kann Gott OT sein,...

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Ishtar
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 19:44

Die Frage stellt sich mir deshalb: das Ich ist im Grunde genommen gar nichts Fixes, denn wäre es das, dann könnte es sich nicht im permanenten Wandel befinden. Beispielsweise, wenn Du schlecht gelaunt bist, ist die schlechte Laune dann wirklich etwas, was zu deinem ich gehört, wenn es am nächsten Tag ja doch nicht mehr Teil von Dir ist? Übersehen wir bei der Identifizierung mit einem Ich immerzu die Vergänglichkeit?

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Nitrat
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 20:17

So etwas Ähnliches überlege ich mir auch oft und es kommt mir vor, dass es nichts wechselhafteres und unbeständigeres als meine eigene Befindlichkeit gibt.
So konstant ich mich auch als mich erlebe,
so inkonstant und nebelhaft ist dieses Ich dann auch wieder.
Wie eine Leinwand auf der wirre Schattenspiele stattfinden.
(jetzt bitte nicht psychologisch im Sinne zB einer Stimmungs- und Affektlabilität deuten)

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sofa-held
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 20:18

Ishtar hat geschrieben:Was oder wer ist das Ich? Gibt es das Ich überhaupt als Instanz oder ist es nicht vielmehr eine lebenslange etablierte und gesellschaftlich anerkannte Wahnvorstellung unter der wir leiden?
Das "Ich" in seiner heutigen Ausprägung hilft sehr stark zu unterscheiden in "ich" und "du", "mein" und "dein" und ist damit die Grundlage für alle Besitz- und Machtverhältnisse. Ohne diesen Individualismus, den wir täglich pflegen, wären wir nicht in der Lage uns abzugrenzen und Hierachien aufzustellen.
Wir sind besser als die Armen, die primitiven Kulturen, die schlecht angezogenen, die Nicht-Diät-haltenden, die nicht Gesundheits-Faszinierten, die Raucher, die Analphabeten, Tiere, Polyperspektiv-Anhänger, Kannibalen, Monarchisten, Spätpunks, Egoisten, Psychopathen.... hab ich wen vergessen?

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Ishtar
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 20:54

sofa-held hat geschrieben:Das "Ich" in seiner heutigen Ausprägung hilft sehr stark zu unterscheiden in "ich" und "du", "mein" und "dein" und ist damit die Grundlage für alle Besitz- und Machtverhältnisse. Ohne diesen Individualismus, den wir täglich pflegen, wären wir nicht in der Lage uns abzugrenzen und Hierachien aufzustellen.
Eine gute Erklärung.
Nitrat hat geschrieben:So konstant ich mich auch als mich erlebe,
so inkonstant und nebelhaft ist dieses Ich dann auch wieder.
Das ist eine gute Selbstbeobachtung. Anders kann es auch nicht sein.
Meiner Meinung nach baut sich das Ich aus einem Gebilde von Mustern auf.
Wir "holen" uns unsere Selbstidentifizierung immer wieder aus Erfahrungen mit denen wir uns identifizieren.
Das Ich versucht diese Erfahrungen immer wieder in ihr Konstrukt einzubauen und einzuordnen um sich seines Ichs immer wieder neu zu vergewissern.

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Passat
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 21:23

Ishtar hat geschrieben:Das Ich versucht diese Erfahrungen immer wieder in ihr Konstrukt einzubauen und einzuordnen um sich seines Ichs immer wieder neu zu vergewissern.
Das Ich vergewissert sich also immer wieder seines Ichs. Hä?!?
"Alles entsteht durch den Konflikt" (Heraklit)

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Ishtar
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 21:29

Kehrusker hat geschrieben:Das Ich vergewissert sich also immer wieder seines Ichs. Hä?!?
Ja.
So ähnlich wie die Neurowissenschaft und Gehirnforschung unser Gehirn "studiert" und erforscht, während es zugleich sein eigenes Gehirn dafür einsetzten muss.

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Passat
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 21:57

Ishtar hat geschrieben:So ähnlich wie die Neurowissenschaft und Gehirnforschung unser Gehirn "studiert" und erforscht, während es zugleich sein eigenes Gehirn dafür einsetzten muss.
Wir haben eben nicht mehr als uns zur Verfügung steht. Damit müssen wir leben!
"Alles entsteht durch den Konflikt" (Heraklit)

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krabath
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 22:08

doch doch, nur das anzapfen ist manchen ein problem

ich zb bin ja grad gar nicht da ...
Das, worauf es im Leben ankommt, können wir nicht vorausberechnen. Die schönste Freude erlebt man immer da, wo man sie am wenigsten erwartet hat. - Antoine de Saint-Exupéry

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sofa-held
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Beitrag Mo., 08.08.2011, 23:14

Kehrusker hat geschrieben: Ishtar schrieb:
Das Ich versucht diese Erfahrungen immer wieder in ihr Konstrukt einzubauen und einzuordnen um sich seines Ichs immer wieder neu zu vergewissern.

Das Ich vergewissert sich also immer wieder seines Ichs. Hä?!?
ich seh da ganz genau so. Das "ich" ist eine äußerst fragile Identität, die fortlaufend gestützt werden muss - wie die Krücken auf Dalis Bilder - weil sonst droht unsere Identität auseinanderzufallen. Wir konsumieren Medien, schauen uns Bilder an, Model-Bilder, Götzenbilder, Produktbilder, wir kaufen und identifizieren uns über den Konsum. Alles das dient der fortwährenden Stabilisierung der "Identität", oder dessen wir oft so einfach mit "ich" bezeichnen. Sonst würde es schnell auseinanderfallen. Ich sehe es an mir selber, ich bin zur Zeit aus dem Konzept "Arbeitsgesellschaft" herausgefallen, plötzlich hab ich kein nicht mehr dieses fleißige "ich", ich suche mir andere Beiträge aus den Medien aus, lese oder schaue andere Berichte, kremple meine Identität um. Ich bin ein anderer.

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elisabeth maria
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Beitrag Di., 09.08.2011, 03:45

Ishtar hat geschrieben:Mal eine philosophische Frage in die Runde geworfen: Was oder wer ist das Ich? Gibt es das Ich überhaupt als Instanz oder ist es nicht vielmehr eine lebenslange etablierte und gesellschaftlich anerkannte Wahnvorstellung unter der wir leiden?
hallo ishtar, ich seh das so, sobald ein kind sich selbst im spiegel erkennen kann spricht es vom "ich". mit ca. 1,4 jahren versucht es seinen namen dem spielgelbild zu geben, aber dann mit ca. 1 1/2 jahren spricht der mensch sehrwohl vom "ich" und "du" in der anrede. je nach entwicklungsstand des kindes in der sprache, macht es sehr eindeutig klar, was das "ich bitte" und "nein du" = wenn es etwas nicht tun möchte. (jedenfalls beobachte ich diese entwicklung als großmutter wesentlich bewußter, als als junge mutter damals)

nun gilt es dieses kleine selbstbewußtsein zu behüten und begleiten dieses "ich" - als erste selbsterkenntnis. (das noch unverdorbene "ich", das sich nicht über medien, konsum oder freunde/partner, einen status identifiziert)

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sofa-held
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Beitrag Di., 09.08.2011, 10:43

Der "Großmeister" der Spiegelphase wurde Lacan.
Ich hab geschaut, ob ich im Web was find, und fand mal dies, aus "Identität und Ideal
Zur Ich-Bildung in der Psychoanalyse" von einer Ann-Kathrin Keller:
In der Ankündigung zum Seminar fesselte mich der Satz: Identität ist kein Ding.
Was Identität denn sei, fragte ich mich, und fand nach der Lektüre von Lacans Text über das Spiegelstadium, dass es sich dabei wirklich keineswegs um ein Ding, sondern vielmehr um eine Fiktion handeln muss. Lacan beschreibt in seinem Text, wie sich das Subjekt über sein Spiegelbild konstituiert und dabei einer Täuschung unterliegt. Das Kleinkind antizipiert sich auf ein Ideal hin und nimmt eine Macht vorweg, die es nie haben wird - schon gar nicht in diesem frühen Stadium seiner Entwicklung, in dem es motorisch unterentwickelt und abhängig von elterlicher Pflege und Fürsorge ist. Gerade diese Bedürftigkeit des Menschen als Nicht-Tier, seine vorzeitige Geburt, schafft die Not und Notwendigkeit eines überhöhten Ideal-Ich. Was aber zunächst hilfreiche Verdeckung eines Mangels ist, kann sich zu einem Panzer verhärten, in dem es für das Subjekt keine Entwicklungs-möglichkeiten und Spielräume mehr gibt. Das Subjekt hängt dann an seinem Ideal-Ich, es klebt daran fest, wird davon eingeengt. Dieses Verhaftetsein im Imaginären des Spiegelstadiums muss aufgelöst werden; bei Lacan geschieht das über die Vorbildfunktion des Vaters, beziehungsweise eines Dritten, der die narzißtische Versagung erträglich macht, indem er sie versprachlicht und damit ins Symbolische einschreibt. Wie in Freuds Geschichte eines kleinen Jungen, der im Spiel mit einer Garnspule das Weggehen und Wiederkommen seiner Mutter repräsentiert, ermöglicht auch die Sprache das Spiel von An- und Abwesenheit.
Identität ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens auch als ein Spiel zu begreifen, als Rollenspiel, dem allerdings bestimmte Regeln zugrunde liegen - wie jedem Spiel. Diese Regeln sind die jeweiligen kulturellen Gesetzmäßigkeiten und die damit verbundenen Bilder, beziehungsweise Vorbilder. Elisabeth Bronfen fordert dazu auf, sie als das zu erkennen, was sie sind: ,,Symbolische Fiktionen, die zwar notwendig aber nicht allumfassend und ausschließlich sind, und mit deren Regeln man demzufolge am besten spielerisch umgehen sollte".

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Passat
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Beitrag Di., 09.08.2011, 11:59

Hallo sofa-held,
sofa-held hat geschrieben: ich suche mir andere Beiträge aus den Medien aus, lese oder schaue andere Berichte, kremple meine Identität um. Ich bin ein anderer.
Das finde ich äusserst interessant. Und es zeigt auch, dass uns ständig irgendetwas entgeht, je nachdem worauf unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist.

Wenn wir aufgrund unserer Lebenslage plötzlich andere Dinge, andere Informationen, andere Reize an uns heranlassen - und die gewohnten nicht mehr - dann sind wir doch nicht gleich andere Menschen. Wir sind eben vielfältig, können jedoch nie alles gleichzeitig aufnehmen. Gegenwärtiges Interesse reguliert die Selektion der Eindrücke.
"Alles entsteht durch den Konflikt" (Heraklit)

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Ishtar
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Beitrag Di., 09.08.2011, 13:58

sofa-held hat geschrieben:Alles das dient der fortwährenden Stabilisierung der "Identität"
Dein Beitrag zeigt wie wir alle ticken. Denn die "Identität" entsteht erst über die Identifizierung mit Erfahrungen, Dingen usw. Daher meine ich auch, dass das Ich zwar als die Instanz in uns selbst empfunden wird, aber in Wahrheit keine Instanz ist, sondern ein Konstrukt, welches auf wackeligen Beinen steht.
Identität ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens auch als ein Spiel zu begreifen, als Rollenspiel, dem allerdings bestimmte Regeln zugrunde liegen - wie jedem Spiel. Diese Regeln sind die jeweiligen kulturellen Gesetzmäßigkeiten und die damit verbundenen Bilder, beziehungsweise Vorbilder. Elisabeth Bronfen fordert dazu auf, sie als das zu erkennen, was sie sind: ,,Symbolische Fiktionen, die zwar notwendig aber nicht allumfassend und ausschließlich sind, und mit deren Regeln man demzufolge am besten spielerisch umgehen sollte".
Besonders den letzten Satz finde ich nachdenkenswert.

Hallo Elisabeth Maria,

Bei Deiner Beschreibung fällt mir der interessante Zusammenhang zwischen der Ich-Entstehung und der Sprachbildung ein, die wahrscheinlich sehr eng miteinander verwoben sind.

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sofa-held
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Beitrag Di., 09.08.2011, 20:48

Kehrusker hat geschrieben:Wenn wir aufgrund unserer Lebenslage plötzlich andere Dinge, andere Informationen, andere Reize an uns heranlassen - und die gewohnten nicht mehr - dann sind wir doch nicht gleich andere Menschen. Wir sind eben vielfältig, können jedoch nie alles gleichzeitig aufnehmen. Gegenwärtiges Interesse reguliert die Selektion der Eindrücke.
Klar, aber dennoch, wenn wir die Selektion der Eindrücke von außen verändern, dann verändern wir uns selbst auch. Vielleicht stärker als uns lieb ist. Wenn wir einige Zeit auf dem Mond leben würden, keine Häuser und Straßen, keine Mitmenschen, keine sozialen Klassen, keine iPhones und keine Mode mehr sehen würden, dann würde sich auch in uns etwas verändern. Was uns wichtig ist, würde sich verschieben. Und das ist nichts anderes, als eine andere Identität zu haben.
Was aber zunächst hilfreiche Verdeckung eines Mangels ist, kann sich zu einem Panzer verhärten, in dem es für das Subjekt keine Entwicklungs-möglichkeiten und Spielräume mehr gibt.
Die Theorie mit dem Panzer fasziniert mich am meisten an Lacans Theorie. Seiner Theorie nach wird die Härte des Spiegels, den das Kind ja berührt über die Erfahrung des eigenen weichen Körpers darüber gelagert und wird so Teil des Körperbildes.
Jetzt könnte man fragen, wozu soll solches Wissen gut sein? Die Film-Theoretiker lieben das Ich muss da z.b. an Transformers denken, diese Monster mit ihren harten, blanken Oberflächen...
Und was das jetzt mit Gott zu tun? Keine Ahnung....

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Nitrat
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Beitrag Mi., 10.08.2011, 11:13

persönlich glaube ich (hüstel!) eher, dass das Ich existiert und keine
Illusion ist. Was es wirklich ist (der Funke des Göttlichen? oder die
Sünde des Abgetrenntseins?) kann man glaube ich erst beurteilen, wenn man
klar sieht.
Doch klar sieht man heute kaum noch, weil überall Verunreinigung hochgewirbelt wird.

Der Mond vielleicht??? (still, klar, luftleer........, staubig, tot)
auch nicht so richtig.
eher was Pelagiales


oder sind wir doch der Staub in unseren Lungen? (hüstel)

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