Supervision vs. Intervision?

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.

mio
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Beitrag Fr., 25.12.2015, 21:55

Hallo Solage,
Solage hat geschrieben: Mein Therapeut bietet Supervsion an und nimmt diese auch selbst in Anspruch.
tut er das denn für seine "Funktion als Therapeut" oder auch für seine "Funktion als Supervisor"? Weisst Du das?
Ich fände es irgendwie strange, wenn das was wäre was auch Supervisoren in Anspruch nehmen, da es dann ja endlos weiterginge...also der Supersupersupervisor vom Supersupervisor vom Supervisor... ?

Lieben Gruss,

mio

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leberblümchen
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Beitrag Fr., 25.12.2015, 21:58

Oh, das hast du falsch verstandn mit dem "ich kann mich kümmern". Der Kontext war ein anderer.


ziegenkind
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Beitrag Fr., 25.12.2015, 22:00

Widow hat geschrieben:Das (Emotionale] ist zwar oft Gegenstand, aber eben Erkenntnisgegenstand, denn zumindest diese Supervision soll dazu verhelfen, das, was man halt irgendwie macht und was zwischen den beteiligten Menschen geschieht, bewusst werden zu lassen. .
mir scheint, das genau das auch eine treffliche beschreibung dessen ist, worum es in einer analyse geht oder gehen sollte - obschon manch eine/r dies gerne aus den augen verliert.

all dies nimmt dem emotionalem, dem sich aufrichtig zugetan sein, dem sich mögen nichts an seiner bedeutsamkeit - scheint mir. das bewusst machen dessen, was zuvor mit gutem grund unbewusst war, ist nahezu zwangsläufig ein schwieriger prozess, der um so schmerzhafter ist, je dringlicher zuvor das im unbewussten halten war. und schmerzen ertragen sich eher (nicht unbedingt leichter) im kontakt mit einer/m zugewandten anderen.

könnte man schwammig nicht auch im sinne vom schwimmen, vom verschwimmen der eindeutigkeiten, der grob geschnittenen konturen verstehen? gleichwohl - es wird wohl in der tat in der regel zum abwerten verwandt.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Solage
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Beitrag Fr., 25.12.2015, 22:05

mio hat geschrieben:Hallo Solage,
Solage hat geschrieben: Mein Therapeut bietet Supervsion an und nimmt diese auch selbst in Anspruch.
tut er das denn für seine "Funktion als Therapeut" oder auch für seine "Funktion als Supervisor"? Weisst Du das?
Ich fände es irgendwie strange, wenn das was wäre was auch Supervisoren in Anspruch nehmen, da es dann ja endlos weiterginge...also der Supersupersupervisor vom Supersupervisor vom Supervisor...
So wie ich es verstanden habe, tut er dies als Therapeut für seine Patienten.
Ansonsten ja....das wäre wohl zu viel...

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stern
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Beitrag Fr., 25.12.2015, 22:55

mio hat geschrieben:Ich bin allerdings der Meinung, das Supervision verpflichtend sein sollte - und das regelmässig - da "Verstrickungen" ja die Gemeinheit an sich haben, dass sie oft nicht bemerkt werden. Es hätte also einen "vorbeugenden" Charakter. Inwieweit sie das bereits sind oder nicht sind weiss ich nicht. Aber nur weil Dir gesagt wurde
Um es einzubringen, muss man es wohl schon ein Stück weit erkennen bzw. ein Problembewusstsein bereits vorhanden sein. Dass jemand prophylaktisch alle Fälle durchkauen lässt, glaube ich eher nicht... und selbst wenn, könnte es dann passieren, dass jemand mangels Problembewusstseins über wesentliches hinweggeht. Darüberhinaus gehe ich davon aus, dass es Fälle gibt, in denen bewusst das ein oder andere verschwiegen wird - z.B. um sich nicht die Blöße zu geben. Letzteres ist zumindest manchmal beschrieben.

In meinem Fall hätte (so nehme ich schwer an) weder Supervision noch Intervision etwas retten können. Was erfolgversprechend hätte sein können (hypothetisch... praktisch natürlich unmöglich): Wenn der Supervisor (oder meinetwegen auch jemand aus der Intervision) zukünftig in der Therapie anwesend gewesen wäre und moderierend (bei Bedarf) in den Gesprächsverlauf eingegriffen hätte (und notfalls zu professionellem Verhalten zurückgeführt hätte)... quasi als Simultancoaching (für den Therapeuten).

Auch durch eine Paartherapie kann eine Beziehung nicht immer gerettet werden. Und ich denke, es kann tatsächlich professioneller sein, wenn die Supervision oder Intervision (oder auch ein Gutachter) einen Wechsel empfiehlt...

Ein Novum wäre, wenn auch jeder Patient eine Stellungnahme aus seiner Sicht einbringen könnte... als Einschätzung des Patienten sozusagen. Nicht als Faktum, sondern als Einschätzung. Auch das was der Therapeut einbringt, ist mehr oder minder subjektiv. So hat der Patient nur die Wahl, seinerseits eine Beratung einzuholen, da es sozusagen keine vermittelnde Instanz gibt bzw. der Patient (auch im Fall er der Unprofessionalität) den Therapeuten ja tatsächlich nicht bei einer Supervision anmelden kann.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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(alte Weisheit)


mio
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Beitrag Fr., 25.12.2015, 23:09

Hallo Stern,
stern hat geschrieben:Um es einzubringen, muss man es wohl schon ein Stück weit erkennen bzw. ein Problembewusstsein bereits vorhanden sein. Dass jemand prophylaktisch alle Fälle durchkauen lässt, glaube ich eher nicht... und selbst wenn, könnte es dann passieren, dass jemand mangels Problembewusstseins über wesentliches hinweggeht. Darüberhinaus gehe ich davon aus, dass es Fälle gibt, in denen bewusst das ein oder andere verschwiegen wird - z.B. um sich nicht die Blöße zu geben. Letzteres ist zumindest manchmal beschrieben.
klar, darin besteht eine Schwierigkeit bzw. ein Problem. Zumal man ja auch jemandem "vom Fach" als "zu beobachtende Person" da sitzen hat. Aber ich denke dass in den wenigsten Fällen in denen in Therapien was schiefläuft dies mit "Vorsatz" passiert, sondern dass es eben zu spät bemerkt wird vom Thera, dass da was in eine "schiefe Richtung" steuert. Und na ja, in Therapien ist es ja auch durchaus so, dass Therapeuten hellhörig werden aufgrund vielleicht vordergründig "banaler" Geschichten die erzählt werden, warum also sollte sowas in einer Supervision nicht auch möglich sein?

Wenn jemand absolut "beratungsresistent" ist wirst Du bei einem Therapeuten da aber dann wohl ebensowenig bewirken und verändern können, wie bei einem Patienten, das ist klar, allerdings bestünde die Chance, dass diese "Beratungsresistenz" dann zumindest auffiele und entsprechende Massnahmen ergriffen werden könnten (rein theoretisch). Also zB. die von Dir vorgeschlagene Anwesenheit eines Supervisors während der Therapiesitzungen oder aber auch ein Einbestellen des Patienten zum Gespräch, so dieser mit der Aufhebung seiner Anonymität einverstanden wäre.

Das "grundsätzlich" zu installieren halte ich für schwierig, da es ein ungleich höherer Aufwand wäre und eventuell auch die "Vertrauenssituation" belasten könnte. Und na ja, die Möglichkeit der zweiten Meinung bzw. Beratung für Patienten gibt es ja bereits, ebenso wie die Möglichkeit sich im Zweifel zu beschweren...

Lieben Gruss,

mio

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Wandelröschen
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 02:24

Hallo Leberblümchen,
ich hab dir hier mal etwas zur Qualitätssicherung eingestellt:
Teil V: Qualitätssicherung
§ 21
Qualitätssicherung
(1) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die ihren Beruf ausüben, sind
zum Erhalt und zur Weiterentwicklung ihrer professionellen Kompetenzen
verpflichtet. Hierzu nehmen sie regelmäßig an Fortbildungs- und qualitätssichernden
Maßnahmen teil, sowie an kollegialer Beratung, Supervision, Intervision,
Teilnahme und/oder Vorbereitung von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen
und Kongressen, Teilnahme an wissenschaftlichen Untersuchungen
und eigener Selbsterfahrung.
(2) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssen ihre Maßnahmen zur
Sicherung der Qualität ihrer psychotherapeutischen Tätigkeit gegenüber der
Psychotherapeutenkammer in geeigneter Form nachweisen können. Das Nähere
regelt die Fort- und Weiterbildungsordnung.
Aus: https://www.psychotherapie-hamburg-alto ... dnung.html

Therapeuten sind zum Erhalt und zur Weiterentwicklung ihrer professionellen Kompetenzen
verpflichtet. Dieses müssen sie in geeigneter Form gegenüber der Therapeutenkammer nachweisen können. Ja. Welche Maßnahmen dazu dienen, ist auch angegeben. Sie müssen aber nicht jede einzelne machen. Es ist kein fertiger Therapeut dazu verpflichtet, zu seiner Qualitätssicherung eine Supervision machen zu müssen. Andere der aufgeführten Maßnahmen reichen auch.
leberblümchen hat geschrieben: Mein "Richtig" bezog sich auf die Norm, dass ein Therapeut "so was" in Anspruch nehmen sollte; da würde dann wohl Intervision nicht genügen.
Was ist „so was“?
Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass Intervision für dich etwas nicht wirklich gutes/richtiges/sinnvolles ist.
„es genügt nicht/ist was zusätzliches für Leute, die es mögen“ -> schmückendes Beiwerk

Jede der aufgeführten Maßnahmen hat seine Berechtigung, weil eine andere Zielsetzung. Mio hat dir dazu auch geantwortet. Intervisionsgruppen laufen nicht wie ein Kaffeekränzchen ab sondern auch strukturiert.
Wie aufrichtig Therapeuten sind, ist individuell verschieden. Bloß, was hätte ein Thera davon, auch in einer Intervisionsgruppe wichtige Infos aus Unaufrichtigkeit zu verschweigen? Dann bringt ihn diese Gruppe mal nichts und er könnte sich diese Zeit/diesen Aufwand sparen. Wenn er nur darauf aus ist, diese Fortbildungspunkte zu sammeln, gibt es für ihn „angenehmere“ Maßnahmen.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.


Widow
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 03:39

ziegenkind hat geschrieben:
Widow hat geschrieben:Das (Emotionale] ist zwar oft Gegenstand, aber eben Erkenntnisgegenstand, denn zumindest diese Supervision soll dazu verhelfen, das, was man halt irgendwie macht und was zwischen den beteiligten Menschen geschieht, bewusst werden zu lassen. .
mir scheint, das genau das auch eine treffliche beschreibung dessen ist, worum es in einer analyse geht oder gehen sollte - obschon manch eine/r dies gerne aus den augen verliert.

all dies nimmt dem emotionalem, dem sich aufrichtig zugetan sein, dem sich mögen nichts an seiner bedeutsamkeit - scheint mir. das bewusst machen dessen, was zuvor mit gutem grund unbewusst war, ist nahezu zwangsläufig ein schwieriger prozess, der um so schmerzhafter ist, je dringlicher zuvor das im unbewussten halten war. und schmerzen ertragen sich eher (nicht unbedingt leichter) im kontakt mit einer/m zugewandten anderen.
Das, ziegenkind, sehe und erlebe ich anders.

1. In meiner Analyse erlebe ich das anders.
2. Und für eine Supervision sehe ich das anders.

Ad 1: Weder sind mein Emotionales noch mein Unbewusstes in meiner Analyse Haupterkenntnisgegenstand. Und auch das, was in dieser Analyse zwischen Mr. G. und mir geschieht, ist keiner der Haupterkenntnisgegenstände, ganz im Gegenteil: Der Analytiker, auf dessen Couch ich ab und an liege, meidet alles "unsrige".

Ad 2: Ich glaube, Dein Bestreben zu verstehen - man mag ungern so gar nicht 'eingeweiht' sein in dieses ohnehin irgendwie doch letztlich enigmatische Ziegen-, sorry: Analytikerdasein (besinn ich mich recht, oder lässt Du hier immer wieder mal beiläufig fallen, dass auch Analytiker zu Deinem Bekannten- oder Freundeskreis gehören?). Also reimt man sich was zurecht: Ein Jambus Eigenes, ein Trochäus Angelesenes, ein Daktylus Gehörtes, ein Anapäst Phantaduse und ein gehöriger Knittelvers Selbstbewusstsein ... Tja. Kommt dann sowas bei raus. Auch für das Konzept "Supervision", das mancher hier ohne eigenen Erlebenshintergrund offenbar hat.

Was Deine Ableitung des Wortes "schwammig" angeht: Sorry, da sag ich nichts mehr, ich bin einst Germanistin gewesen.


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leberblümchen
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 08:43

Wandelröschen, ich glaube, wir kommen in diesem Faden nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner. Ich habe das Gefühl, dass du den Anspruch hast, hier etwas zu verteidigen, ohne jedoch inhaltlich darauf einzugehen. Ferner habe ich das Gefühl, du hältst mich irgendwie für dumm ("die Anderen haben es dir doch schon erklärt").

Ich fasse noch mal zusammen: Meine Frage war durchaus ernst gemeint. Mir ist noch immer nicht klar, ob ein Therapeut beides in Anspruch nehmen muss (bei Aufzählungen bleibt ja oft unklar, ob es sich um ein "oder" oder ein "und" handelt (ich frage mich, ob das zufällig so formuliert wird)). Sollte beides verpflichtend sein, würde mich interessieren, wie das bei einer Supervision überprüft wird: Wird da die Rechnung des Supervisors vorgelegt? Und was heißt "regelmäßig"? Eine Gruppe trifft sich 1x monatlich, vielleicht. Und wie oft sieht man den Supervisor? Wenn ich den nur bei Problemen aufsuche, die ich ohne seine Hilfe nicht lösen könnte: wie oft darf das vorkommen, ohne dass es auffällt?

Was mich hier stört: dass eigentlich immer nur das Ideal beschrieben wird. Ideale sind erstens langweilig und zweitens und vor allem unrealistisch. In der Literatur werden so viele Probleme beschrieben, womit keineswegs immer nur der sexuelle Missbrauch gemeint ist; viel häufiger dürfte es sich wohl um "ganz normale" Probleme wie Stagnation oder Erotisierung oder Aggressionen oder Liebesgefühle usw. handeln, die auftauchen und die Beziehung belasten. Wenn ich jetzt frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Therapeut so etwas regelmäßig (?!) mit seinem Supervisor bespricht, dann möchte ich nicht hören: "Das müssen sie machen, dazu sind sie verpflichtet, und ehrlich werden sie auch sein", denn ich glaube das nicht. Mich interessiert in diesem Faden sozusagen die Schnittstelle zwischen "dazu sind sie verpflichtet" und der Realität.

Es sind auch nur Menschen, bei aller Professionalität. Und die funktionieren auch nach dem Unlustvermeidungsprinzip. Erstens will ich mich nicht zur Schnecke machen lassen. Zweitens will ich nicht, dass jemand meine Kompetenz anzweifelt. Drittens will ich das selbst nicht. Viertens will ich nicht, dass jemand erfährt, dass ich geträumt habe, meinen Patienten zu vögeln oder ihn zu erschießen. Fünftens will ich mich selbst damit nicht befassen. Sechstens hatte ich schon mal solch ein Problem, und ich will nicht, dass das Thema mich verfolgt. Siebtens könnte meine Frau (=Kollegin) vielleicht davon erfahren. Achtens ist es doch schließlich der Patient, der ein Problem hat, oder? Und neuntens ist es so viel einfacher, "unser" Problem einfach dem Patienten anzulasten.

Und wenn mir dann jemand sagt: "Therapeuten sind verpflichtet, regelmäßig an Super- oder Intervision teilzunehmen, dann werde ich wohl kaum denken: "Ach so, ja dann...".

Ich bezweifle nicht, dass es Therapeuten gibt, die offen sind den eigenen Problemen gegenüber. Und vor allem wird es Fälle geben, die sich leichter besprechen lassen und bei denen sich nicht irgendwann die Frage nach der Kompetenz des Therapeuten stellt. Aber ist das wirklich die Regel? Und was nützt ein Qualitätssicherungsdingsbums, wenn man es so leicht umgehen kann, indem man einfach die wirklichen Probleme dem Patienten in die Schuhe schiebt und stattdessen nur "mittelschwere Klassiker" vorstellt?

Ich vermute, dass Intervision für solche schwierigen Fälle gar nicht funktioniert (schlimm genug, überhaupt zu hassen oder zu lieben oder sich für unfähig zu halten; da will ich das nicht noch von mehreren (!) Kollegen hören, erst recht nicht, wenn ich die regelmäßig treffe!). Wenn es nur darum ginge, mal zu hören, ob und welche Erfahrungen die Kollegen mit Störungsbild xy oder mit Patientengruppen yz gemacht haben, naja.... ("Hattest du auch schon mal eine Patientin aus Schablone xy?" - "Ja, die musst du dann so und so behandeln" - "O.K., mach ich"???).


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leberblümchen
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 09:05

Es geht doch dabei um das Von-außen-Draufgucken. Intervision wäre dann wohl so was wie "Vier Augen sehen mehr als zwei", und Supervision wäre "ich schau dir in die Augen, Kleines" - also Breite vs. Tiefe. Breite klingt in Bezug auf Tiefenpsychologie auf jeden Fall harmloser als Tiefe (jedenfalls, wenn es um die eigene geht...!). Wenn ich mir also aussuchen könnte, mit welcher der beiden Maßnahmen ich meine Qualifikation unter Beweis stelle - ich müsste nicht lange überlegen...

Oder anders gesagt: Wie häufig begibt sich ein "handelsüblicher" Therapeut tatsächlich in Supervision? Und an welcher Stufe auf der nach oben offenen Dramatikskala befindet er sich dabei üblicherweise? Ist es eher so wie: "Guck mal, Supervisor, was ich für einen spannenden Fall habe" oder eher so wie: "Ich kann nicht mehr!"? Dass man es grundsätzlich macht, sagt ja darüber gar nichts aus.

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lamedia
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 09:34

leberblümchen hat geschrieben:Mir ist noch immer nicht klar, ob ein Therapeut beides in Anspruch nehmen muss (bei Aufzählungen bleibt ja oft unklar, ob es sich um ein "oder" oder ein "und" handelt (ich frage mich, ob das zufällig so formuliert wird)).
Satzung der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV), Anhang B (Berufsethik), Absatz 5.
Eigenverantwortlich gestaltete, die Berufspraxis begleitende und methodisch geleitete Reflexion ihrer klinischen
Arbeit (Supervision und Intervision) sind Voraussetzungen zum Erhalt psychoanalytischer Kompetenz.
Ist auch "nur" eine Vereinssatzung. Trotzdem: Hier ist die Rede nicht von Verpflichtung, sondern von "Eigenverantwortung". Das gefällt mir. Und es gibt ein "und".
leberblümchen hat geschrieben:Sollte beides verpflichtend sein, würde mich interessieren, wie das bei einer Supervision überprüft wird: Wird da die Rechnung des Supervisors vorgelegt? Und was heißt "regelmäßig"? Eine Gruppe trifft sich 1x monatlich, vielleicht. Und wie oft sieht man den Supervisor?.
Irgendwie bezweifle ich ja, dass hier ein Insider/Therapeut/Analytiker (um letztere scheint es ja vor allem zu gehen) auftaucht und alle diese Fragen aufrichtig und bürokratisch detailliert beantworten wird.
Das Mißtrauen in das "Funktionieren" von Intervision /Supervision verstehe ich so, dass du auf strukturelle Gefahren hinweist. Aber nicht jede Gefahr, die man sieht, muss auch eintreten. (Ich stelle mir gerade sehr erheitert vor, dass zehntausende Psychoanalytiker regelmäßig überlegen, wie sie bloss heil und unbeschädigt aus dieser verdammten Intervisionsgruppe herauskommen.) Und es scheint ein generelles Mißtrauen gegenüber Therapeuten mitzuschwingen?

Ich glaube, richtig Aufschluss über die Erfahrungsebene könnte nur eine empirische Studie zur Erfahrung von Psychotherapeuten mit Intervision/Supervision geben. Oder man kennt einen Psychotherapeuten und fragt ihn mal aus. (Aber das wäre dann ein Einzelfall.) Oder du rufst mal bei der Kassenärztlichen Vereinigung/Berufsverbänden/Vereinen an, wenn es um reine "Fakten" gehen sollte. (Was aber nicht den Anschein hat.)


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leberblümchen
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 09:43

lamedia, diese Probleme, wie man möglichst heil da rauskommt, die werden ja in der Literatur beschrieben - ist also nicht (nur) eine Projektion meinerseits.

Ich hab so vieles gelesen, vielleicht auch lesen müssen, über therapeutische Beziehungen, v.a. in Analysen. Dass das ein sehr belastender Beruf sein kann, weil er eben auch Verdrängtes im Therapeuten an die Oberfläche holt (eigene Komplexe und Retterphantasien, verdrängte Probleme der eigenen Kinderlosigkeit, verdrängte Probleme mit dem Partner oder mit der eigenen Sexualität, nicht verarbeitete Trauer über einen Verlust, eine eigene Mutterübertragung auf den Patienten, verdrängte Aggressionen und so vieles mehr) - es ist nicht primär so, dass ich denke: "Die sind doch bestimmt alle überfordert mit meiner Einzigartigkeit"; es IST so, dass es diese Schwierigkeiten gibt, gerade wenn man über Jahre mehrmals die Woche so intensiv mit jemandem arbeitet. Ich selbst habe zusehen können und müssen, wie Intervision sich auswirkt in einer sehr intensiven Beziehung. Ich habe mir anhören müssen, was man dort meint, herausgefunden zu haben, ich habe beobachtet, wie er sich verhalten hat und ich habe festgestellt, wie er selbst sich dort inszeniert hat. Meine "Recherchen" haben ergeben, dass das kein Einzelfall ist, sondern dass es sich um ein strutkurelles Problem handelt, welches natürllich nicht zwingend auftreten muss.

Ich denke auch, dass sich hier eher keine 50 Therapeuten melden, um mit mir gemeinsam an einem Buch darüber schreiben zu wollen. Und ich weiß tatsächlich auch nicht, ob ich mich dafür "nur so" interessiere oder ob ich damit was "Eigenes" lösen will. In meiner jetzigen Therapie habe ich (ironischerweise?) keinen Anlass, an der Professionalität zu zweifeln. Tatsächlich kann ich mir nicht vorstellen, dass er einen Supervisor hat - und das hat wiederum mit meiner Projektion zu tun, weil ich annehme, er hat da so einen "Betroffenheitsabschirmfilter" installiert. Das aber sind ja Dinge, die ich mit ihm besprechen sollte und werde - kann es ein zu viel an Professionalität in therapeutischen Berufen geben? Womit ich nicht "Distanziertheit" meine (was soll daran professionell sein?).


mio
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 09:53

Hallo Leberblümchen,

ich habe den Eindruck, Du gehst hier mehr von Dir und Deinem emotionalen Erleben aus, als dass Du Dir die "therapeutische Realität" betrachtest. Therapeuten die ein persönliches Problem damit haben, wenn in einer Therapie auch Gegenübertragungsgefühle auftauchen und sich für diese Gefühle verurteilen oder schämen arbeiten in meinen Augen schlicht und ergreifend unprofessionell. Von so jemandem würde zumindest ich mich nicht therapieren lassen wollen, denn wie soll ich lernen "meins" anzunehmen, wenn der Therapeut "seins" selbst nicht annehmen kann?

Annehmen bedeutet ja: Erkennen, akzeptieren, damit/daran arbeiten, so das Gefühl inadäquat für die/in der Situation ist - was im therapeutischen Prozess wohl meint: Ich laufe Gefahr dem Patienten aufgrund meiner Gegenübertragungsgefühle zu schaden anstatt ihm zu helfen, behindere seine Entwicklung anstatt sie zu fördern.

Es geht bei der "Qualitätssicherung" ja nicht darum, dass der Therapeut seine eigene "Grossartigkeit" unter Beweis stellt, sondern darum, dass vermieden werden soll, dass Therapeuten scheuklappenartig vor sich hin wursteln, weil sie denken, dass sie sowieso großartig sind. Ebenso wie nicht gesagt ist, dass jedes auftauchende Gefühl beim Patienten zu einem ebenso starken Gegenübertragungsgefühl beim Therapeuten führt; das dürfte eher die Ausnahme denn die Regel sein. Auch muss die Gegenübertragung eines Therapeuten auf zB. "Liebesgefühle" von Patientenseite nicht automatisch "Hass" sein. Ich würde vielmehr vermuten, dass es sich dann um "Versagensgefühle", "Hilflosigkeit", "Verzweiflung" etc. handeln dürfte, so es dem Therapeuten in der Therapie nicht gelungen ist, diese Übertragungsgefühle sinnvoll für den Patienten nutzbar zu machen und so mit dem Patienten daran zu arbeiten, weil er sie vielleicht unterschätzt oder falsch eingeschätzt hat.

Das Supervision nur eine von vielen möglichen Qualitätssicherungsmassnahmen ist wird in dem von Wandelröschen verlinkten Informationstext ja klar. Wie eigenverantwortlich und sinnvoll für den Patienten ein Therapeut in Bezug auf die Wahl der passenden Massnahme nun handelt ist Sache des Therapeuten. Macht er Intervision, obwohl eher Supervision angebracht wäre? Scheut er sich eine problematische, verfahrene Situation einem oder mehreren Kollegen gegenüber anzusprechen? Nun, die EINE Antwort darauf gibt es wohl nicht.

Was bringt Dich neben Deinem theoretischen Interesse, dass ja eigentlich mittlerweile eine Antwort bekommen haben dürfte in diesem Thread, eigentlich zu dieser Frage? Die Sorge, Dein jetziger Therapeut könne da eventuell genauso "fehlerhaft" handeln und entscheiden wie Dein voriger? Oder die Frage, hat mein vorheriger Therapeut einen Fehler gemacht?

Lieben Gruss,

mio

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lamedia
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Beitrag Sa., 26.12.2015, 09:54

Nein, nicht Projektion: Aber es gibt doch sicherlich auch andere Erfahrungen als die problematischen. Diese Erfahrungen, von denen du gelesen hast, verweisen auf Schieflagen, die entstanden sind aber nicht zwangsläufig entstehen müssen. Und sie sind sicherlich auch zu einem bestimmten Zweck zitiert worden. (Selbstkritik, strukturelle Kritik.) Selbst wenn 80% aller Intervisionsgruppen für den A.... sind, was konkret kannst und solltest du dann tun? (Offene Frage.)

Und was ich auch herauslese, ist, dass es sehr viel um Kontrolle geht: Eigentlich auch berechtigt, wenn erstmal Mißtrauen durch negative Erfahrungen (sei es Therapie, sei es "sonstige Biographie") besteht. Dann will man alles wissen, alles verstehen, alles einordnen und auch fundiert kritisieren können, (um nicht einfach abgewatscht zu werden.) Strukturell kommt auch etwas anderes hoch, nämlich das Dilemma der notwendigen Intransparanz der therapeutischen Arbeit. Wenn ein Therapeut, vor allem Analytiker dir alles aufschlüsselt, was seine Arbeit und die Arbeit an der Arbeit angeht und an sich selbst angeht, dann ist das therapeutische Setting aufgelöst. Wenn er intransparent bleibt, gibt es ein Machtgefälle, das genau zu solchem Mißtrauen Anlass geben kann und zum Ergründen von Gefahren und zum Lesen und Memorieren von Scheiterfallen.

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Beitrag Sa., 26.12.2015, 10:04

Nun, wenn man sagt, dass beides eine andere Zielsetzung verfolgt, muss man ja erst recht anerkennen, dass je nach Fragestellung die Intervision untauglich sein kann. Ich ging bisher auch davon aus, dass die Intervision eher eine Fallbesprechung ist (die Supervision kann ebenfalls fallbezogen sein, aber wohl auch einen anderen Gegenstand haben).

Wie hoch der Anteil an bewusster bzw. halbbewusster Unaufrichtigkeit ist, weiß ich nicht (z.B. wenn scharfe Kritik der Kollegen zu befürchten wäre... meine Mutmaßung: je schärfere Kritik erwartet wird, desto höher evtl. die Bedenken bzgl. Super- oder Intervision). Und je unbewusster etwas ist, desto geringer teilweise auch das Problembewusstein. So wird im Verwicklungsfall in der Literatur teilweise von der unbewussten gemeinsamen (!) Abwehr gesprochen. Und hier wäre es dann wohl Aufgabe der Supervision, dass der Supervisior diese Abwehr transparent machen kann, insbes. auch die des Therapeuten. Ob das eine Intervision leisten kann, hm? Denn das kann ja auch persönlicher werden als eine reine Fallbesprechung. Sofern es überhaupt eingebracht wird... manchmal braucht es vermutlich erst eine Stagnation oder Zuspitzung (und damit werden evtl. auch die Hemmungen größer, davon zu berichten). Was gut erscheint, muss es noch lange nicht sein... sondern vielleicht liegt eher eine "Glorifizierung" zugrunde (nicht nur beim Patient, sondern evtl. auch beim Therapeuten... Stichwort: Gemeinsame Abwehr). So begegne ich auch manchen Patientenschilderungen im Forum mit Skepsis, ob das wirklich Maßstab ist... denn bei dem ein oder anderen, was ich so lese, beschleicht mich manchmal eher ein skeptisches Gefühl.
Liebe Grüße
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