Diagnostik, Diagnose und passende Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Charlie Foxtrott
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 14:25

Was macht das mit den Betroffenen und wie kommen die da raus?

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Sinarellas
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 15:31

Montana hat geschrieben: Mi., 27.09.2023, 12:30 So habe ich das mit Imagination und diversen "Entspannungsverfahren" erlebt. Teilnahme war Pflicht, den Raum verlassen verboten (um andere nicht zu stören), manchmal waren seeehr viele Menschen in einem kleinen Raum, alte Leute schliefen ein und schnarchten (Trigger für mich), teilweise war Hinlegen Pflicht und das Schließen der Augen, wobei ich mich daran nie gehalten habe, kann ja keiner kontrollieren.
Dito, schreckliche Erfahrungen machen müssen. Als hochdissoziativer Mensch (wusste ich damals nicht) können Imaginationsübungen und Zwang sich auf den Körper zu fokussieren (Jacobsen, generell Muskelentspannungsverfahren, Körper scannen, Imaginationsreisen usw.) einen in tiefe Dissoziation stoßen. Das war bei mir jedes Mal der Fall und die Erfahrungen, dass man da bleiben muss sonst... man mitmachen muss sonst... war schrecklich. Jede dieser Übungen hat mich völlig weggebeamt und in Flashbacks übergehen lassen, diese wurden dann nicht aufgefangen, sondern man wurde mit Spannungsprotokoll führen und zwar jetzt sofort im hoch dissoziativen Zustand bestraft.

Dann Skills anwenden, bei allem und jedem und wehe man hat nicht alles versucht von Chillis bis Gummibändern. Klappt halt nicht gut, wenn man schon völlig wegdissoziiert ist.... ach das ärgert mich bis heute noch. Jetzt weiß ich vieles besser und auch die Kliniken wissen so einiges besser (nicht alle klar). Hinlegen fand ich auch grausam, zumindest das konnte ich damals in ich darf an die Wand gelehnt sitzen ummodeln. Die Qual die das alles hervorgerufen hat, hat keinen interessiert, aber man wusste damals auch herzlich wenig über Dissoziation (also noch viel weniger als jetzt)...
..:..

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saffiatou
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 15:41

Ich habe manchmal das Gefühl, dass man Patienten mit psychischen Erkrankungen (oft) noch immer abspricht selbt zu wissen, was für sie gut ist. Auch bei Traumatherapeuten habe ich das erlebt, wenn ich erklärte, dass mir eine Übung nicht gut tat, dann war ich "selber schuld" und nur auf Widerstand aus. Wenn ich mich weigerte diese deshalb zu wiederholen wurde mir gesagt: "dass ich ja nur nicht will, dass es mir besser geht". Das ist nicht nur eine so dumme Ausrede dafür selbst nicht weiter zu wissen und nicht über den Schatten zu springen, sondern auch noch mir die Verantwortung für dieses Versagen zuzuschieben.

Manchmal geht man mit den Patienten noch immer auf eine Art um die aus "einer flog über das Kuckuksnest" kommen könnte, übergriffig und unmenschlich. Und wie sollen wir dann erwarten, wenn noch nicht mal das Fachpersonal uns besser und vorurteilsfrei behandelt, dass die Allgemeinheit das schon gar nicht macht.
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chrysokoll
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 15:55

es macht mich wütend und betroffen eure Berichte zu lesen und leider habe ich ähnliches erlebt.
Nicht auf Stationen, die bewusst DBT anbieten, aber doch auch ähnliche Erfahrungen.
Ich galt als widerwillig und verweigernd wenn ich bestimmte Übungen abgelehnt habe. Klar, in gemischtgeschlechtlichen Gruppen mit geschlossenen Augen auf dem Boden liegen, neben schwer atmenden Männern - aber ICH verweigere die Therapie.
Oder auf einer Station mit Tätern und dann die klare Aussage die müssten ja auch irgendwo behandelt werden. Ja danke, aber nicht neben und mit mir. Mindestens die Hälfte der Frauen auf der Station war entsprechend traumatisiert, das war auch bekannt und man lachte (!) tatsächlich darüber dass die dann völlig durchdrehen, besonders nachts. Ich habe diese Station verlassen, auch mit klarer Ansage warum, das wurde nicht verstanden. Und ich stand wieder ohne Behandlung da.

Dann anderswo die Unterstellung ich würde Entspannungsverfahren nur nicht genug "üben", sonst würde das wirken

Ja, ich bin wegen solcher Dinge aus Kliniken geflogen und das macht mich heute noch wütend und fassungslos.
Erst in neueren Traumatherapien erfahre ich dass es tatsächlich nicht an mir liegt, dass ich das gar nicht KANN

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saffiatou
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 16:27

Genauso geht es mir, es macht mich auch wütend. Aber für die Therapeuten ist es einfacher zu sagen, dass wir die Therapie verweigern.
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münchnerkindl
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 17:47

Montana hat geschrieben: Mi., 27.09.2023, 12:30So habe ich das mit Imagination und diversen "Entspannungsverfahren" erlebt. Teilnahme war Pflicht,

Und wenn dich das zB triggert oder in dissoziative Zustände fallen lässt ist die einzige Wahl die du hast die Therapie dort abzubrechen? :-o

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chrysokoll
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 18:34

ja letztlich kannst du - wenn du das durchblickst und dich wehren kannst - die Therapie abbrechen.
Oder du wirst irgendwann hinausgeworfen, weil du nicht mitarbeitest. Habe ich leider beides erlebt.

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Shukria
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Beitrag Mi., 27.09.2023, 20:12

chrysokoll hat geschrieben: Mi., 27.09.2023, 18:34 Kannst du - wenn du das durchblickst und dich wehren kannst - die Therapie abbrechen.
Und wenn du das kannst , dann hast du auf alle Fälle mehr innere Stärke in Dir als viele von denen die sich „unterwerfen“ und mitmachen, nur um bleiben zu können. Dann ist diese Therapie zwar beendet aber ich finde dann hast du für dich trotzdem richtig gut eingestanden.

Nicht alle Wege führen nach Rom und wir dürfen entscheiden, wer uns auf unserem Weg begleiten darf.

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 28.09.2023, 09:02

Andererseits, ich wollte Körpertherapie machen und die wurde dort laut Stundenplan auch angeboten. Man hat mich aber fehldiagnostiziert in die Borderline Gruppe gesteckt und da hat dann keine richtige Körpertherapie stattgefunden sondern so Sachen wie Aufstellen von Figuren, den eignen Namen mit Naturmaterialien darstellen etc.
Als ich dann gesagt habe, hey, was ist hier mit der Körpertherapie hieß es, ja das machen wir mit der Borderline Gruppe nicht, weil das triggert da zu viele. Mich triggert es aber nicht. Ganz toll

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Do., 28.09.2023, 09:23

Ich bin damals geblieben und habe mich unterworfen, weil vorher eine unspezifische ambulante Therapie nicht geholfen hat, ich keinen spezifischen ambulanten Platz gefunden habe, mir mit kostenpflichtiger Entlassung gedroht wurde (und Verlust ALG, wenn ich nicht an meiner Genesung mitwirke) und weil ich dachte, wenn ich brav genug bin, habe ich mir den Beginn der richtigen Traumatherapie verdient.
An den Folgen knabbere ich bis heute: Damals bin dort durch die Gänge geschlichen wie ein Zombie, fühlte mich wie in ner Nebelwand. Klar, bei der erzwungenen Selbstverleugnung. Die Meditationsstellung triggert bis heute, ist ja auch wie bei ner Hinrichtung (los, hinknien).
Meine Frage zielte auch eher darauf ab, wie man da rauskommt. Bleiben und aushalten ist eben nicht immer gut. Selbstwirksamkeit trainieren, ist es das?

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chrysokoll
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Beitrag Do., 28.09.2023, 09:43

Es tut mir sehr leid dass du sowas erleben musstest.

Charlie, meinst du mit "da raus kommen" akut in der Kliniksituation?
Oder wie du jetzt und heute aus dem Gefühl rauskommst, aus den Erinnerungen an alles was in dieser Klinik war?

Ich denke aus so einer Kliniksituation kann man nur raus gehen. Egal wie das dann ausgeht, da geht es um Selbstschutz.
Aber leider können das viele krankheitsbedingt gar nicht, wagen nicht sich zu wehren. Das ist das wirkliche Drama daran!

Ich dachte in mehreren Kliniken auch es liegt an mir, an mangelnder Motivation, an mangelnder Mitarbeit. Das wurde mir ja auch immer so vorgeworfen. Aber irgendwo in mir habe ich gespürt: Das stimmt nicht. Ich war motiviert, ich habe mitgearbeitet. Es GING einfach nicht. Ich hatte keine Ahnung warum. Heute, in der Traumatherapie wird es sehr klar warum solche Dinge schlicht nicht möglich waren. Und ja, das verletzt, ärgert, triggert mich bis heute

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 28.09.2023, 09:47

Schaukelstuhl hat geschrieben: Di., 19.09.2023, 10:08
Bei der neuen Diagnose kPTBS im ICD-11 ist doch genau das das Problem:
Es wird davon ausgegangen, dass mehrere Traumata vorliegen, welche auch einzeln betrachtet eine PTBS auslösen könnten. Also mit allen Symptomen der PTBS, aber halt mit dem Zusatz, dass es mehrmals passiert sein muss.

Darin sind dann aber diejenigen nicht abgebildet, die eine Traumafolgestörumg haben, sie aber nicht auf offensichtlich traumatische Erlebnisse zurückführen können.

Beispiel: Jedes Kind bekommt irgendwann einmal einen heftigen Streit der Eltern mit, hat vielleicht Angst, weint, ist verzweifelt und die Eltern können in der Situation Grad nicht auf das Kind eingehen, weil sie so sehr in ihren Emotionen drin sind. Geschieht dies aber selten, die Beziehungen in der Familie sind eigentlich stabil, die Eltern erklären dem Kind im nachhinein die Situation und begleiten das Kind in seinen Emotionen, wird dies kaum ein traumatisches Erlebnis darstellen.
Kommen solche Situationen allerdings täglich vor, das Kind wird in deiner Not nicht gesehen und mit seinen Emotionen immer allein gelassen, ist dies für das Kind traumatisch. Es entwickelt die Symptome einer Traumafolgestörung, erkennt dies aber als Erwachsener nicht von selber, denn es war doch für das Kind normal, wie die Eltern miteinander umgegangen sind und es gab keine "handfeste" Gewalt oder Vernachlässigung. Keine Schläge, genug zu Essen, gute Kleidung, etc. Da sich alles "nur" auf der emotionalen Ebene abspielte, ist es kaum greifbar, dafür aber für das Kind trotzdem traumatisch und hat Auswirkungen auf die Muster und das (Beziehungs-)Verhalten als Erwachsene und kann Symptome auslösen.

Diese Art der Traumafolgestörung wird im ICD-11 nach der Definition der KPTBS eben leider wieder nicht abgebildet.



Das ist auch total diskriminierend gegenüber Menschen die zB aufgrund von langanhaltenden Mobbingerfahrungen oder Stalking eine Traumafolgestörung erlitten haben.

Also zB Schulmobbing. Laut diesen Leuten kann man also keine Traumafolgestörung bekommen wenn man in der Schule mehrere Jahre lang stark gemobbt wurde, weil ja keines dieser Ereignisse für sich eine Traumafolgestörung auslöst.

Das spricht einfach mal wieder Opfern von Gewalt ab dass das "echte" Gewalt war. Und, es gibt für sie mal wieder keine Diagnose und damit auch keine passende, gezielte Behandlung.

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diesoderdas
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Beitrag Do., 28.09.2023, 10:24

Wie kann man bei dem ganzen Mist, der in Psychotherapie passiert, denn noch Vertrauen in Psychotherapeuten/Psychoterapie allgemein haben? Das wird mir immer mehr zum Rätsel. Leider.
Ich als Patient muss abchecken, ob eine Methode oder ein Behandler keine absoluten Murks an mir fabriziert. Zeitgleich fordern Behandler Vertrauen. Wobei ich zugeben muss, dass das eigntnlich nur mein letzter (wo es so mies lief) gefordert hat - der hat aber gesagt "100%!" Zeitgleich aber "Sie springen ja auch nicht vom Dach, wenn ich es sage".
Und dann wieder Sätze, wie er wäre schließlich der Fachmann und er soll mir sagen "wie es geht" und so.

Sicherlich läuft es nicht in so vielen Therapien wie in meiner letzter, aber dennoch:
wie soll Patient das bewerkstelligen? Wie soll ein Patient sich "einlassen" (auch auf etwas das vielleicht widerstrebt), ohne Gefahr zu laufen, ins Verderben zu rennen? Wie soll Patient sicher erkennen, wenn etwas echt schief läuft, wenn es wohl eher oft drauf rausläuft, dass der Patient als Ursache des Problems hingestellt wird?

Ich muss da manchmal an das Buch "Von der Abschaffung der Psychotherapie" denken ;-(

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Shukria
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Beitrag Do., 28.09.2023, 10:34

Das ist sehr schwer möglich, entweder man ist schon sehr stabil und selbstsicher (wofür sollte man dann Therapie brauchen?) oder es gibt einschlägige negative Vorerfahrungen.

Ich halte das so das ich genau prüfe was ist die Qualifikation vom Gegenüber. Was denkt er, wie er mir mit seinen Methoden bei meinem Problem helfen kann. Fühlt sich das stimmig für mich an.

Wie geht mein Gegenüber mit meinen Einwänden und Ideen um. Ist da Kritik und Reflexionsfähigkeit oder die Haltung nur der Behandler habe die Weisheit schlechthin mit Löffeln gefuttert und weiß wo es (für mich!) langgeht.

Fühlt es sich auf Augenhöhe an und wird mit mir transparent und empathisch gearbeitet.

Ist einer dieser Punkte nicht erfüllt. Doswidanja.

Sind diese Punkte erfüllt, gerade Kritikfähigkeit und Augenhöhe, Tranzparenz dann ist das ein guter Ausgangspunkt das ich Vertrauen aufbauen kann. Nicht blindes aber vertrauen in eine gemeinsame Arbeit.

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chrysokoll
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Beitrag Do., 28.09.2023, 11:39

diesoderdas hat geschrieben: Do., 28.09.2023, 10:24 Wie kann man bei dem ganzen Mist, der in Psychotherapie passiert, denn noch Vertrauen in Psychotherapeuten/Psychoterapie allgemein haben?
Ich muss da manchmal an das Buch "Von der Abschaffung der Psychotherapie" denken ;-(
Ich glaube hier ist auch ein wenig das Bild verzerrt.
Natürlich schreiben hier viele - auch ich - über die schlimmen und negativen Erfahrungen in der Therapie, über Probleme, Missstände.

Ich machte und mache aber auch sehr sehr gute Erfahrungen. Das gibt nur erstmal wenig her in dem thread
Ich war z.B. schon vor über 20 Jahren auch in sehr guten Akutpsychiatrien. Mit schönen 2-Bett-Zimmern, wie im Hotel, tollem Essen, intensiven Therapien, mit sehr sehr wertschätzendem Umgang und einem wirklich individuellen Behandlungsplan. Das gibt es auch!

Und klar ist es schwer zu Vertrauen, gerade mit entsprechender Vorgeschichte.
Gute Therapeuten fordern kein Vertrauen ein, sondern tun alles damit der Patient an sich arbeiten kann. So jemand zu finden ist allerdings nicht leicht

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