Gewalt und Vergebung

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
Benutzeravatar

Fundevogel
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 50
Beiträge: 1295

Beitrag Sa., 15.12.2012, 14:03

Liebe Happines,

ich glaube, es kann niemals eine wie auch immer geartete Verpflichtung
zur Vergebung geben, auch keine moralische.

Es kann auch keine wie auch immer geartete Verpflichtung zum Glücklichsein geben.
Wiewohl das in unserer heutigen Gesellschaft derzeit sehr modisch ist,
das Glücklichsein und Erfolgreichsein.

Ich glaube, daß das Wort "Vergebung" für den seelischen Prozeß, der dahinter steht, schon viel zu sehr religiös-moralisch behaftet ist und das Leid, das vergeben werden soll, so groß ist, daß es schwierig ist, sich damit unvoreingenommen zu beschäftigen. Zu viele starke Emotionen, zu viel Leid, zu viel Unrecht.

"Vergebung" wird auch oft mit "Vergessen" assoziiert und vielleicht auch mit "Unrecht wiedergutmachen".
Auch das sind meiner Meinung nach falsche Assoziationen, es gibt kein Vergessen und der Versuch, etwas wiedergutzumachen, kann nur von demjenigen ausgehen, der das Unrecht begangen hat.

Wenn man von diesem Wort "Vergebung" aber vielleicht absehen kann,
dann glaube ich schon, daß es einen Weg geben kann, einen Prozeß,
in dem die verletzte Seele ihren eigenen sicheren Raum wieder gewinnen kann
in dem die verletzte Seele wieder frei werden kann und heil.
Ich glaube, daß das ein langer Prozeß ist voll Wut,
Trauer und Angst und Unsicherheit und Scham.

Das entscheidende dabei scheint mir die Freiheit zu sein.
Und die Autonomie, alleine über den eigenen Raum
und die eigenen Grenzen verfügen zu können
und als sicher erleben zu können.

Edit: Happines noch nicht gelesen
Fundevogel

Werbung

Benutzeravatar

peppermint patty
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 1931

Beitrag Sa., 15.12.2012, 14:05

Happines hat geschrieben: wenn z.B. Eltern noch immer verbale Äusserungen losschießen, die verletzen und neue Wunden entstehen lassen. Denn wenn man sich ja in Vergebung übt, dann besteht ja kein Grund mehr verletzt zu sein, man steigt ja aus der Opferrolle aus.
Wenn in dem Fall die Eltern die Täter sind, dann sollte man denen Grenzen aufzeigen, sich solche Äußerungen verbitten. Oder konsequenterweise den Kontakt abbrechen, denn sonst kommt man aus der Opferrolle nicht raus. Wobei diese Opferrolle und das Verhalten der Eltern mEn eine Vergeben unmöglich macht.

Benutzeravatar

Happines
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 31
Beiträge: 11

Beitrag Sa., 15.12.2012, 15:25

Fundevogel: "ich glaube, es kann niemals eine wie auch immer geartete Verpflichtung
zur Vergebung geben, auch keine moralische."

Genau das denke ich auch. Aber wenn man sich allein mal im Internet durch Artikel liest, dann wird es in einigen Artikeln als genau das bezeichnet: moralische Verpflichtung.

Fundevogel:"Es kann auch keine wie auch immer geartete Verpflichtung zum Glücklichsein geben."

Richtig. Denn das kann jeder, muss und sollte jeder für sich selbst herausfinden was ihn glücklich macht. Nur jemand der Dinge kennenlernen musste, die ihm geschadet haben, möchte sehr gern glücklich sein. Auch wenn dieser Mensch nicht weiss was er für sich tun kann. So ging es mir sehr lang, dass ich immer dachte "andere" wären glücklicher wie ich. Wie machen die das? Kennen bestimmt auch einige.

Fundevogel:""Vergebung" wird auch oft mit "Vergessen" assoziiert und vielleicht auch mit "Unrecht wiedergutmachen"."

Dazu fällt mir nur eines ein: vergeben-vergessen-verzeihen. Das wird bei einigen Autoren als Schritteprogramm dargestellt.
Verwenden auch sehr gern Täter. Denn was war, gehört nicht mehr angesprochen.

Fundevogel:"der Versuch, etwas wiedergutzumachen, kann nur von demjenigen ausgehen, der das Unrecht begangen hat."

Eben. Aber jemand der sich durch diese Materie durcharbeitet, stösst sehr schnell auf das Gegenteil. Mit solchen Worten wie der Täter muss nicht bereuen. Es geht tatsächlich nicht, wenn z.B. tot. Aber wenn die Menschen noch leben und zur Familie gehören, dann geschieht das in zu vielen Fällen nicht!

Ich mag dieses Wort Vergebung selbst nicht. Ich kann mich mehr mit loslassen oder frei sein identifizieren.

Fundevogel:"daß es einen Weg geben kann, einen Prozeß,
in dem die verletzte Seele ihren eigenen sicheren Raum wieder gewinnen kann
in dem die verletzte Seele wieder frei werden kann und heil."

Diesen Satz finde ich sehr schön! Denn genau das kann erreicht werden, wenn man sich eingesteht einen Platz in der Welt haben zu dürfen und diesen auch verteidigen kann. Mit, (ich weiss dieses Wort kam schon oft von mir), Grenzen setzen.
Verteidigen mein ich jetzt nicht in Form von, wild um sich schlagen und sich durch die Welt prügeln. Nein, einfach den Mund aufmachen, wenn etwas nicht passt. Denn das haben Menschen die mißhandelt/ mißbraucht wurden nicht gelernt. Oder besser gesagt, sie durften nicht.

peppermint patty:"Wenn in dem Fall die Eltern die Täter sind, dann sollte man denen Grenzen aufzeigen, sich solche Äußerungen verbitten. Oder konsequenterweise den Kontakt abbrechen, denn sonst kommt man aus der Opferrolle nicht raus. Wobei diese Opferrolle und das Verhalten der Eltern mEn eine Vergeben unmöglich macht."

Das denke ich genauso. Nur ist es verboten den Eltern Grenzen aufzuzeigen. Weil wie kann ein Kind es wagen, sich gegen die Eltern zu stellen- sie haben doch so vieles getan.
Und genau das setzt Vergebung an, schreien- aber bitte leise. Nicht beschweren, denn es sind ja die Eltern. Man muss ja Dankbarkeit zollen, weil sie einem ja das Leben geschenkt haben.

Ich muss anmerken, dass ich selbst ein "Dunkelzifferkind" bin (ich mag das Wort Opfer auch nicht so!:) ), nicht religiös erzogen wurde, aber durch "Esoterik" mit diesem Thema Vergebung konfrontiert wurde.

Und die Dinge die ich lesen musste in "Selbsthilfebüchern", Seminaren und in Gesprächen lässt mich ehrlich gesagt schlecht werden.
Ich habe z.B. von Paul Ferrini 13 Schritte zur Vergebung gelesen. Um mal ein Beispiel zu nennen.
Und wenn ich mir überlege, dass es tausend andere wie mich gibt, die durch "Esoterik" damit konfrontiert werden, dann werde ich richtig sauer. Denn da sind Menschen, die Hilfe suchen und glauben dass das was in solchen Büchern, Seminaren usw. geschrieben beziehungsweise gesagt wird, vollkommen richtig ist. Weil vernünftig. Denn wer will schon krank sein? Wer will nur Ärger haben?

Am schlimmsten finde ich die Äusserung dass sich die Seele die Eltern ausgesucht hat, um die Lektion Vergebung zu lernen. Ein Kind möchte mißhandelt; mißbraucht werden. Oder die Seele.
Oder was auch noch sehr gut ist, Seelenabsprache.(Neale Donald Walsch!)
Es wird auch vieles mit Religion vermischt, sei es Christentum, Buddhismus usw. Und das finde ich gefährlich.
Entweder wird das Wort Vergebung einfach nur mißbraucht oder falsch erklärt.

Denn es gibt tausende andere, die genau das verstehen, nämlich:"Du musst vergeben".

Benutzeravatar

peppermint patty
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 1931

Beitrag Sa., 15.12.2012, 18:15

[quote="Happines"]
Das denke ich genauso. Nur ist es verboten den Eltern Grenzen aufzuzeigen. Weil wie kann ein Kind es wagen, sich gegen die Eltern zu stellen- sie haben doch so vieles getan.
Und genau das setzt Vergebung an, schreien- aber bitte leise. Nicht beschweren, denn es sind ja die Eltern. Man muss ja Dankbarkeit zollen, weil sie einem ja das Leben geschenkt haben.
[/quote/]
Ja, aber von dem was die Gesellschaft denkt oder verlangt muss man sich frei machen, denn es macht die Situation noch schlimmer. Leicht gesagt und schwer getan.

Ich halte auch gar nichts davon, wenn mir jemand sagt, ich müsste vergeben oder ich müsste blablabla...er/sie ist doch gar nicht in meiner Situation. Außerdem wäre es mir lieber wenn es mehr Mitgefühl für die Opfer als für die Täter gibt, und da sind Aussagen wie es wäre besser zu vergeben nicht besonders hilfreich.

Für mich muss jeder Mensch, unabhängig von Opfer oder nicht, seinen eigenen Weg finden. Da kann einem keiner was vorschreiben, schließlich kann niemand das Leben eines anderen leben.

Du hörst Dich (für mich) ziemlich frustriert an, nimm Dir doch diese "gesellschaftlichen Ratgeber" nicht so zu Herzen und such Deinen eigenen Weg.

Werbung

Benutzeravatar

Happines
sporadischer Gast
sporadischer Gast
weiblich/female, 31
Beiträge: 11

Beitrag Mo., 17.12.2012, 11:10

Du hörst Dich (für mich) ziemlich frustriert an, nimm Dir doch diese "gesellschaftlichen Ratgeber" nicht so zu Herzen und such Deinen eigenen Weg.
Ja, das bin ich tatsächlich. Es macht mich wütend, dass sich irgendwelche Menschen die nicht in meiner Haut stecken sich anmaßen, mir vorzuschreiben was ich zu tun und zu lassen habe.

Ich bin, bevor ich mich mit diesem Thema Vergebung beschäftigt habe, unvereingenommen rangegangen. Und mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass es ein erneuter Versuch ist, mich zurückzudrängen.

Es ist ja noch nicht mal so, dass ich mich bei anderen ausheule. Es reicht aus, wenn ich sage das ich keinen Kontakt zu meinen Eltern wünsche. Das so viele Dinge in meiner Kindheit und Jugendzeit vorgefallen sind, die es mir unmöglich machen, einen auf heile Familie zu machen. Und ich möchte nicht irgendwelchen Illusionen hinterherlaufen, die Zeiten sind vorbei.

Aber ich nutze meine Erinnerungen ja als Waffe um Macht über meine Eltern zu haben.
Das hört sich an, als wenn ich 1: schlimmer bin, wie das was meine Eltern mit mir angerichtet haben, und 2: ich meine Eltern quäle. Womit eigentlich? Weil ich nicht mehr die bin, die sie versucht haben, aus mir zu machen?

Diese Menschen sollen tun und lassen was sie wollen, aber mir keinen Schritt zu nahe kommen. Mehr nicht. Ist das eine Straftat wenn ich sage, ich möchte diese Menschen nicht mehr in meinem Leben haben?

Aber das scheint für andere der falsche Weg zu sein. So kann ich niemals gesund werden, werde sogar noch krank. Wow, vielen Dank.

Mir geht es sehr gut ohne meine ganze Familie. Und das verstehen einige Leute nicht.

Ich bin es leid, mich rechtfertigen zu müssen, für das was meine Eltern mit mir getan haben, und ich kann dafür keine Dankbarkeit zeigen.

Benutzeravatar

peppermint patty
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 80
Beiträge: 1931

Beitrag Mo., 17.12.2012, 12:26

Happines hat geschrieben: Das so viele Dinge in meiner Kindheit und Jugendzeit vorgefallen sind, die es mir unmöglich machen, einen auf heile Familie zu machen. Und ich möchte nicht irgendwelchen Illusionen hinterherlaufen, die Zeiten sind vorbei.
Das hört sich für mich sehr gesund an. Nichts finde ich ungesünder und unnormaler als auf heile Familie machen, wenn man ganz anders fühlt.
Happines hat geschrieben:Aber ich nutze meine Erinnerungen ja als Waffe um Macht über meine Eltern zu haben.
Das hört sich an, als wenn ich 1: schlimmer bin, wie das was meine Eltern mit mir angerichtet haben, und 2: ich meine Eltern quäle. Womit eigentlich? Weil ich nicht mehr die bin, die sie versucht haben, aus mir zu machen?

Diese Menschen sollen tun und lassen was sie wollen, aber mir keinen Schritt zu nahe kommen. Mehr nicht. Ist das eine Straftat wenn ich sage, ich möchte diese Menschen nicht mehr in meinem Leben haben?

Aber das scheint für andere der falsche Weg zu sein. So kann ich niemals gesund werden, werde sogar noch krank.
Das ist der Bereich über den Du Dir Gedanken machen KÖNNTEST. Möchtest Du dass die Gesellschaft , Dein Umfeld, die Ratgeber, was auch immer, so einen Einfluss auf Dich haben das Du krank wirst? Ich denke nicht. Und deshalb würde ich mir einen Weg suchen, diese Dinge nicht so nah an mich ran kommen zu lassen. Du schaffst es doch sehr gut Dich von Deinen Eltern abzugrenzen. Da müsste es doch bei "Meinungen" die von weiter außen kommen noch leichter sein, oder nicht? Und es gibt IMMER Menschen, die anderer Meinung sind als Du, lass sie ihre Meinung haben, bleib aber bei Deiner!!

Ich drück Dir mal die Daumen dafür.

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag