Die Krankheit Depression

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Tristezza
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Beitrag Di., 27.02.2018, 18:33

Wirst du denn von anderen für bequem gehalten, sandrin, oder ist es eine Befürchtung von dir, dass es so sein könnte? Arbeitest du eigentlich Vollzeit - wenn nicht, wäre eine Reduzierung der Arbeitszeit eine Option?

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sandrin
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Beitrag Di., 27.02.2018, 18:36

Ja, ich arbeite Vollzeit. Und ich glaube, objektiv gesehen mache ich meine Arbeit auch zufrieden stellend. Aber zu mehr ist im Moment keine Kapazität da. Hätte ich jetzt irgendetwas Körperliches, dann wäre die Sache klar. Ich glaube, dass eine Depression in der Gesellschaft einer körperlichen Krankheit nicht gleichgesetzt wird, oft nur als eine Stimmungsschwankung gesehen wird. Das wiederum macht es dann mir umso schwerer, einen Gang runterzuschalten (z. B. Fristen auszureizen), wenn ich sehe, wie die anderen das auch irgendwie schaffen.

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Tristezza
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Beitrag Di., 27.02.2018, 18:40

Aber warum reicht es dir nicht, dass du selber weißt, dass eine Depression die Leistungsfähigkeit wie eine körperliche Krankheit beeinträchtigen kann? Und wagst du es nicht, deine Arbeitszeit zu reduzieren, weil man dir dann Bequemlichkeit vorwerfen könnte?

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sandrin
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Beitrag Di., 27.02.2018, 18:48

Ich habe von meiner Familie und meinem gesamten Umfeld eigentlich immer gehört, ich würde übertreiben, Depressionen habe doch heute schon jeder. Da müsse man einfach an sich arbeiten. Meine Vermutung ist, dass sich das tief in mich hineingebrannt hat. Alleine schon, dass Kollegen mit körperlichen Erkrankungen das einfach sagen können und dann - im Idealfall - ernstgenommen werden bzw. Rücksicht erfahren. Wenn jemand zu mir sagen würde: Hör mal, weißt du eigentlich, was du leistest bei deinem Krankheitsbild? Das würde mir schon so unheimlich guttun.

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Tristezza
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:03

Du weißt doch selbst, was du leistet - letztlich ist es das, was zählt, oder? Was bringt es dir denn, wenn dir die anderen im übertragenen Sinn auf die Schulter klopfen? Es geht darum, dass du dich selbst schätzt. Und es geht auch um Selbstfürsorge. Nochmal: Warum kannst du es dir offensichtlich nicht vorstellen, beruflich etwas kürzerzutreten, damit das Leben mit der Krankheit nicht mehr so anstrengend für dich ist?

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sandrin
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:13

Ich glaube, dass mich das nicht weiterbringen würde, weil ich selbst mit einer Reduzierung der Arbeitszeit wahrscheinlich so viele Sonderaufgaben draufgepackt bekommen würde (dann habe ich ja die Zeit ;-)), dass da nichts weniger würde, außer das Geld. Das haben leider schon viele Erfahrungen im Kollegenkreis gezeigt.

Es geht mir gar nicht darum, dass mir jemand auf die Schulter klopfen muss, um Gottes Willen. Aber Anerkennung für seine Krankheit, das Gefühl, dass man ebenfalls Mitgefühl und Rücksichtnahme erfährt, wünscht sich doch eigentlich jeder, oder? Klar, ich weiß das schon, was ich leiste. Aber es ist eben doch auch Teil der Krankheit, dass zwischen Wissen und Wissen ein Unterschied besteht.

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lisbeth
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:16

Sandrin, ich weiß du suchst Zuspruch, aber ganz ehrlich: Diese Vergleicherei mit körperlichen Erkrankten, die (deiner Meinung nach) mehr Rücksicht erhalten und mehr 'gesehen' werden, bringt doch nix, oder? Macht dich doch nur noch unzufriedener. Und, ganz ehrlich: Eine Freundin von mir sitzt im Rollstuhl und die hat immer wieder mit genau dem gleichen Druck, den du hier beschreibst, zu kämpfen, nur mit anderem Vorzeichen. Sie setzt sich immer wahnsinnig unter Druck, dass bloß nicht der Eindruck entstehen darf, sie sei in der Position, in der sie ist, weil auf sie besondere Rücksicht genommen wird. Also leistet sie doppelt so viel wie sie müsste und wie es gut/gesund für sie ist. Es ist also eine Illusion, dass es mit anderen (äußeren) Gegebenheiten grundsätzlich anders wäre.

Klar wäre es schön, wenn du mehr Zuspruch erhalten würdest. Aber was würde das ändern? Der Alltag wäre immer noch genauso schwierig zu bewältigen. Es wäre immer noch alles zäher Schleim und jede Aktion würde dich unmenschliche Kräfte kosten und du wärst immer noch total erschöpft vom Ganzen. Dafür klopft dir dann mal ein Kollege/ein Familienmitglied auf die Schulter. Bringts das wirklich? Macht das dann *den* Unterschied?

Klar, wir haben alle irgendwie "gelernt" dass Depressive vermeintliche Weicheier sind, sich gehen lassen, faul sind. Muss man das deshalb weiter so glauben und für sich selbst als Maßstab nehmen? Bei anderen Dingen hast du die Maßstäbe deiner Familie bzw deines Umfeldes sicher doch auch hinterfragt, warum nicht hier? Warum ist es hier so enorm wichtig für dich, diese "Anerkennung" zu bekommen? Oder geht es da für dich eigentlich um "Konkurrenz" (zb Anerkennung, die Kollegen bekommen aber du nicht, oder innerhalb der Familie, dass du im Vergleich zum Geschwister immer als Schluffi dastehst...)? Ist jetzt als offene Frage gemeint, nicht als Feststellung...

Ist es nicht viel wichtiger, dass ich lerne *mich selbst* ernst zu nehmen. Und du nimmst deine Realität so wahr, dass der Alltag sehr schwer zu bewältigen ist. Was stoppt dich, dir auch Glauben zu schenken?
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Tristezza
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:23

Also ich kenne eine Lehrerin, die früher auch depressiv war, der es deutlich besser geht, nachdem sie die Stunden reduziert hat. Vielleicht wäre es einen Versuch wert? Wenn du Stunden reduzieren müsstest, um deine kranke Mutter zu pflegen, würde man dir ja wohl auch kaum zusätzliche Aufgaben aufbrummen, weil du einfach nicht mehr arbeiten könntest.

Rücksichtnahme kann man natürlich nur bekommen, wenn die anderen wissen, wie es einem geht. Mitgefühl von Kollegen finde ich nicht so erstrebenswert ... sollte man sich vielleicht auch besser an anderer Stelle holen, wenn man das braucht/möchte. Da, wo man offen sein kann - das geht vermutlich an einer Schule schlecht.

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Pianolullaby
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:24

Ich denke dass Du deshalb den "Zuspruch" über körperliche Krankheiten brauchst, weil Du Dir selbst nicht eingestehst, dass du psychisch krank bist. Du kannst selber nicht zu Dir und Deiner Krankheit stehen, warum auch immer.???
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sandrin
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:32

Ja, ist ein weites Feld und sicherlich immer wieder schwierig für jeden. Es ist komplex und Vergleiche bringen wirklich nichts. Danke für euer Feedback!

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Tristezza
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:40

Das Feedback hat aber anscheinend nicht viel gebracht, oder? Vielleicht wolltest du ja auch keine Ratschläge, sondern dir nur mal Luft machen oder Mitgefühl von uns, wenn du es schon nicht von den Kollegen bekommst.

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lisbeth
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:45

Ja, aber dann denk doch mal die anderen Fragen weiter, die hier aus unterschiedlichen Richtungen reingeworfen werden, anstatt dich enttäuscht (?) zurück zu ziehen, weil nicht das kam, was du dir gewünscht (?) hast.

So jedenfalls (enttäuscht, auf dem Rückzug) wirkt deine Antwort jetzt grad auf mich. Kann allerdings auch falsch liegen.
Das Weiterdenken muss ja auch nicht öffentlich hier im Forum sein. Aber irgendwie ist es doch immer wieder dieser Knackpunkt: Das "Außen" - und wie bewerten / sehen die dich? Anstatt dir von innen heraus die "Erlaubnis" zu geben für das was du brauchst.


LG und trotzdem einen schönen Abend.
l.
Zuletzt geändert von lisbeth am Di., 27.02.2018, 19:51, insgesamt 2-mal geändert.
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sandrin
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Beitrag Di., 27.02.2018, 19:48

Nein, überhaupt kein Problem, Lisbeth. Ich verstehe durchaus, was du meinst. Ich glaube wirklich, dass ich da insgesamt schon auf einem guten Weg bin, nur manchmal hat man halt wieder solche Phasen, wo man wieder in alte Muster verfällt. Das Außen ist kein Maßstab, und im Grunde ist das ja auch ganz gut so.

Dir auch einen schönen Abend!

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Kaonashi
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Beitrag Mi., 28.02.2018, 12:20

sandrin hat geschrieben: Di., 27.02.2018, 18:48 Hör mal, weißt du eigentlich, was du leistest bei deinem Krankheitsbild? Das würde mir schon so unheimlich guttun.
Das vermisse ich bei meinem Chef auch ein bisschen. Er kennt meine Diagnose, aber noch kein einziges Mal hat er mich gelobt für irgendeine Leistung. Da bleibt einem nur, selbst stolz darauf zu sein.
Aber sich auch generell nicht nur über Leistung und Perfektionismus definieren. Mir war das lange Zeit sehr wichtig, dass ich gut bin im Job, als Ausgleich für sonstige Defizite, und inzwischen denke ich, wenn ich mal nicht so gut bin und Fehler mache, geht die Welt auch nicht unter.

Was Arbeitszeitreduzierung betrifft: Mir haben in der Vergangenheit kleine Reduzierungen geholfen, bis ca. 2016, dann nicht mehr. Ab 2018 habe ich noch weiter reduziert und arbeite nur noch 3 Tage in der Woche. Ob das hilft, kann ich noch nicht sagen, es ist noch zu kurz. Aber ich denke schon, man hat einfach viel mehr Zeit für sich selbst. Ich bin gerade erst dabei, wieder entspannter zu werden und mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich etwas für mich tun kann (umsetzen kann ich es noch nicht, ich hänge gerade die ganze freie Zeit nur schlapp auf dem Sofa rum).

Wichtig ist natürlich, dass man dann auch tatsächlich nur die Anzahl Stunden arbeitet, die man vereinbart hat. Darauf muss man auch selber achten und eventuelle Anforderungen oder auch Verlockungen, Überstunden zu arbeiten, immer abweisen.

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candle.
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Beitrag Mi., 28.02.2018, 12:41

Kaonashi hat geschrieben: Mi., 28.02.2018, 12:20 Das vermisse ich bei meinem Chef auch ein bisschen. Er kennt meine Diagnose, aber noch kein einziges Mal hat er mich gelobt für irgendeine Leistung. Da bleibt einem nur, selbst stolz darauf zu sein.
Das Problem ist nur Kaonashi, dass nicht jeder Arbeitgeber um die Diagnose weiß, wissen darf- in den meisten Berufsrealitäten. Mit meiner "Offenbarung" gab es nämlich gleich mal Mobbingversuche. Das kann auch bis zum Jobverlust führen.

Also eine anerkannte Behinderung ist schon etwas anderes als eine Krankheit.

LG candle
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