Selene hat geschrieben:Gerade im Fall von ADHS und Demenz wird ja tatsächlich oft mehr oder weniger über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden und - ich überspitze das jetzt etwas - die Tabletten ausgepackt, um ...
Moment: Wer, der sich gesund "fühlt", geht überhaupt zum Arzt? Also zumindest komme nicht auf den Tripp, einen Arzt aufzusuchen, wenn ich das Gefühl habe, das nicht zu brauchen... vielmehr ist eine solche Frage dann gar nicht auf meiner Bildfläche. Und flösst ein Arzt Medikamente ein? Nee, ich behaupte, dahinter steckt für gewöhnlich ein eigener Willen oder eine eigene Hoffnung, wenn man einen Arzt aufsucht, und das Medikamentenangebot dann auch schluckt.
Ich möchte jedenfalls nicht allzusehr Verantwortlichkeiten vermischt oder auf äußere Faktoren (wie das Wirtschaftssystem) abgewälzt sehen.
Mich persönlich schaudert es eher bei dem Machbarkeitswahn, der - nicht immer, aber immer öfter - aus den von mir aufgezählten "Krankheiten" spricht:
Was heißt Machbarkeitswahn... ich meine, es ist ja für einen Betroffenen, der sich entscheidet ein Medikament zu nehmen, subjektiv überprüfbar, ob sich daraufhin eine Linderung einstellt oder eben nicht. Insoweit gibt es Grenzen, Omnipotenz zu suggerieren.
Und klar erfordert es Eigenverantwortung, ob ich mir bei jedem Zipperlein eine Kopfschmerzpille einwerfe. Oder ob ich nur darauf zurückgreife, wenn meine Schmerzgrenze gerade überschritten ist oder die Schmerzen mich situativ bei etwas wichtigem stören.
Und viele psychischen Probleme, über deren Krankheitsqualität man streiten kann, und zwar obwohl die Betroffenen leiden (Trauer über einen Verlust, Motivationsschwierigkeiten in einem Beruf, der der Person nicht liegt u.a.), sollen halt auch möglichst schnell medikamentös oder durch Training abgestellt werden.
Und auch hier gilt: Ist es für gewöhnlich nicht der Betroffene selbst, der diesem Leiden ein Ende setzen will? Oder jemand, der an sich selbst den Anspruch stellt, funktionieren zu wollen, leistungsfähig sein zu wollen, Gefühle abstellen zu wollen, etc... und deswegen mal zu einem Kopfschmerzmittel oder einem anderen Mittelchen greift?
Und ich frage mich, woher kommt denn dieser Machbarkeitswahn? Und da sehe ich tatsächlich unser Wirtschaftssystem hinter, das uns von klein auf dazu erzieht zu glauben, dass man alles kaufen kann, dass "alles geht", wenn man nur will.
Ich sehe es auch kritisch, wenn eigene Motive, Interessen, etc. übermäßig äußeren Faktoren angelastet werden, wie dem Wirtschaftssystem, gesellschaftlichen Faktoren, ökonomischen Interessen anderer, der Werbung etc. Das KANN auch eine Abwehr sein, Eigenverantwortlichkeit für eigene Entscheidungen nicht übernehmen/tragen zu wollen. Denn klar kann's leichter sein den Kauf eines Produkts einer suggestiven Werbesendung xy anzulasten und Unternehmen zu verdonnern, die sowas herstellen, als sich zu fragen, warum man zugegriffen hat.
Damit dass es auch Angebote für leichtere Befindlichkeitsstörungen gibt (z.B Kopfschmerzen), habe ich selbst wiederum keine Probleme (wobei ich selbst eher zum möglichst restriktiven Medikamentengebrauch tendiere, am Rande bemerkt). Aber dass es Angebote gibt, heißt ja nicht, diese in jedem Fall nutzen zu müssen. Und ich finde es gut, dass es auch noch einen Spielraum für eigenverantwortliches Handeln gibt. Oder soll man alles dezidiert reglementieren, wer jetzt die Kopfschmerzen aushalten muss, weil solche Gefühle auch Teil des Lebens sind. Oder Kopfschmerzpillen am besten abschaffen, weil das musst du auch so aushalten, gehört halt zum Leben dazu? Aber ab Kopfschmerzgrad x sind Kopfschmerzmittel o.k.? Nee, ich bleibe dabei: Dass es Angebote gibt, heißt nicht diese nutzen zu müssen. Eigenverantwortung ist vielmehr auch gefragt,
Die ökonomischen Interessen, die uns dazu bringen, so viel aufzugeben, nur um zu funktionieren, damit wir später mal was Schönes kaufen können (...). DAS finde ich inhuman.
um sich nicht allzu sehr als Spielball z.B. ökonomischer Interessen zu sehen. Wenn ich einen hohen Konsumanspruch an mich stelle, und mich entscheide, hart für dessen Erfüllung zu arbeiten zu wollen, so ist das nicht primär etwas extern suggeriertes, sondern auch eine eigene Entscheidung für einen bestimmten Lebenstil.
Und ich glaube, unser Verständnis von Humanität ist nicht ganz deckungsgleich, macht aber nichts .
Noch effizienter würden die Menschen aber arbeiten, wenn man schon prophylaktisch Psychopharmaka ausgibt,... ..., aber in ein paar Jahren sind wir wahrscheinlich der Meinung, dass alle Menschen krank geboren werden und sofort dringend und dauerhaft in Behandlung müssen.
Einen solch inflationären Trend sehe ich nicht, und von einer prophylaktischen Verabreichung von Psychopharmaka halte auch ich nichts... aber das steht ja auch weiß Gott nicht zur öffentlichen Debatte, dass man dazu zur Effizienzsteigerung übergehen könnte/sollte