Symbiose mit der Mutter

Alle Themen, die in keines der Partnerschafts-Foren passen, bei denen es aber in weitestem Sinne um Beziehungen, soziale Kontakte usw. geht, Adoption, Pflege usw.

Ester
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
weiblich/female, 45
Beiträge: 2

Beitrag Fr., 12.10.2012, 23:26

Forsetzung:
Heute ist meine Mutter alt, 82 und pflegebedürftig. Sie wird von einem Pflegedienst versorgt.
Und ich komme mehrmals die Woche um sie ebenfalls etwas zu versorgen. Es ist seltsam, jetzt wo ich wohl diese verkehrte Mutter-Kind-Rolle durchbrochen habe, ergibt sich durch ihr Alter ein ganz natürlicher Vorgang der vertauschten Rollen. Die erwachsenen Kinder kümmern sich um ihre alten gebrechlichen Eltern.
Es gab da einem Moment, da habe ich ihr das Essen zubereitet und es vor ihr auf den Tisch serviert, sie liebt es, wenn ich ihr das Essen zubereite (und nicht der Pflegedienst, der es lieblos aus der Mikrowelle in einen Teller klatscht), sie strahlt jedes Mal und ihre Augen strahlen soviel Dankbarkeit aus. Oder wenn ich sie sanft führe, sie stütze, so dass sie nicht fallen kann. Wenn ich ihr den Verband am Bein wechsle, ich mache das immer sehr behutsam und bewusst, sie liebt es wenn ich sie berühre, dann sieht sie mich so an, ich kann es nicht beschreiben, ich habe so eine Liebe und Dankbarkeit in ihr noch nie gesehen. Und ich frage mich dann, war es das? War es das, was sie immer suchte?
Eine Frau, die ihr ganzes Leben einsam war und verzweifelt jemanden suchte, der sie lieben würde? Der sich liebevoll um sie kümmert, und den sie lieben könnte? Hineingeboren in die wirren Kriegsjahre, von ihren Eltern früh getrennt, in ein kaltes Heim gesteckt für verwaiste Kinder, und dann ebenso allein in eine kalte Welt gestoßen, und nicht fähig eine Beziehung, einen Menschen für sich zu finden. Und dann endlich ein Kind. Und etwas das nur ihr gehörte?
Ich trage meiner Mutter nichts mehr nach, ich sehe, dass es so gekommen ist, wie es kommen musste. Ich verstehe sie.
Ich denke meine abhängige, symbiotische Liebe hat sich gewandelt in eine erwachsene Liebe, in eine Liebe die wirklich von mir kommt, von meinem eigenständigen Ich. Und damit hat meine Mutter gegen Ende ihres Lebens wirklich einen Menschen gefunden, der sie liebt, nicht nur ein instrumentalisiertes Teil von ihr, einen wirklich andern Menschen. Mich.
Und ich sehe soviel Dankbarkeit und Liebe dafür in ihr.
Ich genieße die Zeit, die ich noch mit meiner Mutter habe.

Danke fürs Lesen und alles Liebe!

Werbung

Benutzeravatar

(e)
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 3983

Beitrag Sa., 13.10.2012, 07:47

Liebe Ester

Das hast Du sehr schön und unglaublich liebevoll beschrieben. Ich nehme meine Mutter ähnlich wahr. Sie ist wie ich eine anankastische Persönlichkeit. Ich weiß, weshalb sie in all den Jahren so zwanghaft war und mich in ihrer zwanghaften Welt instrumentalisierte, weil ich ihr damit entgegenkam mit meinem eigenen zwanghaften Verhalten. Sie hatte so unglaublich viel zu bewältigen mit 7 Kindern und ich war die Einzige, die ihr helfen konnte, die chaotischen Familenverhältnisse wieder einigermaßen in den Griff zu kriegen, weil ich wie sie Kontrolle darüber gewinnen wollte. Wir hatten dasselbe Bedürfnis. Sie hat ebenso wenig gelernt, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, so wie ich. Und irgendwann zwang ich sie ebenso, "unser" System aufrechtzuerhalten. Es war ein gegenseitiges zwanghaftes Delegieren, wir waren wie Zahnräder, ein Arbeitsbündnis. Jetzt ist sie bald mal 78 und ich wünschte mir, dass sie auch noch etwas mittherapiert werden könnte, um sich einfach mal hinsetzen zu können und einen Film zu sehen, ohne an die Arbeit im Haushalt zu denken, oder sich nicht mehr so sehr um ihre Enkelkinder zu sorgen. Sie hat nur für die Familie gelebt und alle ihre eigenen Bedürfnisse, außer dem Schlaf, gestrichen.
Lieben Gruß
elana

inaktiv, siehe Link in meinem Profil

Benutzeravatar

Tigerkind
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 75
Beiträge: 2175

Beitrag Sa., 13.10.2012, 09:55

Daran kann man erkennen wie wichtig es ist, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern, damit tut man letztlich auch seiner Umwelt einen Gefallen.
Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.

-George Orwell-

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
tigra1
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 29
Beiträge: 38

Beitrag So., 14.10.2012, 22:21

hallo ihr lieben,

also ich muss sagen dass mir eure erfahrungen mit euren müttern sehr weiterhelfen. zum einen weiss ich jetzt, dass ich mit miener situation nicht alleine bin und zum anderen muss ich jetzt nicht mehr so streng zu mir sein, wenn wieder dieses kindliche gefühl der liebe der mutter gegenüber an die oberfläche kommt.

ich für meinen teil finde diese ambivalenz sehr schwer auszuhalten, weil mittlerweile alles hochkommt, von tiefer liebe, extremen hass bis zu bitterer enttäuschung, dass sie mich so allein gelassen hat. ich hab auch schöne momente mit meiner mutter in erinnerung, nur werden sie durch die empörung, dass sie mich missbraucht hat getrübt. ich bin immer noch sehr verwirrt. der gefühlszustand, der mir am meisten zu schaffen macht, ist das zur mama wollen aber sie ist nicht da, oder ich kann ihr nicht vertrauen. bittermint, ich finde du hast das ganz gut beschrieben. eine enorme distanz, aber trotzdem noch eine große abhängigkeit.

mir tut das dann immer sehr weh, weil ich spüre wie ich mich als kleines kind gefühlt haben muss. ich möchte mich gern entwickeln, selbstständig werden, aber ich kann nicht, weil ich damit die liebe meiner mutter aufs spiel setzen würde. das macht mich sehr traurig.

ich werde überhaupt in letzter zeit ganz oft mit dem gefühl der traurigkeit überschwemmt. ich bin traurig, dass es nicht anders gelaufen ist. ich hätte es mir und meiner mutter gewünscht. weil ich immer noch will dass sie glücklich ist, und ihr leben lebt. daran freude hat und mich nicht mehr braucht. aber ich kann halt auch nicht warten bis sie bereit ist, wenn ich merke dass es für mich höchste zeit ist mich zu lösen.

@ ester: ich finde die geschichte mit deiner mutter wunerschön. dass ihr wieder zueinander gefunden habt. das macht mir mut, obwohl ich erst zu beginn des ablösungsprozesses bin.

manchmal ist die sehnsucht nach meiner mutter sehr stark, früher habe ich sie dann immer angerufen, und wir haben geredet. dass kann ich jetzt nicht mehr, etwas in mir wehrt sich, ich muss ganz weg. hab auch schon mal überlegt ob ich den kontakt abbreche, alice miller sieht das ja als gute lösung. aber ich denke ich würde sterben vor kummer und sehnsucht.

alles liebe,
tigra

Werbung

Benutzeravatar

bittermint
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 69

Beitrag Di., 16.10.2012, 20:43

tigra, ich weiß nicht so recht was sagen, mich trifft es sehr, was du sagst und gleichzeitig erlöst es mich etwas. weil ich so so so gleich empfinde - zumindest mit dem, was du an dieser stelle schreibst, auch wenn wir sicherlich vieles anders erleben und unsere geschichten unterschiedlich sind.

auch ich würde mir einfach nur wünschen, meine mutter wäre für SICH glücklich und glücklich, dass ich glücklich bin, für mich und mein leben.
ach. das mit dem telefonieren ist gleich bei mir. alles wehrt sich, tut weh oft, wenn wir reden und doch fehlt sie mir sehr.

naja ich kann gerade nichts sehr produktives mehr schreiben. aber komme sicher wieder im thread vorbei.
alles liebe,
bittermint

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
tigra1
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 29
Beiträge: 38

Beitrag Do., 18.10.2012, 00:19

Tigerkind hat geschrieben:Daran kann man erkennen wie wichtig es ist, sich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern, damit tut man letztlich auch seiner Umwelt einen Gefallen.
ja das stimmt, wobei es schwer ist seine bedürfnisse zu erkennen, noch schwerer ist es sie umzusetzen. ich habe da immer eine stimme im hinterkopf die mir sagt es gäbe soviel wichtigeres, als sich um meine lächerlichen bedürfnisse wie bsw. zum sport gehen oder mir was schönes kochen oder kaufen u kümmern. ich schätze das so viel wichtigere waren früher mal die sorgen meiner mutter.
bittermint hat geschrieben:naja ich kann gerade nichts sehr produktives mehr schreiben. aber komme sicher wieder im thread vorbei.
bittermint
du musst ja gar nichts "wichtiges" schrieben, kannst ja einfach schreiben was du dir denkst. und für mich ist allein die tatsache dass es dir ähnlich geht schon wichtig und tröstend.

ich habe heute mit meiner mutter telefoniert und sie um einen gefallen gebeten, und sie hat gleich herumgemault wie anstrengend und umständlich das doch wäre. muss dazu sagen dass ich schon länger nicht mehr bei ihr, also in meinem alten zuhause war. ich bin wirklich schockiert, dass das so zu 100% stimmt. ich gehe meinen eigenen weg und meine mutter entzieht mir ihre liebe. sobald ich nicht mehr regelässig komme, miri hre probleme anhöre, nutze ich sie ihrer meinung nach aus. ich hab so das gefühl sie hat ein liebes-konto auf dem nur soviel rauskommt wie eingezahlt wird. oft denk ich mir, dass man eigentlich doppelt soviel einzahlen muss.

das macht mich sehr wütend, und nerven tuts mich auch.

alles liebe,
tigra

Benutzeravatar

bittermint
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 69

Beitrag Do., 18.10.2012, 20:43

hey tigra,
ich empfinde oft ähnlich (sie entzieht ihre liebe, wenn ich ihre konditionen nicht eingehe) - manchmal denke ich aber auch, dass es vielleicht ihre art und weise ist, sich an unsere neue beziehung (die ich versuche, zu bilden) zu gewöhnen und sich auf ihre weise zurückzuziehen und ihren (neuen?) standpunkt zu finden. ich denke mir dann, dass es nicht sofort funktionieren kann, dass ich aus dem alten systen aussteige und mich anders verhalte und sie gleich super drauf einsteigt.

dieser gedanke hilft mir, mit der unbeholfenen, oft verletzenden und mir nicht passenden art von ihr umzugehen, mit der sie mir auf meine bedürfnisäußerungen antwortet.

übrigens hilft mir räumliche distanz sehr in der beziehung zu meiner mutter. lebe gerade sehr weit weg von zu hause (mehrere hundert kilometer), davor war es eine autostunde, das war eigentlich optimal um genug distanz zu haben, aber trotzdem die möglichkeit zu haben, nach hause zu kommen. wenn ich längere zeit zu hause bin, holen mich die alten gewohnheiten ein und lähmen mich..kann mir vorstellen, dass es bei dir ähnlich ist.

auch mir tut der austausch gut! liebe grüße an dich und weiterhin viel mut. ich hoffe, dass wenn du deine bedürfnisse einforderst, deine mutter irgendwann anders auf dich zugehen kann.

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
tigra1
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 29
Beiträge: 38

Beitrag So., 21.10.2012, 13:02

hallo,

ich hatte vor kurzem einen größeren eingriff beim zahnarzt (weisheitszähne) und muss sagen dass ich in der zeit danach und während dem eingriff mir gewünscht hätte, dass meine mutter dabei ist. sie hat mich auch danach nicht angerufen, um mich zu fragen wies mir geht. das hat mich sehr verletzt. es war auch das erste mal nach einem größeren medizinischen eingriff, dass ich nicht zu meiner mutter gefahren bin.

ich denke das ist so eine art strafe, da wir in lezter zeit oft gestritten haben, und ich schon länger als ein monat nicht mehr bei ihr war. das ist zwar schon öfter vorgekommen, aber eben ohne streit. ich bin sehr, sehr verletzt unf fühl mich sehr allein gelassen, und auch noch ein bisschen benommen. hätte gerne, dass jemand da wäre.

das nächste mal fahre ich erst zu allerheiligen, irgendwie kann ich nicht anderes, eine innere stimme sagt mir dass ich auf abstand gehen muss. ich kann auch nicht anrufen, hätte mir aber so gewünscht, dass sie es tut ich habe irgenwie das gefühl, dass es ihr völlig egal ist, wie es mir geht. dass es keine rolle spielt, weil ich "gemein" zu ihr war.

hm ja und mit den alten verhaltensweisen gehts mir genauso, ich muss, wenn ich bei ihr bin immer mit ihr streiten und ihr so klarmachen, dass ich selbst ein eigenständiger mensch bin, der seine eigene meinung, und oft eine andere hat. wobei ich mir eh nicht sicher bin ob ich aus prinzip in die opposition gehe.

alles liebe,

tigra


marty1
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
männlich/male, 34
Beiträge: 1

Beitrag Sa., 08.11.2014, 00:53

Hallo zusammen,

das Ende des Themas liegt nun zwar schon eine ganze Weile zurück aber ich hoffe, dass durch meine Nachricht hier jemand automatisch informiert wird. Noch jemand da?

Ich habe soeben sehr aufmerksam den gesamten Verlauf eurer Unterhaltung durchgelesen, was mir mehr als nur Nahe ging; mich zum Teil kurz zerissen hat.
Ich bin hier gelandet während ich nach Informationen über Auswirkungen auf Mädchen/Frauen, die ohne Vater aufgewachsen sind, suchte.

Ich bin quasi Beobachter einer solchen Symbiose. Mehr bin ich der Ex-Freund der Tochter. Wir stehen uns noch nahe. Ich befürchte oder glaube zu wissen, dass sie Hilfe braucht. Hilfe, die ich hier scheinbar leider nicht geben kann. Und daher brauch ich Hilfe was man tun könnte.

Mir geht es hier nicht um mich sei vorab gesagt. Die Beziehung ist gescheitert. Aber alleine lassen möchte ich sie nicht, was ihr auch wichtig ist. Ich bin auch nicht eifersüchtig auf die Mutter, denn das war eher umgekehrt.

Besonders die Erzählungen von Tigra kommen mir sehr bekannt vor.

Bevor ich aushole wäre es aber erstmal ganz gut zu wissen ob meine Nachricht noch jemand von meinen Vorrednern wahrnimmt.

Die eigentliche Frage: Wie kann ich jemand selbst betroffenes auf eine solche Symbiose aufmerksam machen? Ist das überhaupt möglich? Ein Wort, das der Mutter drohen könnte und es gibt Krieg.

Ich hoffe auf eine Reaktion und beste Grüße
Marty

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag