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Sa., 26.12.2015, 08:43
Wandelröschen, ich glaube, wir kommen in diesem Faden nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner. Ich habe das Gefühl, dass du den Anspruch hast, hier etwas zu verteidigen, ohne jedoch inhaltlich darauf einzugehen. Ferner habe ich das Gefühl, du hältst mich irgendwie für dumm ("die Anderen haben es dir doch schon erklärt").
Ich fasse noch mal zusammen: Meine Frage war durchaus ernst gemeint. Mir ist noch immer nicht klar, ob ein Therapeut beides in Anspruch nehmen muss (bei Aufzählungen bleibt ja oft unklar, ob es sich um ein "oder" oder ein "und" handelt (ich frage mich, ob das zufällig so formuliert wird)). Sollte beides verpflichtend sein, würde mich interessieren, wie das bei einer Supervision überprüft wird: Wird da die Rechnung des Supervisors vorgelegt? Und was heißt "regelmäßig"? Eine Gruppe trifft sich 1x monatlich, vielleicht. Und wie oft sieht man den Supervisor? Wenn ich den nur bei Problemen aufsuche, die ich ohne seine Hilfe nicht lösen könnte: wie oft darf das vorkommen, ohne dass es auffällt?
Was mich hier stört: dass eigentlich immer nur das Ideal beschrieben wird. Ideale sind erstens langweilig und zweitens und vor allem unrealistisch. In der Literatur werden so viele Probleme beschrieben, womit keineswegs immer nur der sexuelle Missbrauch gemeint ist; viel häufiger dürfte es sich wohl um "ganz normale" Probleme wie Stagnation oder Erotisierung oder Aggressionen oder Liebesgefühle usw. handeln, die auftauchen und die Beziehung belasten. Wenn ich jetzt frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Therapeut so etwas regelmäßig (?!) mit seinem Supervisor bespricht, dann möchte ich nicht hören: "Das müssen sie machen, dazu sind sie verpflichtet, und ehrlich werden sie auch sein", denn ich glaube das nicht. Mich interessiert in diesem Faden sozusagen die Schnittstelle zwischen "dazu sind sie verpflichtet" und der Realität.
Es sind auch nur Menschen, bei aller Professionalität. Und die funktionieren auch nach dem Unlustvermeidungsprinzip. Erstens will ich mich nicht zur Schnecke machen lassen. Zweitens will ich nicht, dass jemand meine Kompetenz anzweifelt. Drittens will ich das selbst nicht. Viertens will ich nicht, dass jemand erfährt, dass ich geträumt habe, meinen Patienten zu vögeln oder ihn zu erschießen. Fünftens will ich mich selbst damit nicht befassen. Sechstens hatte ich schon mal solch ein Problem, und ich will nicht, dass das Thema mich verfolgt. Siebtens könnte meine Frau (=Kollegin) vielleicht davon erfahren. Achtens ist es doch schließlich der Patient, der ein Problem hat, oder? Und neuntens ist es so viel einfacher, "unser" Problem einfach dem Patienten anzulasten.
Und wenn mir dann jemand sagt: "Therapeuten sind verpflichtet, regelmäßig an Super- oder Intervision teilzunehmen, dann werde ich wohl kaum denken: "Ach so, ja dann...".
Ich bezweifle nicht, dass es Therapeuten gibt, die offen sind den eigenen Problemen gegenüber. Und vor allem wird es Fälle geben, die sich leichter besprechen lassen und bei denen sich nicht irgendwann die Frage nach der Kompetenz des Therapeuten stellt. Aber ist das wirklich die Regel? Und was nützt ein Qualitätssicherungsdingsbums, wenn man es so leicht umgehen kann, indem man einfach die wirklichen Probleme dem Patienten in die Schuhe schiebt und stattdessen nur "mittelschwere Klassiker" vorstellt?
Ich vermute, dass Intervision für solche schwierigen Fälle gar nicht funktioniert (schlimm genug, überhaupt zu hassen oder zu lieben oder sich für unfähig zu halten; da will ich das nicht noch von mehreren (!) Kollegen hören, erst recht nicht, wenn ich die regelmäßig treffe!). Wenn es nur darum ginge, mal zu hören, ob und welche Erfahrungen die Kollegen mit Störungsbild xy oder mit Patientengruppen yz gemacht haben, naja.... ("Hattest du auch schon mal eine Patientin aus Schablone xy?" - "Ja, die musst du dann so und so behandeln" - "O.K., mach ich"???).