Weinen in der Therapie: Könnt ihr’s? Warum (nicht)?

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SamuelZ.
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Beitrag Mo., 23.11.2009, 20:31

Hi Elena:
Sie wollte von mir konkret wissen, wie sie mich in Stressituationen beruhigen kann, was ich von ihr brauche, und genau das versucht sie umzusetzen. Mir ist es dadurch leichter gefallen, ihr zu vertrauen und mich besser fallen zu lassen.
Ich erinnere mich. Und ich finde, dass war eine ganz wichtige Geste von ihr.
Als ich meinen Therapeut in der letzten Stunde fragte, ob er jetzt von mir hören möchte, was er tun könne, damit ich hemmungslos weine, ging er auf meine Frage überhaupt nicht ein, sondern erläuterte dann seine Ansicht, dass vor allem die Eigenzensur der "Wein-Themen" ausschlaggebend sei. Also, schlussfolgernd, ohne dass er es ausgesprochen hätte, liegt es gar nicht so sehr an ihm, sondern an mir. Kann ich einerseits verstehen, finde ich richtig, aber ich höre halt häufiger Geschichten, in denen Therapeuten viel viel mehr an Trost spenden...
Bin jetzt etwas verunsichert.

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Carry
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Beitrag Mo., 23.11.2009, 20:57

Hallo Sandy,
ich esse während der Therapie immer wieder aufs Neue vom Baum der Erkenntnis und merke wie schwer für mich der Umgang mit der Wahrheit ist. Dann rutsche ich in die Schiene des Selbstmitleids und kann mich meiner Tränen nicht wehren und will es auch gar nicht. Ich weine dann bitterlich.
Hm, kann das "Trösten" eines Therapeuten noch mehr beinhalten?
Meine Therapeutin tröstet mich indem sie einfach ihre Hand auf meinen Arm legt. Ich bin ihr dafür unendlich dankbar, denn dann spüre ich, daß ich nicht allein bin. Das ist genau der Trost den ich in solchen Momenten brauche, jedes Wort wäre zuviel.
Also ich habe keine Absprachen mit meinem Therapeuten diesbzgl. getroffen? Du? Ihr?
Wie sehen die konkret aus?
Direkte Absprachen gab es mit meiner Therapeutin auch nicht, aber als sie mich das allererste Mal berühren wollte, hat sie mich vorher gefragt ob sie das dürfe. Und da ich dem zustimmte gilt es jetzt auch für die weitere Zukunft.

Carry
Es gibt Leute, deren Geist immer Ferien hat.
Peter Sirius

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carö
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Beitrag Mo., 23.11.2009, 21:03

hallo sandy

was dein thera gesagt hat, kann ich aus eigener erfahrung bestätigen. ich finde es wichtig, selbst langsam, langsam die eigenen mauern / hemmungen abzubauen, als zB durch eine besondere geste des trostes dazu spontan verleitet zu werden, zu weinen und mich dafür möglicherweise danach zu schämen. also das ist sicher bei jedem unterschiedlich aber bei mir hat es sich von einer völligen erstarrtheit und keine tränen überhaupt spüren können über tränen spüren und sie total krampfig zu unterdrücken über weinen und es jedesmal beschämt verdruckst zu kommentieren und zu rechtfertigen bis hin zu ziemlich freiem hemmungslosem weinen, wenn mir danach ist entwickelt. also ich denke, dass es schon so ist, wie dein thra das formuliert hat zumindest ist es bei und mit ihm so und darum gehts doch.

LG
caro
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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Elena
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Beitrag Mo., 23.11.2009, 21:17

SandyP. hat geschrieben:Als ich meinen Therapeut in der letzten Stunde fragte, ob er jetzt von mir hören möchte, was er tun könne, damit ich hemmungslos weine, ging er auf meine Frage überhaupt nicht ein, sondern erläuterte dann seine Ansicht, dass vor allem die Eigenzensur der "Wein-Themen" ausschlaggebend sei.
Da bewegt er sich ziemlich auf der rationellen Ebene und geht weniger auf Eure Beziehung ein, daher kann ich es gut verstehen, dass Du Dich nicht so richtig gehen lassen kannst, würde mir auch schwerfallen.

LG Elena

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Messina
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Beitrag Mo., 23.11.2009, 21:22

Ich wünschte mir manchmal, ich könnte loslassen... könnte die Tränen rauslassen...
Er wünscht sich das auch... so sagt er ... und dann dieser Dackelblick dazu... seufz...
Aber es passiert nichts...
Vielleicht irgendwann einmal...
Manchmal muss man einem Menschen den man liebt loslassen, damit er glücklich sein kann auch wenn man selbst daran zerbricht.

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SamuelZ.
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Beitrag Di., 24.11.2009, 18:40

Hallo Caro:
also ich denke, dass es schon so ist, wie dein thra das formuliert hat zumindest ist es bei und mit ihm so und darum gehts doch.
beziehst du dich hier auf seine vermutung, dass ich mich selbst zensiere?

Hallo Carry:
Meine Therapeutin tröstet mich indem sie einfach ihre Hand auf meinen Arm legt.
das finde ich schön. hm, mein therapeut sitzt so weit weg. er müsste dafür dann aufstehen und die ganze strecke erstmal zu mir rüberlaufen.
kommt deine therapeutin dann zu dir rüber?

Hallo Elena: in dieser einen geschilderten Situation ist er nicht auf unsere Beziehung eingegangen, das ist richtig. sonst ist er aber jederzeit bereit, darüber zu reden.

Hallo Messina:
und dann dieser Dackelblick dazu
ich bin mir jetzt nicht sicher, was du mit dackelblick meinst. Könntest du einen solchen blick vielleicht etwas näher beschreiben? also mich verleiten sie normalerweise überhaupt nicht zum weinen. sie lösen bei mir ganz andere reize aus...

LG
Sandy

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Messina
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Beitrag Di., 24.11.2009, 20:23

SandyP. hat geschrieben:....
Hallo Messina:
und dann dieser Dackelblick dazu
ich bin mir jetzt nicht sicher, was du mit dackelblick meinst. Könntest du einen solchen blick vielleicht etwas näher beschreiben? also mich verleiten sie normalerweise überhaupt nicht zum weinen. sie lösen bei mir ganz andere reize aus...

LG
Sandy
Hallo Sandy!

Er schaut dann immer so traurig und ich bekomm automatisch Mitleid mit Ihm... dann geht natürlich gar nichts mehr bei mir... schalte dann direkt um.
Manchmal macht mich dieser Dackelblick aber auch ein wenig wütend, wenn wir zum Beispiel über meine Vergangenheit sprechen.

LG
Me
Manchmal muss man einem Menschen den man liebt loslassen, damit er glücklich sein kann auch wenn man selbst daran zerbricht.

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Elena
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Beitrag Di., 24.11.2009, 21:08

SandyP. hat geschrieben:Hallo Elena: in dieser einen geschilderten Situation ist er nicht auf unsere Beziehung eingegangen, das ist richtig. sonst ist er aber jederzeit bereit, darüber zu reden.
Aber grad da wäre es wichtig gewesen, Du hast es ihm ja sozusagen unter die Nase gerieben, wie er sich verhalten könnte, damit Du loslassen kannst. Vielleicht gibt es ja an anderer Stelle wieder eine Möglichkeit dazu...

LG Elena

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carö
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Beitrag Di., 24.11.2009, 21:18

caro hat geschrieben:also ich denke, dass es schon so ist, wie dein thra das formuliert hat zumindest ist es bei und mit ihm so und darum gehts doch.
beziehst du dich hier auf seine vermutung, dass ich mich selbst zensiere?
hi sandy,
ja darauf beziehe ich mich.

und dass es letztlich nicht darum geht, was er dafür tun muss/soll, selbst wenns noch so wünschenswert und schön wäre, sondern, was bei dir in dem augeblick los ist.. was zensiert dich, um seine worte zu benutzen - was hemmt dich, in seiner gegenwart deine gefühle auch offen zeigen zu können ? grundsätzlich vertraust du ihm doch schon, wenn ich das richtig verstanden habe. dann kann ein ruhiges "dasein" ohne körperkontakt ebensoviel helfen und trösten, wie mit körperkontakt, falls es dir darum gehen sollte. (das ist mir noch nicht so ganz klar) was ich aber verstanden hab, denk ich, dass er was "machen" soll.

ich kenne es zumindest von mir, das ich eine zeitlag sehr darunter gelitten habe (hölleeifersüchtig war), wenn ich dinge gelesen habe, was andere klienten alles "kriegen" vom thera und ich nicht, umarmt werden, handhalten, nach dem gefragt werde, was der thera für sie tun könne, etc... das bringt einen natürlich durcheinander, wenn man selbst das so nicht erlebt/bekommt. aber das hat sich zum glück verändert, so wie auch das mit dem weinen können. aber es führen viele wege zum ziel, liebe sandy .. ein offenes ohr und emphatisches zuhören können auch helfen.

weiss nicht, viell. führt das jetzt zu weit weg von deinem anliegen.

ich belass es erstmal dabei...

LG
Caro
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elisa
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Beitrag Di., 24.11.2009, 22:12

SandyP. hat geschrieben: hm, mein therapeut sitzt so weit weg.
Hast du ihm DAS schon mal gesagt? Was das mit dir macht, was du dir da wünschst, was du im setting vielleicht verändern möchtest?

Mir war mein T. immer zu weit weg - obwohl er keine Mühe hatte, mit seinem Sessel zu mir zu kommen - mich hat der Tisch zwischen uns gestört und auch das aufrechte Sitzen am Sessel - irgendwann hab ich ihm dann gesagt, ich will in der Sofaecke sitzen - Sofa und Sofasessel ohne Tisch zwischen uns - das hat mir vieles leichter gemacht - übrigens auch das Weinen - ich brauchte viel Zeit und auch körperliche Nähe, um mich öffnen zu können - genügend Zeit und der richtige Abstand sind für mich sehr wichtig - nicht zu nah und nicht zu fern - manchmal wär ich sogar am liebsten am Boden mit ihm gesessen - aber er sagte mir, das ist nicht so seins - zu unsportlich

elisa

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Carry
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Beitrag Mi., 25.11.2009, 09:07

Hi Sandy,
kommt deine therapeutin dann zu dir rüber?
Nein, denn wir sitzen uns ziehmlich dicht gegenüber.

LG Carry
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hungryheart
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Beitrag Mi., 25.11.2009, 09:13

SandyP. hat geschrieben:Als ich meinen Therapeut in der letzten Stunde fragte, ob er jetzt von mir hören möchte, was er tun könne, damit ich hemmungslos weine, ging er auf meine Frage überhaupt nicht ein,

was würdest du denn brauchen?

Ich habe, wenn ich geweint habe oft von meinen Therapeutinnen sehr viel Zuwendung bekommen. Auch mal eine Umarmung oder sonstigen tröstlichen Körperkontakt.
Das war schön, aber ich habe das nicht gebraucht, um weinen zu können.

Das hatte bei mir, so wie es dein Thera auch andeutete, etwas mit meiner eigenen Zensur zu tun.
Nimm was du willst und zahl dafür.

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Hamna
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Beitrag Mi., 25.11.2009, 11:17

Hallo, ich finde eure Diskussion hier sehr interessant und klinke mich mal ein

Grundsätzlich halte ich bei mir Tränen immer für Selbstmitleid, und das ist etwas, was ich gar nicht mag. Also versuche ich auch oft, während der Therapiestunde meine Tränen zu unterdrücken. Außerdem habe ich das Gefühl, dass mein Therapeut damit nicht gut umgehen kann. Als ich das erste mal bei ihm geweint habe, das war direkt in der zweiten Stunde und ziemlich heftig, da war er extrem angespannt. Er tröstet auch nicht, sondern versucht dann oft, mich mit einem Witz abzulenken, was mich irgendwie stört. Also versuche ich echt, das zu unterdrücken. Ich weiß auch nicht, wie dann ein Trösten aussehen könnte oder was ich mir wünschen würde von ihm.

Gestern, direkt nach der Therapiestunde, war ich auch sehr traurig und obwohl ich ja allein im Auto war, habe ich die Tränen unterdrückt. Ich empfinde Weinen auch nie als erleichternd. So blöd das jetzt klingt: Weinen macht mich traurig

Etwas mehr räumliche Nähe würde ich mir auch wünschen, weiß aber nicht, ob das möglich ist und traue mich auch nicht zu fragen, weil ich immer denke er könnte glauben, ich wolle ihn "angraben". Als wir einmal die Plätze getauscht hatten - also ich auf seinem Sessel saß und er auf meinem Platz auf dem Sofa - hatte ich kurz den heftigen Wunsch, mich einfach zu ihm aufs Sofa zu setzen, konnte mich aber gerade noch bremsen. In der vorletzten Stunde hatte ich das große Bedürfnis, mal in den Arm genommen zu werden (ohne Tränen), aber auch das traute ich mich nicht zu fragen. Wäre soetwas möglich, dann ginge vielleicht auch das mit dem Trösten.

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elisa
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Beitrag Mi., 25.11.2009, 11:47

hallo Rilke,
Rilke hat geschrieben:
Etwas mehr räumliche Nähe würde ich mir auch wünschen, weiß aber nicht, ob das möglich ist und traue mich auch nicht zu fragen, weil ich immer denke er könnte glauben, ich wolle ihn "angraben".
Das verstehe ich gut - das blöde ist nur: wenn du nicht fragst, wirst du nicht erfahren, ob es möglich ist und er wird nicht erfahren, dass du mehr räumliche Nähe brauchst.
Was wäre denn, wenn er glaubt, du willst ihn anbaggern?
Und was hält dich davon ab, ihm genau diese Angst mitzuteilen?

Zum Thema "der Therapeut könnte denken, dass..." könnten wir übrigens auch mal einen eigenen thread aufmachen

elisa


montagne
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Beitrag Mi., 25.11.2009, 11:51

Ich konnte recht bald und kanns noch wirklich Sturzbäche in der Therapie weinen, Rotz und Wasser heulen. Also ehrlich, ich habe mal drei Stunden hintereinander nur durchgeweint und kein Ton gesagt, weil ich so viel mit weinen, schnauben und schluchzen beschäftigt war.
Ich habe mir schon oft gewünscht, ich könnte es kontrollieren, aber es gelingt nur nur sehr bedingt.

Nur ist es, wie schon gesagt wurde eine falsche Hoffung zu glauben, dann würde alles gut werden. Das nicht weinen, also nicht Gefühle im vollem Ausmaß zeigen können ist ja ein Schutz, der auch wertvoll ist.

Mir ging es manchmal, nicht immer, so, das ich eine wahnsinnige Panik bekam, nach dem weinen, weil ich mir sicher war, sie würde das ganz ätzend und lästig finden, würde mich weg haben wollen oder die Welt würde untergehen wegen meinem Weinen, ganz schlimm.

Aber auch wenn dem nicht so war, so hat es zwar situativ erleichtert, mehr aber auch nicht. Mehr ist es nicht als situativ, nach ein paar Stunden steht man im Grunde wieder an der selben Stelle wie zuvor, wennman nicht in der lage ist innerlich die Not zu wenden. Es ist also keine Notwendigkeit zu weinen, sondern sich innerlich auf sich selbst einzulassen, das ist die Notwendigkeit.

Und damit meine ich nicht sich intellektuell zu analysieren, das ist zwar ganz hübsch, aber wie viele hier erfahren haben, ist es nicht das was eine Veränderung bringt, was die Not wendet. Sondern sich auf seine Gefühle einlassen, ehrlich zu sich sein. Dann ergibt es sich auch, dann wird das weinen wirklich erleichtern oder man wird merken, dass man es gar nicht so braucht.
amor fati

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