Wie funktioniert VT - Klischees, Chancen und Grenzen

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Eve...
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 11:09

Jesusechse,

interessante Aufklärung über VT, ich dachte echt, diese liefe nur auf Verhaltenstraining hinaus.

Lieber Gruß
Eve

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Jesusechse
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 11:20

Hi liebe Eve!

Es läuft in ganz vielen Fällen in der Praxis auf reine Dressur raus. Aber das liegt an der mangelnden Qualität des Therapeuten. Und die gibt's auch in der VT häufig.

Ich hab' auch lauter komplizierten Vergangenheitsdinge im Rucksack, da kommt mit mit Übungen wie fremden Leuten Blümchen schenken ganz sicher nicht weiter. Ich hab' tausend fette Grundsatzprobleme wie z.B. "Wie soll man nach sowas weiterleben? Wie soll man nochmal jemandem vertrauen?".

Alle diese Dinge haben in einer guten VT auch ihren Platz. Wenn diese Dinge nicht geklärt sind, bewegt doch jemand wie ich nicht mal den kleinen Zeh. Ein guter VT weiß das und kümmert sich darum.

Und erst, wenn diese Dinge stehen, geht's auch um solche Trainingssachen. Gott ja, Angst z.B. setzt sich fest, irgendwann muss man dann auch mal in den Fahrstuhl sonst geht die Angst ja wirklich nicht weg. Aber es ist nur 1% der VT, die Leute, dann tatsächlich diesen Situationen auszusetzen. Da kommt vorher ganz viel und die eigentliche Arbeit.

Was ich hier oft über VT höre, ist schlechte VT, ganz klar muss man das sagen, dass es viel besser geht. Ich hab' jemanden, der richtig gut ist und dann ist das eine bombige Geschichte.

Und grade, weil man total unten ist, ist es auch so'ne super Sache, das VTs eben menschlich sein dürfen, die dürfen sich in Therapie mit den Patienten duzen, die ganzen Regeln sind nicht so streng. Die Distanz, diese eiseskalte Therapiegestaltung, die fällt da weg. Mein Thera ist zum Knuddeln lieb und ganz warmherzig, ein cooler, schlagfertiger Typ, der macht, dass man wieder leben will, egal, wie beschissen vorher alles war.

Wenn jemand sowas wie hippogriff erlebt hat, dann liegt sowas an der Therapeuten-Persönlichkeit, ja, die war plump, aber nicht an der VT generell.

LG

Jesusechse

PS Ach ja, Eve, ich hab' niergendwo soviel über die Menschen und über die Gefühle und Beziehungen gelernt wie bei diesem VT. Auf diese Erkenntnisse hätte ich in der PA und auch in der TpT warten können, bis ich schwarz werde und sie wären trotzdem nicht gekommen.

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hippogriff
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 12:00

Ich musste nie solche Übungen machen wie hippogriff beschreibt. Mein Thera setzt ganz anders an, an der Kognition, an Wahrnehmung, an Erklärungmodellen, die man sich zurechtgelegt hat, die aber nicht stimmen.
Naja, das kognitive Element ist da natürlich schon vorhanden. Dass man sich eben den Kopf um alles mögliche macht (wie werden die Leute reagieren usw.), was dann praktisch nicht zutrifft.

Aber ich hab das mal als "ganz nett" und wirklich auflockernd abgespeichert, aber wie man an die wirklich schwierigen Sachen mit VT kommen soll, weiß ich ehrlich gesagt nicht.

Mein Eindruck von der VT war, dass man sich sehr leicht rummogeln kann. Dann lässt der Patient die schwierigen Sachen eben raus und zeigt sich von seiner besseren Seite, macht fleißig Übungen usw.

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Jesusechse
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 12:17



Ja, wie geht das denn in der VT, die schwierigen Sachen rauslassen und sich von seiner besten Seite zeigen?

STAUN!! Nee, das kenn' ich nich.

Kann ich mir auch nix drunter vorstellen...

Ähm, hat man sowas wie seine beste Seite überhaupt? Solche Probleme hatte ich nie. Ich bin bei allen Theras, wo ich war, erst mal voll die NICHT-Schokoseite gezeigt. Einfach zum Testen, was der bereit ist, auszuhalten, und ob er hinter die Fassade kucken kann. Erst, wenn sich da jemand würdig erwiesen hat, hat er das gezeigt bekommen, wie ich wirklich bin. Einer hat mal gemeint, ich würde das Gute tief in mir verstecken, wo's die Welt mit ihrer Gemeinheit nicht kaputt machen kann.

Ich denke, man geht mit seinen Schwierigkeiten in Therapie und wenn dann Dinge nicht gehen, fliegt man doch gleich auf. Ich wüsste nicht, wie ich von mir eine "beste Seite" an den Thera verkaufen können sollte. Und in der VT finde ich, geht's viel weniger als sonstwo, weil der ja alles genau prüft, ob man es auch konsequent lebt.

Wenn nicht kriegt man das zu hören:
"Frau Jesusechse, sie quatschen wieder nur! Sie sollen es machen. Und da Sie es gar nicht wirklich machen, sehe ich, dass Sie mal wieder nur sich und mir was vormachen. Wenn Sie nicht wirklich ein gutes Leben wollen, sondern lieber im Alten kleben und leiden wollen, ist das ok. Dann geh' ich aber. Das mach' ich nicht mit!".

Wie man sich da durchmogeln soll, weiß ich nicht. Der Thera prüft gnadenlos, ob Du wirklich innerlich die Fortschritte machst, und Du musst dann im Außen auch beweisen, dass es passiert.

Wenn ich ankomme und zwei Wochen erzähle, dass ich nur depri rumgehangen bin, dann knallt er mir sofort das an den Kopf:

"Sie übernehmen mal wieder nicht die Verantwortung für sich! Sonst würde es Ihnen nicht schlecht gehen. Sie haben wieder nicht gut genug auch sich geachtet. Sie haben zu wenig geschlafen, dann haben Sie nicht pünktlich mit ihren Pflichten angefangen und dann kamen Sie unter Druck. Wäre alles vermeidbar gewesen, wenn Sie wirklich Ihren Job gemacht hätten! Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie nicht wollen!".

Man muss dazu sagen, dass der immer voll lieb ist und sowas so rüber gebracht wird, dass man es aushält und man motiviert ist. Aber wie man sich da durchmogeln können sollte, hab' ich keine Ahnung. Bei dem geht's nicht!

Und dass depressive Leute oder traumatisierte keine große bis gar keine Motivation haben, ist klar. Ein Therapeut muss sehr viel reden und einsortieren, sehr viel Hoffnung erst wieder aufbauen, bevor so konzentriert dann mit dem richtigen therapeutischen Arbeiten angefangen wird.

Am Anfang hat er nur eins gesagt: "Ruhen Sie sich aus, machen Sie sich keine Sorgen mehr. Wir kriegen das hin. Es wird alles wieder gut!".

VT ist eben nicht Bundeswehr und auch nicht Hundeplatz, sondern Therapie mit Menschen und auf die muss man eingehen, sonst gehen sie (ein).

LG

Jesusechse

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hippogriff
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 12:25

Ja, wie geht das denn in der VT, die schwierigen Sachen rauslassen und sich von seiner besten Seite zeigen?
Das war missverständlich.

Ich meinte natürlich "aus der Therapie rauslassen".

Mein Eindruck ist - und ich habe da nur die eine Erfahrung und das war dazu noch eine Ausbildungskandidatin - dass man sich viel mehr rummogeln kann. Auf Nebenkriegsschauplätze ausweichen kann.

Auf Dauer kann ich mich sicher auch nicht von meiner besten Seite zeigen, aber ich glaube, dass das verstellen in diesem Rahmen viel leichter läuft, weil der Therapeut aktiver ist. Hauptsache, es passiert was. Langes Schweigen geht gar nicht, es muss ja was vorwärts gehen.

Ein Vorteil der VT ist sicherlich, dass sie nicht so schaden kann wie eine PA.

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Jesusechse
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 12:48

Also das hatte ich schon richtig verstanden. Aber auch in einer VT klappt das mit dem Rauslassen der schwierigen Sachen nicht, wenn der Thera was taugt. Alles, was da ist, kommt ja irgendwo wieder als Symptom, als Streitpunkt in Beziehungen, Ärger im Job oder sonstigen Dingen wie überzogenem Konto.

Vielleicht sind Kurzzeittherapien mit 20-25 Stunden da auch anders zu sehen. Meine VT wird über Jahre gehen, das ist jetzt schon klar, einfach, weil diese Entwicklungen, die kommen müssen, solange dauern werden. Der Kontakt wird mit der Zeit weniger werden, aber ich bin jetzt auch schon über ein Jahr dort und wir sind immer noch bei Stabilisierung und noch nicht fertig damit. Im Gegenteil es wird immer deutlicher, dass die Spaltung noch tiefer geht, als es am Anfang aussah.

Und wenn man mit sowas da hinkommt, geht es nicht, so ein bisschen Alibi-Therapie zu machen, wo man halt was macht, das Eingemachte aber stecken lässt. Das ging bei mir allerdings ganz hervorragend in PA. Da kann man erzählen, was man will oder einfach gar nichts sagen. Da kenne ich Mogeln ganz extrem her.

In der PA hab' ich nichts gesagt, was wirklich Sache war. Die hatten davon keine Ahnung. Und daran hätte sich auch in Stunde 300 nichts geändert. Das würde in VT so nicht passieren. Der würde wahrscheinlich irgendwann drauf zu sprechen kommen, zwar mit viel Fingerspitzengefühl. Aber ich denke, die würden nachharken. Ich weiß es aber nicht, weil ich hab's ihm gesagt, daher kenne ich den Alternativfall nicht.

VT kann auch schaden, sehr sogar, es wäre genau das gleiche Problem wie in der PA: Überforderung und Überkonfrontation. Aber die VT hat eine andere Sicht der Dinge. UND da muss man dann sagen: In einer VT merkt man das wahnsinnig schnell, wenn sich der Therapieschaden anbahnt. Das ist einfach viel mehr Kontrolle da. Aber Therapieschaden hatten wir jetzt echt viel in den anderen Threads. Das denke ich, braucht man hier nicht nochmal aufrollen?!

LG

Jesusechse


Lena
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 13:01

Kann man vielleicht auch sagen, dass es unabhängig von der Therapieform wichtig ist, dass der jeweilige Therapeut die richtige Diagnose stellt und dann entsprechend behandelt oder aber - bei fehlender Erfahrung - weiterüberweist?
Möglicherweise wäre meine VT ganz anders und erfolgreicher verlaufen, wenn ich tatsächlich die klassische Depression und Essstörungen gehabt hätte. Dadurch dass ich die aber nicht hatte und meine Andeutungen der Symptome (die jetzt in meiner Therapie richtig interpretiert und behandelt werden) nicht ernstgenommen wurden (und schließlich falsch interpretiert wurden), hat es mich an den Rand des sozialen Abstiegs gebracht.
Und das nicht, weil die Therapeutin schlecht gewesen wäre. Aber weil die Therapie nicht funktioniert hat und am echten Problem vorbeitherapiert wurde.
Mein Therapeut hat mal gesagt, dass Patienten mit dissoziativen Störungen im Durchschnitt sechs Jahre falsch therapiert und diagnostiziert werden, weil es zu wenig ausgebildete Therapeuten gibt, die in der Lage sind, die Anzeichen dafür zu erkennen.
Wenn ein Therapeut aber entsprechend ausgebildet ist und die Chemie zwischen Patient und Therapeut stimmt, dann kann - denke ich - sowohl die VT als auch die TP oder die PA erfolgreich sein.

Viele Grüße, Lena

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hippogriff
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 13:07

Wir hätten schon verlängern können, aber das wollte ich nicht. Daher dann auch nur 23 Stunden. Das war vor meiner jetzigen Therapie.

Man kann sicher auch Alibi-Therapie in einem tiefenpsychologisch fundierten Setting machen, was ich hier aber als Vorteil sehe, ist, dass meineTherapeutin zunächst abwartet, was von mir kommt. Wenn sie mal die Stunde von sich aus beginnt, weil ich ewig nichts sage, dann ist es das klassische "Was beschäftigt Sie gerade?"

Und wenn ich - wie zuletzt, da Jobwechsel und sehr spannend - sehr viel von der Arbeit erzähle, dann hakt sie da immer und immer wieder ein, wenn sie den Eindruck hat, dass es nun mal wieder ausreicht mit der Arbeit und es eigtl. um was anderes geht. Mich hat das erst sehr getroffen (sie sagte tatsächlich, dass es ja nur noch "plätschert"), aber sie will dann eben mehr von mir, meinen Gefühlen, was mich bewegt, wissen. Als ich dann sagte, wieso, es läuft doch alles, was haben Sie, meinte sie, ich könnte mehr von der Therapie profitieren, wenn ich mich mehr auf andere Dinge einlassen würde. (Oder aber wir fassen das Therapieende ins Auge. Was sie nicht macht, ist, nur noch so rumzureden, das hat sie klargestellt. <- Ich bin schon länger da.)
Meine VT wird über Jahre gehen, das ist jetzt schon klar, einfach, weil diese Entwicklungen, die kommen müssen, solange dauern werden.
Dann stört dich bei der PA die Frequenz und nicht die Dauer?

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Jesusechse
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 13:26

Hi Lena!

Ja, das ist ja auch das Thema, was überall in den Threads aufgetaucht ist. Traumapatienten (das sind alle, die disso sind, entweder primär, sekundär oder tertiär disso) können von allg. ausgebildeten Therapeuten (PA, TP, VT) nicht richtig behandelt werden.

Und da kann man nicht mehr zwischen den allgemeinen Therapierichtungen PA, TP und VT unterscheiden. Sondern bei Dir war die VT nicht erfolgreich, weil's keine Trauma-VT war. Jetzt machst Du ja Traumatherapie. Und damals hast Du allgemeine VT gemacht, also keine Traumatherapie. Das war der Fehler.

Es hängt auch sehr viel am Therapeuten, an der Persönlichkeit und sowas.

Aber trotzdem fragt man sich dann: Welche der drei von der KK finanzierten Therapieschulen soll ich nehmen? VT, TP oder PA?

Der Traumapatient hat die Qual der Wahl zwischen
traumaadaptierter VT, traumaadaptierter TP und traumaadaptierter PA.
Der nicht-traumatisierte Patient kann wählen zwischen allg. VT, allg. TP, allg. PA.

Dieses Raster, worunter man wählen kann, wird einfach von der KK und den Abrechnungsmodalitäten vorgegeben, weil nur diese drei großen Therapierichtungen bezahlt werden.

Und dann muss man seinen Therapeuten finden. Und der Thread stellt schon die Frage, was kann die VT und was kann sie nicht. Ist sie besser oder schlechter als andere Therapierichtungen.

Und da muss man sehen, was für einen dann passt, nachdem man rausgekriegt hat, ob man Traumapatient ist oder nicht.

Was die spannende Frage hier halt ist: Kann VT mehr als das andere?

Die Frage wird ja unterschiedlich beantwortet von den Usern hier.

Ich denke, sie hat das höhere Potential.

Ich gebe Dir in dem Punkt voll und ganz recht: Wenn jemand dissoziativ gestört ist, also Traumapatient, dann kann er von Traumatherapeuten jeder Therapieschule erfolgreich behandelt werden.

Aber auch da gibt's Unterschiede zwischen VT und PA. Ich habe Trauma-PA gemacht und bei mir hat es die Identitätsdiffusion noch vorangetrieben, ich habe an Steuerungsfähigkeit verloren und es wurde die Regression gefördert. Innere Kind-Arbeit kann auch negative Folgen haben. Und imaginative Stabiübungen greifen auch nicht bei jedem Patienten. In der Trauma-VT ist mir das nicht passiert, die steuert da sehr dagegen. Und insofern: Ja, jede Therapierichtung hat ihre Schwierigkeiten. Ich finde sowohl allg. VT für Nicht-Traumapatienten als auch Trauma-VT für Traumapatienten den anderen Therapieschulen überlegen.

Einziges Manko an VT: Zu geringe Kontingente! VT ist schnell, aber so schnell, dass es mit 80 Std. geht, ist sie zumindest bei mittelgradigen und schweren Fällen sicher auch nicht. 80 Stunden in zwei Jahren ist für recht und sehr labile Menschen einfach zu wenig.

LG

Jesusechse

@ hippogriff:

Mich stört an der PA das Übertreiben und zuviel, das mit Kanonen auf Spatzen schießen. Ich kenne Patienten, die sind so hinüber, dass die ihr ganzes Leben lang therapeutisch betreut werden müssen. Manche vielleicht sogar recht engmaschig. Ich weiß auch, dass es Patienten gibt, die sind z.B. nach der Klinik voll labil. Die brauchen - anfangs 2 - 3 Termine die Woche, manche sogar 4 und mehr (wird aber nicht gezahlt).

Aber ich bin dafür, nicht für alles die große Therapiekeule rauszuziehen. Behandeln, soviel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Wir würden auch keinem sicherheitshalber gleich den ganzen Bauch aufschlitzen.

PA greift da ein, wo sie besser wegbleiben sollte, PA wird zu oft gemacht, sie ist zu lang, stört das Leben, das draußen stattfindet. Sie behandelt noch hochfrequent, wenn Menschen schon längst symptomfrei sind und sich gut fühlen.

Ich bin dafür, dass Therapie zurückhaltend ist und man dem Leben genug Platz lässt. Sonst endet es wie bei dem Free-Willy-Wal. Er war solange im künstlichen Mileu, dass er Angst hat und sich weigert, in seinem natürlichen Lebensraum zu sein.

Mein ehemaliger Ltd. OA ist PA der alten Schule und Trauma-T. Er hat zu einer jungen Patientin am Ende der station. T. gesagt:

Sie sollten erst mal versuchen, ganz ohne Therapie zu leben. Wenn man so junge Menschen in Therapie steckt, werden sie sehr schnell und sehr leicht davon abhängig. Hochfreqente Therapien für junge Leute sehe ich daher hochkritisch.

Und an der PA, egal, ob Traum-PA oder allg. PA (als auch selbiges aus TP) stört mich, dass zu viel im Alten rumgestochert wird. Das ist aber, wenn man weiß, wie das Gehirn funktioniert, nicht nachvollziehbar. Es tut ihm schlicht nicht gut. Man kann sagen, Du bist, was Du denkst. Und wenn Du nur an alte, schlimme und traurige Sachen denkst, dann bist auch nur schlimm und traurig drauf und nur mit alten Sachen befasst. Da wird's schwierig mit der guten Zukunftsperspektive.

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Jesusechse
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Beiträge: 702

Beitrag Mo., 17.05.2010, 13:42

@ hippogriff:

Ergänzung:

Die PA kuckt generell wahnsinnig auf die Vergangenheit. Und damit legt sie einen dann auch sehr fest, finde ich. Früher hab' ich auch gedacht, es wäre gut, wenn man alles, was Schlechtes los war, noch mal jemandem sagen kann, aber inzwischen weiß ich, dass das nur bedingt so stimmt. Und die PA legt halt da das Gewicht drauf. Was wie eine Freiheit aussieht, beschränkt einen letztlich aber in der Zukunftsvision. Ich kann nicht mein Gehirn dauernd in die Vergangenheitssuppe werfen und dann meinen, es kann Zukunft ausspucken.

Viele VTs sind streng und rigide, lassen Patienten dann gar nichts von der Vergangenheit sagen. Das finde ich so verkehrt und ist bei meinem Thera auch nicht der Fall. Er lässt mich Dinge erzählen und sie werden auch bearbeitet. Aber man greift dann typische Dinge raus, hat sie als Modelle für die Bearbeitung. Alles kaut man nicht noch mal durch und das ist gut so. Da wäre der Fokus auf dem falschen. Die Vergangenheit ist vorbei. Wir können sie nicht mehr ändern. Die Zukunft können wir ändern und da muss unserer Denken und Fühlen drauf gerichetet sein. Und wir können die Zukunft nicht planen und anpacken, wenn wir zuviel Schmerz aus der Vergangenheit zulassen. Zulassen ja, aber in verträglicher Dosis.

LG

Jesusechse


Lena
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 13:43

Hallo Jesusechse,

bei mir war es so, dass ich die klassische VT gemacht habe mit Diagnosen, die von einem Psychiater kamen und von der Therapeutin bestätigt wurden.
Ohne Frage war ich damals in einem krassen Zustand und sicher nicht so in der Lage vernünftig mit dem Therapeuten zu kommunizieren wie heute. Aufgrund der Diagnosen und der falschen Interpretation meiner Symptome wurde der Druck in der VT immer größer ("Sie müssen nur wollen") und gleichzeitig die Anzahl der verschriebenen Medikamente immer größer. Am Ende waren es acht Stück gleichzeitig. Einfach immer mehr, weil nichts geholfen hat.

Am Ende war ich so fertig (und an mir selbst verzweifelt, weil es mir nicht mal mit Therapie besser geht), dass ich dauerkrankgeschrieben war und Rente beantragen musste.

Ich wusste bis dahin ja selbst nicht, was ich habe, hatte noch nie von Dissoziationen gehört, etc. Aber wenn ich die Symptome der VT beschrieben habe, meinte sie, das wären Angstsymptome und ich hab neue Medikamente bekommen. Oder wenn ich von inneren Stimmen erzählt habe, dann hat sie mich sofort zum Psychiater geschickt und ich hab Neuroleptika bekommen.

Wie auch immer - durch einen Umzug war ich gezwungen mir einen neuen Therapieplatz zu suchen. Und das VT-Kontingent war erschöpft. Ich bin bei einem PA gelandet von dem ich nicht wusste, dass er auch Traumatherapeut ist. Da habe ich es wohl dem Glück zu verdanken, dass es so kam. Nach einem Jahr waren alle alten Diagnosen revidiert, er hat seine Therapie den neuen Diagnosen angepasst. Und was ist passiert. Ich hab die Rente schon vor Ablauf der genehmigten Zeit nicht mehr gebraucht, habe einen neuen Job gefunden und konnte nach drei Jahren wieder voll und normal arbeiten. Nehme seit über zwei Jahren keinerlei Medikamente mehr. Und meine dissoziative Störung (tertiär) macht zwar noch große Probleme und wir sind mitten in der Konfrontation mit alten Dingen - aber, ich kann trotzdem meinen Alltag leben, bin nicht krankgeschrieben oder kurz vor dem Zusammenbruch.
Möglicherweise wären diese Erfolge bei einer anderen Therapieform auch möglich gewesen. Da ich aber ja nur meine eigene Erfahrung kenne, kann ich sagen, dass die Trauma-PA das Beste ist, was mir je passiert ist und dass ich nach einer gewissen Anlaufzeit die Erfolgsliste immer weiter verlängern konnte.

Was ich im Nachhinein der Therapeutin "vorwerfe" (nicht der VT an sich), ist, dass sie die Hinweise, die ich immer wieder gegeben habe und auch die Gespräche, die ich in die Richtung immer wieder versucht habe, nicht aufgenommen hat. Da lief einfach das sture Programm mit Aufgaben und Plänen ab.
So, wie Du das von Deiner VT beschreibst, klingt das auch wieder ganz anders.

Also ist doch wirklich entscheidend, dass man an erfahrene Therapeuten gerät und wenn sie z.B. keine Ahnung von Traumabehandlung haben, doch aber in der Lage sind, entsprechende Folgeerkrankungen zu erkennen. Welche Therapieform man dann wählt, ist glaube ich dann sehr individuell. Je nachdem was einem selbst wichtig erscheint. Das Arbeiten an der Vergangenheit, die Bewältigung konkreter Alltagsprobleme,... und vor allem dass man (bei Trauma) angemessen Stabilisierung macht...

LG Lena

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carö
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 14:03

Jesusechse hat geschrieben:Die PA kuckt generell wahnsinnig auf die Vergangenheit.
das mag früher so gewesen sein. generell gesehen ist das lediglich ein klischee, genau so eines, wie es für die VT ein klischee ist, dass sie menschen zum funktionieren dressieren möchte.

mir fällt auf, dass die nicht gelungenen VT behandlungen weniger stark pauschalisiert werden, als generell untauglich, während es für nicht gelungenen PA schon viel eher geschieht. das ist zumindest mein eindruck, mein subjektiver. ich halte das nicht für hilfreich.

was ich gut finde, jesusechse, dass man - ich zumindest - hier in diesem thread, viel mehr als in den anderen den eindruck deines individuellen leidens an deiner PA wahrnehmen kann. aber es läuft eben nicht immer so, so bedauerlich es bei dir auch ist, bedauerlich für jeden einzelen, dem nicht weitergeholfen werden kann.

mir hat auch eine VT eben nicht geholfen... ist halt so. was auch immer das dort war, für mich hat es noch nicht mal den anschein einer therapie gemacht. entweder hat der typ nix kapiert oder er wollte nicht.. oder keine ahnung.

meine PA ist zB stark am hier und jetzt-geschehen orientiert. vielleicht eine anlehnung an kernbergs konzept. so genau weiss ich es nicht und interessiert mich auch nicht. vergangenheitsbezug nur soweit nötig, um zu verstehen bzw. der druck für mich da ist, reden zu wollen - zu müssen... ich wurde in der PA auch immer wieder auf das hier und jetzt gelenkt, wenn ich mich in den alten hilflosigkeitsgefühlen drohte zu verlieren...

ich finde es gut, dass es heutzutage viele verschiedene möglichkeiten gibt, um sich weiterzuentwicklent.. sei es mit hilfe von modernen VT-verfahren oder moderen PA-verfahren und was es sonst noch alles gibt... das sind ja zum glück nicht die einzigen therpeutischen verfahren.

LG
carö
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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Jesusechse
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 14:09

Hi Lena!

Ja, kann ich Dir nur zustimmen. Das hab' ich ja schon ganz oft hier geschrieben. Allgemein ausgebildete Therapeuten haben von Traumapatienten keine Ahnung und können es quasi nur verbocken. Das fängt bei der Fehldiagnose an, geht über die Fehlbehandlung und endet für die Patienten meist in der Psychiatrie.

Ich selber mach' ja auch keine konventionelle VT, sondern Trauma-VT. Ich kenne Deine Therapieform (Trauma-PA) und denke, dass es für manche Traumapatienten sehr viel Sinn macht, weil die 3 Stunden die Woche brauchen.

Für mich war Trauma-PA nicht gut, weil ich dadurch noch mehr in verschiedene Anteile "auseinandergerutscht" bin, vor allem in kindliche EPs rein und dann auch psychisch vom Trauma-PA abhängig geworden bin.

Das Risiko, vom Therapeuten abhängig zu werden, ist in der VT generell kleiner, weil nur ein Termin pro Woche. Das hat so ein bisschen Vorbeuge-Charakter in diesem Punkt.

Aber, dass Du bei einer allg. VT durchgedreht hast, ist klar. Du wärst aber in einer allg. PA oder allg. TP noch VIEL mehr durchgeknallt!!

Gut, dass Du umgezogen bist!!!!!!!!!!!!!!

LG

Jesusechse

@ carö:

Find' ich auch. Es sollten auch andere Therapieformen anerkannt und bezahlt werden. Geben tut's doch genug. Z.B. die Systemiker müssen bis heute aus eigener Tasche finaziert werden.

Zum Rest: Ich mag nicht so gerne, dass sich andere für mein Innenleben interessieren. Ich hab' das nur geschrieben, weil ich nicht wüsste, wie ich sonst die Unterschiede in den Therapien erklären sollte.

Und überhaupt: Meine PAs waren auch nicht aus der Steinzeit. Das ist gerade 5 - 10 Jahre her und die praktizieren alle noch munter weiter. Und außer einem, hat sich dann keiner weitergebildet.


Lena
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Beiträge: 921

Beitrag Mo., 17.05.2010, 14:27

Hallo Jesusechse,

ich hatte nie drei Stunden die Woche, erst hatte ich zwei Termine pro Woche und jetzt eine Doppelstunde pro Woche. So lässt sich das auch gut mit Job verbinden.

Ich hab das bei der VT total vermisst, dass ich über meine Vergangenheit eben gar nicht reden konnte. Also egal ob es das Bedürfnis war, eine Szene von früher zu erzählen oder einen Traum zu erzählen, der mich sehr beschäftigt hat. Das wurde immer und grundsätzlich abgeblockt.
Weil es immer hieß, dass die VT dafür nicht der richtige Ort ist. Und das ist jetzt eben anders. Es ist mir freigestellt, ob ich von früher oder von heute sprechen will. Da gibt es keine Vorgaben.

Übrigens hab ich mich von meiner VT abhängiger gefühlt als vom jetzigen Therapeuten. Dass ich von dem jetzigen auch abhängig bin und momentan noch sehr brauche, ist mir zwar bewusst, ich halte es aber für einen normalen Prozess, der sich zum richtigen Zeitpunkt dann auch verändern wird.

Vielleicht ist klassische VT etwas für Menschen, die mehr "Halt" erstmal brauchen und z.B. durch konkrete Aufgaben oder durch konkretes Arbeiten am Alltag mehr Stütze bekommen? Was ja gerade bei Depressionen, Angsterkrankungen, Essstörungen viel Sinn macht.
Aber es scheint ja auch bei der klassischen VT sehr unterschiedlich zuzugehen und wohl wieder sehr vom einzelnen Therapeuten abhängig zu sein, wie er arbeitet und wie genau er sich nach seiner Methode richtet...

LG Lena

Hallo carö,

stimmt, ist mir auch aufgefallen, dass eine misslungene PA schneller verallgemeinert wird als eine misslungene VT. Sollte nicht so sein...

LG Lena

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stern
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 16:17

Lena hat geschrieben:Mein Therapeut hat mal gesagt, dass Patienten mit dissoziativen Störungen im Durchschnitt sechs Jahre falsch therapiert und diagnostiziert werden, weil es zu wenig ausgebildete Therapeuten gibt, die in der Lage sind, die Anzeichen dafür zu erkennen.
Auch wenn im Forum gerne teils anders behauptet wird, so habe ich auch mal einer Buchempfehlung von Reddemann entnommen, dass die Psychotraumatologie in den Ausbildungsplänen zum Psychotherapeuten nicht wirklich Gegenstand ist. Daher kann es echt sehr ratsam sein, einen Thera zu suchen, der in Traumatherapie ausgebildet ist.
Kann man vielleicht auch sagen, dass es unabhängig von der Therapieform wichtig ist, dass der jeweilige Therapeut die richtige Diagnose stellt und dann entsprechend behandelt oder aber - bei fehlender Erfahrung - weiterüberweist?
Sehe ich auch so... und mir dreht es schon fast den Magen rum, wenn Therapeuten argumentieren, ach, eine Diagnose ist doch nur eine Name (wie bei mir z.B. eine Probethera, auf die ich auch nicht mehr sonderlich gut zu sprechen bin ). Denn nein: Davon (von einer passenden Diagnose) kann entscheidend auch die Behandlung abhängen. Denn zum Bleistift:
Aber wenn ich die Symptome der VT beschrieben habe, meinte sie, das wären Angstsymptome und ich hab neue Medikamente bekommen. Oder wenn ich von inneren Stimmen erzählt habe, dann hat sie mich sofort zum Psychiater geschickt und ich hab Neuroleptika bekommen.
Denn wenn ein Thera Traumsymptome als Ausdruck einer Angststörung deutet... und dann z.B. eine klassische Konfrontationsbehandlung initiiert (die bei Angststörungen in der Tat sehr effektiv sein kann, sofern man Indikationen und kontraindikationen beachtet), dann kann das grundverkehrt sein (wäre es z.B. bei mir), weil es astrein das Gegenteil des gewünschten bewirken kann (also Verfestigung/Verschlimmerung statt Desensibilisierung). Sondern Basis ist erstmal die Stabilität, um an manches näher heranzugehen (die z.B. nicht gegeben ist, wenn fortauernd dissoziiert werden muss. Aber "Stabilität" fasse ich eher weiter, also auch bezogen auf die "äußere" Stabilität des Umfeld/Alltagsbewältigung). Und so gut mir die amb. bei manchen Schwierigkeiten zweifelsohne geholfen hat, so führten andere dazu, dass der amb. Rahmen bei mir dann diesbzgl. an seine Grenzen stieß. Und bin froh, dass mein stat. Thera (VT) auch einiges an Erfahrung mitbrachte.
Aber es scheint ja auch bei der klassischen VT sehr unterschiedlich zuzugehen und wohl wieder sehr vom einzelnen Therapeuten abhängig zu sein, wie er arbeitet und wie genau er sich nach seiner Methode richtet...
... wobei ich es eh so sehe, dass es DIE VT nicht gibt... sondern die VT basiert auf den verschiedensten Ansätzen. In wiki werden einige genannt (wobei ich die Beschreibung ansonsten nicht sooo gut finde, aber sei's drum)... sogar einige, die ein paar Wurzeln in analytischen Konzepten haben . Und wenn jemand seine VT beschreibt, dann kann es sein, dass er "nur" ein paar Ansätze beschreibt... die aber nicht das umfassen, woraus die VT schöpfen kann (wenn's der Therapeut den kann). Jedenfalls kann VT über Konfrontationsbehandlung, Verhaltenstraining, Tagesstrukturierung, Übungen and so on gut hinausgehen. Gute Therapie setzt IMO jedoch nicht an allem an, sondern hoffentlich da, wo Bedarf besteht. Insofern =>>
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
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(alte Weisheit)

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