Diagnosen
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Sorry Broken Wing, aber ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was Du mir mitteilen möchtest.
Was meinst Du mit allgemeinen Aussagen über Diagnosen? Also doch, dass Borderliner so und PTBSler so sind (immer Erweiterbar auf alle Diagnosen)? Und das soll so sein? Das ist doch genau das, bzw. die Denkweise, was bzw. die, die Diagnosen erst, vermeindlich, gefährlich werden lässt.
Wer ist denn die Fachwelt? Es gibt doch genauso Autoren und Therapeuten, die eben nicht in gut und schlecht aufteilen.
Ich habe leider das Gefühl, dass da Dinge in Euren (und ich schließe Leberblümchen mal mit ein, weil sie sich ja für Deinen Beitrag bedankt hat) Köpfen in Schubladen stecken, die ihr da auch gar nicht herausholen wollt und euch aber auf der anderen Seite genau darüber beschwert.
Viele Grüße
Was meinst Du mit allgemeinen Aussagen über Diagnosen? Also doch, dass Borderliner so und PTBSler so sind (immer Erweiterbar auf alle Diagnosen)? Und das soll so sein? Das ist doch genau das, bzw. die Denkweise, was bzw. die, die Diagnosen erst, vermeindlich, gefährlich werden lässt.
Wer ist denn die Fachwelt? Es gibt doch genauso Autoren und Therapeuten, die eben nicht in gut und schlecht aufteilen.
Ich habe leider das Gefühl, dass da Dinge in Euren (und ich schließe Leberblümchen mal mit ein, weil sie sich ja für Deinen Beitrag bedankt hat) Köpfen in Schubladen stecken, die ihr da auch gar nicht herausholen wollt und euch aber auf der anderen Seite genau darüber beschwert.
Viele Grüße
Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht. (Oscar Wilde)
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@leberblümchen: Diese "Borderline-Panik" (bin ich so wie Herr Kernberg über diese Patientengruppe schreibt?) kann ich gerade nach meiner kurzen Lektüre nachvollziehen, vor allem, weil ich auch davon "befallen" war, also von der Angst, dass der Therapeut in mir ein kernbergsches Monster sieht, weil ich ein Nähe-Distanz-Problem habe (wie wohl die meisten Psychotherapiepatienten?) und vermeintlich voller Wut bin - so dass er mich gerade nur so und nur aus beruflichem Ehrgeiz und persönlichen Märtyrertum behandelt und privat und mit seinen Kollegen gediegen über mich ablästert. Das ist aber eher ein Schlaglicht in meine Innenwelt.
Die bekennenden "Borderliner", die ich kennengelernt, bzw. gelesen habe, waren extrem verschiedene Persönlichkeiten. Wenn sie nicht selbst häufiger ihr "Borderline" erwähnt hätten, wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, das für so entscheidend zu halten, weil im Grunde das "problematische" Verhalten, das sie (oft sehr selbstkritisch) schilderten, auch einfach nur sehr menschlich ist. (Wobei mir Selbstverletzung fremd ist, weil ich Schmerzen hasse...) Das heißt, persönlich würde ich gar nicht auf die Idee kommen, Borderliner als eine eigene Gruppe von hyperproblematischen Menschen wahrzunehmen.
Vielleicht ist das auch das Wichtigste: DIe negativen Zuschreibungen teile ich selbst doch gar nicht! Und meinen ja eher von Sympathie geprägten Blick sollte ich dann doch eigentlich auch auf mich selbst richten können, wenn ich einzelnes Borderliniges in mir entdecke? Also nicht Kernberg, nicht seine Schule, nicht ein Therapeut, der über mich "urteilt", sondern ich selbst sollte mich als Maßstab nehmen; und ich darf mich auch mit meinen unguten Seiten annehmen.
Abgesehen davon: Gibt es irgendeine Person, die keine unsympathische Schattenseiten hat, die noch nie jemand verletzt, oder sich selbst verletzt hat. Die noch nie angeeckt ist? Ich glaube, solche unbequemen, unschönen Schattenseiten haben auch Angstpatienten, Depressive und psychisch Gesunde.. Höchstwahrscheinlich sogar Gandhi oder andere "Vorbilder". Also könnte man ja dann auch als nicht-Borderliner immer "abgelehnt" werden.
Die bekennenden "Borderliner", die ich kennengelernt, bzw. gelesen habe, waren extrem verschiedene Persönlichkeiten. Wenn sie nicht selbst häufiger ihr "Borderline" erwähnt hätten, wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, das für so entscheidend zu halten, weil im Grunde das "problematische" Verhalten, das sie (oft sehr selbstkritisch) schilderten, auch einfach nur sehr menschlich ist. (Wobei mir Selbstverletzung fremd ist, weil ich Schmerzen hasse...) Das heißt, persönlich würde ich gar nicht auf die Idee kommen, Borderliner als eine eigene Gruppe von hyperproblematischen Menschen wahrzunehmen.
Vielleicht ist das auch das Wichtigste: DIe negativen Zuschreibungen teile ich selbst doch gar nicht! Und meinen ja eher von Sympathie geprägten Blick sollte ich dann doch eigentlich auch auf mich selbst richten können, wenn ich einzelnes Borderliniges in mir entdecke? Also nicht Kernberg, nicht seine Schule, nicht ein Therapeut, der über mich "urteilt", sondern ich selbst sollte mich als Maßstab nehmen; und ich darf mich auch mit meinen unguten Seiten annehmen.
Abgesehen davon: Gibt es irgendeine Person, die keine unsympathische Schattenseiten hat, die noch nie jemand verletzt, oder sich selbst verletzt hat. Die noch nie angeeckt ist? Ich glaube, solche unbequemen, unschönen Schattenseiten haben auch Angstpatienten, Depressive und psychisch Gesunde.. Höchstwahrscheinlich sogar Gandhi oder andere "Vorbilder". Also könnte man ja dann auch als nicht-Borderliner immer "abgelehnt" werden.
eben, das ist ja der "Witz" an Diagnosen, dass es Schubladen sein SOLLEN... wollte man Individualität bräuchte der ICD für jeden Menschen eine eigene F-Nr... und dann kann man Systematisierung gleich vergessen. Und ich denke schon, dass Diagnosen etwas abbilden (sollen), was auf einen guten Teil der Betroffenen zutrifft.... denn nur dann soll man in diese Schublade. Ansonsten wäre die Diagnose falsch, wenn die Kriterien gar nicht zutreffen.
Liebe Grüße
stern
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Thread-EröffnerIn - [nicht mehr wegzudenken]
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Geht mir auch so. Ich "kenne" allerdings nur die, die hier von sich als Borderliner sprechen. Ich kann mir manchmal ansatzweise vorstellen, worauf sich das bezieht, aber wirklich nur ansatzweise. Da läuten gar keine Alarmglocken. Und selbst wenn sich jemand so verhält, wie es dem Lehrbuch für Vorurteile entspricht, wird das ja oft / meist / immer reflektiert. Wobei das natürlich auch daran liegen kann, dass nicht jeder Borderliner hier schreibt...Das heißt, persönlich würde ich gar nicht auf die Idee kommen, Borderliner als eine eigene Gruppe von hyperproblematischen Menschen wahrzunehmen.
Aber wie stern sagt: Das ist ja gerade der Witz daran. Dass es "DEN" Borderliner gar nicht gibt, sondern dass er konstruiert wird. Dass ich mir aber vorstellen kann, dass - wie man das aus der Pädagogik auch kennt - ein Mensch sich genauso verhält, wie man es ihm unterstellt.
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Witzig:. F.stern, F.leberblümchen usw...stern hat geschrieben:eben, das ist ja der "Witz" an Diagnosen, dass es Schubladen sein SOLLEN... wollte man Individualität bräuchte der ICD für jeden Menschen eine eigene F-Nr...
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Thread-EröffnerIn - [nicht mehr wegzudenken]
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Ich hatte eben die Phantasie, dass der Patient selbst seine Krankheit bezeichnen könnte und ihr einen Phantasienamen geben könnte. Weil man ja immer so schön als Therapeut sagt: "Sie wissen doch viel besser als ich, was los ist". Dann würde ich sagen: Ich hab "F.Leberblümchen". Da Therapeuten im allgemeinen neugierige Menschen sind, würden sie vielleicht fragen: "Interessant. Was ist das?" Und ich würde erzählen von den "klassischen" Symptomen dieser Störung.
Dann aber fiel mir ein, dass genau das doch in der Therapie passiert: Der Patient versucht in jeder Stunde neu, sich und sein Leiden zu erklären (sich selbst und dem Anderen). Und ich wünsche mir - und glaube eigentlich auch, dass das so ist -, dass der Therapeut in SEINEM F.Dingsbums möglichst viel Freiraum lässt für MEIN F.Leberblümchen. Oder dass er mich - wenn es denn anders ist - im Glauben lässt, diesen Freiraum zu schaffen.
Dann aber fiel mir ein, dass genau das doch in der Therapie passiert: Der Patient versucht in jeder Stunde neu, sich und sein Leiden zu erklären (sich selbst und dem Anderen). Und ich wünsche mir - und glaube eigentlich auch, dass das so ist -, dass der Therapeut in SEINEM F.Dingsbums möglichst viel Freiraum lässt für MEIN F.Leberblümchen. Oder dass er mich - wenn es denn anders ist - im Glauben lässt, diesen Freiraum zu schaffen.
Ja, das wäre dann so etwas wie anxiety of influence oder kommunikativ induzierte Hypochondrie- dass man vermeintlich nicht man selbst bleiben kann, weil einen jemand anders in ein Schema gepackt hat und alle Anzeichen in mir, die diesem Schema entsprechen, verstärkt hervorhebt. BIs ich glaube, ich bin tatsächlich so.leberblümchen hat geschrieben:Das ist ja gerade der Witz daran. Dass es "DEN" Borderliner gar nicht gibt, sondern dass er konstruiert wird. Dass ich mir aber vorstellen kann, dass - wie man das aus der Pädagogik auch kennt - ein Mensch sich genauso verhält, wie man es ihm unterstellt.
Ja, das ist eher wie eine Sammelbeckendiagnose. Aber nochmal gefragt: Hatte Borderline nicht noch die Unterkategorisierungen oder gibt es die nicht mehr? Jedenfalls meinte ich, dass diese zumindest doch unterschiedlich waren.leberblümchen hat geschrieben:Das ist ja gerade der Witz daran. Dass es "DEN" Borderliner gar nicht gibt,
candle
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lamedia: Das erinnert mich daran, dass man sogar die negativen Dinge produktiv machen kann - und den Patienten damit verwirren kann: Ich war bei einem neuen Arzt und ratterte wieder meinen Spruch "ich bin ein Hypochonder" runter. Einige Ärzte ignorieren das; andere finden es irgendwie amüsant; wieder andere wollen sich nicht reinreden lassen.
Er aber fragt mich doch tatsächlich: "Wenn Sie Krankheit xy haben: Was hat das für Folgen?" - ich kann noch ganz locker antworten. Dann fragt er weiter: "Und wie nennt man das und das?" - und ich kam mir vor wie ein Medizinstudent in der Prüfung. Ich hab sie theoretisch bestanden, fand aber die Situation gleichzeitig so grotesk. Aber ich mochte diese Ansprache: Das war nicht so von wegen: "Du Dummchen bildest dir wohl ein..." oder: "Du Dummchen bist verrückt", sondern der hat das, was an Wissen da war, tatsächlich genutzt, und ich hatte das Gefühl, mitreden zu können - und mir dabei TROTZDEM was sagen lassen zu können. Ein völlig ungewohnter Arzt-Patient-Dialog. Ich musste meine Hypochondrie nicht kleinreden, und die Ängste wurden trotzdem nicht überbewertet.
Er aber fragt mich doch tatsächlich: "Wenn Sie Krankheit xy haben: Was hat das für Folgen?" - ich kann noch ganz locker antworten. Dann fragt er weiter: "Und wie nennt man das und das?" - und ich kam mir vor wie ein Medizinstudent in der Prüfung. Ich hab sie theoretisch bestanden, fand aber die Situation gleichzeitig so grotesk. Aber ich mochte diese Ansprache: Das war nicht so von wegen: "Du Dummchen bildest dir wohl ein..." oder: "Du Dummchen bist verrückt", sondern der hat das, was an Wissen da war, tatsächlich genutzt, und ich hatte das Gefühl, mitreden zu können - und mir dabei TROTZDEM was sagen lassen zu können. Ein völlig ungewohnter Arzt-Patient-Dialog. Ich musste meine Hypochondrie nicht kleinreden, und die Ängste wurden trotzdem nicht überbewertet.
ich hoffe, bei den meisten ist es so... Sorgen machen ich mir eher (nur?) bei denen, die Diagnosen wie F.antasie oder F.ehldiagnose oder F.orurteil oder F.ünfzehnmituntendiagnose vergeben. Bei einer Analytikerin (Probesitzungen) war jedenfalls nicht viel Platz für F.stern, sondern ich habe sie (als es mir reichte) irgendwann darauf angesprochen, ob sie mir gerade sagen will [Diagnose]... das war mehr als offensichtlich durch welche Brille sie schaute. Sie ruderte dann etwas zurück... und das ist dann schon etwas, das etwas mit mir macht, wenn ich mich fragen, werde ich so wahrgenommen? Solange man das abgrenzen kann, ist das gut... aber kritisch wäre dann, wenn es wird zu: Bin ich vielleicht doch so? Insofern kann ich mir das schon vorstellen:leberblümchen hat geschrieben:Und ich wünsche mir - und glaube eigentlich auch, dass das so ist -, dass der Therapeut in SEINEM F.Dingsbums möglichst viel Freiraum lässt für MEIN F.Leberblümchen. Oder dass er mich - wenn es denn anders ist - im Glauben lässt, diesen Freiraum zu schaffen.
Dass ich mir aber vorstellen kann, dass - wie man das aus der Pädagogik auch kennt - ein Mensch sich genauso verhält, wie man es ihm unterstellt.
Liebe Grüße
stern
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leberblümchen: Das ist doch mal ein sehr respektvoller und unkonventioneller Umgang mit "deiner" Diagnose Hätte mir übrigens auch passieren können...
Aber das wirft auch ein neues Licht in die Diskussion: "Diagnosen", bzw. psychische Störungen bzw. dann ihre Behandlungen können auch zu einem (manchmal durchaus tragi-komischen) Zuwachs an Kompetenzen und Wissen führen. Einige werden aufgrund ihrer "Störung" Spezialisten für Desinfektion, für Fluchtwege und Brandschutz in öffentlichen Räumen, für Stress-Regulierung, für Kommunikationsgeschehen, für Liebe in Therapiebeziehungen usw. Ob das Wissen immer hilfreich und nützlich ist, sei dahingestellt, aber es bereichert die Person um viele Facetten und Kompetenzen.
Aber das wirft auch ein neues Licht in die Diskussion: "Diagnosen", bzw. psychische Störungen bzw. dann ihre Behandlungen können auch zu einem (manchmal durchaus tragi-komischen) Zuwachs an Kompetenzen und Wissen führen. Einige werden aufgrund ihrer "Störung" Spezialisten für Desinfektion, für Fluchtwege und Brandschutz in öffentlichen Räumen, für Stress-Regulierung, für Kommunikationsgeschehen, für Liebe in Therapiebeziehungen usw. Ob das Wissen immer hilfreich und nützlich ist, sei dahingestellt, aber es bereichert die Person um viele Facetten und Kompetenzen.
Ja, montagne hat ein wichtiges Wort genannt (man möge mir nachsehen, dass ich jetzt nicht zitiere: Ich komm' hier gar nicht mehr hinterher ... - und müsste richtig nach dem Text suchen): Neid.
Bei jeglicher Art von Diagnosen-Diskurs (also nicht nur bei expliziten Diagnose-Diskussionen, sondern auch implizt, wenn es "irgendwie" um Diagnosen geht) in diesem ptf scheint mir der Neid im Hintergrund ganz viele Strippen zu ziehen.
Vielleicht aber zieht er und hat er nur bei mir gezogen - und weil das nicht unwahrscheinlich ist, schreib' ich nochmals von mir (was ich immer schwierig finde, sogar in meinem Blog).
Menschen mit einer diagnostizierten Traumafolgestörung (PTBS, kPTBS, DESNOS, DISS und auch traumabedingte BPS - sollte ich etwas vergessen haben, dann bitte ich, das zu ergänzen und keine böse Absicht bei mir zu wähnen; "Trauma" heißt hier jetzt für mich: dauerhafte psychische Verletzung durch sexuellen Missbrauch und/oder andere körperliche Gewalterfahrungen, vor allem auch in der Kindheit, aber nicht nur da) - Menschen mit einer Traumafolgestörung lösen in mir ein großes Bedauern, sehr viel Mitgefühl aus, und den Reflex, ihnen (lange Zeit zumindest) erst mal "alles zu verzeihen", weil sie so Schreckliches erlitten haben (das ich mir meist noch nicht einmal vorstellen, geschweige denn nachfühlen kann).
Und sofort tritt bei mir der Neid auf die Hinterbühne und zieht die Strippen: "Wenn diesen Menschen alle so begegnen wie ich - dann können sie doch ein selbstverantwortungsloses Luxusleben haben ..." "Diese Menschen können so viele Therapien machen ..." "Diese Menschen ernten überall Mitgefühl und Schonung ..." "Diese Menschen bekommen von Therapeuten (und Krankenkassen) viel mehr Zuwendung (in Gestalt von Stunden, Geduld, Notfall-Einsatz etc.) ..."
Dass diese Gedanken bullshit sind, weiß ich.
Dennoch habe ich sie bis heute: Jaja, zieht immer noch die Strippen, dieser verdammte Neid.
Diese Gedanken kommen nicht ganz allein aus mir. Sie sind ein bisschen auch durch Lektüreeindrücke geprägt: Sowohl Lektüre von Fachliteratur (und all die Fachliteratur, in der etwas völlig anderes steht, hat auch ihre Eindrücke bei mir hinterlassen, doch darum geht es hier jetzt nicht) als auch die Lektüre in diesem ptf hier ...
Das macht diese Gedanken, diesen perversen Neid allerdings keinen Deut besser.
Und diese Gedanken kommen auch noch von anderen Menschen in mir und der Art zu denken (und zu fühlen), die ich durch sie gelernt habe (ich habe auch noch von anderen Menschen andere Arten zu denken und zu fühlen gelernt, doch auch darum geht es hier jetzt nicht): "Du zählst nicht, denn du funktionierst immer!" "Du hast gefälligst alles perfekt zu machen!" "Du bist stark, du bist gesund, du bist die, die alles kann, ich verlasse mich auf dich: du selbst bist nicht wichtig!"
Deshalb denke ich bis heute, dass mein Erleben grundsätzlich "viel weniger schlimm" gewesen ist als das von Menschen mit diagnostizierten Traumafolgestörungen, und dass ich im Gegensatz zu ihnen "kein Recht" darauf habe, krank zu sein, und dass ich ja gar nicht "krank bin" da mit diesem läppischen Todesfall, und dass ich ihnen kostbare therapeutische Ressourcen "wegnehme" (das übrigens ist genauso ein überheblicher Gedanke wie der, den Traumafolgestörungspatienten sofort mit Mitleid begegnen zu "müssen": Im ersteren Falle unterschätze ich meinen Therapeuten, der mich ja immerhin als Patientin angenommen hat. Im letzteren Falle unterschätze ich die Traumafolgestörungspatienten, die ich durch dieses Mitleid-Gefühl geneigt bin, mit Samthandschuhen anzufassen. De facto versuche ich, beiden Gedanken gegenzuarbeiten. Aber diese Gedanken sind vorhanden).
Und sobald ich das denke, zieht der olle Strippenzieher gleich wieder kräftig an den Neid-Strippen, denn gleichzeitig weiß ich ja, dass das so alles auch nicht immer stimmt, dass ich das aber nicht sagen "darf", denn "mein Erleben ist ja grundsätzlich viel weniger schlimm" --- ja, da setzt dann immer eine interessante, hochparadoxe Kreisbewegung ein, die mir eigentlich hinreichend beweisen sollte, dass das alles wirklich bullshit ist.
Nur: Diese Gedanken sind da und der Neid zieht die Strippen.
Ich bin allerdings nicht immer eine Marionette meiner Gefühle (Neid ist auch ein Gefühl, soweit ich weiß). Ich lass nicht immer meine hölzernen Glieder durch eins meiner Gefühle tanzen. Ich falle auch dem Neid immer öfter in den Arm, wenn er mit seinem unseligen Strippenziehen beginnt.
Aber: Diese Gedanken sind da und der Neid zieht Strippen - und seien es auch nur die an meinen kleinen Zehen.
EDIT: Wo ich schon dabei bin "zu bekennen": Ich horche jedes Mal auf, wenn mein Therapeut in meinem Erlebenskontext von "Trauma" spricht (was er gottseidank äußerst selten tut) - und ich bekenne: Zunächst durchrieselt es mich warm: "Ha! Endlich siehst du meine Wunde!", dann wird mir aber sehr schnell kalt: "Nö, meins ist nicht so schlimm!". (Nochmal Edit: Und wieder gilt: Beides ist bullshit, aber beide Gedanken sind vorhanden. Immerhin: Ich kann sie ansehen - und dazu muss ich sie von mir weghalten.)
Edit #3: Noch ein Bekenntnis (ich hatte es vorhin tatsächlich wieder vergessen): Was mich auch neidisch macht - aber das ist wohl wirklich was sehr mir Eigenes -, das ist dieser unbedingte Therapie-Wille, den ich hier im ptf bei diagnostizierten TraumafolgestörungspatientInnen beobachte. Damit meine ich nicht, dass nicht auch ihre Therapien ständig oder oft vom Abbruch bedroht sind - im Gegenteil: Sie sind es. Damit meine ich aber ein ziemlich unbedingtes Gesundwerdenwollen und ein Daraufvertrauen, dass es eine Art dauerhaft gutes Leben geben kann. Jedenfalls habe ich das hier bei diesem PatientInnenkreis sehr oft gelesen.
Und das nun ist mir sehr fremd.
Und es macht mich gleichzeitig auch neidisch.
Bei jeglicher Art von Diagnosen-Diskurs (also nicht nur bei expliziten Diagnose-Diskussionen, sondern auch implizt, wenn es "irgendwie" um Diagnosen geht) in diesem ptf scheint mir der Neid im Hintergrund ganz viele Strippen zu ziehen.
Vielleicht aber zieht er und hat er nur bei mir gezogen - und weil das nicht unwahrscheinlich ist, schreib' ich nochmals von mir (was ich immer schwierig finde, sogar in meinem Blog).
Menschen mit einer diagnostizierten Traumafolgestörung (PTBS, kPTBS, DESNOS, DISS und auch traumabedingte BPS - sollte ich etwas vergessen haben, dann bitte ich, das zu ergänzen und keine böse Absicht bei mir zu wähnen; "Trauma" heißt hier jetzt für mich: dauerhafte psychische Verletzung durch sexuellen Missbrauch und/oder andere körperliche Gewalterfahrungen, vor allem auch in der Kindheit, aber nicht nur da) - Menschen mit einer Traumafolgestörung lösen in mir ein großes Bedauern, sehr viel Mitgefühl aus, und den Reflex, ihnen (lange Zeit zumindest) erst mal "alles zu verzeihen", weil sie so Schreckliches erlitten haben (das ich mir meist noch nicht einmal vorstellen, geschweige denn nachfühlen kann).
Und sofort tritt bei mir der Neid auf die Hinterbühne und zieht die Strippen: "Wenn diesen Menschen alle so begegnen wie ich - dann können sie doch ein selbstverantwortungsloses Luxusleben haben ..." "Diese Menschen können so viele Therapien machen ..." "Diese Menschen ernten überall Mitgefühl und Schonung ..." "Diese Menschen bekommen von Therapeuten (und Krankenkassen) viel mehr Zuwendung (in Gestalt von Stunden, Geduld, Notfall-Einsatz etc.) ..."
Dass diese Gedanken bullshit sind, weiß ich.
Dennoch habe ich sie bis heute: Jaja, zieht immer noch die Strippen, dieser verdammte Neid.
Diese Gedanken kommen nicht ganz allein aus mir. Sie sind ein bisschen auch durch Lektüreeindrücke geprägt: Sowohl Lektüre von Fachliteratur (und all die Fachliteratur, in der etwas völlig anderes steht, hat auch ihre Eindrücke bei mir hinterlassen, doch darum geht es hier jetzt nicht) als auch die Lektüre in diesem ptf hier ...
Das macht diese Gedanken, diesen perversen Neid allerdings keinen Deut besser.
Und diese Gedanken kommen auch noch von anderen Menschen in mir und der Art zu denken (und zu fühlen), die ich durch sie gelernt habe (ich habe auch noch von anderen Menschen andere Arten zu denken und zu fühlen gelernt, doch auch darum geht es hier jetzt nicht): "Du zählst nicht, denn du funktionierst immer!" "Du hast gefälligst alles perfekt zu machen!" "Du bist stark, du bist gesund, du bist die, die alles kann, ich verlasse mich auf dich: du selbst bist nicht wichtig!"
Deshalb denke ich bis heute, dass mein Erleben grundsätzlich "viel weniger schlimm" gewesen ist als das von Menschen mit diagnostizierten Traumafolgestörungen, und dass ich im Gegensatz zu ihnen "kein Recht" darauf habe, krank zu sein, und dass ich ja gar nicht "krank bin" da mit diesem läppischen Todesfall, und dass ich ihnen kostbare therapeutische Ressourcen "wegnehme" (das übrigens ist genauso ein überheblicher Gedanke wie der, den Traumafolgestörungspatienten sofort mit Mitleid begegnen zu "müssen": Im ersteren Falle unterschätze ich meinen Therapeuten, der mich ja immerhin als Patientin angenommen hat. Im letzteren Falle unterschätze ich die Traumafolgestörungspatienten, die ich durch dieses Mitleid-Gefühl geneigt bin, mit Samthandschuhen anzufassen. De facto versuche ich, beiden Gedanken gegenzuarbeiten. Aber diese Gedanken sind vorhanden).
Und sobald ich das denke, zieht der olle Strippenzieher gleich wieder kräftig an den Neid-Strippen, denn gleichzeitig weiß ich ja, dass das so alles auch nicht immer stimmt, dass ich das aber nicht sagen "darf", denn "mein Erleben ist ja grundsätzlich viel weniger schlimm" --- ja, da setzt dann immer eine interessante, hochparadoxe Kreisbewegung ein, die mir eigentlich hinreichend beweisen sollte, dass das alles wirklich bullshit ist.
Nur: Diese Gedanken sind da und der Neid zieht die Strippen.
Ich bin allerdings nicht immer eine Marionette meiner Gefühle (Neid ist auch ein Gefühl, soweit ich weiß). Ich lass nicht immer meine hölzernen Glieder durch eins meiner Gefühle tanzen. Ich falle auch dem Neid immer öfter in den Arm, wenn er mit seinem unseligen Strippenziehen beginnt.
Aber: Diese Gedanken sind da und der Neid zieht Strippen - und seien es auch nur die an meinen kleinen Zehen.
EDIT: Wo ich schon dabei bin "zu bekennen": Ich horche jedes Mal auf, wenn mein Therapeut in meinem Erlebenskontext von "Trauma" spricht (was er gottseidank äußerst selten tut) - und ich bekenne: Zunächst durchrieselt es mich warm: "Ha! Endlich siehst du meine Wunde!", dann wird mir aber sehr schnell kalt: "Nö, meins ist nicht so schlimm!". (Nochmal Edit: Und wieder gilt: Beides ist bullshit, aber beide Gedanken sind vorhanden. Immerhin: Ich kann sie ansehen - und dazu muss ich sie von mir weghalten.)
Edit #3: Noch ein Bekenntnis (ich hatte es vorhin tatsächlich wieder vergessen): Was mich auch neidisch macht - aber das ist wohl wirklich was sehr mir Eigenes -, das ist dieser unbedingte Therapie-Wille, den ich hier im ptf bei diagnostizierten TraumafolgestörungspatientInnen beobachte. Damit meine ich nicht, dass nicht auch ihre Therapien ständig oder oft vom Abbruch bedroht sind - im Gegenteil: Sie sind es. Damit meine ich aber ein ziemlich unbedingtes Gesundwerdenwollen und ein Daraufvertrauen, dass es eine Art dauerhaft gutes Leben geben kann. Jedenfalls habe ich das hier bei diesem PatientInnenkreis sehr oft gelesen.
Und das nun ist mir sehr fremd.
Und es macht mich gleichzeitig auch neidisch.
Zuletzt geändert von Widow am Mi., 07.10.2015, 23:31, insgesamt 3-mal geändert.
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lamedia hat geschrieben:Einige werden aufgrund ihrer "Störung" Spezialisten für Desinfektion, für Fluchtwege und Brandschutz in öffentlichen Räumen, für Stress-Regulierung, für Kommunikationsgeschehen, für Liebe in Therapiebeziehungen usw. Ob das Wissen immer hilfreich und nützlich ist, sei dahingestellt, aber es bereichert die Person um viele Facetten und Kompetenzen.
Ich denke, ich habe auch bestimmte Fähigkeiten, die mir in meinem Beruf sehr hilfreich sind, aufgrund meiner Störung entwickelt. Für mich war damals, vor Jahren, die Diagnose PTBS, entlastend, denn endlich konnte ich mein Anders-Sein, das ich seit meiner frühesten Kindheit spürte, einordnen. OK, sagte ich mir, PTBS, jetzt weiß ich um meine Ver-Rückt-Heit, jetzt mache ich das Beste daraus. Meine ganz individuelle Sicht dieser Thematik.
Allgemein, für Fachleute, mag es wichtig sein und ist es auch, denn wie sonst könnte ein Austausch möglich werden, genaue Definitionen zu finden. Für die individuelle Person gelten individuelle Kriterien, abseits von Diagnoseeinteilungen. Das betrifft, meiner Meinung nach, jede Art von Diagnose: physisch, psychisch, . . . .
Schön langsam scheint es ja auch in der allgemeinen Wahrnehmung anzukommen, dass selbst "klare" physische Beschwerden, individuell sind.
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@widow danke für die Ehrlichkeit.
Es ist halt Schade für dich, weil ich denke das es genug Menschen mit den oben genannten Diagnosen gibt, die nicht denken "nur weil ich so eine Diagnose habe, habe ich das Schlimmste erlebt - wie Huber einem suggeriert" Huber wird zumindest in der "DIS Szene häufig sehr kritisch gesehen (so meine Erfahrung). Also dieses "auf andere Herunterschauen" und zu denken "deren Leid ist weniger" sehe ich nicht so sehr als Proböem in der Szene, sondern eher die Scham. In meinem Umfeld weiß kaum einer, dass ich DIS bin, alle Bereiche sind strikt getrennt und nur wenn es wirklich zu Überscjneidungen kommt muss ich mich outen, was ich als extrem erniedrigend empfinde. Und auch oft denke "Gott andere haben so viel krasseres noch gesehen..."
Was ich gar nicht mag ist Mitleid. Mitgefühl ja.
Es ist halt Schade für dich, weil ich denke das es genug Menschen mit den oben genannten Diagnosen gibt, die nicht denken "nur weil ich so eine Diagnose habe, habe ich das Schlimmste erlebt - wie Huber einem suggeriert" Huber wird zumindest in der "DIS Szene häufig sehr kritisch gesehen (so meine Erfahrung). Also dieses "auf andere Herunterschauen" und zu denken "deren Leid ist weniger" sehe ich nicht so sehr als Proböem in der Szene, sondern eher die Scham. In meinem Umfeld weiß kaum einer, dass ich DIS bin, alle Bereiche sind strikt getrennt und nur wenn es wirklich zu Überscjneidungen kommt muss ich mich outen, was ich als extrem erniedrigend empfinde. Und auch oft denke "Gott andere haben so viel krasseres noch gesehen..."
Was ich gar nicht mag ist Mitleid. Mitgefühl ja.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)
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@ Diagnosen
Ich habe erfahren dürfen, dass Diagnosen veränderbar sind. Sowohl im physischen, wie im psychischen Bereich.
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