Ist Psychotherapie eine Heilmethode? (aus: Emot.Entt.)

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MinaM
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Beitrag So., 18.01.2009, 09:48

@StefanM
Das es einen Missstand in der PT gibt, darüber sind wir uns anscheinend einig.
Was folgt daraus? Soll man jetzt an das ganze Konzept der PT einen Griff dranschweißen,
Was man daraus folgert, bzw. wie viel Hilfe man noch von Therapie erwarten kann, muss jeder für sich selbst entscheiden. Jeder muss selbst einschätzen, wie groß der Missstand wohl ist.

Für mich persönlich ist die PT schon in ihren Fundamenten brüchig. Dass heißt ihre Theorien, Methoden letztlich ungeprüft. Das würde bedeuten dass auch "gut" arbeitende Therapeuten, also die mit den allerbesten Absichten zur Hilfe, Schiffbruch erleiden müssen, wenn es an der Methodik liegt, die nichts taugt.
Ich denke durchaus, dass da draußen vielleicht irgendwo doch ein Therapeut ist, der tatsächlich bei meinen Problemen vielleicht die richtigen Worte findet oder etwas empfiehlt das hilfreich ist.
Aber ich habe keine Lust, diese "Nadel im Heuhaufen" zu suchen.
Und in der ersten Probestunde ist es meist noch nicht wirklich ersichtlich, ob man mit den Therapeuten und die Therapie gut arbeiten kann. Das ist nur bei extrem negativen ersten Eindrücken der Fall, dass man gleich für sich feststellt: "zu dem/der gehe ich bestimmt nicht mehr". In der Regel stellt man erst nach mehreren Stunden fest, dass man nicht auf dem richtigen Weg ist oder so nicht weiterkommt.
Man muss ja auch bedenken, dass dieses ständige Suchen und Abklappern von Therapeuten auch Kraft und Energie kostet. Dieses sich ständig gegen die Meinungen und Interpretationen der einzelnen Therapeuten zur Wehr setzten und sich abgrenzen, da ist doch auch viel Energie drin gebunden.
Und da meine ich (und das ist jetzt mein persönlicher Entschluss) diese Enerige werde ich lieber sinnvoller für mich selbst nutzen. Und mich im Übrigen so und so nicht mehr für PT interessieren, sondern mich umso mehr den anderen Dingen des Lebens voll zuwenden. Hier sehe ich diese Energie viel sinnvoller eingesetzt. Außerdem bin ich nicht der Meinung, dass ich ohne PT meine Probleme nicht in den Griff bekommen könnte. (Das ist ja auch so ein Punkt, dass Viele denken ohne PT sind sie verloren und stehen ihren Problemen hilflos und schutzlos gegenüber - aber gut, auch das muss jeder für sich seblst entscheiden)

lg
MinaM
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max35
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Beitrag So., 18.01.2009, 11:35

@Stefan

Mina hat mir mit ihrem ersten statement sehr viel Tipparbeit erspart, ich hätte es genauso beantwortet.

Und wenn Du meine Meinung auf die Frage hören willst, ob man PT so überhaupt fortführen soll:

Grundsätzlich ja - vor allem in diesem pseudowissenschaftlichen Rahmen.
Wenn sich dagegen jemand wissentlich einer unwissenschaftlichen Therapie ganz bewußt aussetzten will, so ist das seine Entscheidung.
Was ich aber an der Sache eben am schlimmsten finde ist, daß die wissenschaftliche Flagge aufgezogen wird, sodaß man sie auch noch in 1000 km sehen kann und im Prinzip nichts wissenschaftliches dahinter steht.
Das ist dann für mich nämlich nichts anderes, wie wenn eine Pharma-Firma Placebos verkauft und mit einer Wirkung bewirbt. Hier ist das aber nicht möglich, weil es eben Kontrolle gibt.

Einen interessanten link habe ich vor kurzem auch zum PT-Beirat in Österreich gefunden.
Interessant ist nämlich, wie dort Meinungen und Gutachten zustande kommen:

http://diepresse.com/home/gesundheit/37 ... elChannel=

Da wundert mich gar nichts mehr - was das mit Wissenschaftlichkeit zu tun haben soll, weiß ich beim besten Willen nicht. Das erinnert mich eher an einen Kindergarten.
Zuletzt geändert von max35 am So., 18.01.2009, 12:42, insgesamt 1-mal geändert.

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max35
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Beitrag So., 18.01.2009, 12:26

Jenny Doe hat geschrieben: Man kann klienten nicht ihre subjektive Wahrnehmung absprechen - weder denen,denen eine Therapie geholfen hat noch denen, denen sie nicht gehlolfen hat.
Meiner Meinung nach geht es hier keinem einzigen darum, irgendjemand etwas abzusprechen.
Das würde auch keinen Sinn ergeben.
Jenny Doe hat geschrieben: Falsch wäre aber der Schluss: Therapie kann nicht helfen, weil wissenschaftlich nicht bweifelsfrei belegt werden kann, dass sie hilft.
In diesem Punkt unterscheiden wir uns, weil ich diesen Schluß wissenschaftlich nicht nur für zulässig, sondern sogar für absolut notwendig halte.

Wenn ich bei einem Arzneimittel in diversen Studien nicht zweifelsfrei eine Wirkung feststelle, dann muß ich davon ausgehen, daß es nicht wirkt. Weil ich kann ja nicht auf Basis einer potentiell doch vorhandenen Wirkung ein Medikament auf die Menschheit loslassen.
Mit anderen Worten: Wenn wissenschaftlich nicht zweifelsfrei belegt ist, daß es wirkt, dann ist damit im Umkehrschluß auch bewiesen, daß es nicht wirkt.
Ich meine, wo würde denn in einer Studie, welche Wirkung nachweisen soll und einer Studie, die nicht-Wirkung nachweisen soll, methodisch der Unterschied sein ? Ich kenne keine einzige Studie, in der man versucht, eine Nicht-Wirkung nachzuweisen. Vielmehr ist Wirkung oder nicht-Wirkung Ergebnis ein und derselben Studie. Es kann eben nur A oder B rauskommen - Wirkung oder keine Wirkung.
Und ich glaube, es ist diese Eindeutigkeit, mit der die PT so ihre Probleme hat, weil man sich meinem Eindruck nach sehr wohl daran fühlt, daß eben nichts eindeutig ist - und das soll möglichst so bleiben.
Wann immer man Fakten fordert, wird einem heiße Luft geliefert.
Und da es momentan keine einzige Studie gibt, die für mich als Beleg zulässig ist, wirkt Therapie für mich nicht.

Was nicht heißt, daß ich irgendjemand etwas abspreche - wie es zustande kam ist für den Betreffenden ja egal. Nur für die Wissenschaft ist es das eben nicht.

Ich nenne Dir noch ein anderes Beispiel aus der Wissenschaft: Arzneimittelnebenwirkungen

Wenn eine Firma eine Arzneimittelnebenwirkung erhält, dann muß der Zusammenhang mit den eingenommenen Arzneimitteln bewertet werden. Hierzu werden u.a. zeitliche Zusammenhänge und medikamentöse Zusammenhänge herangezogen (wann ist es aufgetreten ? wie lange wurde da das AM schon eingenommen ? Was wurde noch wann eingenommen ? Was passierte nach Absetzen oder Wiederaufnahme der Einnahme ? etc. etc. )
Wie auch immer - der Punkt ist folgender: Wenn NICHT zweifelsfrei feststeht, daß es einen Zusammenhang gibt, dann MUSS man davon ausgehen, daß es einen gibt, weil man immer vom "worst case" ausgehen muß.
D.h. wenn Du so willst: Auch Unklarheit reicht als Beweis, daß es einen Zusammenhang für eine unerwünschte Nebenwirkung gibt.
Und jetzt frage ich mich schon: Warum soll dieses Prinzip für die PT nicht gelten ? Wo ist da der Unterschied zwischen einem Antidepressivum und einer Depressions-PT ?

Und ehrlich gesagt bekomme ich immer mehr das Gefühl, daß die PT schon mit den Grundprinzipien der anderen Wissenschaften so ihre Probleme hat. Und das liegt vermutlich daran, daß die eigene Wissenschaft (wenn man sie nun als solche sieht) im Grunde keinerlei Regeln unterworfen ist.
Und das Ergebnis, was dabei herauskommt ist ein Mix aus allem. Ein bißchen aus der Psychologie, ein bißchen aus der Medizin - und schon haben wir einen zusammengebastelten "Nachweis".
Und wozu auch Regeln beachten, wenn man sich auch so durchwurschteln kann ?

Meiner Ansicht nach gibt es nur 2 Möglichkeiten:
a) Entweder die PT versucht erst gar nicht wissenschaftlich zu sein und gibt diesen Anspruch auf
b) oder sie versucht wissenschaftliche Nachweise zu erbringen - dann muß sie allerdings auch akzeptieren, daß es dafür Regeln gibt.

Was jedenfalls nicht funktionieren wird ist IRGENDwelche Studien zu fabrizieren, die IRGENDetwas aussagen.

Das Wischi-Waschi, was jetzt größtenteils passiert hilft nämlich in Wahrheit auch niemand weiter.
Der PT nicht, den Therapeuten nicht und den Klienten schon gar nicht. Und es wirft mehr Fragen auf, als es löst.


Jenny Doe
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Beitrag So., 18.01.2009, 14:49

Hallo Max,
In diesem Punkt unterscheiden wir uns, weil ich diesen Schluß wissenschaftlich nicht nur für zulässig, sondern sogar für absolut notwendig halte.
Wir unterscheiden uns nicht in der Meinung. Ich versuche hier nur mal wissenschaftlich und subjektiv auseinander zu halten, sonst reden wir hier nicht nur ständig aneinander vorbei, sondern drehen uns zudem nur noch im Kreis. Denn hier wird aus völlig unterschiedlichen Perspektiven argumentiert.

Das ist die wissenschaftliche Ebene, die Du da ansprichst. Da bin ich mit dir einer Meinung bin. Ich finde es nicht minder verantwortungslos, dass Theorien und Methoden ungeprüft Einzug in die therapeutischen Praxen finden. Wenn nicht bewiesen ist, dass eine Methode hilft, dann ist nicht bewiesen, dass eine Methode hilft und Punkt. Ob einzelne sagen, "mir hilft das aber" steht auf einem anderen Blatt; wissenschaftlich ist es nicht bewiesen. Im Einzelfall mag es helfen, doch das ist keine Rechtfertigung für Therapeuten, das, was im Eizelfall hilft, bei allen klienten anzuwenden. Wenn es einem Klienten hilft, wenn der Therapeut an dessen Träume ruminterpretiert, dann ist das keine Rechtfertigung dafür, das, was einem Klienten hilft bei allen anzuenden.

Dennoch kann Therapie auch helfen, so wie der Rat eines Freundes helfen kann, dieses Forum helfen kann usw. Und diese Form der Hilfe ich nicht wissenschaftlich belegt. Trotzdem hilft es.

In diesem Thread muss einiges mehr differentiert werden.

Du kannst nicht pauschal sagen, "Therapie kann nicht helfen, weil die Methoden nicht wissenschaftlich fundiert sind", denn Therapie besteht nicht nur aus Methoden. Ich bezweifle, dass alle Klienten wissen, was von dem, was der Therapeut im Einzelnen tut, eine therapeutische Methode ist und was "nur" eine Beraterfunktion hat. Vielleicht hat der Therapeut ja auch gar keine therapeutischen Methoden angewandt, sondern "nur" beraten? Das alles kann man nicht überprüfen, da hier keiner weiß, wie es in den einzelnen Therapie abläuft. Wenn Klientenn sagen "Mir hilft die Therapie", dann ist das ihre Wahrnehmung und die stimmt für sie so. Was geholfen hat, das weiß hier keiner, genausowenig wie hier keiner wissen kann, ob überhaupt therapeutische Methoden angewandt wurden (und wenn ja, welche), oder "nur" Hilfestellung geleistet wurde.
Meine Therapeutin ist mit Methoden sehr sparsam umgegangen. Sie hat immer genau geguckt, wann überhaupt ein "therapeutischer Eingriff" notwendig ist, und wann eine "einfache Beratung" ausreicht. Vielleicht ist es das, was mir geholfen hat.

Viele Grüße
Jenny
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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max35
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Beitrag So., 18.01.2009, 15:52

Jenny Doe hat geschrieben: Dennoch kann Therapie auch helfen, so wie der Rat eines Freundes helfen kann, dieses Forum helfen kann usw. Und diese Form der Hilfe ich nicht wissenschaftlich belegt. Trotzdem hilft es.
Ich finde, dieser Satz zeigt die ganze Diskrepanz auf, vor der wir stehen.

Ich finde schon, daß wir uns da unterscheiden. Denn ich bin der Meinung, man kann nicht postulieren "Therapie kann helfen" wenn man nicht den geringsten Beweis dafür hat und nur eine subjektive Aussage dazu im Raum steht.
Und daß es Therapie heißt und nicht etwa Beratung oder Meinungsaustausch habe ja nicht ich erfunden, sondern nimmt sie selbst für sich in Anspruch. Für Beratung oder Meinungsaustausch brauche ich ja auch keinen wissenschaftlichen Nachweis und ich bin geneigt zu sagen - dafür brauche ich auch nicht diese Form von aufgeblasener PT, weil den kann ich auch "vom Menschen nebenan" bekommen.
Weil dann müßte man nur hergehen und offiziell sagen (manche PTs machen ja auch neben PT Beratungen): "So wir machen eine Beratung oder ein Gespräch - wir haben aber keine Ahnung, was dabei herauskommt". Nur mit so einer Information geht ja kein Mensch an eine PT heran. Bevor ich jedenfalls in meiner erste Therapie ging, bin ich schon davon ausgegangen, daß dies alles wissenschaftlich fundiert ist und das hat man nicht nur einmal versucht herauszustreichen.
´
Jenny Doe hat geschrieben: Du kannst nicht pauschal sagen, "Therapie kann nicht helfen, weil die Methoden nicht wissenschaftlich fundiert sind", denn Therapie besteht nicht nur aus Methoden.
Für die Therapie kann ich das schon so pauschal sagen - warum habe ich ja schon erläutert. Was sollte denn an einer Therapie wissenschaftlich sein, wenn nicht die Methodik ?
Oder anders gefragt: Was unterscheidet eine Therapie dann z.B. von Beratung oder ähnlichem ?
Jenny Doe hat geschrieben: Ich bezweifle, dass alle Klienten wissen, was von dem, was der Therapeut im Einzelnen tut, eine therapeutische Methode ist und was "nur" eine Beraterfunktion hat.
Worin ich ja eben genau eines der Probleme sehe, weil man kann einen "Kaffeehausklatsch" (sorry wegen der negativen Bezeichnung, aber vielfach hat sie ja genau das etabliert) eben m.M. nach nicht als wissenschaftlich fundierte Therapie deklarieren.
Jenny Doe hat geschrieben: Vielleicht hat der Therapeut ja auch gar keine therapeutischen Methoden angewandt, sondern "nur" beraten ? Das alles kann man nicht überprüfen, da hier keiner weiß, wie es in den einzelnen Therapie abläuft.
Das ist ja auch eines der Probleme, daß kein Mensch weiß, was in einer Therapie abläuft.
Es ist ja nicht einmal sichergestellt, daß der Therapeut eine von den "tollen" anerkannten Methoden anwendet, insofern ist die Anerkennung eigentlich schon aus dieser Sicht völlig wertlos. Wert hat sie im Grunde nur für die PT selbst, denn die darf das Wort "anerkannt" in den Mund nehmen.
Können täte man es übrigens schon, nämlich indem der Therapeut z.B. ein Protokoll darüber führen muß, was er methodisch gemacht hat (oder eben nicht methodisch gemacht hat), in das man jederzeit Einsicht nehmen kann und als Klient bestätigen muß. Und dies sollte dann auch von unabhängiger Seite überprüft werden. Das hätte auch den angenehmen Nebeneffekt, daß man evaluieren könnte, was nun hilfreich ist und was nicht bzw. was eventuell sogar höchst problematisch ist.
Jenny Doe hat geschrieben: Meine Therapeutin ist mit Methoden sehr sparsam umgegangen. Sie hat immer genau geguckt, wann überhaupt ein "therapeutischer Eingriff" notwendig ist, und wann eine "einfache Beratung" ausreicht. Vielleicht ist es das, was mir geholfen hat.
Nun - was es war, werden wir hier wohl nicht herausfinden und ist für Dich selbst auch relativ egal.
Ich füge noch hinzu, daß es auch eine Methode gewesen sein könnte, die heute kein Mensch für wirksam hält (leider auch eine Vorstellung, die in der PT inexistent ist, denn dafür müßten ja alle existierenden Methoden hinterfragt werden).

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Beitrag So., 18.01.2009, 15:55

Guten Tag,

ich darf mich ebenfalls kurz zu dem Thema äußern, obwohl ich gestehen muss keinerlei persönliche Erfahrung mitzubringen und bei weitem nicht alle Postings dieses Threads las. Folglich bitte ich um Nachsicht, falls folgendes bereits geschrieben wurde, oder ich einfach kompletten Unsinn von mir gebe.

Mich interessiert die prinzipielle Fragestellung: Ist Psychotherapie eine Heilmethode?

Zunächst möchte ich die Einschränkung auf Psychotherapie aufheben und die Frage allgemeiner stellen sowie zu der Basis der Psychotherapie kommen. Also: Kann die Psychologie die Basis einer Heilmethode sein?

Diese Frage ist ebenfalls noch sehr exakt, lässt aber zumindest allgemeine Differenzierungen zu. So kann ich nun diese Frage aus wissenschafs- und erkenntnistheoretischer Sicht angehen sowie unter pragmatischen Aspekten betrachten. Dies sind in diesem Fall auch die Differenzierungen die plausibel vorgenommen werden können, sofern die Fragestellung nicht noch diffiziler wird.

Nun, aus wissenschafts- und erkenntnistheoretischer Sicht ist die Frage, ob die Psychologie die Basis einer Heilmethode sein kann irrelevant. Hier geht es nur darum festzustellen, ob die Paradigmen der Psychologie, nach diversen Schlussfolgerungsmechanismen, der formalen Logik, etc., konsistent sind. Die Paradigmen sind bis dato mehrheitlich als nicht konsistent ausweisbar, da permanent Regress-Stopper etc. zum Einsatz kommen.

Pragmatisch betrachtet ist jede Kritik am wissenschaftlichen Fundament der Psychologie irrelevant. Zumindest, solange auf diesem Fundament noch ein Haus errichtet werden kann. Wenn man einem Leidensdruck ausgesetzt ist und daher meistens recht motiviert ist diesen Leidensdruck zu mindern, dann sucht man zumeist Hilfe. Hier gibt es also einen Willen den Leidensdruck zu mindern. Wenn nun Hilfe in Anspruch genommen wird, dann hat man ja meistens die Erwartung, dass diese Hilfe auch auch effektiv ist. Wenn man also daran glaubt, dass etwas hilft, dann wird man sich, zumindest in den meisten Fällen, nach beanspruchter Hilfe besser fühlen, und wenn man sich besser fühlt, wenn auch nur kurzfristig, dann ist es auch ziemlich egal warum. Hauptsache besser als vorher.

Fazit: In der Theorie besteht so gut wie keine induktive Wissenschaft eine kritische Prüfung. In der Praxis kommt es allein auf das Ergebnis an, vorallem dann, wenn dieses Ergebnis nur einer subjektiven Prüfung standhalten muss.

Mit freundlichen Grüßen

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MinaM
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Beitrag So., 18.01.2009, 16:22

Hallo III,
Wenn man also daran glaubt, dass etwas hilft, dann wird man sich, zumindest in den meisten Fällen, nach beanspruchter Hilfe besser fühlen, und wenn man sich besser fühlt, wenn auch nur kurzfristig, dann ist es auch ziemlich egal warum. Hauptsache besser als vorher.
ein Beispiel: Ein Patient mit Bluthochdruck, bekommt ein Medikament dass darauf getestet werden soll, ob es blutdrucksenkend wirkt. Der Patient gibt an er fühlt sich nach Einnahme des Medikaments wohler oder besser, nach einer Blutdruckmessung stellt sich aber heraus dass es an den Bluthochdruck nichts geändert hat. Aber Super! Patient sagt doch er fühlt sich wohler. Also weiter verabreichen und gleich Zulassen.


Nein, was ich sagen will, für Wissenschaftlichkeit ist höchstmögliche Objektivität notwendig. Subjektive Aussagen wie, "es geht mir besser" reichen da nicht aus. Auch bei psychischen Problematiken kann man vieles objektiv bewerten.

Wenn du @Jenny geschrieben hast, du konntest vorher nicht Zugfahren und andere Dinge, aber nach der Therapie konntest du es. Dann ist das etwas Objektives dass sich feststellen lässt. Vorher gings nicht - nacher gings.
Wenn eine andere Klienten mit gleicher Problematik sagt, es geht ihr besser, aber sie kann auch nach der Therapie nicht Dinge machen, die sie vorher nicht konnte, dann würde ich sagen an ihrer Problematik hat sich nichts geändert.

lg
MinaM
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Jenny Doe
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Beitrag So., 18.01.2009, 17:15

Hallo Max,
Und daß es Therapie heißt und nicht etwa Beratung oder Meinungsaustausch habe ja nicht ich erfunden, sondern nimmt sie selbst für sich in Anspruch.
Deswegen habe ich ja oben die Frage aufgeworfen, wann (bei welchen Störungen, Symptomen, ...) Therapie durch eine andere Form der Hilfe ersetzt werden kann.
Weil dann müßte man nur hergehen und offiziell sagen (manche PTs machen ja auch neben PT Beratungen)
Irgendwo habe ich gelesen, dass Therapeuten angehalten werden, mehr Beraterfunktion zu übernehmen. Leider weiß ich nicht mehr wo.
ich bin geneigt zu sagen - dafür brauche ich auch nicht diese Form von aufgeblasener PT, weil den kann ich auch "vom Menschen nebenan" bekommen.
Auch da gebe ich dir Recht, ... doch nicht jeder hat einen Menschen von nebenan. Wenn alle Traumaopfer von ihrer Umwelt aufgefangen werden würde, gäbe es nur halb so viele Traumaopfer,die einen Therapeuten brauchen. Wenn in unserer Gesellschaft das Thema "Falsche Erinnerungen" nicht so ein Tabuthema wäre, wie es ist, dann hätte ich meine letzte Therapie vermutlich gar nicht gebraucht, ...
Was unterscheidet eine Therapie dann z.B. von Beratung oder ähnlichem ?
Ich denke dabei gerade (Fürs Protokoll "Jenny schreibt gerade etwas Persönliches) an meine analytische Therapie, die stur nach ihrer Methode arbeitete und überhaupt nicht überprüfte, ob ich überhaupt derartige therapeutische Maßnahmen brauche. Und ich denke dabei gerade an meine derzeitige Therapeutin, die nicht stur nach therapeutischen Methoden arbeitete. Ich habe meine letzte Therapie ja begonnen, weil mir in der PA falsche Erinnerungen und die Multiple Persönlichkeitsstörungen induziert wurde. Ohne jetzt ins Detail zu gehen (das gehört nicht zum Thema hier): Falsche Erinnerungen sind ein echtes Trauma und können eine PTBS zur Folge haben. Unter diesen Folgeschäden litt ich, als ich die Praxis meiner Therapeutin betrat. Sie zog bei mir eine Tramabehandlung in Betracht, entschied sich dann aber dagegen, weil sie merkte, dass mir diese aufgrund meiner therapeutischen Vorgeschichte, nicht gut tun würde. Sie verzichtete also auf therapeutische Methoden und legte den Schwerpunkt darauf, mich dabei zu unterstützen, mein Leben wieder in den Griff zu kriegen, mein Studium wieder aufzunehmen usw. Hätte sie stur nach irgendwelchen therapeutischen Methoden gearbeitet, hätte sie mir vermutlich geschadet. Ich bin froh, dass sie es nicht getan hat. Bei anderen Themen, wie die Angststörung, da hat sie therapeutische Methoden angewendet. Worauf ich hinaus möchte: Zu Beginn der Therapie war überhaupt nicht klar, was ich brauche. In der Regel ist Traumaopfern nicht damit geholfen, sie nur in eine Beratungsttelle zu schicken. Und, bei mir fand ja beides Anwendung: therapeutische Methoden und "Beratung" Es hätte mir nicht gut getan, das eine bei ihr, das anderen bei dem, das ditte bei jenem, ... bearbeiten zu lassen und jedem meine Geschichte erzählen zu müssen, damit mir auch alle (Berater, Therapeutin, ...) helfen können. Ich bin froh, dass man beides unter einem Dach findet.
Als "Kaffeehausklatsch" würde ich das nicht bezeichnen. wir saßen da nicht bei Kaffee und Kuchen rum und redeten über das Wetter. Es ging konkret um Dinge, wie ich sie angehen kann, wie ich die Hürden beseitigen kann. Das war Arbeit im hier und Jetzt, ohne auf Symptomen oder so rumzureiten.
Es ist ja nicht einmal sichergestellt, daß der Therapeut eine von den "tollen" anerkannten Methoden anwendet, insofern ist die Anerkennung eigentlich schon aus dieser Sicht völlig wertlos.
Da fehlt die Kontrolle der Therapeuten, von denen ja auch gerne der ein oder andere seine Hellinger-Methode einfließen lässt.
Ich füge noch hinzu, daß es auch eine Methode gewesen sein könnte, die heute kein Mensch für wirksam hält
Genau darauf wollte ich hinaus.

Viele Grüße
Jenny
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max35
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Beitrag So., 18.01.2009, 21:14

Jenny Doe hat geschrieben:
Ich füge noch hinzu, daß es auch eine Methode gewesen sein könnte, die heute kein Mensch für wirksam hält
Genau darauf wollte ich hinaus.
Ich glaube, in diesem Punkt treffen wir uns wieder.

Zudem habe ich mit Interesse Deinen Bericht über Deine Therapie/Beratung gelesen.
Ich weiß gar nicht, ob dahinter so wenig Methodik steckt.
Methodik muß ja nichts komplexes an sich haben, um als Methodik zu gelten (so kommt es mir aber in der PT manchmal vor - man bläst etwas simples zu etwas auf, was man viel einfacher angehen könnte) und vor allem es muß nichts mit dem zu tun haben, was heute als PT-Methodik gilt. Die Hauptsache ist ja immer noch, daß sie wirkt und nicht, daß sie hochkomplex klingt. Und für die Klienten ist Transparenz und Einfachheit sowieso eine gute Sache.
Gerade deshalb glaube ich auch, daß man bei einer solchen Therapie auch relativ gut herausfinden könnte, ob sie nun wirkt oder nicht - ob sie irgendeiner bestimmten Therapierichtung entspricht spielt dabei jedenfalls für mich keine Rolle. Man könnte aber eine daraus machen.

Was mich noch interessieren würde:
Was ist eigentlich die hier oft zitierte "Hellinger - Methode" ?


Jenny Doe
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Beitrag Mo., 19.01.2009, 00:32

Hallo Max,
Ich weiß gar nicht, ob dahinter so wenig Methodik steckt.
Es ist durchaus auch eine Methodik zu sagen, "ich verzichte auf therapeutische Methoden"; da hast Du Recht. Aber Deiner Definition von Therapie nach wäre es nicht ihre Aufgabe gewesen, sich z.B. schlau zu machen, wie ich trotz der Studiengebühren mein Studium wieder aufnehmen kann oder mir dabei zu helfen, dass ich jetzt in naher Zukunft in eine andere Stadt ziehen kann oder mir Tipps zu geben, wie ich als EU-Rentnerin ohne Geld, an eine neuen Kühlschrank kommen kann. Aber eben dadurch, dass sich sich damit beschäftigt hat, konnte sie mir aufzeigen, dass es Wege gibt, mein Leben wieder aufzubauen. Aber all diese Dinge an sich kann man nicht als therapeutische Methode ansehen, sondern eher als "Beratung". Doch der Verzicht auf therapeutische Methoden wie z.B. eine Traumamethode, war in meinem Fall clever.
Es gab also beides in meiner Therapie, und das hat sie wirksam werden lassen. Ich hatte all diese Dinge (und noch viele mehr) nicht mehr auf die Beine gekriegt, weil ich nur noch Berge und Hürden sah. Schlussendlich hat sie mir mit dieser direkten praktischen Unterstützung dabei geholfen, aus der Depression rauszukommen. Andere Therapeuten hätten Stunden darin investiert, an den Symptomen rumzubasteln und nach einem Schuldigen zu suchen, sie hat mir konkret im Hier und Jetzt geholfen, das zu beseitigen, was meinem Glück im Wege steht. Es war also eine Mischung aus therapeutischen Methoden und "Beratung", wie ich sie auch woanders (z.B. im Studentensekretariat) hätte finden können. Aber eben diese Kopplung aus beidem war bei mir das, was geholfen hat.
Was ist eigentlich die hier oft zitierte "Hellinger - Methode" ?
Eine fatale "Therapiemethode", die sich der Familienaufstellung bedient, und z.B. Klienten die Ursache für ihre Probleme bei ihren Ahnen suchen lässt, gleichgültig, ob sie diese überhaupt kennen oder ob diese längst verstorben waren, als sie zur Welt kamen. Dieser Hellinger Methoden bedienen sich zahlreiche kassenzugelassene Psychotherapeuten, obwohl die Hellinger Methoden fernab von einen kassenzulassung sind. Recherier mal im Internet über Hellinger. Da dreht sich einem der Magen rum.

Viele Grüße
Jenny
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Taffi
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Beitrag Mo., 19.01.2009, 00:36

@Mina & max

Noch mal was Wissenschaftliches, hauptsächlich für euch, die ihr ja beide so erpicht auf ganz konkrete und überprüfbare Methoden seid, mit deren Hilfe ganz bestimmt und eindeutig ein bestimmtes Ziel in der PT erreicht werden kann.
Ich zitiere mal ein bisschen aus dem Buch "Methoden der Sozialen Arbeit"; die Profession ist sich offenbar der Schwierigkeit der Methodisierbarkeit des Handelns in diesem Kontext (also Arbeit mit Menschen) bewusst. Denn der Autor (Michael Galuske) hat diesem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet.

"Methoden suggerieren die Idee der Planbarkeit, der Kalkulierbarkeit und letztlich der Machbarkeit. Und in der Tat knüpft sich an Methoden in der Sozialen Arbeit die Hoffnung, durch den Einsatz erprobter und im Kontext von Methoden und Konzepten begründeter Instrumente, "ein Ziel sicher zu erreichen" (Lattke 1962, S. 28).

Was für die einen eine gut gemeinte Absicht, ist für die anderen die Gefahr einer inhumanen Interventionspraxis [...]. Soziale Arbeit habe es, im Gegensatz zu den naturwissenschaftlichen Professionen, nicht mit der technischen Beherrschung unbelebter Natur zu tun, sondern mit der "Veränderung" von Menschen im Medium sozialer Beziehungen. Die technologische Beherrschung von Menschen in Situationen kann nun sehr leicht die Machtbalance zugunsten der SozialarbeiterInnen verschieben und mithin der "Gefahr einer herrschaftlichen Verfügung [...] über ihre Klienten" Vorschub leisten (Winkler 1995, S. 126).

Ob diese Gefahr wirklich existiert, ist allerdings weitgehend davon abhängig, wer im Interventionsprozess die Ziele setzt. Methodisches Denken legt die Annahme nahe, dass die Zielbestimmung überwiegend durch den Profi geschehe.

[...]

Hilfe zur Selbsthilfe leisten, dort anfangen, wo der Klient steht, ihn zum Partner im Hilfeprozess werden lassen: All diese [...] Leitsätze [...] [des] Handelns zielen darauf ab, den Subjektstatus des Klienten im Hilfeprozess zu sichern und der Gefahr vorzubeugen, dass der Klient zum Objekt der Behandlung degradiert wird. [...]

Auf der Ebene der Intervention ist nun von zentraler Bedeutung, dass Menschen - in der Sprache der Systemtheorie - keine trivialen Maschinen sind. Triviale Maschinen sind solche, bei denen ein bestimmter Input (z.B. der Druck eines Knöpfchens beim Staubsauger) immer und zwangsläufig einen bestimmten Output (z.B. der Staubsauger beginnt zu saugen) nach sich zieht (wenn der Staubsauger nicht kaputt ist). Nicht-triviale Maschinen hingegen entziehen sich dieser kalkulierbaren Input-Output-Logik, sie reagieren überraschend, nicht immer gleich, von Situation zu Situation verschieden. Reaktionen von Subjekten auf Anregungen von außen sind - wiederum in der Sprache der Systemtheorie - kontingent, d.h. sie wählen aus der komplexen Palette an Reaktionsmöglichkeiten eine aus, könnten aber genauso gut auch eine andere Reaktion an den Tag legen, Komplexität und Kontingenz sind in diesem Sinne zwei Seiten einer Medaille. Damit aber wird eine Absicht, die in der Methodendiskussion immer wieder artikuliert wird, in hohem Maße unwahrscheinlich, nämlich dass Methoden dazu beitragen sollen, ein gesetztes Ziel sicher zu erreichen.

[...]

"[...] Schließlich produzieren [...] Interventionen Komplexität, d.h. sie erzeugen einen Spielraum möglicher Reaktionsweisen der KlientInnen. [...]" (Kleve 1996, S. 248). Die Hoffnung, mit methodischem Handeln die Sicherheit zu gewinnen, ein vorab festgelegtes Ziel auf Seiten des Klienten sicher zu erreichen, erweist sich aus der Perspektive der Systemtheorie tendenziell als Selbsttäuschung und nicht einlösbar. [Fußnote hierzu: "Diese Situation ist für InterventionsexpertInnen zweifellos unbefriedigend, und nur allzu gern hätte man es manchmal doch lieber mit berechenbaren trivialen Maschinen zu tun. Heinz von Förster hat dies in einem ironische Bild zugespitzt: "Wie wir schon gesehen haben, sind nichttriviale Maschinen lästige Zeitgenossen: man weiß nicht, was sie tun und auch nicht, was sie tun werden. Man sehnt sich nach der trivialen Maschine und versucht alles, was nach Nichttrivialität aussieht, schleunigst zu trivialisieren. Wie wir wissen, sind manchmal die Antworten unserer Kinder recht unerwartet: auf die Frage wie viel ist zwei mal zwei, könnte man 'grün' als Antwort bekommen. Das geht zu weit. So werden die Kinder in die Schule - die große staatliche Trivialisierungsmaschine - geschickt, damit sie dann mit den erwarteten Antworten herauskommen." (Förster 1988, S. 26)]

[...] Wenn man sowieso keinen Einfluss auf die Reaktionen des Klienten hat, warum dann überhaupt eine Methodendiskussion? Der Annahme, methodisches Handeln sei erfolgreicher als intuitives wäre damit doch die Grundlage entzogen. [...] Zweifellos entzieht die These vom Technologiedefizit einer Methodendiskussion die Grundlage, die in ihrem Kern auf treffsichere Technologien [...] abzielt. Ein Fehlschluss wäre es allerdings, daraus abzuleiten, "äußere Einflüsse" hätten gar keinen kalkulierbaren Einfluss auf Entwicklungsprozesse."


Förster, H. v.: Abbau und Aufbau, in: Simon, F.B. (Hrsg.): Lebende Systeme. Wirklichkeitskonstruktionen in der systemischen Therapie. Berlin u.a. 1988, S. 19-33.

Galuske, M.: Methoden der Sozialen Arbeit. Weinheim und München 2007, S. 56 ff.

Kleve, H.: Soziale Arbeit als wissenschaftliche Praxis und als praktische Wissenschaft. Systemtheoretische Ansätze einer Praxistheorie Sozialer Arbeit, in: Neue Praxis, 3/1996, S. 245-252.

Winkler, M.: Vom Ende der Methode, in: Proksch, R. (Hrsg.): Entwicklungen in der sozialen Arbeit. Regensburg 1995, S. 123-141.


(Das Buch enthält dann aber doch noch Methoden - nur nicht so, wie ihr es anscheinend erwartet, ihr lästigen nicht-trivialen Maschinen! )
Es ist wichtig, jemanden dort abzuholen, wo er gerade ist. Aber manchmal ist es auch wichtig, jemanden dort zu lassen, wo er gerade sein will.

"Erfahrungen sind Maßarbeit. Sie passen nur dem, der sie macht." Carlo Levi

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Aditi
[nicht mehr wegzudenken]
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Beiträge: 1089

Beitrag Mo., 19.01.2009, 09:23

Taffi hat geschrieben: Nicht-triviale Maschinen hingegen entziehen sich dieser kalkulierbaren Input-Output-Logik, sie reagieren überraschend, nicht immer gleich, von Situation zu Situation verschieden.
liebe taffi,
mir kam zu deinem beitrag die geschichte vom franzl wokurka in den sinn, von der paul watzlawick in seinem buch "vom schlechten des guten" unter dem titel "das dritte, das es (angeblich) nicht gibt", erzählt:
dieser besagte franzl stand eines tages im stadtpark vor einem blumenbeet und entdeckte davor eine tafel mit der aufschrift: das betreten der beete ist bei strafe verboten.
offensichtlich hatte franzl nur zwei möglichkeiten: entweder seine freiheit gegenüber dieser unterdrückung durch die obrigkeit zu behaupten und im blumenbeet herumzutrampeln oder dies nicht zu tun. doch pötzlich kam ihm etwas ganz anderes in den sinn, nämlich. die blumen sind wunderschön.
er wurde sich plötzlich der möglichkeit des andersseins seines bisherigen weltbildes bewusst. ich will das beet so, wie es ist; ich bin mein eigenes gesetz, meine eigene autoriät.

mlg
aditi

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quovadis
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Beitrag Mo., 19.01.2009, 12:26

StefanM hat geschrieben: Entscheidend ist doch die subjektive Besserung der Befindlichkeit. Wer heilt - in dem Sinne, dass der "Patient" sich wieder wohler fühlt - hat recht. Das kann durchaus eine Kartenspiel-Runde sein, zu der ich jede Woche hingehe. Bei der ich aber auch weiß: Die verstehen mich, die kennen mich seit Jahren. Und wenn ich ein Problem habe, dann reden sie mit mir darüber.
Das sehe ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen inzwischen völlig anders. Das „Verständnis“ eines Therapeuten kann sich schlagartig ändern, wenn beispielsweise am Ende einer 300-stundigen Analyse die berechtigte Frage aufkommt, warum es dem Patienten immer noch schlecht oder sogar noch schlechter geht, als zu Beginn der Behandlung. Solange Subjektivität in der Psychotherapie toleriert wird, kann sich ein Therapeut jederzeit seiner Verantwortung entziehen und dem Patienten mit Schuldzuweisungen zusätzlichen Schaden zufügen.
StefanM hat geschrieben: Denn der Patient wird ja häufig - wenn z. B. psychologisch nicht vorgebildet - nicht in der Lage sein, die ihm nahegelegten Deutungen seiner Situation in Frage zu stellen, jedenfalls nicht auf der intellektuellen Ebene, auf der der Therapeut sich bewegt und aufgrund seiner Ausbildung einfach haushoch überlegen ist.
Wenn ein Therapeut seine „Deutungen“ – insofern er etwas deutet – seinem Patienten auf Dauer nicht positiv wirksam vermitteln kann, sollte er dringend seine Vorgehensweise korrigieren.
max35 hat geschrieben:Und ich glaube, es ist diese Eindeutigkeit, mit der die PT so ihre Probleme hat, weil man sich meinem Eindruck nach sehr wohl daran fühlt, daß eben nichts eindeutig ist - und das soll möglichst so bleiben.
So ist es. Mir fällt spontan keine andere Branche ein – die Banken mal ausgenommen – in der bezüglich des Inhalts und des Ergebnisses einer Leistung derartige Freiheiten bestehen, wie das bei der PT der Fall ist.
max35 hat geschrieben:Können täte man es übrigens schon, nämlich indem der Therapeut z.B. ein Protokoll darüber führen muß, was er methodisch gemacht hat (oder eben nicht methodisch gemacht hat), in das man jederzeit Einsicht nehmen kann und als Klient bestätigen muß. Und dies sollte dann auch von unabhängiger Seite überprüft werden.
Die Überprüfung von unabhängiger Seite halte ich für unverzichtbar, da dem Patienten die fachlichen Kenntnisse fehlen, die insbesondere zur Optimierung einer Therapie notwendig sind. Eine Therapie sollte nicht jahrelang – gespeist von den Hoffnungen des Patienten – im „Trüben“ verlaufen können, bis am Ende vielleicht herauskommt, dass sie unwirksam war.

Gruß
quovadis

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carö
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Beitrag Mo., 19.01.2009, 12:50

liebe taffi und aditi,

danke euch beiden für eure beiträge...

was ihr beide angesprochen habt, hat mich auch immer wieder beschäftigt...

lieben gruß

caro
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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max35
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Beitrag Mo., 19.01.2009, 13:15

@Taffy
Um es kurz zu machen - mit Wissenschaftlichkeit hat das Zitierte überhaupt nichts zu tun:
Die zitierten Zeilen sind für mich das Paradebeispiel für PT-Argumentation: Konstruiertes, künstlich verkomplizierendes Blabla, welches sich auf Basis von irgendwelchen Theorien eine Rechtfertigung zurecht legt, um die weiteren 100 Jahre genauso weiterzumachen wie bisher.
Das im Titel "Wirklichkeitskonstruktionen" steht, kommt wohl auch nicht von umgefähr. Es wird etwas absolut unbelegbares und unnachvollziehbares konstruiert. Inhaltliche Auseinandersetzung mit Methodik gleich null.

Das wäre umgefähr so, als würde ich auf Basis einer Theorie rechtfertigen, daß künftig in der Antibiotikatherapie keine methodische Therapie mehr stattfindet, weil ich glaube, daß das nicht gut sein könnte.

An Angst und Depression ist z.B. überhaupt nichts undurchschaubares und unvorhersehbares - die funktioniert bei jedem gleich.
Und da möchte ich doch sehen, ob Du mit dem Schwulst an Theoriegebäuden irgendetwas sinnvolles erreichen kannst oder mit 3 konkreten, transparenten Hilfestellungen.

@Aditi
Bei Deiner Geschichte fällt mir unweigerlich die Frage ein:
Wodurch wird ein Klient heute in einer Therapie unterdrückt: Durch überschäumende Methodik oder durch Willkürlichkeit , Machtlosigkeit, Komplexität und Unnachvollziehbarkeit ?
Die ausufernste und schlechteste Methode kann durch Nachvollziehbarkeit beseitigt oder entschärft werden, Nachvollziehbarkeit aber durch fehlende Methodik nicht geschaffen werden.

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