Videoaufnahme von/in der Stunde

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Solage
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Beitrag Mi., 24.02.2016, 19:42

Hi Alyssa,

auf mich wirkt Dein Therapeut total chaotisch. Wenn er äußerlich so schlampig ist, ist er es evtl. innerlich auch. Wie soll Dich denn so einer hilfreich unterstützen. Klingt so, als wenn Du Dich um ihn kümmern müsstest.
Vielleicht solltest mal für ihn aufräumen.

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Alyssa
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Beitrag Mi., 24.02.2016, 20:05

Broken Wing: Mit Zynismus komme ich gerade nicht gut klar. Ansonsten hast du Recht, ich sehe es so wie du. Nur das mit der Kamera und telefonisch klären, das will ich nicht. Ich will ihm in die Augen sehen, wenn ich das anspreche.

Solage: Ja, er ist ein Chaot, aber nicht schlampig. Beruflich/fachlich habe ich ihn bisher nur als äusserst korrekt erlebt. Innerlich weiss ich nicht wie er drauf ist, aber das ist eben seit ein paar Wochen so, dass er anders ist als sonst. Na, aufräumen tu ich sicher nicht für ihn, das kann - wenn schon - seine Frau übernehmen Ich hab ihn übrigens vor ein paar Monaten tatsächlich schon mal gerüffelt für sein ewiges Chaos, und ihm gesagt, wenn er nicht alles schafft, was er sich auf den Teller packt, dann solle er weniger draufpacken. Da war er doch etwas angefressen, obwohl er ansonsten Kritik gut verträgt.

Ich bin jedenfalls immer noch verwirrt, und bevor ich das Thema nicht aus der Welt geschafft habe, geht es für mch nicht weiter in der Therapie (egal ob bei ihm oder einem anderen).


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Alyssa
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Beitrag Fr., 26.02.2016, 19:55

So, ein Update.
Hab doch noch einen Ersatztermin bekommen für die abgesagte Stunde diese Woche.
Er hatte mir per Sms 16.00 Uhr angeboten, ich hab zugesagt, da ich ja wusste, dass er Anfang März nicht kann.
Stehe dann kurz vor 16.00 Uhr da, und kriege die Ansage "Du bist zu spät, wir waren für 15.30 verabredet". Daraufhin meinte ich ziemlich energisch, dass das nicht stimmen könnte, und 16.00 Uhr ausgemacht war. Grübeln seinerseits, dann hab ich ihm seine Sms gezeigt. Er hat seinen Fehler eingesehen, und hat nicht versucht es weg zu erklären.

Dann ging es in ein Zimmer, dass nicht seins war, und dass auch ziemlich kühl/ungemütlich war. Seine Erklärung war, dass sein Zimmer ja ausgeräumt wird (von ihm) und umgestaltet wird von/für den Nachfolger. Das war für mich nun kein Poblem, da das Zimmer mich herzlich wenig interessiert hatte.

Ich muss wohl auch wie ein kleiner Orkan rübergekommen sein, weil es gleich zur Sache ging. Ich habe erklärt, dass ich es nicht gut finde, wenn ich so spät über seine Umzugspläne informiert werde (und es nur erfahre, weil ich zufällig wegen der Unordnung nachfrage). Ich habe gefragt, was bei ihm los sei, weil er so anders rüberkam die letzte Zeit, er war ja einfach nicht er selber, und irgendwie keine in sich ruhende Einheit. Er war erst etwas geschockt und fast auch ein wenig eingeschüchtert, hat sich aber allem offen und ehrlich gestellt, ist nicht ausgewichen, und hat sich meine Kritik angehört, ohne zickig zu werden.

Seine Andersartigkeit war/ist beruflich bedingt (er kommt mit dem neuen Chef nicht aus, wechselt deshalb in die Einrichtung, wo sein alter Chef ist), und das hat ihn die letzten Wochen arg beschäftigt und gestresst. Auch der rein geografische Umzug und dass es nun neue Kollegen etc. gibt, haben ihn sehr beschäftigt. Alles Dinge, die sicher jeder nachvollziehen kann. Aber ziemlich doof, dass er es erst so spät sagt. Ich hab ihm daraufhin erklärt, dass er sowas eher sagen soll, damit ich bescheid weiss, dass seine "komischen" Verhaltensweisen nichts mit mir zu tn haben. Ich hab ihm auch gesagt, dass ich nun auch weiss, was seine Aussagen a la "Ich MUSS aufräumen" und "Das war ein Sch****jahr!" (sagte er Ende 2015) zu bedeuten haben. Ich weiss jetzt auch, warum er so viele Nebenprojekte laufen hatte, u.a. einen Artikel verfasst, für den er sich extra Urlaub genommen hatte - der Artikel war seine Referenz für seinen Chef, damit der ihn auch nimmt. Ich hatte den Eindruck, dass ihm der Umzug zum alten Chef sehr wichtig ist, weil er dort dann wieder wie früher und vor allem besser arbeiten kann. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er sich nach dem Umzug und einer kurzen Eingewöhnungsphase meldet, damit wir nen neuen Termin machen können.

Bzgl. kurzfristiges Ankündigen von Veränderungen: Das hat er gar nicht als Problem gesehen, hat aber meine Einwände verstanden, und auch begriffen, dass ich bei so was etwas Vorlaufzeit brauche.
Ganz grässlich ist, dass sein neues Zimmer nun in einem hässlichen Klotzbau sein wird, und ganz weit oben. Das ist mir jetzt schon ein Graus. Selbst er meinte, dass der Wechsel wohl "hart für mich wäre".

Tja, und dann war die Stunde um. Da ich ja um 16.00 (und nicht wie bei ihm im Kalender vermerkt 15.30) auflief, und er nach mir noch Leute hatte, war nach nicht mal 40min Schluss, und derjenige, der nach mir dran war, sass schon draussen und hatte bereits gute 20min gewartet. Das war ein absolut dummes Gefühl - mir fehlten die letzten 10min, und der draussen war sauer, weil er nicht dran kam wie verabredet. Da bin ich mir aber auch sicher, dass das eine einmalige Sache war.

Thematik Videolamera kam nicht zur Sprache, das hab ich in der Kürze der Zeit und nach dem hitzigen Gespräch einfach nicht mehr geschafft, und so zwischen Tür und Angel beim Gehen ein "Ach sag mal, was hatte das letztes Mal eigtl. mit der Kamera auf sich?" einzuwerfen, fand ich unpassend.

Ich bin nicht 100% zufrieden, aber ich weiss jetzt wieder, warum ich mir ihn ausgesucht habe. Es passt menschlch (sehr wichtig für mich), ich habe gesehen/gemerkt, dass er fachlich kompetent ist und korrekt arbeitet, sich Kritik zu Herzen nimmt, und zu eigenen Fehlern steht. Auf der Basis kann ich mit ihm (weiter-)arbeiten.
Ich weiss auch, dass er das, was die letzten Wochen schief lief, und diese aktuelle Stunde rekapitulieren und für sich bearbeiten wird.
Die Kamera-Sache wede ich aber trotzdem nochmal ansprechen.

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Solage
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Beitrag Fr., 26.02.2016, 21:13

Schön Alyssa, dass Du Deinen Therapeuten in seinem Chaos so gut verstehen kannst. Du verstehst ihn einfach!
Darum scheint es ja wohl in Therapie zu gehen, den Therapeuten in seinem Chaos zu verstehen.
Sehr erleichternd auch, dass seine komischen Verhaltensweisen nichts mit Dir zu tun haben. Du kannst nichts dafür. Hat er doch Probleme mit seinem Chef oder so...Gut, sehr gut, dass DU für ihn Verständnis hast. Darauf kommt es doch an, oder? IRONIE!

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Alyssa
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Beitrag Fr., 26.02.2016, 21:43

Hm, das ist wohl falch rübergekommen, wer was von wem wie versteht. Ich hätte evtl. deutlicher betonen sollen, dass er mich verstanden hat. Hätte ich den Eindruck, dass ihm nichts an der Arbeit mit mir liegen würde oder er sich keine Mühe machen würde, mich ernst zu nehmen, oder mir zu helfen, wäre ich aufgestanden und gegangen.


Tränen-reich
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Beitrag Fr., 26.02.2016, 22:19

Liebe Alyssa,

über SEINE beruflichen Querelen hat er SEIN Verhalten in DEINE Therapie getragen. Damit ist das Kind in den Brunnen gefallen. Jetzt gibt es nur Begründungen. Und klar, wenn du ihn fragst, was los war und er dir darauf antwortet, bedeutet das für dich, dass er dich versteht? SEINS hat doch schon vorher angefangen. Und der gut gemeinte Ersatztermin war jetzt auch nicht so der Renner. Für mich liest sich das nach Überforderung.
Und wenn er geschockt reagiert, scheint's ihm nicht bewusst gewesen zu sein.
Im besten Fall spürt ein Patient das nicht, auch keine privaten Angelegenheiten, wenn der Therapeut darauf achtet, "SEINS" und "DEINS" sauber zu trennen. Das ist ein Kriterium unter vielen in der Arbeit eines Therapeuten.
Dann wäre auch der Input, dass es nichts mit dir zu tun hat, im Übrigen überflüssig.

Vielleicht ist er einfach einer, der nicht alles trennen kann?
Die Frage für mich wäre dann allerdings, was ist, wenn er den nächsten Stress hat, wie ist er dann drauf bzw. kann er dann klar trennen???

LG Tränen-reich


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Alyssa
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Beitrag Sa., 27.02.2016, 02:06

Tränen-Reich: Die Stunde war keine übliche Therapiestunde in dem Sinne, es ging da nur um unsere Beziehung Therapeut-Patient. Ich habe ihm gesagt, was ich von ihm möchte (erwarte), er hat das sacken lassen, und mir klare Rückmeldung gegeben, dass er bestimmte Dinge in Zukunft anders angehen wird.

Bzgl. sein Verhalten in meine Therapie bringen: Das hat er tatsächlich diese Stunde das einzige und allererste Mal gemacht. Und er hat mir nur gesagt, was los war, weil ich direkt nachgefragt habe. Ich hätte ein "Das geht dich nichts an" als schlimmer empfunden, und nur noch mehr gegrübelt. Ich habe überaus empfindliche soziale Antennen und erspüre bei meinem Gegenüber sehr schnell ob was "los" ist, ob derjenige in Unruhe und innerlich uneinig ist. Das beschäftigt mich dann sehr, meist so sehr, dass ich mich nicht auf mich selber konzentrieren kann. Daher muss ich in so einem Fall eine Klärung haben.

Überforderung: Mag sein, wenn dann aber nur auf diese paar Wochen befristet. Ich kenne ihn sonst ganz anders, und gerade was das raushalten von sich selber/eigenem Verhalten angeht, ist er üblicherweise ein Profi.

Geschockt war er nicht, weil er es nicht mitbekommen hatte, sondern weil ich so orkanartig losgestürmt habe. Das da etwas nicht gerade läuft, hat er genauso bemerkt wie ich.

Der Input, dass es nichts mit mir zu tun hat, kam von mir, das hab ich ihm gesagt, als es darum ging, dass er anstehende Veränderungen rechtzeitig ankündigen soll, anstatt Aussagen zu machen, die mich verwirren (Dass einige Aussagen mich verwirren, war ihm allerdings nicht klar).

Ich gehe davon aus, dass er bei zukünftigen Stress-Situationen klar trennen kann.

Dass die Stunde nicht der Renner war, empfinde ich nicht so. Ich habe eher den Eindruck, dass es nun wieder auf die gute Schiene, die wir bis Januar hatten, zurückgeht, und dass das ganze hilfreich für die weitere Therapie ist.

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Candykills
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Beitrag Sa., 27.02.2016, 03:56

Ich stehe selbst grade vor einem Abbruch der Therapie und würde dir aus der Situation heraus nicht dazu raten, abzubrechen. Dein Therapeut scheint ja einsichtig zu sein und deshalb finde ich auch gut, dass du noch an ihm festhält. Trotzdem finde ich ein paar Punkte nicht so schön und die würde ich in deinen Augen auch ansprechen - was nicht heißt, dass du das tun musst:

- ungefragte Videoaufnahmen während der Stunden wären für mich ein NO-GO und das würde ich auch genauso deutlich kommunizieren. Wenn dies der Fall war, weiß ich nicht, wie ich weiter vorgehen würde, aber auch dann würde ich vermutlich nicht einfach abbrechen ohne den Versuch eine Vertrauensbasis wieder herzustellen

- er dir erzählt, dass er ein scheyz Jahr hatte (dass auch Therapeuten schlechte Jahre hatten ist klar, aber das geht den Klienten einfach nichts an, er sollte seine Privatangelegenheit auch privat halten)

- er dir erzählt, mit welchem Chef er gut oder nicht klarkommt, dass ihm Kollegenwechsel beschäftigen etc (das geht den Klienten genauso wenig an, auch wenn es menschlich ist, dass es ihn beschäftigt. Er hat seiner Arbeit nachzugehen. Ein Chirurg kann auch nicht einfach ne OP versauen und dann sagen: Ja mei mit dem Kollegen kann ich einfach nicht ordentlich operieren...). Seine Aufgabe ist es nicht, dich darüber in Kenntnis zu setzen, was ihn beschäftigt, sondern einzusehen, dass er sich falsch verhalten hat und dir zu kommunizieren, dass es nicht an dir liegt und zukünftig besser läuft.

Dein Therapeut neigt dazu Privates mit seinen Klienten zu vermischen und das spricht schon stark für endprofessionalisiertes Verhalten. Lässt du ihm das durchgehen, wird es immer wieder passieren. Es geht aber allein um dich in der Therapie und nicht um die Sorgen des Therapeuten. Für eine erfolgreiche Therapie ist das sehr wichtig, auch wenn du das grade nicht sehen magst und denkst "mir half es zu verstehen". Natürlich half es dir zu verstehen, aber es ist nicht deine Aufgabe zu verstehen, warum der Therapeut schlecht drauf ist. In meinen Augen sind da deutliche Grenzen angebracht.

Viel Glück!
Candy
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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blackpower
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Beiträge: 549

Beitrag Sa., 27.02.2016, 08:43

Hallo Alyssa,

die Aktion mit heimlich gefilmt werden, ist mir persönlich schon viel unheimlich und susspekt und das was Du dann noch so schreibst, entzieht sich komplett meiner Logik. Du solltest mehr Verständnis für Dich aufbringen und nicht für Deinen auf mich übergriffig wirkenden Therapeuten.
Ich hätte mich längst auf den Weg gemacht und mir einen neuen Therapeuten/ Therapeutin gesucht....
Schütze Dich, grenze Dich ab, es geht um Dich Liebes.

Wünsche sonniges WE
blackpower
"Aufgeben bedeutet nicht immer, daß man schwach ist. Oft bedeutet es einfach daß man stark genug ist, etwas loszulassen, was man nicht ändern kann."


Leslie
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Beiträge: 53

Beitrag Sa., 27.02.2016, 08:59

Bleibt mal auf dem Teppich, alle miteinander. Das ist doch völlig unwahrscheinlich, dass ein Therapeut im Umzugsstress heimliche Filmaufnahmen macht, noch dazu mit einer Kamera, die er offen zusammen klappt.
Ich kann hier nichts Schlimmes finden - auch nicht, dass man als Patient mal eben eine kurze Zeit nicht im Mittelpunkt steht.
Man kann sich das Leben auch künstlich schwer machen.

Das gilt übrigens nicht dir, Alyssa. Deinen Auftritt fand ich toll und natürlich!

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Fify
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Beiträge: 391

Beitrag Sa., 27.02.2016, 09:11

Es ist ja toll, dass ihr ein gutes Gespräch miteinander hattet.
Bezüglich der Kamera könnte es ja auch sein, dass sie gar nicht an war, sondern dass sie einfach auch in dem Chaos rumlag und es ihm halt in dem Moment aufgefallen ist.

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lisbeth
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Beiträge: 4023

Beitrag Sa., 27.02.2016, 09:18

Liebe Alyssa,

erstmal finde ich es gut, dass du die Dinge die dich beschäftigen, klar und direkt angesprochen hast. Und von ihm auch Antworten bekommen hast. Wenn du sagst, das kann für dich weiter funktionieren, ok.

Aber - auch von mir ein paar "Denkanstöße". Ich will dir diesen Therapeuten nicht unnötig madig machen, gleichzeitig sehe ich aber auch - wie einige andere hier - ein paar Warnsignale, die (für mich zumindest) die Frage aufwerfen, wie professionell dein Therapeut noch unterwegs ist.

- Das Chaoslevel. Damit meine ich jetzt nicht die Unordnung. Aber Doppelbuchungen weil er seinen Zeitplan nicht im Griff hat, das finde ich schon bedenklicher.

- Die Gesprächssituation, die du beschreibst. Ok, das ist vielleicht auch Geschmackssache. Aber ein Therapeut, der auf seinem Schreibtischstuhl während der Stunde zwischen Schreibtisch (inkl. Laptop) und Couch mit Unterlagen hin und herrollt wirkt auf mich eher unfokussiert und abgelenkt.

- Der Umzug: Ich finde es bedenklich, dass er als Therapeut nicht auf dem Schirm hat, den Umzug mit seinen Patienten mal im Vorfeld zu besprechen - und zwar von sich aus und deutlich vor dem Umzugstermin. Unter seinen Patienten sind bestimmt einige, die so eine einschneidende Veränderung nicht einfach mit Schulterzucken hinnehmen werden, und das sollte ihm auch klar sein. Je nach Problemlage können solche (äußeren) Veränderungen extrem verunsichern. Ich weiß das von mir selbst, dass in meinen nicht so guten Zeiten solche Dinge schon destabilisieren können. Und ich auch länger brauche, um mich mit Veränderungen/Umbrüchen innerlich anzufreunden. Macht er das mit seinem Urlaub genauso? Am Ende der Stunde mal kurz: "Ach, übrigens ich bin die nächsten 3 oder 4 Wochen weg, weil ich Urlaub mache..."

- Arbeitet er angestellt in einer Praxis? Oder ist er noch in Ausbildung? Ansonsten sind die meisten Therapeut/innen die mir ambulant begegnet sind eigentlich freiberuflich/selbständig unterwegs. Und von daher auch ohne Chef. Wie andere schon angemerkt hatten: die Gründe für seinen Umzug/Wechsel an einen anderen Arbeitsplatz - das ist too much information, die mit der Therapie-Situation an sich nicht mehr viel zu tun hat.
Auch wenn du sensible Antennen hast, und für seine Unruhe und Unzufriedenheit vielleicht auch länger schon empfänglich warst: Weniger ist manchmal mehr. Und es gibt ja noch einen Mittelweg zwischen zu viel und einem "dazu sage ich nichts..." Die Info, dass die Arbeitssituation für ihn so nicht passt, dass er deswegen wechselt, hätte gereicht. Dir die Ohren vollzujammern, wie doof die letzten 12 Monate waren... Dass sein Chef/seine Kollegen nerven. Sorry, das liegt in seiner Verantwortung und sollte seinen Klienten nicht aufgetischt werden.

- Wieso hast *du* festgestellt, dass das Chaos nichts mit Dir zu tun hat? Das wäre seine Aufgabe, das klarzustellen...

- Du übernimmst hier eine Rolle und eine Verantwortung, die eigentlich seine ist. Das alles ist Teil seiner Jobbeschreibung. Auch nach dem Jobwechsel und währrenddessen. Bei Eltern/Kind würde man von Parentifizierung sprechen. Auf mich wirkt das so, du versuchst zwar einerseits dich um deine Bedürfnisse in der Therapie zu kümmern, aber das führt unweigerlich dazu, dass du zuviel Verantwortung übernimmst (und ihn damit auch aus seiner Verantwortung entlässt).

Wenn du meinst, dass das jetzt situationsbedingt ist und das wird sich nach dem Umzug wieder ändern, ok. Bleib aber bitte wachsam, ob das nicht ein Trend ist, der sich verfestigt oder der sich vielleicht doch schon länger in die therapeutische Beziehung eingeschlichen hat. Denn wenn du die Verantwortung für den Therapieprozess, den Rahmen usw. ständig übernimmst, geht es in der Therapie nicht mehr um dich und deine Themen.
Wenn er von der Umzugssituation überfordert ist: Warum nimmt er nicht Urlaub? Macht er Supervision/Intervision wo er solche Dinge auch mal für sich selbst reflektiert? In Punkto aktive Selbstfürsorge scheint sein Verhalten zumindest noch ausbaufähig zu sein, nicht so das optimale Rollenmodell, oder?

Ich hoffe, die Denkanstöße helfen dir ein wenig, um auch für dich mehr Überblick in dieser chaotischen Therapie-Situation zu bekommen. Gibt es einen Termin für die nächste Stunde?

Liebe Grüße,
Lisbeth
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott


Tränen-reich
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Beitrag Sa., 27.02.2016, 10:38

Alyssa hat geschrieben:Die Stunde war keine übliche Therapiestunde in dem Sinne, es ging da nur um unsere Beziehung Therapeut-Patient. Ich habe ihm gesagt, was ich von ihm möchte (erwarte), er hat das sacken lassen, und mir klare Rückmeldung gegeben, dass er bestimmte Dinge in Zukunft anders angehen wird.
Naja, nun guck mal... "dass er bestimmte Dinge in Zukunft anders angehen wird" sagt mir doch auch, dass ICH ihm erklären musste, was gerade bei ihm abgeht bzw. wie er sich gerade verhält. Das kann doch auch nicht sein, oder?

Denn genau DAS hier ist dann das Ergebnis:
Alyssa hat geschrieben:Das beschäftigt mich dann sehr, meist so sehr, dass ich mich nicht auf mich selber konzentrieren kann.
0,0 geht es um dich... Schwierigkeiten sollten sich, wenn überhaupt aus der therapeutischen Beziehung ergeben (haben), die dann ausführlichst bekaspert werden können.

Wenn es okay für dich, schau einfach, ob er künftig "aufgeräumter" auf dich wirkt, wenn dir das wichtig ist und horche hin und wieder auf dein Gefühl!
Es muss für DICH letztendlich stimmen.

Alles Liebe wünscht dir
Tränen-reich

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stern
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Beitrag Sa., 27.02.2016, 10:55

Alyssa hat geschrieben:Ich hätte ein "Das geht dich nichts an" als schlimmer empfunden, und nur noch mehr gegrübelt. Ich habe überaus empfindliche soziale Antennen und erspüre bei meinem Gegenüber sehr schnell ob was "los" ist, ob derjenige in Unruhe und innerlich uneinig ist. Das beschäftigt mich dann sehr, meist so sehr, dass ich mich nicht auf mich selber konzentrieren kann. Daher muss ich in so einem Fall eine Klärung haben.
Nun... zu sagen, das geht dich nichts an, wäre ja nicht die einzige Alternative gewesen. Sondern man kann auch antworten ohne Patienten in die persönlichen Probleme einzubeziehen, was ich übrigens bei feinfühligen Patienten umso heikler finde, den Patienten mit eigenen Sorgen zu belasten. Dafür hat er andere Ansprechpartner. Kann dann dazu führen, dass man (bewusst oder unbewusster) versucht, den Therapeuten nicht zu belasten (wobei er dennoch um die 90€ dafür erhält)... wenn sich das dann nicht nur auf eine Sitzung beschränkt, wenn das mal "eingepflanzt ist", dass er das ja im Moment sehr schwer hat, so kann das (je nach Patient) schon etwas zum Problem werden. Mir persönlich wäre dann tatsächlich lieber, ein Therapeut sagt gleich ab, wenn er derzeit nicht belastbar ist. Wenn dir das geholfen hat... o.k., dann verhält es sich bei dir evtl. anders. Aber professioneller ist es in der Tat, den Patienten nicht die eigenen Sorgen zu berichten... und dafür geplanter Umzüge so anzukündigen, dass man sich einstellen kann.
Ich gehe davon aus, dass er bei zukünftigen Stress-Situationen klar trennen kann.
Toi toi toi.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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umso mehr Fliegen sitzen drauf
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(alte Weisheit)

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 27.02.2016, 11:08

@ Leslie: In der Therapie darf und soll es immer um mich gehen. Dafür bezahle ich ja. Dass der Therapeut ein Mensch ist und auch krank oder berufsunfähig werden könnte, bestreitet hier wohl niemand. Aber dann kann man nicht vom Patienten verlangen, dafür Verständnis aufzubringen. Soll er halt Urlaub nehmen oder in den Krankenstand gehen. Zudem scheint das ja nicht nur diesmal der Fall gewesen zu sein, d.h. die Therapie der Pat. dürfte länger unter seinem Chaos gelitten haben. Es könne nicht immer um mich gehen wäre dann absolut unangebracht, weil es länger um den Therapeuten geht als nur in dieser Stunde.
Er hätte ja mal den Mund aufmachen können und die Therapie pausieren.


Ich finde es übrigens auch toll, dass du, Alyssa, so ein Einfühlungsvermögen hast und eine Engelsgeduld. Magst du nicht einen Rollentausch wagen?

Von mir hätte er sowas nicht erwarten können. Ich kenne schon zu viele Menschen, die meinen, ihre Arbeit vernachlässigen zu dürfen, weil sie privat etwas Wichtigeres zu tun zu haben glauben. Aber natürlich wollen sie trotzdem das volle Gehalt, eh klar.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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