Schock-Trauma / Entwicklungstrauma

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lamedia
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 18:50

@leberblümchen: Ja, ist das denn wirklich so? Ich meine, das "notwendige" Abgrenzen zu Nicht-Traumata - im Sinne von Einschluss und Ausschluss? Also meine Perspektive ist, dass der Trauma-Begriff, wozu Entstehung und Auswirkung (physiologisch, psychologisch) gehört, mir tatsächlich hilft, einiges besser zu verstehen. Aber ich will nicht andere überzeugen, dass ich bitteschön unbedingt mit dieser Kategorie belegt werden muss. Oder andere davon abhalten, den Begriff auf ihr Erleben anzuwenden. Das halte ich für jeweils völlig sinnlose Unterfangen. Aber vielleicht habe ich immer noch nicht verstanden, um was es geht?

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leberblümchen
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 19:00

Na, was sollte es denn - abgesehen von Traumata - noch für Gründe für eine psychische Krankheit geben?

Du bist doch ein Individuum mit einer eigenen Geschichte: Deine Geschichte hat sonst niemand: deine Eltern, Geschwister, Haustiere, Lehrer, Freunde, Lebensumfeld, Schule, Berufswahl, Einkommen, Partner, Kinder, Nachbarn. Nur du bist du.

Es gibt so viele Gründe für das, was du jetzt bist. Im Guten wie im Schlechten. Es wird nicht anders dadurch, dass du versuchst, deine Verletzungen mit denen deiner Mitmenschen zu vergleichen. Und keinen anderen Sinn als den Vergleich haben derartige Klassifizierungen. Die Frage ist also, wozu ein solcher Vergleich nötig ist.

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stern
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 19:07

leberblümchen hat geschrieben:Hier aber wird "das Trauma" definiert und dabei vehement abgegrenzt von "Nicht-Traumen", die dann übrigens nicht weiter definiert werden. Was unlogisch ist, denn: Entweder man behauptet, dass psychische Störungen immer durch Traumen verursacht werden. Oder man muss gleichzeitig mit der "wissenschaftlichen" Abgrenzung weitere Ursachen für Störungen benennen können.
Nun, DEN Traumabegriff gibt es nicht... hier ist sich tatsächlich auch die Fachwelt uneinig. Es gibt diverse Traumafolgestörungen, die u.a. durch die verschiedenen Kriterien beschrieben werden.

Und auch inwieweit psychische Störungen traumabedingt sind, besteht kein Konsens. So gibt es zum Bleistift einige Befürworter, die BPS als Traumafolgestörung zu verschachteln wollen. Was dagegen spricht: Zwar berichten viele Patienten Traumata, aber ein guter Teil auch nicht... daher lässt sich das bisher nicht durchsetzen. Insofern fürchte ich, dass man wieder dabei landet, dass eine psychischen Störung meist nicht nicht nur eine Ursache zugrunde liegt... und man macht ja im Leben mehrere gute und schlechte Erfahrungen und entwickelt sich weiter, was alles eine Auswirkungen haben kann. Die richtige Einordung ist auch für die Behandlung wichtig... so kann man z.B. eine Angststörung evtl. anders behandeln als eine Traumastörung. Soweit ich weiß, gibt es klinisch schon einige Anhaltspunkte, das etwas einzukreisen, welche Störung vorliegt. Aber für nähere Infos verweise ich an Fachleute.

Spuren zur mutmaßlichen Verursachen erfolgen bei mir auf anderen Weg als über Klassifizierungen/Benennungen. Eine Benennung vereinfacht es höchstens insofern, dass man nicht jedes Mal mehr oder weniger ausführlich etwas beschreiben muss (das gilt auch für andere Symptome, Beschwerden... Kopfschmerzen könnte man genauso beschreiben, dennoch ist es griffig, es so zu formulieren, wenn man sich verständigt hat, dass Beschreibung xyz wohl Kopfschmerzen entspricht).
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leberblümchen
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 19:13

Du weißt aber nicht, woher eine Angststörung kommt. Und auch wenn Borderline-Patienten nicht über ein "Trauma" berichten, heißt das lediglich, dass sie nicht ein einzelnes oder ein zeitlich begrenztes Ereignis benennen können. Über das Vorhandensein eines "Traumas" sagt das gar nichts aus. Denn, wie gesagt, diese Krankheiten haben logischerweise eine Ursache.

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stern
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 19:34

leberblümchen hat geschrieben:Du weißt aber nicht, woher eine Angststörung kommt.
Nun, ich würde schon sagen, dass ich für meinen Teil teilweise Spuren ausmachen kann... aber die Art der Störung beeinflusst evtl. die Behandlung (zumindest sofern störungsspezifischer vorgegangen wird).
Und auch wenn Borderline-Patienten nicht über ein "Trauma" berichten, heißt das lediglich, dass sie nicht ein einzelnes oder ein zeitlich begrenztes Ereignis benennen können.
ja... das wäre auch möglich. Aber soweit ich weiß, lässt sich die BPS bisher noch nicht als Traumafolgestörung einordnen, weil nicht jeder Patient ein Trauma erlitten haben soll... so oder so ähnlich habe ich das bisher zumindest gelesen. Jedem anzudichten "der weiß das bloss nicht", würde ich auch nicht als zielführend ansehen.

Wie gesagt... Trauma lässt sich sehr eng bis sehr weit definieren... es gibt für beides ein Für und Wider. Oder man betrachtet es so (was mir eher entspricht): Es gibt (Traumafolge-)Störungen mit einem Katalog an Beschreibungen/Merkmalen, was wie zu verschachteln ist... ursächlich kann ein oder mehrere Trauma/ta zugrunde liegen oder auch nicht... persönlich glaube ich jedoch eh nicht an nur eine Ursache. Manche Fachleute gehen auch soweit, dass sie sagen, allen Persönlichkeitsstörungen liegen Traumata zugrunde. Manche negieren das und fassen den Kreis viel, viel enger... das halte ich aber in der Tat für akademische Fragestellungen - wenn auch nicht für uninteressante. Seine eigene Biographie muss sich eh jeder selbst ansehen... führt kein Weg vorbei.

Wie ich in meinem netten Fragebogen, die Frage beantworte, was ich als Ursachen für meine Beschwerden ansehe, weiß ich noch nicht.
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lamedia
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 20:03

Ah, verstehe besser, was du meinst. Es gibt zwar auch noch die seltenen Fällen, wo eine Störung rein organisch erklärt werden kann, also nach Hirnverletzungen oder bei Nervenerkrankungen, als Folge von Intoxikationen oder in Zusammenhang mit dem Alterungsprozess und Demenzerkrankungen - oder wo sie angeboren ist (wobei ich das nicht so genau weiß)...

Aber insofern der Trauma-Begriff ja auch ein Genese-Begriff ist (also ein Begriff, der die Entstehung einer Störung erklärt), finde ich ihn doch hilfreich. Das was er beschreibt, die existentielle Verunsicherung, die durch Ereignisse eintritt, die man selbst nicht kontrollieren konnte, die Ohnmacht, das Ausgeliefertsein an Naturgewalt oder menschliche Gewalt, ist etwas, womit die Menschheit ja nicht erst seit dem 19. Jahrhundert, seitdem es wissenschaftliche Psychiatrie und Psychoanalyse gibt, zurecht kommen muss. Manchmal zerstört ein Trauma genau diese Fähigkeit, noch zurecht zu kommen. Und wahrscheinlich haben die wenigsten Menschen das Glück, ohne Trauma durch ihr Leben gleiten zu können. Es gibt aber auch diese Menschen.

Ich war leider ziemlich oft in Kliniken und habe dadurch auch mehr als 100 andere Patienten kennengelernt - einige davon hatten Inzest erlebt, andere schwere Unfälle, andere wurden als Kind von anderen Kindern oder Erwachsenen mißbraucht. Naja, Ich habe niemals eine spezielle Trauma-Therapie gemacht.
Ok, und hier ist dann vielleicht die Stelle, wo es doch um Definitionen und Vergleiche geht, die dann allerdings eher von den Fachmännern und -frauen in Trauma-Kliniken festgelegt werden. Bin ich ein potentieller Patient einer Trauma-Einrichtung? Darf ich mich da überhaupt um einen Platz bewerben? Ich habe es mal zaghaft versucht und wurde dann doch auf einer anderen Station (affektive Störung) aufgenommen. Insofern gibt es bei mir selbst vielleicht ein fishing for a trauma-label...

Dann dachte ich lange, ich habe auf solchen Stationen vielleicht doch nichts verloren, und dachte an den "engen Traumabegriff", wonach ein Trauma mit Krieg, Gewaltverbrechen, Entführung oder Vergewaltigung in Verbindung gebracht wird, Dinge, die mir zum Glück nur in abgeschwächter Form passiert sind (ich musste z.B. nicht ins Krankenhaus deswegen und das Level an Familiengewalt (schlagende Männer, Trinkermilleu) war auf dem Dorf damals durchaus üblich...) Trotzdem hatte ich immer Zweifel, ob meine Störungen in den Einrichtungen denn nun auch richtig behandelt würden, wenn der Trauma-Begriff gar nicht explizit fällt...

An der Stelle muss ich mir eingestehen, dass ich selbst nun doch so etwas wie ja, doch, Neid, so doof das ist, verspürt hatte, wenn jemand so ganz eindeutig in diese Trauma-Kategorie fiel und dadurch Anrecht auf eine spezielle therapeutische Behandlung hatte, denn mir war klar, dass die Dinge, die ich bisher noch nicht ansprechen/verarbeiten konnte auch mit der Kategorie "Trauma" zu tun haben, aber ich konnte niemals plakativ auf ein desaströses Großereignis hinweisen... (Oh, ich merke, hier wird es interessant....Pause...) Ah, nur ergänzend, deshalb bin ich auf "Entwicklungstrauma" angesprungen, bzw. auf die Unterscheidung.


leberblümchen
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 20:12

An der Stelle muss ich mir eingestehen, dass ich selbst nun doch so etwas wie ja, doch, Neid, so doof das ist, verspürt hatte, wenn jemand so ganz eindeutig in diese Trauma-Kategorie fiel und dadurch Anrecht auf eine spezielle therapeutische Behandlung hatte, denn mir war klar, dass die Dinge, die ich bisher noch nicht ansprechen/verarbeiten konnte auch mit der Kategorie "Trauma" zu tun haben, aber ich konnte niemals plakativ auf ein desaströses Großereignis hinweisen... (Oh, ich merke, hier wird es interessant....Pause...) Ah, nur ergänzend, deshalb bin ich auf "Entwicklungstrauma" angesprungen, bzw. auf die Unterscheidung.
Das verstehe ich. Aber da wäre dann dieses "Neid-Gefühl" interessanter, denke ich. Du neidest ja dem Anderen nicht seinen Schaden, sondern die Behandlung, von der du annimmst, sie hätte eine bestimmte Rechtfertigung im Trauma. Indem du das aber so siehst, setzt du den Grund für dein Neid-Gefühl fort und reproduzierst ihn, sozusagen.

Das mit der Genese finde ich z.B. gar nicht uninteressant: vgl. auch stern, die sagt, einige Theraeputen fassen den Begriff enger, andere fassen ihn weiter: Es ist NUR ein Begriff. Es spielt keine Rolle, ob man einen Tisch Tisch nennt oder Trompete; der Gegenstand selbst bleibt derselbe. Es kann aber spannend sein zu unterscheiden, ob jemand als Baby nicht beachtet wurde oder ob er als Zehnjähriger vergewaltigt wurde. Spannend ist hierbei keinesfalls die Frage, wie man das bezeichnet, sondern lediglich die Frage, was tatsächlich passiert ist. Weil sich daraus natürlich die Behandlung ableitet.

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lamedia
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 20:27

Ja, mir ist auch aufgefallen, dass Psychoanalytiker der klassischen Schule eher ganz selbstverständlich mit dem Begriff Trauma umgehen und wahrscheinlich bei fast allen ihren Patienten von traumatischen Genesen der jeweiligen Störung ausgehen. Da ist es sozusagen eine Selbstverständlichkeit und die konkrete Arbeit besteht darin, die individuelle Geschichte zu verstehen und zu integrieren - und auch weg von den Kategorien zu kommen.

Dem gegenüber stehen immer mehr spezielle Trauma-Therapeuten und Trauma-Einrichtungen, die sich eher auf Schock-Traumata und ihre Behandlung (mittels EMDR und anderen Methoden) spezialisiert haben. In Berlin gibt es schon länger ein Trauma-Zentrum speziell für Flüchtlinge, und da ist klar, es geht nicht darum, als Baby nicht gesehen worden zu sein, sondern um Folter, Krieg, Katastrophen und deren körperliche (Invalidität) und psychische Folgen. Dass ich da nicht um einen Behandlungsplatz frage und auch nicht von subtilen Neid geprägt bin, ist dann wiederum völlig klar.

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Möbius
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 20:35

@ mio - wg. Freud

Meinem Verständnis nach hat Freud die Psyche - und den Menschen schlechthin - in einer Weise betrachtet, die man später zuweilen gerne als "systemtheoretisch" angesehen hat: das "Wesen" der Psyche hat Freud niemals ergründet, ja, ich behaupte: er hat niemals danach gesucht. Er hat sie als "black box" gesehen, die Reize beobachtet, die auf diese black box einwirken und die Reaktionen, die aus ihr herauskommen. Freud war Arzt - ein Modearzt, sehr erfolgreich, auch aufgrund eines sehr effizienten self-marketings, wozu irgendwann auch ein eigener Verlag gehörte. Aber sein Anschauungsmaterial war ungeheuer reichhaltig dadurch, und er hat rein pragmatisch gehandelt, eben weil er "erfolgreich" sein wollte. Seine vermögenden und zT sehr einflußreichen Patienten sollten zufrieden mit ihm sein. Diese Umstände, die manch einem als Grund ausreichen würden, um Freud gering zu schätzen, sind für mich Grund, ihn hoch zu schätzen. Auf Theorie und akademische Diskussion lege ich inzwischen nur noch sehr wenig Wert - ich bin ein radikaler Pragmatiker.

Dementsprechend macht es wenig Sinn, die von Freud etablierten Begriffe von Es, Ich und Über-Ich mit irgendwelchen Hirnzonen in Verbindung bringen zu wollen. Sinn macht die Hirnphysiologie dagegen dort, wo es um Bewußtsein und Unbewußtes geht. Da lässt sich eine solche Grenze angeben, nämlich diejenige der Cortex. Dort sitzt unser Bewußtsein, und leidet unter den "Designfehlern" der Cortex, die durch die subcortalen Hirnschichten aber normalerweise sehr gut kompensiert werden. Es, Ich und Über-Ich muß man sich als Dreieck vorstellen, nicht etwa als Hierarchie, wobei Es und Über-Ich näher zueinander stehen - das Ich ist etwas weiter entfernt von den beiden. Quer durch dieses Dreieck verläuft nun als Dritte Dimension die Grenze zwischen Bewußtem und Unbewußten. Diese Grenzen sind sämtlich nicht scharf definiert. Sie verhalten sich eher, wie die Aggregatzustände auf den Gasplaneten: pantha rei ! Und sie sind dynamisch, sie verändern sich beständig. Normalerweise liegt das Schwergewicht der Persönlichkeit irgendwo zwischen Ich und Über-Ich - aber es verschiebt sich mitunter sehr schnell, nämlich beispielsweise dann, wenn die Triebe des Es mit Macht Befriedigung erheischen. Die Sexualität ist dafür ein gutes Beispiel. Das Über-Ich wird, wenn die sexuelle Erregung ein gewisses Maß überschritten hat, zurückgedrängt. Der Orgasmus bringt die sexuelle Erregung sehr schnell zum Abklingen, woraufhin der Schwerpunkt wie an einem Gummizug zurückschnellt Richtung Über-Ich: wir schämen uns nicht selten für das, was wir im Zustand der Erregung getan oder zugelassen haben.

Die Psyche ist nicht monolithisch. Sie besteht nicht nur aus diesen Instanzen, sondern aus einer Vielzahl von "playern". Der Freud-Schüler C.G. Jung hat aus diesem Grund sein "Archetypen-Modell" entworfen, in dem es eine Vielzahl von "Archetypen" gibt, deren Zusammenspiel in ihrer Gesamtheit das ergeben, was wir Psyche nennen. Das ist eine Organisation, ein "Betrieb", von dem unser Bewußtsein - "Ich" - nur einer unter vielen "playern" ist.

Das Trauma - um ins "topic" zurückzukehren - ist nun ein Ereignis, daß diese Organisation durcheinanderbringt und beeinträchtigt. Es durchdringt die Grenze zwischen Innen und Aussen - schlagartig, durch eine Art von Inflitration, durch Aufweichung, oder wie auch immer man das nennen mag. Es ist ein Fremder, ein "alien", der nicht nur in die Organisation der Psyche eingedrungen ist, sondern der sich dort auch "breitgemacht" und "eingenistet" hat, ohne daß er "integriert" werden konnte, ein Fremdkörper bleibt. Die Symptome der traumatischen Krankheit beruhen nicht zuletzt auf den Versuchen der übrigen Elemente der Psyche, mit diesem Fremdkörper irgendwie zurecht zu kommen.

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stern
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 21:06

lamedia hat geschrieben:Dem gegenüber stehen immer mehr spezielle Trauma-Therapeuten und Trauma-Einrichtungen, die sich eher auf Schock-Traumata und ihre Behandlung (mittels EMDR und anderen Methoden) spezialisiert haben.
Kommt darauf an, würde ich sagen... gibt auch Therapeuten/Kliniken, die sich auch Kindheits- bzw. Entwicklungstraumata widmen. Ich würde sagen (ich hoffe man kann es so sagen *überleg*): Die Behandlung ist weniger ursachenorientiert (da sich Traumata eh nicht rückgängig machen lassen. Die Ursache lässt sich also nicht beseitigen), sondern mehr folgenorientiert (Traumatherapie ist Folgenbehandlung, platt gesagt). Und man muss halt schauen, wie sich Traumata / Traumafolgen manifestieren... hier kommt sicherlich nicht nur eine Störung in Betracht, sondern besonders bei Entwicklungstraumata z.B. auch Persönlichkeits- oder Beziehungstörungen. Und hier ist vielleicht ein anderer Zugangsweg gefragt als jemand, der ganz andere Schwierigkeiten mitbringt/davonträgt. Umso mehr kommt das evtl. zum Tragen, je störungsspezifischer vorgegangen wird. Und wenn mit EMDR nicht gearbeitet wird, heißt es das ja nicht das kein Trauma vorhanden ist... sondern bei multiplen bzw. wenn auch "Entwicklungsstörungen" vorliegen schätzt man vielleicht eher die Risiken zu hoch bzw. den Nutzen als zu gering ein. Als ich denke tatsächlich, dass es schon etwas Sinn macht, zwischen Trauma und Traumafolgen zu unterscheiden. Zwischen beiden besteht kein linearer Zusammenhang. Ein Trauma muss sich im Optimalfall gar nicht in einer Störung manifestieren, sondern wird teilweise auch gut verarbeitet.
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mio
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 21:14

Eine "Trauma-Therapie" ist keine "besondere Behandlung" sondern eine indizierte, die meist dann empfohlen wird, so eine zu direkte Konfrontation zu belastend erscheint. Ich war zu Beginn meiner eigenen "Geschichte" (also als alles aufbrach und sichtbar wurde) bei einem Psychoanalytiker, der auch Psychiater und Neurologe ist zur Beratung der mir diese Form der Behandlung nahe gelegt hat.

Zu diesem Zeitpunkt war ich das, was meine Therapeutin gerne "total dekompensiert" nennt, ich selbst hätte das wohl so nicht beurteilt, hatte aber natürlich massive Schwierigkeiten (vor allem mit nicht zu mir gehörigen, extrem massiven und andauernd mehr oder weniger vorhandenen Todesangstgefühlen die sich auch stark körperlich auswirkten) und einige sehr verwirrende Erfahrungen hinter mir. Der Analytiker bekam das wohl auch mit und hat mir deshalb nahegelegt, mir jemanden mit Schwerpunkt "Traumatherapie" zu suchen. Als ich dann die ersten Termine bei meiner Therapeutin hatte (ca. 1/2 Jahr später) hat diese mir ganz zu Anfang versucht einen stationäre Behandlung nahe zu bringen, was ich aber nicht wollte, da ich "irgendwie" zurecht kam und es mich beruflich dann total raus gerissen hätte (war so schon teilweise unmöglich bis sehr schwer, aber da ich selbstständig bin ging das irgendwie). In extrem belasteten Situationen war das auch immer wieder mal Thema. Nur haben auch Kliniken mit traumatherapeutischer Ausrichtung oft sehr lange Wartezeiten. Göttingen - eine der renommiertesten - hat zB. 2 Jahre Wartezeit. Bringt einem total dekomponiert also auch erst mal nix. Sind die auch nicht drauf ausgerichtet. Ich denke mal, da wird sich häufig eine falsche Vorstellung davon gemacht, was so eine Behandlung bedeutet und warum sie angezeigt ist. "Neidisch" braucht auf alle Fälle echt niemand zu sein, auf die Zustände in denen ich mich teilweise befunden habe und aufgrund derer diese Behandlungsform angemessen war.

Unter einer Analyse wäre ich wahrscheinlich entweder noch mehr zusammengebrochen oder aber ich hätte sie abgebrochen und lieber weiter gelitten, um nicht noch mehr zusammenzubrechen.

Welche Formen von Traumata bzw. Traumafolgestörungen in den jeweiligen Therapien behandelt werden dürfte von vielen Faktoren abhängig sein. Unter anderem von der Person und Qualifikation des Therapeuten, der Ausrichtung der Station und dem zu erwartenden Therapieerfolg. Im klinischen Bereich dürfte dies noch eingegrenzter sein als im ambulanten Setting, soweit ich das beurteilen kann, da man dort in der Regel nach einer (oder mehreren) Phase(n) der Stabilisation ganz gezielt Traumaexploration macht. Meist wohl zusätzlich zur ambulanten Therapie, so eine Traumexploration ambulant zu sehr destabilisiert/destabilisieren könnte. Ich war einmal während meiner ambulanten Therapie an diesem Punkt, an dem ich mir nicht mehr sicher war, ob ich das ambulant aushalte und packe. Und auch das braucht wirklich niemanden "neidisch" zu machen. Das sind Zustände, die ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen würde, die einzigen, denen ich auch nur mal einen halben Tag in einem solchen Zustand wünschen würde, sind die, die dann von "anstellen" reden. Dannach würden die das nämlich ganz gewiss nicht mehr tun.

Es hat also auch viel damit zu tun, in was für einem individuellen Zustand ein Patient ist, welche Diagnose er hat bzw. vermutet wird etc. pp. Also alles ganz "logische" Gründe für diese spezialisierte Therapieform, die leider immer noch viel zu wenig angeboten wird meiner Meinung nach. Und wer für sich der Meinung ist, dass ihm diese Form der Behandlung helfen kann, der sollte sich entsprechend beraten lassen und umtun, ob dies der Fall ist oder nicht. Und sich auf lange Wartezeiten einstellen, die aber lohnend sind, so eine Traumatherapie indiziert ist.

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lamedia
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 21:36

Danke für die Einblicke in deine Behandlung, mio. Das totale Dekompensieren, das gibt es bei mir auch, so ca. einmal im Jahr / alle zwei Jahre. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mit den Labels "Depression/Angststörung/Somatisierung" immer unzufriedener werde, zumindest was die Kliniken angeht, in denen ich bisher war und den Behandlungsangeboten. Einmal hatte ich Pech: Ich war schon in einer Klinik mit Trauma-Station, aber aus technischen Gründen wurden alle mit psychiatrischer Angst-Diagnose auf die Verhaltenstherapie-Station gebracht. Wobei Verhaltenstherapie an sich ja mit ihren Mitteln auch grundsätzlich Stabilisierung anbietet. Was ich mir von einer Trauma-Therapie erhoffen würde, ist, dass alle Beteiligten wissen, um was genau es geht - und allein dieses Wissen und Aussprechen-Können würde mich wohl schon sehr entlasten.
Das ist dann wieder seltsam, dass ich quasi doch irgendwie um die Anerkennung des Trauma ringe, um eine Aufnahme in eine imaginäre Trauma-Gemeinschaft - und das seit Jahren irgendwie erfolglos, vielleicht weil ich zu schüchtern bin, dick damit aufzutragen und denke es ist illegitim.

Möbius, ich finde deine Beschreibung sehr klassisch und anschaulich. Du hast es präziser beschrieben, aber ich habe nun das Bild von einer wabernden Trauma-Masse in einer dynamischen Seelenkonstruktion vor mir. Und die Symptome als Ausdruck dessen, wie diese Konstruktion mit dem Fremdkörper umzugehen versucht, um nicht in sich zusammenzubrechen. Das lässt sich gut mit sterns Unterscheidung von Trauma ("Fremdkörper") und Traumafolgestörung (Symptome, die durch den Umgang mit dem Fremdkörper entstehen) zusammenbringen.


mio
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 22:17

Hallo Möbius,

danke für Deine Ausführungen. Hierzu
Möbius hat geschrieben: Das Trauma - um ins "topic" zurückzukehren - ist nun ein Ereignis, daß diese Organisation durcheinanderbringt und beeinträchtigt. Es durchdringt die Grenze zwischen Innen und Aussen - schlagartig, durch eine Art von Inflitration, durch Aufweichung, oder wie auch immer man das nennen mag. Es ist ein Fremder, ein "alien", der nicht nur in die Organisation der Psyche eingedrungen ist, sondern der sich dort auch "breitgemacht" und "eingenistet" hat, ohne daß er "integriert" werden konnte, ein Fremdkörper bleibt. Die Symptome der traumatischen Krankheit beruhen nicht zuletzt auf den Versuchen der übrigen Elemente der Psyche, mit diesem Fremdkörper irgendwie zurecht zu kommen.
ist allerdings erwiesen, dass ein - unverarbeitetes - Trauma "körperliche" Spuren hinterlässt indem es bestimmte Vorgänge im Hirnstoffwechsel und die "gesunde" Vernetzung stört. Wenn wir (ab ca. dem 3. Lebensjahr) etwas erleben, dann "vernetzt" unser Gehirn zwei Hirnareale miteinander. Das eine, das es "erlebt" (implizites Gedächtnis) und das andere, dass es in unser "autobiografisches Erleben verortet/erinnerbar macht" (explizites Gedächtnis). Es erfolgt eine "Rückkopplung". Bei traumatischen Ereignissen ist diese Rückkopplung gestört, das Erlebte existiert zwar im impliziten Gedächtnis, kann aber nicht explizit erinnert werden bzw. nicht vollumfänglich (zB. inklusive aller Gefühlsinhalte). Und das ist noch die "einfache" Variante.

Passiert etwas traumatisches VOR dem ca. 3. Lebensjahr verfügen wir nur über das "implizite Gedächtnis", können also so oder so nix "explizit" erinnern. Vielleicht ist das das, was Du bzw. Freud mit dem "eingedrungenen Fremden" meint? Es ist nicht erinnerbar, was "gestört" hat, "eingedrungen" ist und deshalb bleibt es "wabbernd diffus". Mir geht das zB. in Bezug auf ganz frühe Sachen, die ich zwar "erfühlen" kann, wo aber nix weiter ist an Erinnerung als solche "gefühlten (oder auch körperlichen) Erinnerungen" so. Den Bereich finde ich zB. viel schwerer bearbeitbar, als Bereiche, wo ich sozusagen "mehr" dazu habe. Zumindest was das "rankommen" angeht. Und nur über das "Rankommen" ist meiner Meinung nach eine Bearbeitung/Integration (letztlich Verknüpfung/korrekte Verortung) möglich.

Ich persönlich bin wirklich nicht der Meinung, dass es sowas wie ein ICH - als gesonderte Instanz - gibt. Sondern denke tatsächlich, dass dieses ICH ein Konglomerat aus bewussten und unbewussten Inhalten ist. Nur dass uns bei den unbewussten Inhalten keine "Wahlfreiheit" bleibt und wir ihnen damit ausgeliefert sind, solang wir sie nicht ins Bewusstsein bekommen. (Und damit im Zweifel auch dem "Fremden" ausgeliefert sind.) Denn nur wenn mir etwas bewusst ist, kann ich sozusagen "frei" entscheiden, "vernünftig" bewerten. Und dabei ist es meiner Meinung nach egal, ob es sich um ein Gefühl/einen Trieb oder einen Gedanken/Glaubenssatz handelt. Erst, wenn es "erlebbar" wird, kann ich es "integrieren".

In Bezug auf mein "Hauptschocktrauma" zB. ist es in keinster Weise so, dass da was "Fremdes" eingedrungen wäre in mich, da hat mir einfach was Todesangst gemacht, weil es mir den Boden unter den Füssen/mein Selbstwirksamkeitsgefühl/meine Wahrnehmung etc. weggezogen hat, sozusagen. Auf mehreren Ebenen, aber ohne jedes fremde "Eindringen".

Lieben Gruss,

mio
Zuletzt geändert von mio am Mo., 21.09.2015, 22:33, insgesamt 1-mal geändert.

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Fundevogel
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 22:26

Dass Trauma(ta) die einzig gültige Kategorie sein soll, unter der psychische Krankheiten und Störungen betrachtet werden, erscheint mir doch ein wenig - WENIG. Meiner Meinung nach wird der Traumabegriff auch viel zu inflationär für jede Art von Leid verwendet - und damit in seiner spezifischen Qualität entwertet. Ein Trauma bedeutet heutzutage gar nichts mehr. Finde ich nicht gut. Ich finde es viel schwieriger zu lernen, über (eigenes und fremdes) Leiden zu sprechen, ohne psychologische Fachbegriffe zu verwenden.
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mio
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 22:30

Hallo Lamedia,
lamedia hat geschrieben:Was ich mir von einer Trauma-Therapie erhoffen würde, ist, dass alle Beteiligten wissen, um was genau es geht - und allein dieses Wissen und Aussprechen-Können würde mich wohl schon sehr entlasten.
Das ist dann wieder seltsam, dass ich quasi doch irgendwie um die Anerkennung des Trauma ringe, um eine Aufnahme in eine imaginäre Trauma-Gemeinschaft - und das seit Jahren irgendwie erfolglos, vielleicht weil ich zu schüchtern bin, dick damit aufzutragen und denke es ist illegitim.
das kann ich sehr gut nachvollziehen. Und ich denke auch nicht, dass es ein zu dick auftragen ist, so Du ehrlich von Deinen Problemen, Symptomen und Erfahrungen berichtest, dafür sind Fachleute da, um da zu schauen, was für Dich am Besten passen könnte. Dass es Dir schwer fällt, weil es Dir "weniger schlimm" vorkommt als es wahrscheinlich war für Dich in Deinem (kindlichen) Erleben kann ich allerdings gut verstehen, da habe ich auch innerlich mit mir gekämpft. "War ja alles nicht so schlimm...nech...". Nur: Mein Körper und mein "innerpsychisches Erleben" sprachen einen ganz andere, sehr deutliche Sprache.

Leider ist die Thematik ja auch bis heute noch nicht so überall präsent, wie sie sein könnte und von daher würde ich Dir wünschen, dass Du da, so Du nach Unterstützung suchst, an jemanden gerätst, der Dich da kompetent und für Dich passend beraten kann. Ich an Deiner Stelle würde das auf alle Fälle mal ansteuern und mich mal an jemanden wenden, der sich damit auskennt, so bisher nichts so wirklich geholfen hat und dann einfach möglichst ehrlich erzählen, wie es so ausschaut bei Dir, womit Du kämpfst etc. pp.

Lieben Gruss,

mio

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