Psychotherapeut werden trotz Substitution?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

LynnCard
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Beitrag Sa., 16.08.2014, 08:22

pseudologia hat geschrieben:Also ich persönlich bin ja gerade am herauszögern des Abschliessens meiner Psychotherapieausbildung. Meine Erfahrungen damit: In der Selbsterfahrung kann man sich extrem verstellen. Bei mir gibts nur eine kleine Liste vom Institut anerkannter Therapeuten. Über die hört man nicht nur Gutes, aber ich habe schon meine Erfahrungen mit Kritik gegenüber dem Institut äussern gemacht: Besser, man verzichtet darauf.
Hallo pseudologia

Dein Beitrag wirkt für mich besorgt. Was Du beschreibst, ist aber meiner Erfahrung nach in jedem Arbeitsbereich so. Da ist es wohl schon schlauer, mit Kritik zurückhaltend zu sein, solange Du in der Ausbildung steckst. Danach, wenn Du Deine Ausweise alle hast, kannst Du immer noch genug Kritik üben, zumindest wenn Du frei arbeitest oder einen Job hast, der Kritik nicht nur zulässt, sondern vielleicht sogar erfordert, z. B. bei einer Patientenorganisation oder sonst einer Ombudsstelle. Gerade wenn Du jetzt schon so viel Geld reingesteckt hast und sonst das Gefühl besteht, geeignet für diesen Beruf zu sein, wonach Deine Beiträge (in diesem Thread, die ich gelesen habe) zumindest für mich klingen. Es scheint Dir doch sehr wichtig zu sein. Daran würde ich nun denken, an das Ziel. Du willst ja offenbar wirklich etwas bewirken und machst Dir viele Gedanken, was ich positiv finde. Ist heute auch nicht mehr selbstverständlich, viele machen doch solche Ausbildungen eher aus Prestige-Gründen, nehme ich an. So genau weiß ich es natürlich nicht, vielleicht bin ich auch einfach zu kritisch. Vielleicht denkst Du da auch zu negativ und findest doch noch einen guten Lehrtherapeuten. Dass Du da vielleicht nicht so offen bist, finde ich verständlich, wird aber wahrscheinlich sowieso vermutet und vielleicht auch entsprechend anders gearbeitet als in einer "normalen" Therapie, nehme ich an.
LG Lynn

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pseudologia
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Beitrag Sa., 16.08.2014, 11:50

LynnCard hat geschrieben:@pseudologia: Wenn sich alle Therapeuten durchgängig (also auch die Supervisoren etc.) einem unabhängigen Gutachten durch mehrere Fachleute stellen müssten, das in regelmäßigen Abständen zur Qualitätssicherung (wie das heute sogar von Hundehaltern gefordert wird, indem sie die Hundeschule machen müssen), würden auch narzisstische Therapeuten ausgesiebt werden können, zumindest eher als jetzt.
Gutachten sind extrem aufwändig und aus meiner Sicht auch wirklich schwer zu machen. Bewundere die, welche dies nach wenigen Sitzunge schon teilweise recht gut hinbringen. Neben dem Aufwand ist ein anderes Problem die Künstlichkeit der Situation her: Es herrscht ein enormes Machtgefälle zwischen Begutachter und zu Begutachtendem, ist auch eine extrem künstliche Beziehung. Menschen verhalten sich auch sehr unterschiedlich, ob sie nun in der mächtigeren oder der ausgelieferteren Position befinden. Gerad der Typus "gegen Oben schleimen, gegen unten treten" wird in dieser Gesellschaft ja in verschiedensten Strukturen herangezüchtet. Um die Qualität eines Therapeuten einzuschätzen fände ich daher fast spannender, wie er ein Gutachten erstellt, als wie er begutachtet wird. Vor allem wenn mand en zu Begutachtenden kennt.

Machtgefälle und Psychotherapie sind sowieso ein heikles Thema. Interessant dazu auch kürzlich erschienener Artikel von Mario Gmür: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/missb ... 1.18361515

Ich bin mal für weniger Machtgefälle auch bei den Therapeuten untereinander. Die Stärkung der Patienten in der Therapiebeziehung selbst halte ich für viel sinnvoller. Idealerweise hat jeder Patient die Möglichkeit einen Supervisor seiner Wahl quasi als Mediator in der Therapie einzusetzen. Der erste Teil der Sitzung könnte der Patient dann nur mit dem Mediator zusammensitzen, der natürlich unter Schweigepflicht steht. Am besten zahlt dies die Krankenkasse auch jede x-te Sitzung. Ich würde mir wünschen, dies wäre der Normalfall, da ich dies eigentlich für jede Therapie als nützlich betrachten würde, unabhängig davon ob die super läuft oder sehr bedenklich oder irgendwas dazwischen.

Und natürlich ist jeder angeregt, sich möglichst schnell bei der Psychotherapeutenkammer zu melden, wenn ihm etwas nicht koscher vorkommt!
Dein Beitrag wirkt für mich besorgt. Was Du beschreibst, ist aber meiner Erfahrung nach in jedem Arbeitsbereich so. Da ist es wohl schon schlauer, mit Kritik zurückhaltend zu sein, solange Du in der Ausbildung steckst. Danach, wenn Du Deine Ausweise alle hast, kannst Du immer noch genug Kritik üben, zumindest wenn Du frei arbeitest oder einen Job hast, der Kritik nicht nur zulässt, sondern vielleicht sogar erfordert, z. B. bei einer Patientenorganisation oder sonst einer Ombudsstelle.
Das braucht dann einfach Trauerarbeit um das Ganze so zu akzeptieren wie es ist und wirklich strategisches Umsetzen von Lösungen. Das ist wohl immer wieder grosse Herausforderung im Leben. Es ist dann vieles halt eher ein Mühsal als etwas, was mir Freude bereitet. Aber nicht das erste Mal in meinem Leben, wo ich etwas einfach durchziehen muss.
Und ja, ich sehe es für zielführender und motivierender mit Menschen zusammen zu arbeiten, die auch wirklich was verändern wollen. Die Trialog-Bewegung ist mir von der Grundhaltung mal sicherlich sehr nahe.
Und zum Glück arbeite ich nun ambulant mit ner wunderbaren Psychiaterin zusammen und nicht mehr in solchen Klein-Nordkorea-Insititutionen. DIe kleine heile Welt in der Praxis dort habe ich mal, was mir sehr viel gibt.

Könnte ich in der Zeit zurückgehen würde ich wohl ne modular aufgebaute Ausbildung aus verschiedenen Richtungen machen. Da ist man unabhängiger von einzelnen Instituten. Aber irgendwie wars trotzdem gut so. Immerhin auf theoretischer Ebene viel gelernt und die Probleme sind wie Du sagst ja keine Ausnahme , sondern sehr weit verbreitet in dieser Gesellschaft. Und was wäre das Leben ohne Herausforderungen

Danke für Deine Anteilnahme!
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pseudologia
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Beitrag Sa., 16.08.2014, 12:06

pandas hat geschrieben:Es ist ja jetzt schon, dass die Psychotherapeutenkammer solche Funktionen übernehmen soll, also dass sie auf Antrag des Patienten Therapien überprüfen soll, aber bekannt ist, dass sie meistens den Therapeuten an die Seite springt auch Erklärungen für grobe Schnitzer findet.
Da bräuchte es eben auch ne Qualitätskontrolle der Psychotherapeutenkammer.

Aber ist das wirklich bekannt oder ist das einfach eine Befürchtung?

Gerade in destruktiven Beziehungen wird ja die Paranoia gegenüber der Aussenwelt stark gefördert. Angst ist ein überaus mächtiges Kontrollinstrument. Angst vor dem Staat, den Behörden, den Ärzten, der Polizei. Schlussendlich dient diese Angst nur denen, welche von denen in die Schranken gewiesen werden könnten. Je mehr wir in die Menschen als Ganzes vertrauen, desto mehr Menschen können wir auch aufbieten, um Missbrauch zu verhindern.

Nach meiner Erfahrung nutzen die wenigsten einfach das Angebot.
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stern
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Beitrag Sa., 16.08.2014, 12:37

Christine_Walter hat geschrieben:also meine letzte psychiaterin hatte mal eine sehr schlechte nachricht bekommen, wie sie mir mal erzählte. sie gab zu, sich daraufhin betrunken und ihren erwachsenen sohn angebrüllt zu haben. sie hat auch in ihrer jugend gekifft. das ändert aber alles nichts daran, dass ich sie immer noch sehr schätze, selbst wenn ich sie leider nicht mehr sehe... hat ein psychiater oder therapeut kein recht auf schwächen?
Im Beruf hat ein Arzt/PT sich professionell zu verhalten... nicht mehr und nicht weniger (aber das umfasst sehr viel).

Und o.k... es mag echt extreme Ausnahmeerlebnisse geben, wo sich mal jemand nicht im Griff hat. Mich würde jedoch eine solche Aussage abschrecken. Weiß nicht, wie der Sohn es sah, ob sie das Recht dazu hatte.

Denn ich frage mich dann auch: Was rät ein derartige Behandler jemanden, der häufiger Krisen durchleiden muss oder schlechte Nachrichten zu verarbeiten hat: Trinken sie mal einen Schluck? (Die Ärzte soll es im übrigen in der Tat geben... Hausmittel und so...). Denn es wirkt ja so als fehlt hier die eigene Bewältigungskompetenz.
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pseudologia
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Beitrag Sa., 16.08.2014, 14:15

Also mich betrinken hat mir schon in verschiedensten Lebenslagen weitergeholfen. Kenne auch ganz viele andere Menschen denen das hilft. Vor allem mit guten Freunden. Aber ich bin ja auch "gesund" und darf das.

Wehe den "Kranken", die sich das erlauben. Die müssen dann dringen professionelle Behandlung erhalten und zu "Compliance" gebracht werden!

http://www.richelshagen-systemische-ber ... /Sucht.pdf
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Beitrag Sa., 16.08.2014, 22:33

pseudologia hat geschrieben:Das braucht dann einfach Trauerarbeit um das Ganze so zu akzeptieren wie es ist und wirklich strategisches Umsetzen von Lösungen. Das ist wohl immer wieder grosse Herausforderung im Leben. Es ist dann vieles halt eher ein Mühsal als etwas, was mir Freude bereitet. Aber nicht das erste Mal in meinem Leben, wo ich etwas einfach durchziehen muss.
Und ja, ich sehe es für zielführender und motivierender mit Menschen zusammen zu arbeiten, die auch wirklich was verändern wollen. Die Trialog-Bewegung ist mir von der Grundhaltung mal sicherlich sehr nahe.
Und zum Glück arbeite ich nun ambulant mit ner wunderbaren Psychiaterin zusammen und nicht mehr in solchen Klein-Nordkorea-Insititutionen. DIe kleine heile Welt in der Praxis dort habe ich mal, was mir sehr viel gibt.
Hallo pseudologia

In Deinen Worten ist schon spürbar, dass es nicht leicht für Dich ist. Das macht mich nachdenklich. Gut, dass Du wenigstens einen erfüllenden Arbeitsplatz bei dieser netten Psychiaterin gefunden hast. Gerade wenn jemand sich so besonders einsetzt und sich für seine Arbeit berufen fühlt, ist es schmerzhaft zu sehen, wenn Kollegen im Arbeitsumfeld es dann eher pragmatisch angehen, oberflächlicher, weniger vergeistigt und durchdacht, weniger empathisch.

Ich hab das ähnlich erlebt in meiner Branche. Es ist unglaublich niederschmetternd, doch hilft es wirklich, für sich eine kleine Insel zu erschaffen, sich dahingehend selbst treu zu bleiben. Und das hast Du gefunden. Mir persönlich hat es geholfen, mich innerlich von dieser groben Arbeitswelt zu distanzieren, mich ihrer Wertung und ihrem System zu entziehen und einfach "mein Ding" zu machen (muss ich mir aber auch oftmals wieder in Erinnerung rufen, auch sonst, wenn ich mich ablenken lasse oder wieder zu sehr im Außen haften bleibe, dann braucht es auch wieder den Rückzug und Zeit für mich allein, ohne Kommunikation nach außen).

Vielleicht hilft es Dir, wenn Du das "Faule im System" einfach dort belässt und Dich innerlich davon freimachst und das Ganze rein pragmatisch durchziehst und dabei Deine persönlichen Therapeutenziele im Auge behältst und daraus Kraft schöpfst.

Ich kenne privat eine Psychologin mit Therapeutenabschluss, die das ganz ähnlich macht. Sie schreibt Bücher, teilweise mit ähnlich denkenden Kollegen, wobei sie allerdings auch da Enttäuschungen erlebte, kommt wohl vor und liegt in der Natur der Sache. Sie tendiert nun dazu, sich ganz auf ihre eigene Insel zurückzuziehen und ihre Projekte eigenständig durchzuziehen. Vielleicht kannst Du auch eher in diese Richtung gehen, ich weiß von einigen Autoren mit psychotherapeutischer Ausbildung, so nehmen sie Einfluss außerhalb des Systems. Und dies ganz normal mit eigener, kassenzulässiger Therapeutenpraxis und ihren Büchern, die gut ankommen.
LG Lynn


pandas
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Beitrag Sa., 16.08.2014, 23:13

pseudologia hat geschrieben: Nach meiner Erfahrung nutzen die wenigsten einfach das Angebot.
Das stimmt nicht, das sind konkrete Erfahrungen, die PTK springt bei Beschwerden den Psychotherapeuten "erklärend" zur Seite, das kann man auch an vielen Stellen so lesen, wenn auch die PTK für allgemeine Informationen brauchbar ist als auch als so eine Art Gewerkschaft für die Psychotherapeuten in Bezug auf Honorarerhöhungen etc. aktiv ist.

Wusstest Du z.b. dass bisher NIEMAND eine erfolgreiche Anklage wegen eines sexuellen Missbrauchs in der Therapie durchbekommen hat, obwohl es seit einiger Zeit ein entsprechendes Gesetz gibt?
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pseudologia
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Beitrag Mo., 18.08.2014, 21:37

pandas hat geschrieben:
pseudologia hat geschrieben:
Wusstest Du z.b. dass bisher NIEMAND eine erfolgreiche Anklage wegen eines sexuellen Missbrauchs in der Therapie durchbekommen hat, obwohl es seit einiger Zeit ein entsprechendes Gesetz gibt?
Das wusste ich nicht. Unabhängige Stellen wären da wohl vertrauenserweckender.

Aber nochmals eine andere Perspektive: Ein Psychiater wurde von einer Patientin bei der Polizei angeklagt, sein Machtverhältnis ausgenutzt zu haben. Dieser darf bis zum Abschluss der Untersuchungkeine weiblichen Patientinnen mehr behandeln. Als ich dies mitbekommen habe, wurde er noch nicht einmal zur Angelegenheit befragt. Da der Anteil von Frauen natürlich viel grösser ist, bringt ihn dies finanziell schon ziemlich in Bedrängnis.

Eigene Erfahrung: Mir wurde mal von der Pat. vorgeworfen, dass ich durch eine gestellte Borderline-Diagnose ihr grosse Schwierigkeiten beschert hätte.

Der Witz an der Sache: Die Diagnose kam von der Vorbehandlerin, die Pat. war erst kurz bei mir und ich habe die Diagnose eigentlich eher kritisch hinterfragt. Konnte das Ganze aber nie klären, da Sie schon bei einem neuen Behandler sei. Sie wünschte auch, dass ich aufhören soll, mich bei ihr zu melden, obwohl ich nur nachfragen wollte, wieso Sie einen Termin unentschuldigt nicht wahrgenommen hat.

Naja.. Hätte gerne geklärt, was da gerade passiert war. Aber hab in meinen privaten Erfahrungen mit Frauen zum Glück gelernt, dass man nicht alles verstehen muss und darauf vertraut, dass das für Sie schon gut ist so.

Nach dieser Erfahrung konnte ich die Diagnose mal eher nachvollziehen... Obwohl ich auch nicht weiss, was da der Nachbehandler für ne Rolle spielt. Unzufriedenheit mit der Therapie, die erst ca. 4 Sitzungen dauerte, hat sie auch nie geäussert. Aber ist schon erschreckend zu erleben, wie Wahrnehmungen teilweise abweichen können.

Aber eine absolute Einzelerfahrung für mich bisher. Fühl mich in der Regel von den Pat. sehr respektvoll behandelt.
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pandas
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Beitrag Di., 19.08.2014, 14:11

pandas hat geschrieben:
pseudologia hat geschrieben:
Wusstest Du z.b. dass bisher NIEMAND eine erfolgreiche Anklage wegen eines sexuellen Missbrauchs in der Therapie durchbekommen hat, obwohl es seit einiger Zeit ein entsprechendes Gesetz gibt?
Das wusste ich nicht. Unabhängige Stellen wären da wohl vertrauenserweckender.
Unabhängige Stellen? Nunja, es geht ja auch darum, dass die Klage eine Absicht hat ... natürlich kann man sich als Patient auch bei unabhängigen Stellen ausjammern über eine gescheiterte Therapie, nur hat das keine faktisch kompensatorische Wirkung und geklärt, ob wirklich eine Unrechtsamkeit von Seiten des Therapeuten vorlag, ist damit auch nicht - genau darum geht es aber in diesen Fällen dem Patienten.

Nachzulesen, dass es speziell wegen SM kein Verfahren gab, kann man hier ab Seite 41; wo insgesamt auch gut umrissen ist, wie es ausschaut mit den Erfolgschancen für Patienten bei rechtlichen Verfahren; als Unterthema der Arbeit von Frau Dr Conrad, die Jenny hier mal verlinkt hatte:

http://www.diss.fu-berlin.de/diss/recei ... 0000015048

pseudologia hat geschrieben:Aber nochmals eine andere Perspektive: Ein Psychiater wurde von einer Patientin bei der Polizei angeklagt, sein Machtverhältnis ausgenutzt zu haben. Dieser darf bis zum Abschluss der Untersuchungkeine weiblichen Patientinnen mehr behandeln. Als ich dies mitbekommen habe, wurde er noch nicht einmal zur Angelegenheit befragt. Da der Anteil von Frauen natürlich viel grösser ist, bringt ihn dies finanziell schon ziemlich in Bedrängnis.
Das ist überraschend - entspricht nicht der obigen Lage. Eventuell, ist die Rechtssprechung in der Schweiz nochmals anders?
In den meisten Ländern gilt ja: Im Zweifel für den Angeklagten, d.h. ohne viele Indizien könne das nicht sein, was Du schreibst.
Es sei denn: Er ist wegen solcher Vergehen eindeutig vorbestraft. Da ist es dann so, dass in Deutschland bei bestimmten Vergehen (nachgewiesen und verurteilt) keine bestimmten Berufe mehr ausgeübt werden dürfen. D.h. der Psychiater wäre nach abgegoltener Strafe wieder zugelassen wurde, jetzt gibt es neuen Verdacht, - da er ähnliche Taten schon begangen hat, steigt die Wahrscheinlichkeit des Rückfalles und er wird sofort gesperrt. Und man weiss da ja auch noch nicht, WIE er sein Machtverhältnis ausgenutzt hat, WELCHE SICHTBAREN Folgen das hatte.

pseudologia hat geschrieben: Eigene Erfahrung: Mir wurde mal von der Pat. vorgeworfen, dass ich durch eine gestellte Borderline-Diagnose ihr grosse Schwierigkeiten beschert hätte.

Der Witz an der Sache: Die Diagnose kam von der Vorbehandlerin, die Pat. war erst kurz bei mir und ich habe die Diagnose eigentlich eher kritisch hinterfragt. Konnte das Ganze aber nie klären, da Sie schon bei einem neuen Behandler sei. Sie wünschte auch, dass ich aufhören soll, mich bei ihr zu melden, obwohl ich nur nachfragen wollte, wieso Sie einen Termin unentschuldigt nicht wahrgenommen hat.

Naja.. Hätte gerne geklärt, was da gerade passiert war. Aber hab in meinen privaten Erfahrungen mit Frauen zum Glück gelernt, dass man nicht alles verstehen muss und darauf vertraut, dass das für Sie schon gut ist so.
Jaaa, aber da geht es ja nicht darum, dass dieser Konflikt rechtlich oder sonstig ausgetragen wurde?
Der Konflikt an sich gehört da für mich schon zum Berufsrisiko.
In den meisten Berufen ist man ja, auch oft ungerechtfertigt, Beschwerden von Kunden oder anderen Nutzern ausgesetzt.
Insofern, da muss sich ja jeder mit auseinandersetzen, mit ungerechtfertigten Beschwerden.

Um den Bogen zur Psychotherapeutenkammer zu spannen:
Diese sieht Beschwerden anscheinend auch im Vorfeld als wahrscheinlich ungerechtfertigt an ... stell Dir vor, diese Patientin wendet sich an die PTK, da würdest Du ja dann auch froh sein, wenn die PTK das einfach nicht ernst nimmt. Mag sein, dass es in dem Fall auch zu Recht so wäre, aber die PTK generalisiert das und sucht die "Schuld" sehr im Patientenverhalten.
Obwohl das widerlegbar statistisch in vielen Fällen nicht so ist.
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stern
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Beitrag Di., 19.08.2014, 14:33

pseudologia hat geschrieben:Also mich betrinken hat mir schon in verschiedensten Lebenslagen weitergeholfen.
Mag ja sein, aber wenn ich das wüsste, würde derjenige für mich als Therapeut wegfallen ... weil mir dann doch lieber wäre, jemand könnte vermitteln, wie man sich ohne Alk stützen kann (wer das selbst zur Stabilisierung oder Betäubung braucht, kann das meiner Meinung nicht... sonst bräuchte es keinen Alk, der hier auch nicht als Genuß fungiert). Man kann mMn nur etwas glaubhaft vermitteln, was man selbst peilt... ansonsten kann man einem Patienten auch gleich eine Ratgeber in die Hand drücken, der etwas vorkaut.
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Beitrag Di., 19.08.2014, 20:19

stern hat geschrieben: Mag ja sein, aber wenn ich das wüsste, würde derjenige für mich als Therapeut wegfallen
Aber solange er in der Lage ist, sich professionell zu verhalten, wirst Du es vermutlich nie erfahren. Ich denke, was ein kompetenter Therapeut seinen Patienten über sich mitteilt, hängt sehr davon ab, was für einen therapeutischen Effekt er sich davon erwartet, und das hängt wiederum vom Patienten ab. Du hörst bei so einer Erzählung: Hat sein Leben nicht im Griff! Ich höre: Versucht nicht, sich über mich zu stellen; verlangt keine Perfektion von mir. Während Du einem solchen Therapeuten weniger vertrauen würdest, mit negativen Folgen für die Therapie, würde ich ihm vermutlich mehr vertrauen, was sich auf eine hypothetische Therapie positiv auswirken würde. Solange der Therapeut weiß, wem von uns beiden er was erzählen darf, macht er m.E. einen guten Job. Einen Fehler würde er dann machen, wenn er dir etwas Derartiges erzählt und dich dann damit piesackt, dass Du das jetzt aber akzeptieren musst und dass etwas mit dir nicht stimmt, wenn Du ein Problem damit hast. In dem Fall würde er dich benutzen, um Bestätigung für sein Verhalten zu bekommen, und das hieße, dass sich die Therapie um seine Bedürfnisse dreht.
stern hat geschrieben: Man kann mMn nur etwas glaubhaft vermitteln, was man selbst peilt... ansonsten kann man einem Patienten auch gleich eine Ratgeber in die Hand drücken, der etwas vorkaut.
Das wäre dann ja fast schon ein Plädoyer dafür, dass ausschließlich geheilte Patienten Therapeuten werden dürfen.

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stern
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Beitrag Di., 19.08.2014, 21:06

Kaltblüter hat geschrieben:Du hörst bei so einer Erzählung: Hat sein Leben nicht im Griff!
Auf das ganze Leben würde ich es nicht beziehen... sehr wohl aber auf einen Umgang in Krisen bzw. Hilfe bei manchen Lebenslagen.

Wenn jemand über die Offenbarung des ein oder anderen Saufgelage die Augenhöhe signalisiert, nun ja, mein Fall wäre es nicht. Das kann man mir anders glaubhafter signalisieren.
Während Du einem solchen Therapeuten weniger vertrauen würdest, mit negativen Folgen für die Therapie, würde ich ihm vermutlich mehr vertrauen, was sich auf eine hypothetische Therapie positiv auswirken würde.
Ich würde insoweit kein Vorschussvertrauen entgegenbringen können, dass der Umgang mit schweren Lebenslagen aus Erfahrung vermittelt werden kann. Wenn das geleistet werden kann, dann gut... aber trotzdem: Ich hätte negative Assoziationen.
Das wäre dann ja fast schon ein Plädoyer dafür, dass ausschließlich geheilte Patienten Therapeuten werden dürfen.
jein... auch dadurch, dass man bestimmte Dinge nicht selbst im Rucksack hat, kann ein Zeichen dafür sein, dass man entsprechende Bewältigungskompetenzen aufweist... so dass man nicht in derselben Notlage wie der Patient ist. Allerdings ist dann schon darauf zu achten, ob man wirklich Empathie entgegenbringen kann...
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pseudologia
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Beitrag Di., 19.08.2014, 21:51

pandas hat geschrieben:
Um den Bogen zur Psychotherapeutenkammer zu spannen:
Diese sieht Beschwerden anscheinend auch im Vorfeld als wahrscheinlich ungerechtfertigt an ... stell Dir vor, diese Patientin wendet sich an die PTK, da würdest Du ja dann auch froh sein, wenn die PTK das einfach nicht ernst nimmt. Mag sein, dass es in dem Fall auch zu Recht so wäre, aber die PTK generalisiert das und sucht die "Schuld" sehr im Patientenverhalten.
Obwohl das widerlegbar statistisch in vielen Fällen nicht so ist.
Würde mir ein Dreiergespräch wünschen, um den Vorfall zu klären. Also das die PTK dies sehr wohl ernst nimmt.

Mich nerven Menschen, die ungeklärte Konflikte zurücklassen. Ob beruflich oder privat...

@stern: Wüsste schon noch andere Bewältigungskompetenzen. Weniger Spassfaktor, besseres Gefühl am Tag darauf. Aber ist dann halt so Eso-Zeugs wie meditieren und auf Gefühle hörn und so n Zeugs. Muss man schon aufpassen, dass die eigene Männlichkeit nicht darunter leidet
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Beitrag Di., 19.08.2014, 22:43

pseudologia hat geschrieben:
pandas hat geschrieben:
Um den Bogen zur Psychotherapeutenkammer zu spannen:
Diese sieht Beschwerden anscheinend auch im Vorfeld als wahrscheinlich ungerechtfertigt an ... stell Dir vor, diese Patientin wendet sich an die PTK, da würdest Du ja dann auch froh sein, wenn die PTK das einfach nicht ernst nimmt. Mag sein, dass es in dem Fall auch zu Recht so wäre, aber die PTK generalisiert das und sucht die "Schuld" sehr im Patientenverhalten.
Obwohl das widerlegbar statistisch in vielen Fällen nicht so ist.
Würde mir ein Dreiergespräch wünschen, um den Vorfall zu klären. Also das die PTK dies sehr wohl ernst nimmt.

Mich nerven Menschen, die ungeklärte Konflikte zurücklassen. Ob beruflich oder privat...
Hm, ja, die PTK bietet wohl an, ein Gespräch zu dritt zu führen, wenn sie den Konflikt nicht als zu "leicht" ablegt.
Aber, so wie ich es gehört habe, springt im Gespräch der PTK-Psychologe dann meist den Theapeuten zur Seite, d.h. der Patient sieht sich dann lediglich einer Verdoppelung dessen, was er hinterfragt ausgesetzt.
Oder z.b. Therapeut sagt: "sooo habe ich das nicht gesagt" (bei als Beleidigung empfundenen Äusserungen); PTK sagt, ja, das könne man nicht überprüfen, aber vielleicht hat der Patient da ja etwas in der Übersteigerung in der Erinnerung, kommt ja vor bei den Symptomen ... und irgendwann kommt der Patient dann im Gespräch gar nicht mehr zu Wort.
So bleibt der Konflikt dann für den Patienten trotz Gespräch ungeklärt.
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Solage
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Beitrag Di., 19.08.2014, 22:54

pandas hat geschrieben:Wusstest Du z.b. dass bisher NIEMAND eine erfolgreiche Anklage wegen eines sexuellen Missbrauchs in der Therapie durchbekommen hat, obwohl es seit einiger Zeit ein entsprechendes Gesetz gibt?
Kann ich mir sehr gut vorstellen.
Ich wurde von meinem Therapeuten narzisstisch, emotional und sexuell missbraucht. Außerdem hat er mich noch sadistisch gequält und mich gegen meine ganze Familie und meine Freunde aufgehetzt.
Trotzdem wurde mir von Beratungsstellen und anderen Therapeuten der Rat gegeben, ihn nicht anzuzeigen. Weil es in der Regel wohl so ist, dass die Therapeuten eine Verleumdungsklage einreichen. Ich muss den Therapeuten von der Schweigepflicht entbinden. Das heißt, dass dieser mich dann wohl pathologisiert und mich in den Dreck ziehen wird. Außerdem steht dann Aussage gegen Aussage und es ist in der Regel tatsächlich so, dass die Therapeuten nicht abgeurteilt werden.
So ein Prozedere kostet extrem viel Kraft und erfordert eine hohe Stabilität. Die durch eine negative Verbescheidung ordentlich ins Wanken kommen kann.

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