Klagen/jammern

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wind of change
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Beitrag Do., 14.04.2016, 12:40

Wenn man in einem Umfeld lebt, wo "jammern" indirekt strengstens verboten ist, kann das dazu führen, dass 'man' oder ich, denn das ist meine Erfahrung, überhaupt gar nichts mehr zu irgendjemanden sagt, wie es mir geht, denn dann könnte ja wieder jemand "schlauer" daherkommen und mir 'wohlwollend' (??) sagen, ich solle doch mit dem "jammern" aufhören. Heisst also, ich konnte mich nirgends mehr richtig ZEIGEN und insofern auch nicht ehrlich sein und 'musste' ein anderes Gesicht zeigen als wie es mir WRKLICH ging. DAS kann kaputt machen, ist wirklich anstrengend, auslaugend, hat mich mitunter auch innerlich zur Verzweiflung gebracht, dazu geführt dass ich mich zurückgezogen hab und mich auch einsam fühlen lassen und gemacht.
Mittlerweile hab ich mich soweit 'aufgepumpt', dass ich mir das RECHT herausnehme, auch mal zu sagen wenn's mir nicht gut geht. Natürlich nicht immer und auch längst nicht bei allen (ich finde, da sollte man auch schon 'gucken') und manchmal (so auch gestern geschehen) sage ich dann auch dazu, "ich will nicht jammern, wenn sich das so anhört, aber ich will einfach ehrlich sein!" Denn an dieser 'Maske des ach wie geht's mir doch gut' kann man ERSTICKEN, So zumindest meine Erfahrung. Und dazu werden andere dann auch noch 'eingeschüchtert' und irgendwann traut sich keiner mehr was zu sagen, wie's ihm / ihr wirklich geht!

Ich fand jetzt den Beitrag von
Waldschratin
(Seite 2 von meinem Smartphone aus)
für mich persönlich sehr hilfreich, z.B.
Waldschratin hat geschrieben:
Klar ist es ein Unding,das Klagen und Jammern zu benutzen,um sich selber vorm Umsetzen,vor Veränderung zu "schützen",sich aber dennoch auf Kosten und Energie anderer entlastet zu bekommen.
...
Dagegen stellen sich mir so-fort die Nackenhaare quer,wenn
eins sich mittels Jammerei einfach nur
entlasten will und
"bestätigt" werden will in der eigenen verletzten Eitelkeit -
eben
auf Kosten des Einsatzes und der Energie eines anderen Menschen.
...
Wobei : Hin und wieder macht das auch jeder mal,find ich also auch jetzt nicht DAS Problem.

Bingo! DAS hat mir jetzt wirklich zu einem kleinen Aha-Erlebnis verholfen. Danke
Und wenn sich der andere dann GAR NICHTS sagen lässt (ich denke jetzt an jem.aus meinem real life) und beim kleinsten bisschen "hochgeht", ist das wirklich schwer. Und ich War dann auch wirklich fertig im Sinne von erschöpft.
Wobei es natürlich auch meine Aufgabe gewesen wäre mich abzugrenzen, aber da war nun mein Schwachpunkt. Und dazu noch "gebranntes Kind", was so eine indirekte Aggressivität angeht, wenn jem. anderer beim kleinsten bisschen hochgeht, einen "anzischt", usw. Und ich auch gar nicht so den Durchblick hatte, was da, ausser seiner Not, auch noch 'abging', Warum ich danach immer so erschhöpft war. Wobei ich wirklich denke, dass er auch wirklich unter seinen Nöten gelitten hat / leidet. Aber vor lauter Nöten hat er vielleicht auch MICH Nicht gesehen ... Konnte Mich vielleicht auch gar nicht sehen ... naja, könnt ich jetzt noch einiges schreiben, es hat einfach nicht gepasst (platonischer Freund).

Ich finde auch, es ist sowieso schwierig (fast schon 'kritisch'), jem.auf etwas hinzuweisen. Weil es oft eben so ankommt wie 'belehrend', verurteilend .... geht mir ja auch so ... aber dann versuche ich mich daran zu erinnern, dass ich auch manchmal so kleine Erkenntnisse hab, die mir wirklich geholfen haben und ich versuche wirklich aus dem Wunsch heraus, dass es für den anderen auch hilfreich ist, das weiterzugeben. Aber ich finde, das erfordert viel Fingerspitzengefühl (dazu noch das Problem, dass 'man' immer nur einen Teilausschnitt kennt ... und dazu vielleicht noch einen wunden Punkt trifft) und der andere sollte auch das Wohlwollen spüren. Sonst passiert da gar nichts!
(Wahrheit ohne Liebe geht nicht! )

Die Frage ist aber auch, ob bei dem, der da 'ermahnt', auch wirklich ein Wohlwollen da ist oder ob er / sie nur sich selber abreagieren will oder seinen eigenen Frust nur ablassen will!



(letzten Beitrag / Beiträge noch nicht gelesen)
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wind of change
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Beitrag Do., 14.04.2016, 17:38

wind of change hat geschrieben: ... Aber ich finde, das erfordert viel Fingerspitzengefühl (dazu noch das Problem, dass 'man' immer nur einen Teilausschnitt kennt ... und dazu vielleicht noch einen wunden Punkt trifft) ...
 

Manchmal redet man auch total aneinander vorbei oder es entstehen totale Missverständnisse. 

Da "jammert" der eine und was macht der andere?: 

Messerscharf geschlussfolgert!  

(dabei kennt er gar nicht die ganze Situation! oder / und noch nicht mal den "Jammerer" selbst (und macht sich gleich ein 'Bild' allein aufgrund dessen, was er sagt, dass er "jammert") und dass das vielleicht sogar eine Überwindung für den "Jammerer" ist, sich zu öffnen und auch aus welchen Motiven der "Jammerer" überhaupt was sagt, wie der "Jammerer" sonst ist (evtl. genau das Gegenteil von "Jammerer"?) und weiss auch nicht oder kommt nicht auf die Idee, dass der "Jammerer" wirklich ein Problem mit einigen Situationen hat, sie zu lösen und damit auch das "Jammer-Problem" zu lösen, weil es für den anderen kein Problem ist) 

-> Nur Leider, Messerscharf FALSCH geschlussfolgert! 

DAS tut weh! 
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Meerestochter
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Beitrag Do., 14.04.2016, 23:08

Ich versteh nicht, was verkehrt daran ist, auch mal zu jammern. Manchmal tut es halt einfach gut, rumzujammern. Ich jammer in meinem Blog auch rum. Ja und? Das heißt aber doch nicht, dass man nicht an seinen Problemen arbeiten würde. Im Gegenteil, mir hilft es z.B. dabei, mir darüber klar zu werden, wo genau ich Probleme habe und woran es liegt. Ich hab viel zu lange alles in mich reingefressen, habe nie geklagt oder gar gejammert. Und was hat es mir gebracht? Ich hab den Bezug zu mir selber verloren. Ich hielt mich für eine Versagerin, weil ich so viele Dinge, die "normale" Menschen mit links machen, einfach nicht geschafft habe. Ich hab geglaubt, ich würde mich wirklich nur anstellen und müsste mich einfach nur noch mehr anstrengen. Jetzt, wo ich weiß, dass ich ein Aspie bin, denke ich, dass ich auch mal das Recht habe, rumzujammern und der Welt zu sagen, dass es mir Scheiße geht und vor allem, warum es mir Scheiße geht.

Man sollte auch nicht vergessen, dass es auch Leute gibt, die sich wirklich nicht mehr zu helfen wissen und die deswegen jammern. Es wird zwar dauernd gesagt, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist und sich selbst bewegen muss, aber was ist, wenn äußere Umstände jemanden daran hindern? Oftmals meint man, man würde die Lösung kennen, aber die vermeintlich einfache Lösung ist für denjenigen gar nicht umsetzbar.

Wir sind hier nunmal in einem Forum, in dem jeder sein Päckchen (bei manchen ist es eher ein Riesen-Paket) mit sich rumschleppt und wenn mal jemand jammert, sollte man ihm/ihr das auch mal zugestehen, statt gleich zu sagen: "Jetzt hör aber mal auf, so rumzujammern!". So was hat derjenige/diejenige vielleicht schon viel zu oft zu hören bekommen. Ich denke, für viele ist dieses Forum die einzige Möglichkeit, mal ein wenig rumzujammern. Letzten Endes kann man immer nur versuchen, den Jammernden zu helfen. Ob die Hilfe dann aber auch wirklich eine Hilfe ist und ob sie auch angenommen wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Wenn nicht, muss man das halt akzeptieren.


Widow
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Beitrag Do., 14.04.2016, 23:56

Waldschratin hat geschrieben:Jemand,der sich auf Kosten anderer zu entlasten versucht,der kämpft doch erst gar nicht!

1. Ist denn "Kampf" immer das richtige, wenn man sich zu entlasten versucht? (Und das - sich entlasten - versucht ein Mensch in psychischer Not, das versuchen zum Beispiel wohl die meisten User des ptf, indem sie Therapien machen, indem sie hier mitunter schreiben, indem sie andere Dinge tun.)
2. Muss man denn immer "kämpfen", damit Entlastung möglich wird?
3. Sind nicht jene "anderen" dafür verantwortlich, wenn sie Kosten zu übernehmen bereit sind, die Fremde verursacht haben?

Nochmal anders gewendet:
Waldschratin hat geschrieben:Ich hab z.B. derzeit eine Arbeitskollegin,die kommt jeden Tag an mit anderer Jammerei und Beschwererei,über die Arbeit,ihren Mann,die Kinder,die Nachbarn,den Furz,der ihr grad durch den Bauch geht....
Das kippt sie mir und meinem anderen Arbeitskollegen regelrecht drüber,ohne zu fragen,ob wir das überhaupt uns anhören wollen. Ne richtig klassische "Opferhaltung" legt sie da an den Tag.
Und erwartet dann tiefstes Mitgefühl und Bedauern von uns - und "Bewunderung" für sie,was sie doch alles aushalten muß Tag für Tag.
Doch sie denkt gar nicht daran,mal auch nur den Hauch einer Veränderung bei sich selber zu versuchen.
Die 'Belustigung' ("Furz, der ihr grad durch den Bauch geht ... lol"), mit der Du mehr oder minder hämisch auf das Leiden jener Kollegin reagierst (merke: Jedes Leiden, jeder Schmerz ist zutiefst subjektiv), lässt mich stutzen.
Und Deine Rede von der ">Opferhaltung<" (ein Wort, das Du Dir offenbar auf Abstand bringen musst, denn warum sonst setzt Du es in distanzierende Anführungszeichen? Ich habe das eben übrigens nur getan, weil ich Dich zitiere und ein Zitat markiert werden muss) - Deine stilistisch besondere Rede von dieser Haltung lässt mich ebenfalls stutzen.
Und schließlich lässt mich stutzen, dass Du es offenbar so richtig übel und mies findest, wenn jemand nicht "nur den Hauch einer Veränderung bei sich selber zu versuchen" unternimmt.

Kann's sein, dass Du Dich für das Maß der Dinge hälst?
Und dass Du dementsprechend für ein anderes Leid mitunter nur Spott übrig hast, und dass Du dementsprechend Menschen verabscheust, die Deiner Ansicht nach eine Opferhaltung (was immer das auch sein soll ...!) einnehmen, und dass Du ganz heimlich, aber dementsprechend massiv neidisch bist auf Menschen, die sich nicht all den Qualen unterziehen, denen Du Dich unterzogen hast, um Dich zu ändern?


- Woher also die Häme, woher also die unterschwellige Wut über jene Kollegin, Waldschratin?

(Übrigens bin ich mit solchen Menschen, von denen ich auch ein paar kenne, noch viel unduldsamer als Du: Sie haben mich noch nie zynisch oder wütend werden lassen. Nur immer ein wenig traurig über all ihre Beschränktheit und Beschränkungen. Aber nennenswert Zeit - und sei es nur, indem ich mich lang und breit über sie irgendwo auslasse - habe ich auf sie nie verwendet.)

Beste Grüße
Widow

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wind of change
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 00:28

Ich hab nachher auch noch gedacht,
Meerestochter
(schöner Nickname übrigens ),
weil ja "jammern" und "Jammerlappen" so überaus negativ besetzt sind:
Warum eigentlich? Meine Güte, dann bin ich eben ein "Jammerlappen", na und? Ich kann's bald nicht mehr hören.

Und es gibt glaub ich ganz schön viele, die deshalb GAR NICHTS mehr sagen
(war bei mir ja auch so und wie das jetzt wäre kann ich gar nicht so genau sagen, weil ich mich ziemlich zurückgezogen hab)
und DAS find ich schlimm:
daran zu ersticken, weil man sich niemandem mehr mitteilen kann, vom Vertrauen mal ganz zu schweigen!
Und das wird ansteckend: irgendwann sagen sich alle "ach, was geht's mir doch gut! Alles super, alles wunderbar!" Und gehen dann nach Hause mit einem ganz anderen "inneren Gesicht". Ein "Masken-Ball"

Wer weiss, wer alles evtl. "Kandidat" eines Forums wie diesem ist, von dem wir das in unserem realen Leben niemals erwarten würden ?

Und was ich auch noch sehe, bei verwandten Themen unten:
"Manchmal ist Jammern so schön [oder tut soo gut], nicht wahr?" (interessant, nicht? )

Ich hab das auch meinem Therapeut letztens gesagt, dass mich das nervt, diese Haltung "Du darfst jaa nicht jammern." Manchmal tut es wirklich nur gut und ist auch entlastend. Und auch menschlich. Und er hat mir zugestimmt!
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Widow
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 01:05

Mal abgesehen vom Neid, den einer weckt, der oft jammert, wo man selbst sich das doch verkneift (aus diesem Impuls ist der Thread entstanden und er wirkt in ihm fort), - abgesehen also von diesem Neid-Untergrund:
Jammern macht hilflos.
Den, der jammert, und (und wohl vor allem) den, der das Jammern hört.

Und die eigene Hilflosigkeit ist etwas, das der Mensch noch schwerer erträgt als das Jammern eines anderen Menschen.
- Was beides völlig blödsinnig ist, weil beides unter vielen anderen Dingen das Menschsein ausmacht. (Aber das nur nebenbei.)


Auch ich finde Dauerjammern schwer erträglich.
Aber gibt es das eigentlich: Dauerjammern?

Oder ist es nicht vielmehr so, dass die einen Jammerlappen irgendwann zur Selbstironie zurückfinden und ihren jämmerlichen Zuständen mit ein wenig Humor begegnen können, und dass die anderen Jammerlappen irgendwann wieder glücklich sind und mit dem Jammern aufhören bis zum nächsten Anlass?

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wind of change
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 01:23

Widow hat geschrieben:
Aber gibt es das eigentlich: Dauerjammern?

Oder ist es nicht vielmehr so, dass die einen Jammerlappen irgendwann zur Selbstironie zurückfinden und ihren jämmerlichen Zuständen mit ein wenig Humor begegnen können, und dass die anderen Jammerlappen irgendwann wieder glücklich sind und mit dem Jammern aufhören bis zum nächsten Anlass?


Danke

Oft reicht es, fällt mir grad an mir auf, einfach mal 'gesehen' zu werden und das ... wie soll ich sagen ... (wert) schätzen, akzeptieren, aushalten, meine Not akzeptieren, einfach stehen lassen, nicht wegwischen und ja, auch wohl:
Das tut manchmal einfach nur gut und führt dazu, dass ich relativ schnell wieder 'aufstehe'

So, ich hab tierische Kopfschmerzen. Bin nicht aus der Wohnung gekommen heute, nichts auf die Reihe gekriegt ... deshalb muss ich jetzt leider (versuchen zu) schlafen (schlagen, hatte ich erst aus Versehen geschrieben ) Tschuldigung für die Jammerei

Gute Nacht widow und alle anderen
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Nico
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 05:16

Widow hat geschrieben:
Auch ich finde Dauerjammern schwer erträglich.
Aber gibt es das eigentlich: Dauerjammern?
Oh ja widow, DAS gibt es......
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Tristezza
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 08:13

Widow hat geschrieben: Oder ist es nicht vielmehr so, dass die einen Jammerlappen irgendwann zur Selbstironie zurückfinden und ihren jämmerlichen Zuständen mit ein wenig Humor begegnen können, und dass die anderen Jammerlappen irgendwann wieder glücklich sind und mit dem Jammern aufhören bis zum nächsten Anlass?
Leider muss ich Nico zustimmen, dass es durchaus hoffnungslose Dauerjammerer gibt ... Denn die Fähigkeit zur Selbstironie ist ja nicht unbedingt so weit verbreitet und scheint mir gerade bei den gerne Jammernden besonders unterentwickelt zu sein. Da gibt's also gar nichts zum "Zurückfinden" ...


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 14:10

Hallo Widow
Mal abgesehen vom Neid, den einer weckt, der oft jammert, wo man selbst sich das doch verkneift
Neid weckt das Jammern anderer in mir absolut nicht. Ich habe mal irgendwo zum Thema "Jammern" (über Google fand ich zwei interessante Texte) sinngemäß gelesen, im Jammern sei kein Wunsch nach Veränderung enthalten. So empfinde auch ich Jammern. Wer nur rumjammert, der sucht nicht nach Lösungen des Problems, sondern verweilt klagend in seiner beklagenswerten Situation. Doch genau diesen Wunsch verspüre ich, nämlich nicht (nur) zu jammern, sondern nach Lösungen und Veränderungen zu suchen, um kein Dauerjammerer zu werden, der auf immer und ewig in seiner bescheidenen Situation steckt und sich unaufhörlich klagend über seine Situation äußert. Aus genau diesem Grund machen mich Jammerer auch nicht neidisch. Im Gegenteil sie machen mich stolz auf mich selbst, dass ich immer wieder bemüht bin und es auch schaffe, aus einer beklagenswerten Situation rauszukommen, mich aus einer negativen Situation selbst befreien zu können. Wenn ich z.B. merke (das Thema fällt mir spontan ein, da es Thema in meiner letzten Sitzung war, in der es um meine vor gut zwei Monaten abgebrochene Therapie ging), meine Therapie tut mir nicht gut, dann beklage ich zunächst meine Therapie, suche aber dann nach einer Lösung des Problems, suche das Gespräch mit dem Therapeuten. Doch wenn ich merke, es bringt nichts, dann jammere ich nicht monatelang oder gar Jahrelang rum, sondern beende die Therapie und suche mir einen neuen Therapeuten.

Nicht-Nur-Jammern setzt die Fähigkeit voraus, auch das Andere, das Postive sehen zu können und fähig zu sein, nach Lösungen des Problems zu suchen und diese auch umzusetzen. Es setzt die Fähigkeit voraus, Vertrautes und Sicheres aufgeben und loslassen zu können und sich auf was Neues einlassen zu können. Wer über diese Fähigkeiten nicht verfügt, der jammert, jammert solange, bis er gelernt hat, wie man aus einer beklagenswerten Situation rauskommt.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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lamedia
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 14:24

Ich finde dieses Abwertende im Begriff "Jammern" ganz schlimm. Genauso wie das Abwertende im Begriff "Selbstmitleid."
Es ist für mich lebenswichtig, symbolisieren zu können, was das konkrete Leid ist, wo es sitzt, warum es da ist, wie es sich anfühlt. Sprechen zu dürfen. Es gibt im Leben viele auswegslose Situationen, die hilflos machen - und nicht jeder ist so hart im Nehmen, das schweigend mit sich selbst auszumachen oder so sehr mit Ressourcen ausgestatttet, leidvolle Situationen ins Positive zu wandeln.

Wenn jemand sich einem solchen "klagenden" Sprechakt nicht gewachsen fühlt, so dass er es pauschal abwerten muss, mangelt es ihm wohl seinerseits an Empathie und Geduld, das Ausweglose, das jemand anders gerade erlebt, aushalten zu können. Andererseits kann ich es auch verstehen, dass man das nicht aushalten kann. Weil nämlich sonst die Illusion verloren ginge, dass es für jedes Problem eine konstruktive Lösung gäbe. Gibt es aber nicht. Und was dann? Sollen diese Menschen schweigend von der Bildfläche verschwinden und leise sterben?

Wenn es allerdings um Alltagsprobleme geht, die jemand oft beklagt, so bin ich auch ungeduldig. Manchmal sage ich dann, sei froh, dass das deine einzigen Probleme sind. Oder manchmal auch: Ich glaube, das ist dein kleinstes Problem. Aber ich würde den Begriff des Jammerns hier nicht anführen, weil er auch auf dieser Ebene viel zu abwertend klingt.

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saffiatou
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 14:26

Jenny Doe hat geschrieben:Neid weckt das Jammern anderer in mir absolut nicht.
manche die jammern, bekommen oft mehr Aufmerksamkeit, vielleicht weckt das den Neid der Anderen?

Ich denke es geht um die Balance. Manchmal es ist wichtig zu klagen (jammern ist ein sehr negativer Begriff), sein Leid auch nach Außen zu tragen, wir wissen doch alles, wie wichtig es ist, darum geht es doch in der Therapie. Wichtig ist eben auch positives zu sehen und an dem zu wachsen, es irgendwann hinter sich lassen zu können.

Vor ein paar Wochen habe ich genau dieses Thema in der Therapie gehabt, meinte ich gehe ihm auf den Nerv, weil ich zu viel jammere. Da meinte er, es gibt einen Grund und man sollte erst alles herauslassen um dann auch loslassen zu können.

Mir ist klar, es gibt auch viele Mitmenschen, die wegen jeder Kleinigkeit sich aufregen - jammern. Vielleicht hat das einen Grund (auch wenn es mich manchmal ebenso nervt). Vielleicht brauchen sie gerade Beachtung??

Mir geht genauso das soooo positive Denke auf den Nerv, weil es so oft unecht klingt. Wenn alles toll ist, jeder Sonnenstrahl gefeiert wird, weil ich weiß, daß es nicht stimmen kann, daß jemand sich wegen jedem Blümchen überschlägt.

Grüße,
Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Broken Wing
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Beitrag Fr., 15.04.2016, 15:42

Die Jammerlappen machen halt klar, dass sie in einer seelischen Not stecken, die nicht so einfach zu lösen ist. Ich bin stolz, die Fähigkeit zum echten Raunzen zu haben. Erstens hat mich das vor dem Suizid bewahrt, weil es immer jmd. gab, der mir aus der Patsche geholfen hat und zweitens davor, jedem Klugscheißer auf den Leim zu gehen, der meint, mit einem IQ von 100 die Welt begriffen zu haben. Diese haben sich bei der ersten Hürde abgewendet, solche Weggefährten stellten später ohnehin eine Gefahr dar.
Regen sich alle auf, die sich das nicht erlauben. Aber die Rädchen im Getriebe erlauben sich vieles Andere nicht, was ich einfach tue, weil ich nicht weiß oder wissen will, dass es nicht gern gesehen ist.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Kellerkind
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Beitrag Sa., 16.04.2016, 00:05

Ich hätte noch eine andere Interpretation anzubieten:

Zwar rede/schreibe ich sehr viel, aber gerade in den letzten zwei, drei Jahren bin definitiv KEIN Jammerlappen mehr, source das alles in meinem Blog aus, während im RL kaum einer weiß, ob und wenn ja, welche Probleme ich habe. Wenn überhaupt, dann hängt es von der Person meines Gegenübers ab.
So kam ich in einem Punkt absolut nicht weiter, und seit Jahren hörte sich mein (damals) bester Freund die never ending Story geduldig an, zum Schluss sprach er mir zwar immer noch sein Mitgefühl aus, aber seufzte nur noch: "Ja ja, das kennen wir ja schon, ist ja nichts Neue, so ist nun mal leider." In der ersten Sekunde erschrak ich: war nun auch seine Engelsgeduld erschöpft? Fing ich an, ihn zu nerven? Sofort hinterfragte ich die Situation, und im Nachhinein war das der Anfang vom Ende. Denn ich kam auf dem Trichter, dass ich mir NUR deshalb so oft wiederholte, weil irgendein Teil von mir hoffte, mal irgendwann eine ANDERE Antwort zu bekommen. Ich sagte immer das Gleiche, er antwortete immer auf dieselbe Art, und OFFENKUND half mir das nicht, egal wie oft er auf diese Art auf mich einging, und OFFENKUND... nun ja, wohl eher nicht so offekund, eher unbewusst... erhoffte ich mir wieder und wieder ein anderes Ergebnis. Wie heißt der nette Spruch? Der Beginn von Wahnsinn ist es, immer wieder das Gleiche zu tun und ein anders Ergebnis zu erwarten. Und so ließ es, kurz drauf die Freundschaft gleich mit. Aus DESSEN Sicht sieht es möglicherweise so aus, dass ich ihn abgeschossen hat, kaum dass er aufhörte, mich geduldig zu bemitleiden... mag sein, dass es wirken könnte, aber so war es nicht. Sondern ich hatte schlichtweg erkannt, dass ER der falsche Ansprechpartner für das Problem war, und daran auch die 173igste Wiederholung nichts ändern würde, und schlimmer noch: das seine Art mit der Situation/mit mir umzugehen, es indirekt sogar die ganze Zeit noch verschlimmert hatte... ein geduldiger, passiver Zuhörer, der immer nur schicksalsergebend und mitleidig seufzt, dass es in der bösen, bösen Gesellschaft nun mal so zuginge, das war wohl offensichtlich NICHT das, was ich (unbewusst) hatte hören wollen, auch nicht nach 1000sten mal. Ich hatte mir meinem ständigen Wiederholen der misslichen Lage was anderes gesucht. Nachdem ich das einsah, konnte ich mit diesem fruchtlosen Gejammer in diesem Punkt aufhören und mich nach geeigneter Hilfe oder einen anderen Lösungsweg umsehen...
"Auch andere Wege haben schöne Steine. "

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wind of change
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Beitrag Sa., 16.04.2016, 00:41

Irgendwas scheint am 'jammern' doch dran zu sein, auch wenn es einerseits so negativ besetzt ist, aber andererseits sicher jede(r) hin und wieder und immer wieder mal jammert.
Aber der Spruch
"jammern ist wie im Schaukelstuhl sitzen, Du bewegst Dich und kommst doch nicht voran",
da scheint auch was wahres dran zu sein. Andererseits kann schaukeln auch schön sein und manchmal entspannen (nur aufstehen ist wohl irgendwann auch angebracht ).
Aber ich glaube auch, hinter 'jammern' und auch 'sich selbst bemitleiden' steckt auch Echte Not und vielleicht vor allem auch
Hilflosigkeit.
Sonst würde man doch nicht über das alles schlimme 'jammern' !

Aber ich erinner mich auch an eine Situation als 'Jammer-Zuhörerin':
eine alte Dame (kenn ich aus der Klinik) 'jammert' auch immer: "Ach woc, mir geht's soo schlecht ...."
Zugehört habe ich. Verständnisvoll. Versucht liebevoll zu sein. Aber man will doch auch irgendwie helfen und so hab ich dann auch zwischendurch immer wieder Vorschläge gemacht zur Lösung. Alles abgeschmettert. Sofort. Über'n Haufen geworfen. Da bin ich dann auch irgendwann ungeduldig und leicht gereizt geworden. Und auch erschöpft (warum eigentlich??)
Andererseits bin ich aber auch (inzwischen) wirklich hilflos. Wenn jemand, der (die) schwerst depressiv ist auch noch körperlich Total eingeschränkt ist ... und dann auch noch hochbetagt ... dann weiss ich auch nicht weiter ... und die paar Lösungsvorschläge die ich noch hatte, hat sie ja auch sofort abgeschmettert .... kann man (ich) nur noch irgendwie hoffen ...
Gehe so weit, wie du sehen kannst. Wenn du dort ankommst, wirst du sehen, wie es weitergeht.
(Autor unbekannt)
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