Diagnosen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Lena
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:12

ziegenkind, ja, ich habe mit der ein oder anderem Person aus meinem Umfeld über meine Diagnose gesprochen und es war für beide Seiten gut, weil sich dadurch etwas klären ließ. Bestimmte Eigenschaften von mir können sonst sehr verwirrend wirken und es macht den Umgang für beide Seiten leichter, wenn man dann weiß, was der Hintergrund ist. Allerdings ist die Anzahl der Menschen, die die genaue Bezeichnung der Diagnose kennen, äußerst überschaubar. Und ich habe es nicht gesagt, um eine Bestätigung zu bekommen oder eine Rückmeldung, sondern zur Erklärung.
Und ehrlicherweise hat eine Person so entsetzt reagiert (und zurückweisend), dass ich ab da dann noch vorsichtiger als sowieso schon geworden bin.

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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:15

Ach so, Carpincha: Nein, "yavis" und "Diagnose" haben nicht direkt was miteinander zu tun, aber beide Kategorien können alle möglichen Auswirkungen haben, die nur deshalb entstehen, WEIL es genau diese Kategorien gibt.

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stern
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:20

Jenny Doe hat geschrieben:Bei Psychopathen oder Narzissten würde sich meine Wut eher steigern, wenn sie ihr Verhalten mit ihren Diagnosen erklären.
Doch, ich würde schon sagen, dass sich manches Verhalten mit der Diagnose erklären lässt... als Ausdruck unzureichender Bewältigungsmöglichkeiten. Sonst hätte man die Diagnose gar nicht. Aber das schützt NIEMANDEM für Konsequenzen... und wenn sich jemand etwas zu schulden kommen lässt, gibt es eben eine Bestrafung... und wenn jemand als nicht schuldfähig angesehen wird, geht es halt nicht in den Knast, sondern in eine psychiatrische Einrichtung. Und das würde "Traumapatienten" genauso blühlen, wenn sie austicken. Inwieweit die Öffentlichkeit auch Mitgefühl für Täter aufbringen kann, hängt nicht in erster Linie von der Diagnose ab - meiner Meinung nach.
Zuletzt geändert von stern am Do., 08.10.2015, 12:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Broken Wing
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:40

@ Leberblümchen:
Klingt einleuchtend. Faszinierend ist es schon. Ginge es um etwas Vorteilhaftes würden die gleichen Leute sagen, dass man das als Blinde ja nicht könne.

Mir hat es nicht viel ausgemacht, weil die schlechten Leute generell schlecht waren, sodass ich vorgeschlagen habe, erst mal die eigenen Rechtschreibprobleme in den Griff zu bekommen und dann meine Zeichenschwäche anzugehen ;-)
Unschön wäre es gewesen, wenn ich selbst schlecht gewesen wäre und mich nicht verteidigen gekonnt hätte.

Aber ich stelle mir diese Dynamik in einer Gruppe nicht so toll vor, zB in einer psychotherapeutischen Klinik. Wenn der Therapeut nicht sehr erfahren ist, könnte das gefährlich werden.

Ich kanns nicht belegen, vermute aber aufgrund meiner Menschenkenntnis, dass Javis-Patienten weniger Diagnosen mit unangenehmen Eigenschaften bekommen. Aus der Rechtspraxis ist bekannt, dass der Javis-Status eine mildere oder gänzlich andere Strafe nach sich zieht. Warum sollte das in der Psychiatrie/Psychotherapie anders sein?
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Entknoten
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:50

leberblümchen hat geschrieben:Eben, Entknoten: Dir begegnet das Gefühl, "beweisen" zu müssen, dass es wirklich "so schlimm" ist. Und warum? Weil die Vorannahmen darüber existieren, wie man als Traumatisierter sein muss, um in die konstruierte Gruppe zu passen.
Leberblümchen,
ich habe das Gefühl beweisen zu müssen dass es bei mir NICHT so schlimm ist!
Mir wird unterstellt dass es schlimmer sein MÜSSTE!
Ja, genau deswegen - wegen der "Vorannahmen der anderen".

Und was die Diagnosen angeht:
Mir ist nun klar geworden warum gerade ich offenbar so empfindlich reagiere auf falsche Diagnosen, auf falsche Annahmen und falsche Auslegungen hier im Beitrag:

Ich bin eigenverantwortlich!
Ich kann niemandem die Schuld geben, ich kann nichts mit meiner Vergangenheit entschuldigen (begründen wohl eher!),
und diese Eigenverantwortung, die möchte ich mir nie wieder nehmen lassen!

Ich glaube dass ist mein persönliches Resümee aus diesem Thread:
Ich werde mir nie wieder meine Eigenverantwortung absprechen oder infrage stellen lassen - durch keine Diagnose, keine Behauptung, keine Deutung.
Dum spiro spero. Dum spero amo. Dum amo vivo.
Cicero


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leberblümchen
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Beitrag Do., 08.10.2015, 11:58

Broken Wing: Es ist ja auch bekannt, dass Menschen, die man als attraktiv wahrnimmt, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Man muss schon sehr naiv sein, dieses Phänomen aus den Psychotherapiepraxen und Kliniken draußen zu halten.

Ebenso hab ich vor Jahren mal gelesen (Quelle also unbekannt), dass Eltern lieber möchten, dass ihre Kinder sich mit einem geistig behinderten Kind anfreunden als mit einem lernbehinderten. Sarkastisch formuliert: "Je behinderter das Kind, desto besser ist die Freundschaft für das eigene Image". Geistig behinderten Kindern unterstellt man einen "richtigen" Grund für ihr Sosein; bei Lernbehinderten ist die Abgrenzung zu "ungezogenem" Verhalten, das womöglich milieubedingt ist, nicht so klar. Man möchte also als Eltern lieber, dass das Kind sich möglichst sichtbar "sozial engagiert", indem es sich "aufopfert", mit einem sichtbar behinderten Kind zu spielen - als sich dem Risiko auszusetzen, durch die Freundschaft mit einem "nicht sicher und nicht sichtbar Kranken" in Verbindung mit den sogenannten "bildungsfernen Schichten" gebracht zu werden.

Sicher ist da niemand neidisch auf Menschen, die schwerst behindert sind. Aber diese Kategorien geben in ihrer vermeintlichen Klarheit Sicherheit, selbst zur "richtigen" Gruppe zu gehören.


Vincent
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Beitrag Do., 08.10.2015, 12:06

Entknoten hat geschrieben:Ich glaube das ist mein persönliches Resümee aus diesem Thread:
Ich werde mir nie wieder meine Eigenverantwortung absprechen oder infrage stellen lassen - durch keine Diagnose, keine Behauptung, keine Deutung.
Tja, Entknoten - von Eigenverantwortlichkeit will anscheinend hier kaum jemand etwas wissen. Davon ist auf inzwischen dreißig Seiten langem (selbst-)abstrahiertem Wirklichkeitskonstruieren eigentlich keine Rede gewesen.

Umso erfreulicher für mich zu lesen, dass es noch Menschen mit eigenem Empfinden für sich selbst gibt, die nicht ihr ganzes Sein von Außenstehenden ("Experten") bestimmen lassen.
Zuletzt geändert von Vincent am Do., 08.10.2015, 12:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Broken Wing
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Beitrag Do., 08.10.2015, 12:11

@ Entknoten: Das ist ein gutes Resümé. Hätte gern einen Thread eröffnet, mit dem ich bei anderen so etwas bewirkt hätte ;-)
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stern
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Beitrag Do., 08.10.2015, 12:13

Aversion gegen Abstraktion und Leute die -deiner Meinung nach- nicht bei sich sind- sind eines deiner größeren Themen, gell? Bringe dich doch persönlich ein, wenn dir danach ist... aber in welche Form sich andere bringen, muss jeder selbst wissen. Brauchst ja nicht zu lesen...

-------
Broken Wing hat geschrieben:Aber ich stelle mir diese Dynamik in einer Gruppe nicht so toll vor, zB in einer psychotherapeutischen Klinik. Wenn der Therapeut nicht sehr erfahren ist, könnte das gefährlich werden.
In der Klinik habe ich zwar manches erlebt, aber Leidenswettbewerb unter Patienten in keinem Fall... höchstens dass eine Dame mittleren bis älteren Alters sich benachteiligt fühlte, dass jüngere Patienten mehr Therapien erhalten würden (damit sie arbeitsfähig werden oder bleiben), während sie -angeblich- auf das Abstellgleis gestellt wird. Nur hatte ich nicht den Eindruck, dass das wirklich so ist... denn für sie ging es (im Gegensatz zu anderen Patienten) dann noch in einer Tagesklinik weiter. Ich hatte nicht so viel mit ihr zu tun, deswegen war ich verwundert. Ich würde es zwar auch so sehen, dass es (auch je nach Therapeut) beliebtere Patienten geben kann... aber individuelle Ängste können wohl auch eine Rolle spielen.
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Vincent
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Beitrag Do., 08.10.2015, 12:20

stern hat geschrieben:Aversion gegen Abstraktion und Leute die -deiner Meinung nach- nicht bei sich sind- sind eines deiner größeren Themen, gell?
Ich selbst abstrahiere schon auch sehr gerne, Stern. Sachverhalte. Aber ich vermeide es, mich selbst zu einem Sachverhalt zu abstrahieren. Sehe aber, dass viele andere das gar nicht können, sich nicht zum Sachverhalt zu machen. Vermutlich aufgrund einer Trauma-Folge-Störung.
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montagne
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Beitrag Do., 08.10.2015, 12:42

Ich verstehe den Neid durchaus.
Weil ich eins für mich verstanden habe, nämlich, dass das Leben hart ist und Ressourcen knapp sind.
Kann schon sein, dass nur ich das so sehe, aber ich sehe es so.

In einer Welt knapper Ressourcen, kämpfen Menschen um Ressourcen. Da entsteht dann Neid, wenn ein anderer vermeintlich mehr hat, als man selbst. Nicht nur materielle Dinge, sondern auch idelle und zwischenmenschliche Dinge, wie Zuwendung, Anerkennung des Leids. Auch geschont werden oder sich schonen dürfen ist eine Ressource und zwar eine verdammt knappe. Find ich total menschlich, dass Neid aufkommt.
Aber auch die Menschen, die (vermeintlich) mehr haben, leben in einer Welt knapper Ressourcen. Sie sind bestrebt zu verteidigen, was sie haben. Da werden gerade Zäune um Europa gebaut. Und da ist die Trauma-Schiene aktuell ja schon praktischer, da gibt es den Fonds. Über den wurde hier im Forum erbittert und teils unter der Gürtellinie von beiden Seiten gestritten.
Und wenn dann auch noch der Eindruck entsteht, dass Traumatisierte mehr Zuwendung bekommen, vom Therapeuten als schonenswerte Opfer gesehen werden, klar, kommt Neid auf. Und so wird es in den letzten Jahren ja auch medial präsentiert. Ich verstehe wie diese Bild zustande kommt.

Die Realität ist trotzdem eine andere. Ich glaube das sehr wohl, wenn bekannt wird, dass eine Mutter in einer Klinik war, vllt. selbst geschlagen oder missbraucht wurde, dass dann anders hingesehen wird, nicht nur von Lehrer und Jugendamt, auch von Therapeuten. Ich weiß, dass solche Mütter unter Generalverdacht stehen, nicht aureichend für ihre Kinder sorgen zu können.
Ich persönlich würde auch niemals außerhalb meiner Ehe und meines engsten Freundeskreises auch nur andeuten, wie meine Kindheit verlief. Ich bräuchte die Diagnose, die ich so genau ja auch nicht kenne, nichtmal sagen. Jeder würde meinen zu wissen, was los ist.


Was ich aber auch gut fände, wenn wie Entknoten sagt, jeder mehr bei sich bleibt. Denn Neidgefühle sind nicht schlimm. Sie auszuagieren wird aber schnell schlimm.

Ich habe übrigens zu beginn meiner Therapie mal ein Selbsthilfebuch über PTSB gelesen. Glaube es war sogar von van der Hart? Wie dem auch sei. Darin wurde zum Thema Selbsthilfegruppe, Austausch mit anderen Betroffenen gesagt, dass dies erst zu einem späteren zeitpunkt der Therapie empfehleneswert sei. Weil sich gezeigt habe, dass Traumatisierte sich weiter gegenseitig kränken, gar retraumatisieren. Weil Traumatisierte das so dringend brauchen,w as sie anderen selbst garnicht geben können: Gesehen werden, in DEREN Leid.

Man kann noch leicht das Leid eines anderen sehen, wenn es was ganz ähnliches ist, wie das was man auch hat. Aber jemand, der was ganz anderes erlebt hat, aber auch leidet.... da wird es schwierig das wirklich zu sehen. Weil eben auch Anerkennung eine knappe Resource ist und sofern man sein Trauma noch nicht ausreichend aufgearbeitet hat, eine extrem knappe. da wird vllt. auch die Verweigerungd er Anerkennung für sich selbst auf andere projiziert oder an anderen ausgelebt.

Ich glaube es ist wirklich so: Erst wenn man halbwegs satt ist an gesehen werden, kann man Menschen sehen, die was ganz anderes haben. Erst wenn man sich selbst halbswegs genug annehmen kann in seinem Leid, in seiner Geschichte, kann man andere in ihrer eigenen Geschichte annehmen, auch wenn die was ganz anderes beinhaltet, als das was man von sich kennt.
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stern
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Beitrag Do., 08.10.2015, 12:44

Vincent hat geschrieben:Aber ich vermeide es, mich selbst zu einem Sachverhalt zu abstrahieren.
Nun, vielleicht ist das ja Ausdruck, dass man sich eben nicht mit Diagnosen identifziert... oder höchsten nur mäßig, soweit es eigene Schwierigkeiten betrifft.

Ich denke, es gibt auch Themen über die man diskutieren kann ohne sich auf Biegen und Brechen selbst zum Thema machen oder in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen zu müssen.
Sehe aber, dass viele andere das gar nicht können, sich nicht zum Sachverhalt zu machen. Vermutlich aufgrund einer Trauma-Folge-Störung.
Das empfinde ich halt recht zynisch... ebenso wie folgende Aussage:
Tja, Entknoten - von Eigenverantwortlichkeit will anscheinend hier kaum jemand etwas wissen. Davon ist auf inzwischen dreißig Seiten langem (selbst-)abstrahiertem Wirklichkeitskonstruieren eigentlich keine Rede gewesen.
Oder anders formuliert: Viele sind halt gestört... gibt dir dir das etwas, anderen etwas absprechen zu müssen?

Was die Diagnose angeht, so würde ich meine zur Not auch eigenverantwortlich erstellen. Nur so läuft es eben nicht... wie dargelegt hängt das in hohem Maße von der Meinung des Behandlers ab, worauf ich keinen Einfluss habe (bzw. nur bedingt). Klar, es sollte nicht willkürlich geschehen... aber Diagnosen, die gar nicht seriös zustande gekommen sein können, gibt es auch (z.B. besagte 15-Minuten Diagnosen, die wohl eher auf Vorurteilen basieren. Und so erscheint mir es auch, wenn man usern einfach mal Eigenverantwortungsübernahme abspricht oder diese als (trauma-)gestört bezeichnet).

Eine Diagnose definiert geradezu fehlende Bewältigungsstrategien... aber trotzdem hat man natürlich die Konsequenzen zu tragen. (Wechsel zwischen Selbstperspektive und) Abstraktionsfähigkeit ist jedoch keine Symptom, sondern eher eine Stärke.
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Beitrag Do., 08.10.2015, 12:58

Montagne,
Ich habe übrigens zu beginn meiner Therapie mal ein Selbsthilfebuch über PTSB gelesen. Glaube es war sogar von van der Hart? Wie dem auch sei. Darin wurde zum Thema Selbsthilfegruppe, Austausch mit anderen Betroffenen gesagt, dass dies erst zu einem späteren zeitpunkt der Therapie empfehleneswert sei. Weil sich gezeigt habe, dass Traumatisierte sich weiter gegenseitig kränken, gar retraumatisieren. Weil Traumatisierte das so dringend brauchen,w as sie anderen selbst garnicht geben können: Gesehen werden, in DEREN Leid.
Dem wurde aber zu Beginn dieses Threads - unwidersprochen - widersprochen, à la: "Wirklich Traumatisierte haben es gar nicht nötig, um diese Begrifflichkeiten / Zugehörigkeiten zu streiten". Was halt auch nicht stimmt, wie sich hier immer und immer wieder zeigt. Und wie auch du es hier nun zitiert hast.

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stern
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:22

Wenn van der Hart das so geschrieben hat, dass Traumatisiere andere nicht in deren Leid sehen können, so ist das in der Pauschalität Quatsch... ziemlicher Quatsch... es kann auch genau das Gegenteil der Fall sein, will aber gerade keine Abhandlungen schreiben. Möglichkeit der Retraumatisierung: Klar. Daher i.d.R. auch Vereinbarungen innerhalb von Kliniken.

Ansonsten bleibe ich dabei: je mehr man etwas selbst anerkennen kann, desto weniger ist man auf die Anerkennung von außen angewiesen. Puh... ich hoffe, das stimmt... aber so oder so höre ich lieber, wenn jemand Stärken schätzt als irgendwelches Leid.

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Dem wurde aber zu Beginn dieses Threads - unwidersprochen - widersprochen, à la: "Wirklich Traumatisierte haben es gar nicht nötig, um diese Begrifflichkeiten / Zugehörigkeiten zu streiten".
Vielleicht ergeben sich die Diskussionen eher, weil diese Begriffe streitbar und nicht gut abgegrenzt SIND?
Liebe Grüße
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lamedia
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Beitrag Do., 08.10.2015, 13:35

montagne hat geschrieben: Nicht nur materielle Dinge, sondern auch idelle und zwischenmenschliche Dinge, wie Zuwendung, Anerkennung des Leids. Auch geschont werden oder sich schonen dürfen ist eine Ressource und zwar eine verdammt knappe.
Ja, diese Lebenseinstellung prägt auch meine Sicht und der zum Teil ja auch berechtigte Neid auf ungleiche Verteilung von Ressourcen ist ein insgesamt weit verbreitetes Phänomen. Auch die Anschuldigung, Menschen, die Unterstützung vom Staat erhalten, würden sich auf einer "sozialen Hängematte" ausruhen.. Wenn ich das von jemanden höre, dann sehe ich förmlich vor mir, wie er voller Groll und Widerwillen seine Pflichten erfüllt, sich von ihnen nicht distanzieren kann und darf und viel zu viel arbeitet für viel zu wenig Geld.

Ich bemerkte Neid auch auf mich in den stationären Setting, ohne dass es jetzt um Trauma geht: Ich bin jemand, der schnell losheult und auch sichtbar leidet. Ich kann es einfach nicht steuern. Ich glaube, ich löste damit auch Antipathien und Neid bei Mitpatienten aus, denn es gibt viele Menschen, die können oder wollen ihr Leiden nach außen nicht zeigen und versuchen sogar, im Klinikalltag zu funktionieren und stark zu sein, sie werden aber auch eher übersehen.
montagne hat geschrieben: Ich glaube es ist wirklich so: Erst wenn man halbwegs satt ist an gesehen werden, kann man Menschen sehen, die was ganz anderes haben. Erst wenn man sich selbst halbswegs genug annehmen kann in seinem Leid, in seiner Geschichte, kann man andere in ihrer eigenen Geschichte annehmen, auch wenn die was ganz anderes beinhaltet, als das was man von sich kennt.
weise klingt das.. und es passt zu
stern hat geschrieben:je mehr man etwas selbst anerkennen kann, desto weniger ist man auf die Anerkennung von außen angewiesen.

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