Diagnostik, Diagnose und passende Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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sebi
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Beitrag Do., 28.09.2023, 18:20

chrysokoll hat geschrieben: Do., 28.09.2023, 11:39 [Ich glaube hier ist auch ein wenig das Bild verzerrt.
Natürlich schreiben hier viele - auch ich - über die schlimmen und negativen Erfahrungen in der Therapie, über Probleme, Missstände.
Ich lese hier still mit und bin tief betroffen von euren Erfahrungen mit PsychotherapeutInnen. War selber ja total uninformiert, als ich meine Therapie begann. Umso mehr bin ich jetzt dankbar, dass die Leiterin der Selbsthilfegruppe damals eine Liste, von ihr selber überprüft, von kompetenten Theras für mich bereitstellte.
Ich mag mir gar nicht vorstellen, welche Folgen eine unkompetente Therapie für mich gehabt hätte. Gruselig.
"Jeder Mensch sucht nach Halt. Dabei liegt der einzige Halt im Loslassen." Hape Kerkeling

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Fr., 29.09.2023, 09:43

chrysokoll hat geschrieben: Do., 28.09.2023, 09:43 Charlie, meinst du mit "da raus kommen" akut in der Kliniksituation?
Oder wie du jetzt und heute aus dem Gefühl rauskommst, aus den Erinnerungen an alles was in dieser Klinik war?
Ich meine nicht physisch aus der Klinik/Ambulanz sondern mental aus den dort erzeugten Zuständen: Selbstverleugnung, Depersonalisation (?), Verrohung bzw. übertriebene Härte gegen sich selbst, triggernde Körperhaltungen, Nichtglauben der Wahrnehmung.

@sebi: Nun habe bitte nicht so viel Angst. Die Theras, die es nicht thematisieren, erzeugen auch Schaden, durch enttäuschte Hoffnungen und Chronifizierung, aber nicht so doll, die, die behaupten, ich würde Lügengeschichten erfinden, würde ich heute gnadenlos anzeigen und dass DBT für kptBS nicht geeignet ist, ist ja gerade in der Diskussion. Und mit Tätern auf eine Station ist ja heute hoffentlich No go, sonst Therapeutenkammer, Opferhilfsorganisationen...

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 29.09.2023, 10:07

Charlie Foxtrott hat geschrieben: Fr., 29.09.2023, 09:43
Ich meine nicht physisch aus der Klinik/Ambulanz sondern mental aus den dort erzeugten Zuständen: Selbstverleugnung, Depersonalisation (?), Verrohung bzw. übertriebene Härte gegen sich selbst, triggernde Körperhaltungen, Nichtglauben der Wahrnehmung.

[/quote]

währenddessen ist es sehr schwer! Da braucht es eine ordentliche Portion Rebellionsgeist, Aufmüpfigkeit, Mut, Selbstachtung und Vertrauen in die eigene Wahrnehmung. Das alles sind meist Dinge, die Patienten nicht gut können, die ihnen fehlt. Unter anderem deshalb sind sie ja in der Klinik.
Es erschreckt mich sehr dass auch heute noch derartige Strukturen existieren. Hier müsste viel genauer hingeschaut werden, ein Bewusstsein geschaffen werden. Auch sehr klar mit Patientenbeschwerden, mit klarer Benennung, bis hin zu Anzeigen und Intervention von entsprechenden Stellen.
Es geht einfach nicht dass man so mit kranken Menschen umgeht und das müssen die Verantwortlichen wissen.

Vielleicht hilft es manchen das wenigstens hinterher klar zu benennen und zu formulieren, mit einer Beschwerde, einem Brief, auch an Vorgesetzte etc.

Und ansonsten kann man das leider nur in Folgetherapien mühsam aufarbeiten. Das ist richtig fies, weil es die Symptomatik verstärkt statt irgendetwas zu verbessern

Ich kann bis heute nicht sagen warum ich in einer Klinik auch den Mut fand zu intervenieren und zu gehen.
Ich sagte einem Pfleger, der mich auslachte ganz klar "was glauben Sie eigentlich wer Sie sind? Wie kommen Sie dazu mich auszulachen statt mir zu helfen?" Der begann dann tatsächlich zu stottern mit ähm ja... also...

Ein anderer Pfleger sagte mal als ich eine bestimmte Gruppe nicht ertrug "das macht nichts". Und ich sagte sehr klar: "Doch, MIR macht das was".

Aber ob das was ändert? Ich bin in beiden Fällen gegangen, einmal hab ich selbst den Aufenthalt in der Klinik abgebrochen, einmal bin ich rausgeflogen

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Sinarellas
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Beitrag Fr., 29.09.2023, 12:42

Bei mir war eine Klinik lebensrettend (jedoch nicht mehr), eine Tagseklinik lebensfördernd und eine war retraumatisierend. Eine ambulante Therapie war Müll und eine war unendlich wichtig um klarzukommen im Leben.
Alles führte dazu, dass ich nun genügend Erfahrung habe, um für mich selbst einzustehen und zu wissen, wann eine Therapie nicht funktioniert. Was wichtig ist, ist seine Rechte und Pflichten zu kennen und nicht jeder Arzt hat Ahnung. Alles sind Menschen die aus unterschiedlichen Gründen Idee x,y,z haben. Man selbst ist verantwortlich für sein eigenes Leben und auch dafür, dass man geht, wenn eine Therapieform oder Behandlungsart das Gegenteil bewirkt. Das lernt man erst, je älter man wird, doof, aber so ist das Leben.
Manchmal regt mich die Erwartungshaltung von so manchen Patienten ungemein auf.
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Scars
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Beitrag So., 01.10.2023, 08:35

diesoderdas hat geschrieben: Do., 28.09.2023, 10:24 Sicherlich läuft es nicht in so vielen Therapien wie in meiner letzter, aber dennoch:
wie soll Patient das bewerkstelligen? Wie soll ein Patient sich "einlassen" (auch auf etwas das vielleicht widerstrebt), ohne Gefahr zu laufen, ins Verderben zu rennen? Wie soll Patient sicher erkennen, wenn etwas echt schief läuft, wenn es wohl eher oft drauf rausläuft, dass der Patient als Ursache des Problems hingestellt wird?
Das ist ja kein alleiniges Problem der Psychotherapie sondern tritt in allen anderen Behandlungssituationen auch auf. Genauso wie wenn man sein Auto in die Werkstatt bringt, wo man das Vertrauen auf deren Kompetenzen und Fairness haben muss, dass die das ordentlich reparieren. Ich denke auch da hilft nur das Bild vom „Gott in weiß“ und den Autoritäten zu verändern, sich selbst zu vertrauen und für sich einzustehen, so wie Sinarellas gesagt hat.
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Montana
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Beitrag So., 01.10.2023, 09:30

Das widerspricht halt nur dem Anspruch von Therapeuten, man müsse vertrauen. Ich sehe das auch so, dass man das selbstverständlich nicht muss, und dass man es auch nicht sollte.

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Sinarellas
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Beitrag So., 01.10.2023, 09:49

Vertrauen muss so mancher erst lernen, vor allem gesundes Vertrauen, mit dem Wissen darum, dass das Gegenüber ebenfalls nur ein Mensch ist, gesunder Skepsis, wenn sich das Bauchgefühl meldet und das Verständnis, dass das Gegenüber (Arzt, Therapeut, KFZ-Meister usw.) einen egal in was nur begleiten und bestenfalls stützen und unterstützen kann. Und all das braucht Zeit und viel Erfahrung.

Gerade in der Psychotherapie kann es sein, dass Symptom(-Cluster) A 10 Möglichkeiten hat angegangen zu werden, 3 der Lösungen sind Müll, 3 sind bedingt hilfreich, 3 sind schwierig und 1 spricht einen genau an. Die richtige Diagnose hilft das ganze einzugrenzen, aber auch die braucht es erst Mal und am Ende ist die eigene Einstellung und der eigene Wille seinen Weg zu finden entscheidend.

Ich vertraue darauf, dass der Therapeut Methoden an der Hand hat (weil gelernt), die mir unbekannt sind und ich damit selbst neue Wege zur Entwicklung erfahre. Im Idealfall hinterfrage ich aber auch Dinge, sobald sich ein Bauchgefühl meldet.
Persönlich vertraue ich dem Therapeuten also dem Mensch nur in gewissen Punkten, aber längst nicht in allem. Das brauche ich auch nicht. Wichtig ist: Selbstwirksamkeit erfahren und erlernen. ICH kann etwas tun, damit es MIR besser geht und der Therapeut sollte im Idealfall mir Wege zeigen können um da hin zukommen. Das kann viel bedeuten, offenes Ohr haben, mich vor allem validieren, mir ein Gefühl von Sicherheit vermitteln (ich arbeite mit ihnen und nicht gegen sie).

Für mich bin ich persönlich momentan so weit, dass ich keinen Externen Therapeuten brauche, um meinen eigenen Weg zu gehen. und das sollte das Ziel jeder Psychotherapie sein: Keine utopische lebenslange Begleitung, sondern eine punktuelle Handreichung, um die Selbstwirksamkeit und den eigenen Heilungsweg wieder zu bestreiten.
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Scars
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Beitrag So., 01.10.2023, 10:51

Montana hat geschrieben: So., 01.10.2023, 09:30 Das widerspricht halt nur dem Anspruch von Therapeuten, man müsse vertrauen.
Ich hoffe, dass sich das mit einer neuen Generation von Behandlern ändert. Ich vermute mal, dass der Abstand zwischen Patient und Behandler vor >10-20 Jahren viel größer war. Inzwischen hat man als Patient verschiedene Möglichkeiten sich zu informieren, auszutauschen und mündiger zu werden, was sich dann auch auf die Beziehung auswirkt und diesen Vertrauens-Anspruch abschwächt.

Ich fände es ja wünschenswert, wenn in den Ausbildungswegen mehr soziale Kompetenzen gefördert und unterrichtet werden und so wie lisbeth mal geschrieben hat, die soziale Gruppe der Behandelnden vielfältiger wird. Das würde sich sicherlich auch positiv auf manche Grundeinstellungen auswirken.
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Montana
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Beitrag So., 01.10.2023, 12:10

Sinarellas hat geschrieben: So., 01.10.2023, 09:49 Vertrauen muss so mancher erst lernen, vor allem gesundes Vertrauen, mit dem Wissen darum, dass das Gegenüber ebenfalls nur ein Mensch ist, gesunder Skepsis, wenn sich das Bauchgefühl meldet und das Verständnis, dass das Gegenüber (Arzt, Therapeut, KFZ-Meister usw.) einen egal in was nur begleiten und bestenfalls stützen und unterstützen kann. Und all das braucht Zeit und viel Erfahrung.
Du kommst da aus einer ganz anderen Richtung als ich, aber auch das hat natürlich seine Berechtigung, denn es gibt ja auch Leute, die sich einem Therapeuten komplett an den Hals werfen und Rettung erwarten. Die müssen natürlich daran etwas ändern um nicht immer wieder bitter enttäuscht zu werden.

Mir geht es aber um etwas anderes. Was, wenn man deshalb Menschen ganz generell mit Misstrauen begegnet, weil die sich immer unberechenbar verhalten? Darauf muss man erstmal kommen (ich fand das nicht leicht), aber dann erklärt sich vieles. "Gesundes Vertrauen" wird man nicht entwickeln, so lange sich alle Menschen mit denen man Kontakt hat so verhalten, dass sie schlicht und ergreifend nicht vertrauenswürdig SIND. Da helfen alle Argumente und Realitätsprüfungen nicht. Denn die haben immer das gleiche Ergebnis. In meinem Fall sind es Amnesien, die dazu führen. Ja, natürlich verhalten sich Menschen in meinen Augen total merkwürdig, wenn ich beträchtliche Lücken habe was die Interaktionen mit anderen Menschen betrifft.

Und das ist ja jetzt nichts wahnsinnig ungewöhnliches. Solche Probleme können Menschen mit Traumafolgestörungen haben. Aber es ist noch nie vorgekommen, dass da ein Therapeut drauf gekommen wäre, dass DAS vielleicht ein Problem sein könnte, sowohl im Alltag als auch in der Therapie. Aber die Unstimmigkeiten sind dann real und nicht bloß eine fehlerhafte Interpretation von mir. Ein eigenständiges Auflösen der Situation ohne Informationen von außen nicht möglich. Und so lange das so ist, so lange kann ich nicht dazu übergehen, das "alleine hinzukriegen". Denn Aufgabe der Therapie ist gar nicht eine Begleitung um im Alltag zu bestehen, sondern immer noch und seit Jahren das Beseitigen der Ursache, nämlich des Vorkommens dieser Amnesien.

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Sinarellas
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Beitrag Mo., 02.10.2023, 09:01

Du verallgemeinerst halt sehr, sicherlich begründet aus deinen Erfahrungen mit anderen Menschen.
Wenn natürlich "alle Menschen" sich "immer" unberechenbar verhalten, wirds schwierig.
Das Denken lässt allerdings auch keine anderen Erfahrungen zu per se.

Ich weiß nicht aus welcher "Richtung" ich komme, magst du mir das erklären?
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Montana
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Beitrag Mo., 02.10.2023, 10:08

Ich meine genau das, was ich im letzten Beitrag zitiert habe. Da nimmst du Bezug darauf, dass Patienten sich darüber klar sein müssen, dass auch Therapeuten nur Menschen sind und bestenfalls begleiten und unterstützen können. Das ist eine Richtung, aus der man sich dem Thema "gesundes Vertrauen" nähern kann: von zu viel zu dem, was du als gesunde Skepsis bezeichnest. Man kann aber auch von der anderen Seite kommen: alle Menschen sind böse und man sollte niemandem auch nur annähernd vertrauen.

Mir ist nicht klar, wo du bei mir eine Verallgemeinerung siehst. Ich habe der Betrachtung dieses Themas nur eine weitere Dimension hinzugefügt. Es ist nicht immer so, dass ein Mensch aufgrund seiner gemachten Erfahrungen ein zu viel oder ein zu wenig an Vertrauen in andere Menschen haben kann. Sondern es gibt mehr als das, wie eben eine dissoziative Störungen mit Amnesien. Das macht es etwas komplizierter, vor allem, wenn es nicht als Möglichkeit bedacht wird. Normalerweise wird davon ausgegangen, auch von Therapeuten, dass sich ein Patient an die bisherigen freundlichen Begegnungen zu jeder Zeit erinnert und diese in weiteren Interaktionen immer im Hinterkopf hat.

Du scheinst auch nicht verstanden zu haben, was ich meinte, denn du schreibst "Das Denken lässt allerdings auch keine anderen Erfahrungen zu per se." Nein, damit hat es nicht das geringste zu tun. Positive Erfahrungen können natürlich gemacht werden, genauso wie negative. Im Vordergrund steht bei jedem weiteren Treffen aber immer eine gewisse Angst, weil Verhalten sehr oft nicht ist wie erwartet. Beispiel: es war in der letzten Therapiestunde besprochen, Thema x fortzusetzen, und der Therapeut kommt mit einer entsprechenden Erwartungshaltung. Patient weiß nichts davon. Beide finden einander merkwürdig und brauchen die ganze Stunde, dem Grund für die Irritation auf die Spur zu kommen. In einer Therapie ist es möglich, darüber ausführlich zu sprechen. Im Alltag in aller Regel nicht. Da läuft man in die unmöglichsten Situationen einfach so rein, und mit dem Ergebnis muss man alleine klarkommen. Es ist übrigens auch dann nicht vertrauensfördernd, wenn man unerwartet total mit Positivem überhäuft wird, ohne zu verstehen was grad los ist.

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Scars
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Beitrag Mo., 02.10.2023, 10:33

Sowas wäre dann aber eher wieder mangelnder Fachkompetenz zuzuschreiben als einer Grundeinstellung, die viele Therapeuten zu haben scheinen, oder Montana? Wenn der Therapeut nicht soweit denkt, dass jemand mit Amnesien sich nicht erinnern kann, ist das doch selten dämlich. Das ist dann aber krankheitsbedingt, so wie ich es bei dir verstehe und nicht (oder nicht nur) Misstrauen aufgrund prägender Erfahrungen bei ansonsten „normaler psychologischer Funktion“.

Das klingt jetzt irgendwie diskriminierend aber mir fällt kein besserer Begriff ein.
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Montana
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Beitrag Mo., 02.10.2023, 10:48

Ich finde das gar nicht diskriminierend, sondern treffend beschrieben.

Selten dämlich erscheint es eigentlich nur mit dem entsprechenden Wissen im Nachhinein. Ich kann ja nur von mir sprechen, aber ich bin natürlich nicht in die erste Therapie gegangen mit den Worten "ich habe Amnesien und daraus resultieren Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen". Da das auch außerhalb MEINES Erfahrungshorizontes lag, habe ich an diese Möglichkeit selber nicht gedacht. Und auch kein Therapeut. Besonders dann, wenn es nie ein Vorher gab, fällt es einem nicht auf, dass man anders funktioniert als "normal". Das ist ja etwas, was allgemein bei dissoziativen Störungen gilt. Daher auch die oft gelesene Empfehlung, Symptome aktiv zu erfragen, weil Patienten gar nicht auf die Idee kommen, davon zu berichten.

PS: und deshalb auch meine Überlegung, dass Therapeuten an sowas denken sollten. Und nicht nur daran, einen Patienten davon überzeugen zu wollen, dass sie wohlwollend sind und helfen möchten. Sie können das noch so oft sagen, wenn das Verhalten aufgrund von Amnesien aber unberechenbar erscheint, dann widerspricht es der verbalen Kommunikation. Und im Zweifel glaubt man eher allem anderen als den gerade gehörten schönen Worten.

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chrysokoll
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Beitrag Mo., 02.10.2023, 11:00

ganz genau so war es bei mir, und zwar viele Jahre lang!
Genau genommen bis ich eben doch nochmal in Therapie ging vor wenigen Jahren.
Bis dahin hatte ich keine Ahnung was Dissoziation ist bzw. das niemals auf mich bezogen. Ich dachte immer ich sei eben oft zu unkonzentriert und andere "komische" Dinge habe ich bewusst verschwiegen in der Therapie weil sie mir zu peinlich waren oder auch weil ich sie nicht wichtig fand.

Natürlich bin ich nicht in die ersten Therapien gegangen mit der klaren Aussage "ich habe Dissoziationen und höre Stimmen und ich habe eine Traumavergangenheit"

Wenn Therapeuten da nicht genau hinschauen und aktiv nachfragen kommt das nicht raus.
Wenn z.B. Psychoanalytiker das in ihrem komischen Theoriegerüst deuten, dann läuft die Therapie schief und keiner kann sagen warum.
So richtig kam das erst raus als ich vor wenigen Jahren erstmals den FDS Fragenbogen ausfüllen durfte und sollte und meine Werte durch die Decke geschossen sind und dann differenzierte Diagnostik erfolgte

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Scars
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Beitrag Di., 03.10.2023, 20:30

Montana hat geschrieben: Mo., 02.10.2023, 10:48 PS: und deshalb auch meine Überlegung, dass Therapeuten an sowas denken sollten.
Deswegen finde ich es ja so dämlich und ordne es der mangelnden Fachkompetenz zu. Wenn sowas gelegentlich vorkommt, könnte man es ja noch als verpeilt erachten aber bei längeren Problemen sollte man als Therapeut weiterführende Überlegungen anstellen, da stimme ich dir genau zu. Genauso wie wenn jemand anderweitig „therapieresistent“ ist. Es ist wirklich ein Unding, wenn in der Psychotherapie (wobei vielleicht auch allgemein in der Medizin) den Patienten erstmal mangelnde compliance unterstellt wird anstatt mal zu schauen ob das, was man annimmt und macht, überhaupt richtig ist.
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