Wie weit darf Aufklärungsunterricht gehen?

Fragen und Erfahrungsaustausch über sexuelle Problembereiche wie Sexualstörungen, rund um gleichgeschlechtliche Sexualität und sexuelle Identität, den Umgang mit sexuellen Neigungen wie Fetischismus, S/M usw. - ausser Aufklärungs-Fragen.

pandas
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 02:46

à la: Hetero-Sex ist normal und das muss man ja wissen, aber Beschreibungen zu Homo-Sex sind sexualisiert, wie kann man nur...
Mh, also, soweit ich weiss, ist Homosexualität mittlerweile auch Thema im Aufklärungsunterricht, und da es Homosexualität heisst, logischerweise auch, wie man homosexuell tätig ist ... also, ich kann mir nicht vorstellen, wie man über Homosexualität sprechen kann und das Wie auslassen.

In dem Buch geht´s ja aber gar nicht vornehmlich um Homosexualität,
sondern um Bordelle, Sexspielzeug & co. Und daran stossen sich die Gemüter, weniger an der Homosexualität.
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Nico
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 09:22

In dem Artikel geht es wenn ich richtig gelesen habe um 12 - 15 jährige !
Sagt mal glaubt hier wirklich jemand, dass es in unseren Breitengraden in diesem Alter noch mehr als eine Handvoll Jugendlicher diesen Alters gibt die nicht über Bordelle, Homosexualität, Pornos und Sexspielzeug Bescheid wissen ???
Auweia...
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stern
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 10:29

pandas hat geschrieben:In dem Buch geht´s ja aber gar nicht vornehmlich um Homosexualität,
sondern um Bordelle, Sexspielzeug & co. Und daran stossen sich die Gemüter, weniger an der Homosexualität.
Nicht nur, aber auch... es ist Teil von Sexualität, warum also aussparen. Auch an der "Vielfalt" stören sich doch einige, vgl. letzte Demo. Umstrittenes wird man sicherlich noch herausnehmen. In Hamburg wird das Buch Lehrern bereits nicht mehr zur Lektüre empfohlen, siehe den Link vorher. Hier kann man übrigens etwas blättern:
http://books.google.de/books/about/Sexu ... IsbjCnwKoC
Ein Porno ist das nicht. Vielleicht wäre ja manches verwertbar. Nur heißt das doch nicht, dass das 1:1 umgesetzt wird, wenn Lehrer ein Buch lesen. Es geht doch sicherlich nicht darum, grenzwertige praktische Übungen à la "wir spielen jetzt mal Puff nach" im Lehrplan zu integrieren... aber in der Debatte zieht man sich fast nur an solchen Beispielen hoch, so dass der Kern des Bildungsplan irgendwie untergeht... und ein verzerrtes Bild generiert wird. Vielleicht sogar teilweise bewusst, um Protest zu erzeugen. Meine Meinung. Und eben:
Sagt mal glaubt hier wirklich jemand, dass es in unseren Breitengraden in diesem Alter noch mehr als eine Handvoll Jugendlicher diesen Alters gibt die nicht über Bordelle, Homosexualität, Pornos und Sexspielzeug Bescheid wissen ???
Auweia...
Wenn ich die Protestbewegungen sehe, kann ich mir schon vorstellen, dass es etwas mehr ist als ein Handvoll. Aber womit sich Kinder/Jugendliche eh beschäftigen, kann man dann ja in passender Forum in den Unterricht aufnehmen. Pädagogisch wertvoller wie Selbstaufklärung durch Pornos ist das vielleicht. Ich kann mir auch vorstellen, dass einige Lehrer nicht angetan sind, sich nun mit Aufklärungsarbeit auseinandersetzen zu müssen, um das vermitteln (kann ja auch Grenzen berühren... oder Nachfragen nach sich ziehen, usw.)... so wie für Eltern Aufklärungsarbeit ihre Kinder auch nicht immer die leichteste Übung ist.
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stern
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 11:01

Ein Buch ist ja auch nicht der Bildungsplan an sich... aber in den Debatten verschwimmt das dann teilweise so als bilden Buchinhalte den Lehrplan 1:1 ab. Wenn ich mich recht erinnere, hat in einem Maischberger?-Talk die Moderatorin stellenweise unterbrochen, um abzugrenzen, worüber gerade geredet wird. Denn ansonsten entstehen Verzerrungen.

Na ja, Sexualaufklärung überhaupt in den Unterricht aufzunehmen, soll damals auch nicht ganz unproblematisch gewesen sein... und heute ist das selbstverständlich (wenn auch vermutlich nach wie vor nicht für jeden Pädagogen und Eltern leicht).
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Krang2
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 11:07

Es geht bei den Alters-/Reifefragen nicht um den intellektuellen Wissensstand, sondern um die emotionale Verarbeitung. 12-15-Jährige haben erhebliche Spannbreiten, was ihren Entwicklungsstand angeht.

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Nico
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 11:11

Ein Bekannter von mir hat jetzt eine Schulveranstaltung besucht in der Eltern über die Gefahren des Internet für ihre Kinder informiert wurden.
Da ging es um die Altersgruppe von 12 aufwärts und der Vortragende hat dort gesagt er wette mit jedem einzelnen Anwesenden, dass dessen Kind schon mindestens 1x einen Porno im Internet geschaut hat.
Und da sollen tatsächlich einige Eltern aus allen Wolken gefallen sein...
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Nico
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 11:22

Krang2 hat geschrieben:Es geht bei den Alters-/Reifefragen nicht um den intellektuellen Wissensstand, sondern um die emotionale Verarbeitung. 12-15-Jährige haben erhebliche Spannbreiten, was ihren Entwicklungsstand angeht.
Ja da bin ich bei dir, die Frage ist halt nur, soll man sich an der überwiegenden Mehrheit oder an einigen Nachzüglern richten ?
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leberblümchen
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 11:51

Stern, danke für den link.

Einige der Vorschläge sind natürlich albern: Mit 12Jährigen darüber zu diskutieren, ob Oralverkehr für sie zur Liebe gehört, IST einfach sinnfrei. Und ich schätze, die Zahl der 14Jährigen, die im Klassenraum gerne über die Häufigkeit und Art ihrer Orgasmen sprechen, dürfte gegen Null gehen.

Aber: Ich sehe das Problem eher in der Lächerlichkeit und weniger in einer potenziellen Gefahr für die zarten Kinderlein. Ein halbwegs fähiger Lehrer (so was soll's ja geben) wird selbst wissen, ob seine Klasse für solche Themen offen bzw. 'bereit' ist oder nicht. Und ich kann mir vorstellen, dass es Schulen und Gruppen gibt, an denen so was tatsächlich so funktioniert, wie die Pädagogen sich das am grünen Tisch ausgedacht haben. Warum auch nicht? Manchmal sind Dinge möglich, die niemand für möglich gehalten hätte. Aber der Regelfall ist das ganz sicher nicht.

Ich frage mich allerdings, wieso das so ein Aufreger sein soll? Da spricht doch wohl eher das Gehemmtsein der Eltern selbst! Kinder sind in dem Alter ganz gut in der Lage, den Erwachsenen zu zeigen, wie schei.ße Schule ist. Das wäre also ein Baustein mehr in diese Richtung, schlimmstenfalls. Die Jugendlichen in dem Alter finden es genauso peinlich, über Goethes oder Schillers Liebesgedichte zu schreiben; da fragt auch keiner nach, wie sie sich fühlen, wenn das Lyrische Ich loslegt: Es kommt einfach nicht bei allen an, weil es nicht immer passt. Genauso wenig, wie der Satz des Pythagoras bei allen ankommt. Trotzdem würde niemand Mathe oder Deutsch vom Stundenplan streichen.

Mich stört an der Debatte, dass die Kinder hier plötzlich für so rein und unschuldig gehalten werden; das dürfte die Projektion der Eltern sein, schätze ich. Mit der Realität hat das nicht so viel zu tun: Ein Jugendlicher, der auf dem Schulhof "schwule Sau" brüllt, kann es ertragen zu hören, dass das Wort "Handschellen" nicht nur im Kindergarten gebräuchlich ist. Dass viele Jugendliche nicht gerne darüber reden, ist so. Aber die heile Welt, in der die Jugendlichen gemeinsam Ringelsöckchen stricken, die gibt es eben auch nicht.

Zum Thema "Was ist angemessen": Mir persönlich gefällt es auch nicht, wenn im Religionsunterricht in der 2. Klasse über den Tod gesprochen wird - weil es MEINE Angst ist. Ich hätte das auch lieber gehabt, wenn sie stattdessen Mandalas gemalt hätten. Es ist nicht einfach, wenn Kinder mit diesen Themen nach Hause kommen, mit denen auch schon die Eltern überfordert sind - aber umso wichtiger ist es wohl, die Schule rauszuholen aus der Komfortzone, wo man die Kinder morgens hektisch abgibt und nachmittags wahnsinnig weise und fleißig in Empfang nimmt.


leberblümchen
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 11:55

Nico, was die Pornos betrifft: Ich würde da differenzieren: Ich kenne es noch aus meiner Schulzeit, dass es so von Klasse 4-6 üblich war, dass jemand Pornohefte mitbrachte - allerdings nicht, um sich zu erregen (was ist das???), sondern um sich darüber lustig zu machen und um cool zu sein.

Dann kommt erst mal eine Weile nichts, und was dann kommt, gehört in die Intimsphäre; und da wird es dann schwieriger, die 'Kinder' zu erreichen. Aber nicht, weil sie 'zu brav für so was' wären, sondern weil es die Erwachsenen nichts mehr angeht. Wenn es den Pädagogen gelingt, trotzdem eine Atmosphäre zu schaffen, in der solche Gespräche möglich sind: umso besser.

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stern
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Beitrag Sa., 08.11.2014, 11:58

Krang2 hat geschrieben:12-15-Jährige haben erhebliche Spannbreiten, was ihren Entwicklungsstand angeht.
Und wie wird dieser ansonsten berücksichtigt?

Frühaufklärung (bis zu einem gewissen Grad) gab es auch schon zu meiner Zeit. Eben weil Kinder ja eine Entwicklung durchmachen (körperlich wie emotional, etc.). Dem 5jährigen wird man aber evtl. noch kein Kondom erklären... sondern eben abgestuft. An Details wird sicher noch gefeilt. Und es ja nicht so, dass Kinder sich dafür nicht "interessieren"... in welchen Alter werden z.B. Doktorspiele als normal angesehen? Und ich finde schon, sowas kann man (ja nach Alter/Entwicklung) dann auch pädagogisch aufgreifen, um einem Kind altersgerechte Erklärungen auf Fragen zu bieten bzw. um auf das ohnehin vorhandene Interesse bzw. die Entwicklung einzugehen. Natürlich nicht dergestalt "wir spielen das auf dem Tisch da vorne mal nach" (was wohl auch nicht vorgesehen ist).

Vielleicht sind in mancherlei Hinsicht manche Kids sogar schon weiter als ihre Eltern.
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Krang2
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Beitrag Mo., 10.11.2014, 23:15

Danke, der Umgang mit den Pornoheften ist ein schönes Beispiel, an dem die unterschiedliche Verarbeitung der selben Informationen je nach Entwicklungsstand gezeigt werden kann.

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luftikus
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Beitrag Di., 11.11.2014, 08:37

pandas hat geschrieben:Mh, also, soweit ich weiss, ist Homosexualität mittlerweile auch Thema im Aufklärungsunterricht, und da es Homosexualität heisst, logischerweise auch, wie man homosexuell tätig ist ... also, ich kann mir nicht vorstellen, wie man über Homosexualität sprechen kann und das Wie auslassen.
Das heißt zwar so, aber letztlich sollte es doch eher darum gehen, dass auch zwei Menschen gleichen Geschlechts sich ineinander verlieben und eine Partnerschaft eingehen können, ohne dass dies verachtenswert oder sündhaft ist. Das kann man auch vermitteln, ohne detailliert auf Praktiken einzugehen...


leberblümchen
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Beitrag Di., 11.11.2014, 08:54

Übrigens kann ich aus der Praxis bestätigen, dass Homosexualität in insgesamt 22 Jahren Unterricht meiner Kinder nicht vorgekommen ist - und es ist nicht so, dass man das nicht auch fächerübergreifend betrachten könnte; es muss ja nicht alles in das Thema 'Aufklärungsunterricht' gepackt werden; wenn man es genau nimmt, sollte die gesamte Schulzeit der Aufklärung dienen - welchem Zweck denn sonst, bitte?

Tja, und das Problem ist, wenn man so will, das Wort 'Homosexualität' an sich, weil damit suggeriert wird, es gehe nur um den Sex. Wenn du mal Leute fragst, was sie damit für ein Problem haben, kommt so was von wegen: "Das ist eklig, wenn die sich in den Ar.sch fi.cken" - aber kein Mensch würde sagen: "Heterosexualität ist eklig, weil der Mann seinen Schwanz in den Mund der Frau steckt".

Umso wichtiger, mal vom Klischee wegzukommen und sich klarzumachen, dass es auch Homosexuelle gibt, die ein total spießiges Leben führen wollen - aber nein, heiraten und Kinder adoptieren dürfen sie natürlich auch nicht. Und dann sage mal einer, wir seien aufgeklärt.

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Tristezza
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Beitrag Di., 11.11.2014, 09:07

Zur Behandlung des Themas sexueller Vielfalt in der Schule, fächerübergreifend, noch mal ein Zitat aus dem schon erwähnten FAZ-Artikel:

"Wiedenroth hat sich ein neues Mathebuch angeschaut. Darin ist ein Haus eingezeichnet, in dem zwei Frauen wohnen, die bisexuell leben und ein Kind adoptiert haben. Dazu gibt es eine Textaufgabe. In dem Buch sind noch andere Häuser, erzählt Wiedenroth. In keinem davon wohnen Vater, Mutter, Kind."

Da scheint man doch inzwischen übers Ziel hinausgeschossen zu sein. Wird sich aber schon irgendwann wieder einpendeln.

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luftikus
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Beitrag Di., 11.11.2014, 09:11

leberblümchen hat geschrieben:Umso wichtiger, mal vom Klischee wegzukommen und sich klarzumachen, dass es auch Homosexuelle gibt, die ein total spießiges Leben führen wollen - aber nein, heiraten und Kinder adoptieren dürfen sie natürlich auch nicht. Und dann sage mal einer, wir seien aufgeklärt.
Eben, genauso wie es auch Heterosexuelle gibt, die sich nicht an die bewährten brave-Familie-Klischees halten wollen. Trotzdem ist sowas bei Heterosexuellen akzeptiert, während Homosexualität für viele per se als "Pfui" angesehen wird, ganz egal, wie das gelebt wird.

Auch in meinem Bekanntenkreis gibt es einige sehr "spießige" schwule Paare, die jeder Klischeefamilie aus dem Vorabendprogramm alle Ehre machen würden, wenn es nicht zufälligerweise zwei Männer wären.

Ein mir bekanntes Paar ist schon im sehr fortgeschrittenen Alter, sie leben schon seit Jahrzehnten zusammen und gehen immer noch sehr respekt- und liebevoll miteinander um.

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