blade hat geschrieben: ↑So., 13.01.2019, 05:22
Und Trauma muss nicht unmittelbar physisch bedrohlich sein, dafür gibt es unzählige Beispiele hier.
Hier werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt, das ist bestimmt nicht objektiv.
Doch, muss es, so ist der Begriff definiert.
Das eigentliche Problem, dass sich in meinem Augen in diesem Thread zeigt ist ein Problem, dass sich häufig im Zusammenhang mit der Diskussion um echte oder vermeintliche Traumatisierung zeigt: Die irrige Annahme, dass nur ein Trauma "wirklich schlimm" und "nur von außen gemacht" sei. Die Betroffenen kämpfen wie die Löwen darum, dass es doch ein "Trauma" sei, dass ihnen passiert sei, weil sie nur dann glauben, dass das was ihnen passiert ist schrecklich ist und dass es deshalb nicht mit ihnen als Person zu tun hat, dass sie jetzt leiden. Beides stimmt nicht.
Es gibt viele verschiedene Arten von unterschiedlichem Leiden, das sich nicht in seiner Qualität objektiv einordnen lässt. Ein Kind, dass sein Leben lang emotional vernachlässigt wird, leidet u.U. wesentlich mehr und auch mit schlimmeren Folgen für sein weiteres Leben, als ein Kind, das in einen lebensbedrohlichen Verkehrsunfall verwickelt wurde. Trotzdem ist der Verkehrsunfall per Definitionem ein Trauma, die Vernachlässigung hingegen nicht. Das hat nichts wertendes, sondern lediglich etwas beschreibendes. Den verzweifelten Kampf um den Begriff "Trauma" führe ich darauf zurück, dass von vielen Menschen offenbar nur objektivierbar lebensbedrohliche Lebensumstände als ausreichende Begründung für psychisches Leid akzeptiert werden, so als wenn es 2 Klassen von psychisch Kranken gäbe, die einen "Guten", die von außen nachvollziehbar krank gemacht wurden und die Anderen, die sich quasi nur "anstellen" und eigentlich gar nix haben. Bezogen auf die Situation hier: Nur wer anerkennt, dass Hilfe 19 ein lebensbedrohliches Erlebnis hatte, nimmt ihn ernst und erkennt an, dass er leidet.
Das wiederum finde
ich höchst unempathisch und diskriminierend gegenüber all den Menschen, die z.B. an schwersten Depressionen leiden, obwohl sie nie ein Trauma erlebt haben und das sage ich als jemand, der nie ein echtes Trauma erlebt hat, aber trotzdem durch seine Familienverhältnisse so geprägt wurde, dass meine Lebensqualität für Jahrzehnte gegen 0 tendierte (was heute zum Glück nicht mehr so ist).
Die 2. Komponente, neben dem, dass der Anlass quasi groß genug ist, dass man auch leiden "darf", ist die Frage der persönlichen "Schuld" am eigenen Zustand. Auch hier wird von vielen Menschen unterschieden, während die Traumatisierten die "armen Opfer" sind, deren Leid "von außen gemacht" ist, sind die Anderen, wie z.B. die Depressiven oder die Angst- oder Zwangserkrankten quasi "selbst Schuld", dass sie leiden. Auch deshalb ist es diesen Menschen so wichtig, dass es partout ein "Trauma" ist, dass für ihr Leiden verantwortlich ist, denn dann hat es vermeintlich nichts mit ihnen selbst zu tun. Aber auch diese Sichtweise stimmt ganz und gar nicht. Viele Depressive oder Angsterkrankte haben z.B. eine nahezu unendliche Anzahl an verletztenden, demütigenden, vernachlässigenden Erlebnissen gehabt, die daran beteiligt waren, dass sie zu den Menschen mit den Problemen geworden sind, die sie heute sind. Umgekehrt, ist auch die Traumatisierung nicht allein von Außen gemacht. Nur ca. 30 % der Menschen entwickeln nach einem traumatischen Erlebnis länger andauernde Traumafolgestörungen, d.h. die Mehrheit bekommt diese Erkrankungen nicht. D.h. im Umkehrschluss ich trage selbst durch meine persönliche Disposition (die natürlich wie bei allen Menschen auch durch z.B. negative Kindheitserfahrungen geprägt ist) dazu bei, dass ich eine Traumafolgestörung bekomme. Also wäre ein traumatisierter Patient nach dieser Logik genauso in erster Linie "selbst Schuld" (nach dem Motto: "Selbst Schuld, bist halt einfach zu schwach", eine Argumentation, die es z.B. in Armeen durchaus gibt), wie alle anderen psychisch Kranken.