszeugnis bringen zu müssen fällt in eine andere Kategorie -das muss dann jeder, der in gewissen Bereichen arbeiten beginnen möchte).

Und das ist einer Stigmatisierung geschuldet, die mit psychischen Erkrankungen verbunden wird. Ich denke nicht, dass jeder solche Erfahrungen macht, aber es kann leicht passieren, wenn ungünstige Umstände eintreten.

Solange es nicht normal ist, zu seinen mitunter auch schwerwiegenderen Problemen ohne nachteilige Behandlung stehen zu können, solange wäre ich in jedem Fall sehr vorsichtig.

Freunden gegenüber empfinde ich es aber als sehr entlastend, meine Gedanken mitteilen zu können..
Zuletzt geändert von schneeweiß am Di., 03.01.2017, 23:01, insgesamt 1-mal geändert.


MariJane
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Beitrag Di., 03.01.2017, 23:00

Ich weiß nicht, wie das in Österreich geregelt ist, in Deutschland dürfen auch Menschen coachen, die keine therapeutische Ausbildung haben. Und da wird dann logischerweise ganz klar diese Grenze gezogen. Coach für die Gesunden und Therapeut für die psychischen Erkrankungen. Und wenn ein Coach (natürlich keiner mit Therapie-Background) merkt, er hat da jemanden mit ner psychischen Problematik vor sich sitzen, soll er eben seine Grenzen erkennen und den Klienten weiterverweisen.


mio
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Beitrag Di., 03.01.2017, 23:05

Ja, das ist absolut richtig. Ein Therapeut darf als Coach arbeiten, aber ein Coach nicht als Therapeut. Ein Therapeut darf ein (reines) Coaching aber nicht als Therapie abrechnen, weil es für eine Therapie einen Krankheitswert braucht.


mio
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Beitrag Di., 03.01.2017, 23:12

schneeweiß hat geschrieben:Aber rechtfertigen muss sich dann unter Umständen derjenige, der in seiner Vergangenheit eine Psychotherapie gemacht hat..
Ich vermute es geht da eher um "Absicherung" für den Arbeitsgeber, damit der sich im Nachhinein nicht irgendeine "Schludrigkeit" vorwerfen lassen müsste für den Fall der Fälle. Siehe zB. das GermanWings Unglück in Frankreich. Da war ja genau das Thema.

Die Rechtmässigkeit dessen dürfte ne Grauzone sein, aber den Hintergrund kann ich nachvollziehen und ich denke auch wirklich, dass es da nicht um Rechtfertigung geht sondern eher um Absicherung. Und solange es keine Nachteile für mich bringen würde, die unbegründbar wären, fände ich es auch echt ok. Schon weil auch ich nicht jemandem ausgeliefert sein wollte, der vielleicht ernsthaft eine Gefährdung für mich darstellt.

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schneeweiß
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Beitrag Di., 03.01.2017, 23:48

War auch kein Problem für mich. Ich habe nichts gefährdendes an mir.

Aber: Aufgrund einer Psychotherapie kann einem etwas sehr Negatives anhaften (also die Überlegung, es könnte jemand eine Gefahr für andere darstellen).

Und ja, das ist eine Form von Stigmatisierung.

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schneeweiß
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Beitrag Di., 03.01.2017, 23:58

Ah ja, der Ausbildungseinrichtung ging auch nicht darum, dass sie den Eindruck hatten, ich könnte jemanden gefährden, sondern dass ich entweder nach mehrjähriger Ausbildung (deren Kosten sie tragen gegen eine Verpflichtung der auszubildenden, nach Abschluss dort zu arbeiten) nicht dort arbeiten oder die Ausbildung abbrechen würde.

Nach einer Rechtsauskunft einer Organisation hier in Österreich wäre das Einfordern eines Attests rechtlich NICHT haltbar gewesen.

Aber ich ging wie gesagt den nervenschonenderen Weg und hab das gewünschte Attest gebracht.
Ich möchte auch gerne von diesem konkreten Beispiel weg (ist mir zu persönlich noch mehr dazu zu sagen und das wäre wahrscheinlich für ein konkretes Verständnis dieser Situation nötig), ich wollte nur aufzeigen, dass es unter gewissen Umständen zu Unannehmlichkeiten führen kann, wenn eine Psychotherapie (aktuell oder in der Vergangenheit) öffentlich wird.
Das muss (und wird) keineswegs jedem passieren, aber kann unangenehm werden, wenn es doch eintritt.


Sunna
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Beitrag Mi., 04.01.2017, 10:12

Ein Attest über die Arbeitsfähigkeit vorlegen zu müssen, ist meines Wissens nach korrekt. Zumindest gibt es dazu einen Gerichtsentscheid in Deutschland. Dass es um den Schutz derjenigen geht, die von einem versorgt werden, bezweifel ich allerdings extrem stark.
Über die eigene Arbeitsfähigkeit entscheidet der Arzt. Jede Krankschreibung gibt nicht nur verbindlich! an, dass jemand arbeitsunfähig ist, sondern auch, wann er wieder arbeitsfähig ist. Hat der Arbeitgeber begründete Zweifel, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, muss der Arbeitnehmer dies per Attest nachweisen.
Bei psychischen Erkrankungen würde ich als Arbeitgeber auch relativ früh anzweifeln, dass die Arbeitsfähigkeit gegeben ist, weil man diese Erkrankungen nicht sehen kann und sie schwer einzuschätzen sind. Dabei ist mir der Schutz des Arbeitnehmers wichtig (und vielleicht auch eine bestimmte rechtliche Verantwortung meinerseits, Vorschriften dazu wird es geben). Dieses Verfahren schützt den Arbeitnehmer auch davor, sich selbst falsch einzuschätzen und es schützt mich davor, angelogen zu werden. Vom Arbeitgeber zu verlangen, die Situation alleine korrekt einzuschätzen, funktioniert natürlich gar nicht.
Dass diese Situation vom Arbeitgeber sehr wohl unrechtmäßig ausgenutzt werden kann, ist dadurch leider auch gegeben. Vielleicht ist das Thema Verbeamtung hier noch interessant?

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schneeweiß
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Beitrag Mi., 04.01.2017, 10:26

Das ist sicher richtig und ich möchte auch nicht generell die Sinnhaftigkeit von Attesten in Abrede stellen..genaues möchte ich konkret zu mir nicht sagen (was aber nötig wäre, um als Außenstehender besser nachvollziehen zu können) ich wollte nur aufzeigen, dass Psychotherapie auch als Makel angesehen werden kann..

Deshalb denke ich, es ist schon wichtig zu bedenken, wo man was von sich preis gibt..

Laut österreichischer Rechtslage ist man meiner Information nach nicht verpflichtet, Psychotherapie in der Vergangenheit beim Arbeitgeber zu melden.


Speechless
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Beitrag Mi., 04.01.2017, 11:01

Sunna, tut mir Leid, aber das ist Quatsch und falsch. In einer AU steht eben genau nicht drin, wann man wieder arbeitsfähig ist, daher kann man auch trotz einer AU arbeiten gehen (ja, auch versicherungstechnisch), da es nur eine Empfehlung ist. Wenn man weiter krank ist holt man sich eine weitere AU.

Daher interessiert mich eben auch, was in so einem Attest drin steht und wieso es so heißt, aber darauf bekomme ich ja keine antwort.

Ich wiederhole: es gibt in Deutschland keine Gesundschreibung.

Und nachweisen, dass man gesund ist muss man schon gar nicht.


mio
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Beitrag Mi., 04.01.2017, 11:25

Zumindest Atteste scheinen unter bestimmten Voraussetzungen gefordert werden können, es geht hier zwar um ein etwas anderes Thema, aber um den medizinischen Bereich:

"Wenn Sie die Erlaubnis zur Führung einer Berufsbezeichnung beantragen möchten, reichen Sie bitte folgende Unterlagen beim Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen ein:
- Antragsformular (steht als pdf-Datei zur Verfügung und kann am PC ausgefüllt und ausgedruckt werden),
- Feststellungsbescheid des Landesprüfungsamtes,
- ärztliches Attest über die gesundheitliche Eignung zur Berufsaus-
übung, nicht älter als drei Monate (Vordruck steht als pdf-Datei zur
Verfügung),
- amtliches Führungszeugnis der Belegart O, zu beantragen beim
Einwohnermeldeamt Ihres Wohnortes (nicht älter als drei Monate),
- beglaubigte Fotokopie Ihres Ausbildungsnachweises aus Ihrem
Heimatland."


(Quelle: https://www.kreis-re.de/dok/Formulare/5 ... usland.pdf)

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