Validität psychiatrischer Diagnosen

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viciente
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 14:47

ja klar; wenn das sein wahrnehmungshorizont von verantwortung und "job" ist, dann wird er sich (weiter"schlafend") aufs eingipsen und empfehlungen beschränken; alles andere betrachtet er dann ja schliesslich nicht als "sein" problem. wobei ich denk dass es darum hier in der form ursprünglich gar ned ging.

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montagne
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 14:52

Ich denke, dass viele (nicht alle) psychische Störungen hausgemacht sind und dass es nicht die Klienten sind, die krank sind (auch wenn sie leiden), sondern es unsere Gesellschaft ist, die krank ist. Klienten reagieren meiner Auffassung nach völlig gesund und normal auf eine kranke Gesellschaft.
Das denke ich auch. Ein systemischer Therapeut würde sagen, diese psychisch Kranken sind eben die Symptomträger in dem System, in der Familie der Gesellschaft, aber gestört ist das ganze System.

Andererseits denke ich mir, war es nie anders. Psychiatrie und Gefängnis haben eins gemeinsam und das schon so lange, wie sie existieren: Sie sollen helfen Menschen, die nicht mehr den Normen der Gesellschaft entsprechen wieder zu funktionierenden Individuen zu machen. Und wenn das nicht gelingt, dann eben weggesperrt halten. Ich glaube das war schon immer so. Die Gesellschaft ist jetzt auch nicht kränker als zu jeder anderen Zeit. Nichts anderes ist der Sinn von Psychiatrie. Das primäre Ziel dieser Institution ist, gesellschaftliche Non-Konformität zu lösen, bzw. damit umzugehen, dass es immer solche Individuen geben wird. Dass es tatsächlich Menschen auch hilft und gut tun kann, ist ein Nebeneffekt, aber nicht das Hauptziel, denke ich.

Ich persönlich würde mir, bzw. tue es, solche Dinge überlegen, bevor ich mich mit diesem System einlasse. Denke eine kritische Distanz ist angebracht. Würde ich zu einem Psychiater gehen oder in eine Klinik, wüsste ich, dass es nicht um mich als individuellen Menschen mit seinem so-sein geht, sondern darum mich wieder passender für die Gesellschaft zu machen. Und das ist ja okay, ich glaube man muss schon ein Stück weit passen, damit es eiem gut genug geht. Beides überschneidet sich ja. Aber eben nicht vällig. An bestimmten Punkten divergieren diese Ziele, gut gehen des Individuums und gut gehen der Gesellschaft auch sehr.
Zuletzt geändert von montagne am Mo., 27.01.2014, 14:58, insgesamt 1-mal geändert.
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viciente
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 14:55

montagne hat geschrieben:Ein systemischer Therapeut würde sagen, diese psychisch Kranken sind eben die Symptomträger in dem System, in der Familie der Gesellschaft, aber gestört ist das ganze System.
.. .

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stern
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 14:58

viciente hat geschrieben:ja klar; wenn das sein wahrnehmungshorizont von verantwortung und "job" ist, dann wird er sich (weiter"schlafend") aufs eingipsen und empfehlungen beschränken; alles andere betrachtet er dann ja schliesslich nicht als "sein" problem. wobei ich denk dass es darum hier in der form ursprünglich gar ned ging.
Findest du? Ich habe mich auf die Aussage bezogen:
Die zugrundelegende Prämisse, dass chemisches Ungleichgewicht im Gehirn Ursache diverser psychiatrischer Erscheinungsbilder ist, ist keinesfalls wissenschaftlich validiert.
Und natürlich bedient sich eine Neurologe insbes. auch neurobiologischer Sichtweisen (z.B. Neurotransmittergleichgewicht). Zieht er z.B. andere Ursachen in Betracht (z.B. Schilddrüsenproblem) wird er aller Wahrscheinlichkeit nach an den Facharzt verweisen. Auch sprechen Neurologen z.B. die Empfehlung von Therapien aus bzw. sozialen Maßnahmen. Ich finde, es geht also sehr wohl auch darum, also um Zuständigkeiten.

Ein Medikament hat schlichtweg nicht den Anspruch, gesellschaftliche Umstände zu ändern. Wer das erwartet, hat vielleicht eine unzutreffende Vorstellung, was ein Medikament bewirken soll... nämlich insbes. auf neurobiologische Prozesse einwirken (die man bei einer Depression als gestört erachtet).
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stern
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:11

Im übrigen wirkt auch eine PT auf innerpsychische Ursachen ein, und somit unmittelbar auf den Patienten (und zwar auf die, die nach dem zugrunde gelegten Erklärungs-MODELL des Therapeuten/Therapierichtung als ursächlich erachtet werden).

Schnittstelle zum äußeren System besteht bestenfalls in Anleitungen, wie man auf bestehende Stukturen, sozusagen selbstwirksam einwirken kann.

Wenn man seine Mission vorwiegend darin sieht, auf gesellschaftliche Missständnisse einzuwirken, bewirkt man das vielleicht am ehesten durch politisches Engagement? Kampagnen gegen Pharmaunternehmen? Oder vergleichbares?
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viciente
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:14

stern hat geschrieben:Findest du? Ich habe mich auf die Aussage bezogen:
Die zugrundelegende Prämisse, dass chemisches Ungleichgewicht im Gehirn Ursache diverser psychiatrischer Erscheinungsbilder ist, ist keinesfalls wissenschaftlich validiert.
ja eben .. und die ist zweifelsfrei richtig; ungeachtet dessen, dass was du schreibst ja auch nicht falsch ist. falls es jedoch (extrem verkürzt) nicht möglich ist, unter absolut identischen bedingungen bei identischer versuchsanordnung beliebig viele identische ergebnisse zu erzielen (was bei thematiken im zusammenhang mit menschlichen verhaltensweisen per se unmöglich ist) kann eben nicht von wissenschaft gesprochen werden; das sind statistische, empirische schätzungen, die auf wahrscheinlichkeiten beruhen. und dort ist viel raum für individuelle interpretationen - also (speziell in einem eher kranken system) auch für missbrauch. mittlerweile ist sogar die (wissenschaftliche) physik im zweifel ob sie nicht ein paar irrtümern aufgesessen ist - insofern halt ich persönlich es schon für zielführend, die validität mancher thesen und dogmen konstruktiv in frage zu stellen - auch wenn deren ergebnisse derzeit und vorläufig z.t. manchmal hilfreicher sein mögen als gar nix.

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Tristezza
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:18

viciente hat geschrieben:kann eben nicht von wissenschaft gesprochen werden
Egal, oder? Wer heilt, hat recht. Und ich merke, wie die ADs mir helfen.

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viciente
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:20

Tristezza hat geschrieben:
viciente hat geschrieben:kann eben nicht von wissenschaft gesprochen werden
Egal, oder? Wer heilt, hat recht. Und ich merke, wie die ADs mir helfen.
ja klar; wenn das so ist - ist es doch gar keine frage .. weils genau DARUM eben m.e. nach HIER einfach nicht ging.

psne:
stern hat geschrieben:was dann aber für politische Modelle/Erklärungen, psychotherapeutische Modelle/Erklärungen, soziologische Modelle/Erklärungen, usw. (also kurzum: für alles) genauso gelten würde/müsste - wenn man das so sieht sofern man konsequent ist.... also nicht nur für Medikamentenwirkung und deren Erforschung.
ja, natürlich!
Zuletzt geändert von viciente am Mo., 27.01.2014, 15:23, insgesamt 2-mal geändert.

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stern
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:21

viciente hat geschrieben:falls es jedoch (extrem verkürzt) nicht möglich ist, unter absolut identischen bedingungen bei identischer versuchsanordnung beliebig viele identische ergebnisse zu erzielen (was bei thematiken im zusammenhang mit menschlichen verhaltensweisen per se unmöglich ist) kann eben nicht von wissenschaft gesprochen werden; das sind statistische, empirische schätzungen, die auf wahrscheinlichkeiten beruhen. und dort ist viel raum für individuelle interpretationen
was dann aber für politische Modelle/Erklärungen, psychotherapeutische Modelle/Erklärungen, soziologische Modelle/Erklärungen, usw. (also kurzum: für alles) genauso gelten würde/müsste - wenn man das so sieht sofern man konsequent ist.... also nicht nur für Medikamentenwirkung und deren Erforschung.

Ich habe Medikamente in best. Lebensphasen jedenfalls als hilfreich empfunden. Niemand muss sie nehmen (Ausnahme z.B. Zwangsmaßnahmen).
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stern
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:27

viciente hat geschrieben:ja, natürlich!
Verstehe ich dich dann richtig, dass du damit behauptest, wissenschaftliche Valididität gibt es per se nicht (der TE schließt wissenschaftliche Valididierung meines Verständnisses nach "nur" für die Erforschung von Medikamentenwirkungen und psychiatrische Diagnosen aus).
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viciente
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:40

stern hat geschrieben:Verstehe ich dich dann richtig, .......
mensch, stern!

.. nein; bitte mir nicht das wort im "mund" (am elektronischen papier) umdrehen. die behauptung der fehlenden wissenschaftlichen validität bezog sich hier ursprünglich genau sehr wohl rein auf die "psychiatre" - das erlaubte infragestellen von dogmen, thesen und modellen (statt z.b. bewusst-loser obrigkeitshörigkeit) war in meinem letzten beitrag generell angesetzt und bedeutet natürlich nicht, ALLEM grundsätzlich das fundament abzusprechen. sorry, ich muss jetzt wirklich los, denn das ist/wird SO - aus meiner sicht - (wieder mal) ein .

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stern
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:48

viciente hat geschrieben:es doch gar keine frage .. weils genau DARUM eben m.e. nach HIER einfach nicht ging.
so gesehen ja... sondern um die (wissenschaftliche) Validität z.B. eine psychiatrischen Diagnose oder eine Neurotransmitterungleichgewicht.

Man könnte sich (nur zum Bleistift) darüber annähren, wie (wissenschaftliche) Validität überhaupt definiert ist bzw. was sie aussagt. Und unter welchen Umständen man etwas (aus wissenschaftlicher Ansicht) als valide annimmt.

Dann könnte man schauen, ob die Erforschung von neurobiologischen Prozessen bzw. die Ableitung von Diagnosen dem genügt.

Thesen (wie der TE) kann jeder aufstellen, ist keine Kunst...

Woran die Invalidität ausgemacht wird, geht für mich aber (aus dem Eingangsposting) nicht hervor.

Um das näher zu ergründen, müsste man wohl tiefer einstiegen... meine Meinung.
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:50

@stern:
Meine Sicht. Natürlich gibt es Wissenschaft und Wirksamkeit von Psychiatrie und Medikamenten. Nur ist ein Moment von Missbrauch immer schon dabei. denn Psychiatrie, Forschung, Wissenschaft stehen immer im Dienst der Gesellschaft oder genauer der herrschenden Klasse, auchw enn ich slebst nicht so auf diesen Klassenbegriff abfahre, aber es ist ja nicht so, als gäbe es sowas nicht.

Das sieht man sehr gut, wenn man ich damit befasst, wie das psychiatrische und therapeutische System in unterschiedlichen Gesellschaften ausgestaltet ist. Bsp. Psychiatrie im 3. Reich, Psychiatrie in der DDR, Psychiatrie in Westdeutschalnd vor der Wende, Psychiatrie heute in Deutschland.
und da sieht man eben, dass nicht nur Nazis und Kommunisten Psychiatrie, Diagnosen usw für ihre Zwecke benutzt, um nicht zu sagen missbraucht haben. Auch hete noch wird Psychiatrie dazu benutzt die gegebene Gesellschafts- und Herrschaftsordnung zu legitimieren und zu stabilisieren. Und das gilt auch für die Wissenschaft.
Auch bei Forschungsprojekten aus staatlicher Finanzierung, wie durch die DFG oder Berufungsmittel von Profs gibt es Erwartungen an Themen, Inhalte, Ergebnisse. Mit Nichten ist ein Wissenschaftler frei.

Und so wird die Wissenschaft einem auch immer das sagen, was man hören SOLL.
Denn Objektivität gibts sowieso nicht.
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stern
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 15:51

viciente hat geschrieben:und bedeutet natürlich nicht, ALLEM grundsätzlich das fundament abzusprechen. sorry
o.k. und inwiefern sprichst du es psychiatrischen Diagnose und der Erforschung neurobiologische Prozesse ab? Oder tust du das nicht? Oder keine Meinung dazu?

Das ist ja die Frage (bzw. These), ob (wissenschaftliche) Validität gegeben ist, vgl. Eingangsposting.

Die Hinweise auf Hamsterrad/OT empfinde ich btw. eher als unsachlich (besser gesagt: nicht sachdienlich)... denn ich bewege mich innerhalb des Themas.
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stern
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Beitrag Mo., 27.01.2014, 16:20

Natürlich gibt es Missbrauch (in vielen Bereichen)... ob es das in jedem Fall ist, halte ich jedoch für fraglich.
Die zugrundelegende Prämisse, dass chemisches Ungleichgewicht im Gehirn Ursache diverser psychiatrischer Erscheinungsbilder ist, ist keinesfalls wissenschaftlich validiert. Es ist und bleibt eine These welche skrupellos von der Pharmaindustrie instrumentalisiert wird um Absätze zu erzielen.
Nur diese Aussage setzt sozusagen vorgelagert an: Neurotransmittergleichgewichte und psychiatrische Diagnosen sollen nicht wissenschaftlich validiert sein (These 1). Und das nutzt die Pharmaindustrie angeblich aus (These 2).

Also der Vorwurf ist in anderen Worten: Die Pharmaindustrie nutzt angeblich aus, dass sich Neurologen invalider Grundlagen bedienen. Um nicht zu sagen: das Fundament medikamentöse Behandlung wird einfach mal abgesprochen.

Insofern kann man sehr wohl hinterfragen: Inwiefern wird die wissenschaftlich Validität denn in Frage gestellt? Vielleicht erhalte ich vom TE noch eine Antwort.
Zuletzt geändert von stern am Mo., 27.01.2014, 16:24, insgesamt 3-mal geändert.
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