Diagnostik, Diagnose und passende Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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chrysokoll
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 11:14

Ich kann inzwischen ein Stück weit Vertrauen (bei bestimmten Personen und nach einer Zeit). Niemals ganz. Aber eben ein wenig, und das ist sehr viel mehr als ich je konnte. Ebenso kann ich ein wenig Bindung halten. Auch das ist viel viel mehr als früher.

Normale Therapeuten verstehen oft nicht warum man nicht "einfach" vertrauen kann. Oder dass irgendwelche Aktionen wie Stühle umstellen nicht helfen. Mir ist es tatsächlich egal wie die Stühle stehen, ich brauche keinen "freien Fluchtweg". Für andere ist das sicher hilfreich.

Ich kann z.B. keinerlei Übungen bei denen ich die Augen zumachen soll. Das geht nicht, keine Sekunde, da setzt sofort die totale Panik ein mit flashbacks, mit Dissoziation. Therapien in denen sowas gefordert wird helfen mir nicht. Und nein, ich will das nicht immer wieder probieren.
Zum Glück versteht die aktuelle Therapeutin das alles und macht keine entsprechenden Versuche.

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saffiatou
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 16:00

Auch normale Therapeuten, nicht nur Trauma Thera verstehen das mit dem mangelnden Vertrauen. Meine Trauma Thera hat das zb nicht verstanden. Es hängt von dem Thera und seinem Weltbild ab.

In der gruseligen Reha war eine Körpertherapeutin die verlangte dass ich meine Augen schließe und dann noch zwischen eine Zahl von Männern legte.... und hat meine Weigerung beides zu tun sehr negativ und unverständlich aufgenommen, ich bin dann einfach nicht mehr hingegangen - war Zeitverschwendung. Manchmal fehlt bei dem Personal einfach Empathie.

Es geht auch nicht, wenn übungen gefordert werden, das muss freiwillig bleiben. DAs ist etwas das ich nicht verstehe, wie einige Theras da Druck machen, statt einzusehen, dass es nicht geht oder noch nicht. Auch das hat mit einer Traumaausbildung und dem Verständnis nichts zu tun.
candle. hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 11:12 Auch bei einem Therapeuten hätte ich die Angst nicht fliehen zu können, einfach weil es früher auch so war mit Konsequenzen. Es spielt also keine Rolle, ob das ein Therapeut ist oder ein Mensch vom Jobcenter.
Das ging mir auch so, das aushalten müssen, nicht beschweren dürfen... Das lag an meinen Eltern die so etwas nicht duldeten. Inzwischen schaffe ich das, aber das war ein langer und harter Weg. Welcher Schaden da angerichtet wird.
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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 17:05

candle. hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 11:12 Schon sehr unterschiedlich. Auch bei einem Therapeuten hätte ich die Angst nicht fliehen zu können, einfach weil es früher auch so war mit Konsequenzen. Es spielt also keine Rolle, ob das ein Therapeut ist oder ein Mensch vom Jobcenter.
Ich kenne noch andere Leute die bei Therapeuten total in die Lage kommen einzufrieren und nicht mehr Stop sagen zu können. So unterschiedlich sind auch Opfer von Traumafolgestörungen in dem was triggert.

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Charlie Foxtrott
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 18:17

münchnerkindl hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 17:05 Ich kenne noch andere Leute die bei Therapeuten total in die Lage kommen einzufrieren und nicht mehr Stop sagen zu können. So unterschiedlich sind auch Opfer von Traumafolgestörungen in dem was triggert.
Ist ja auch wie ne Verhörsituation. Meiner hat mich mal mit den Worten "Los, rein da!" empfangen und mit Brüllen Blickkontakt erzwingen wollen. Triggernder gehts wohl nicht. Habe eh schon "Reingehangst".

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 19:56

saffiatou hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 16:00 Auch normale Therapeuten, nicht nur Trauma Thera verstehen das mit dem mangelnden Vertrauen. Meine Trauma Thera hat das zb nicht verstanden. Es hängt von dem Thera und seinem Weltbild ab.

Vertrauen ist ja auch immer in einen Kontinuum zu sehen.

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Shukria
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 20:23

Es hängt auch vom Selbstbild des Therapeuten ab und seiner Frustrationstoletanz.

Wenn derjenige erwartet das (ein)gesehen wird das er gut ist weil ja so bemüht und nicht aushält das das Vertrauen beim Patienten trotzdem nicht oder immer mal wieder nicht reicht, dann wird das auch nix

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Scars
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 20:57

Shukria hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 20:23 Wenn derjenige erwartet das (ein)gesehen wird das er gut ist weil ja so bemüht und nicht aushält das das Vertrauen beim Patienten trotzdem nicht oder immer mal wieder nicht reicht
Ich finde Menschen grundsätzlich doof, das konnten die auch schwer aushalten. Ich verstehe es nicht mal, weil ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, wie man die Spezies Mensch als solches mögen kann, ja oft sogar als „das Beste“ ansieht. Da hilft auch alle Hilfsbereitschaft oder Nettigkeit nichts gegen.

Meiner Meinung nach spielt es für die Therapie auch gar keine Rolle, immerhin bin ich ja trotzdem zu dieser Person gekommen. Alleine das ist quasi ein Kompliment. Aber es war immer wieder ein Störfaktor.
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Montana
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 21:19

Scars hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 20:57 Meiner Meinung nach spielt es für die Therapie auch gar keine Rolle, immerhin bin ich ja trotzdem zu dieser Person gekommen. Alleine das ist quasi ein Kompliment.
Eine gewisse Rolle spielt das schon. Wenn nämlich ein Therapeut davon ausgeht, er wisse "alles", weil "man" ja seinem Therapeuten vertraut und deshalb selbstverständlich auch "alles" erzählt. Dann geht nämlich der Therapeut von völlig falschen Voraussetzungen aus, zieht falsche Schlussfolgerungen und tut unsinnige Dinge in der Therapie. Es ist also sehr wichtig, finde ich, dass der zumindest davon weiß, dass es KEIN Vertrauensverhältnis gibt und er auch nicht zu erwarten hat, dass eins entsteht.

Mein Beispiel mit dieser Aussage des Therapeuten damals fand ich genau deshalb so denkwürdig. Der lag ja mit seiner Einschätzung derart krass daneben und merkte das erst so spät. Ich selbst hatte gar nicht genug Erfahrung um auf die Idee zu kommen, Vertrauen sei sowas wie ein "erwarteter Normalfall" und von meiner Seite ein spezieller Hinweis erforderlich.

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 21:34

Shukria hat geschrieben: Fr., 15.09.2023, 20:23
Wenn derjenige erwartet das (ein)gesehen wird das er gut ist weil ja so bemüht und nicht aushält das das Vertrauen beim Patienten trotzdem nicht oder immer mal wieder nicht reicht, dann wird das auch nix

Und jemand der an die Sache mit so einem Erwartungsdruck drangeht ist in meinen Augen auch nicht vertrauenswürdig, weil die Person wenn die Erwartung frustriert wird ja genau wieder mit Ablehnung, Kritik, Schuldzuweisung, der Erklärung dass man es nicht "richtig" macht etc reagieren wird. Tja, und genau solchen Leuten kann man eben nur in recht eingeschränkter Weise vertrauen.

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Montana
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Beitrag Fr., 15.09.2023, 21:39

Schwierig auch, wenn "Vertrauensaufbau" als inoffizieller Programmpunkt der Kennenlernphase vorkommt. Sowas findet man ja in diversen Beschreibungen zum Ablauf einer Psychotherapie. Kein Wunder also, dass es Therapeuten mit solch einer Erwartungshaltung gibt.

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Shukria
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Beitrag Sa., 16.09.2023, 06:31

Ja genauso meinte ich das. Ich hatte eine Therapeutin die zwar immer wieder ausgesprochen hat das ich ihr doch nun mal „vertrauen“ müsste nach 3Therapien aber es über gar nicht in Betracht zog das ich es nicht wolle sondern durch die komplexe PTBs nicht konnte!

Sie hatte sich arg selbst verbogen zu Beginn um das Vertrauen aufzubauen und war bitter enttäuscht das als sie in ihren Augen dann „normal“ mit mir umging nämlich fast rein verhaltenstherapeutisch. Es nicht funktionierte mehr zwischen uns. Sie beendete die Therapie Knall auf Fall weil sie mit dem Vertrauenseunbrpchen persönlich nicht klar Kantine es nicht als Teil der Erkrankung verstand sondern sich persönlich gekränkt fühlte.

Meine jetzige arbeitet sehr viel mit komplex Traimatisieten und daher ist , trotzdem sie auch vt macht, ihr Ansatz bindungsorientiert und liebevoll von Außendienst die Selbstfürsorge anstoßend.

Der Unterschied ob jemand von einem Monotrauma ausgeht und die ganze Person so behandelt oder von einer komplexen und damit die ganze Person anders behandelt ist gravierend.Vertraurnsverlust wird als Teil der Erkrankung verstanden und mitverhandelt konsequent durch Repairing bei Konflikten, Verantwortungsübernahme wo sie hingehört, keine Erwartung was man in der Beziehung an Entgegenkommen zu leisten habe in Abhängigkeit nur von der Therapiezeit, kein Vetlangem von „blinden“ Vertrauen, Kritikfähigkeit der Therapeutin und! Das kommt kontinuierlich immer!! an erster Stelle der Therapie. Nie wird über irgendeine Undicherheit die in der Beziehung auftritt genervt drüber weg gegangen mit Sätzen wie sie müssten mir doch inzwischen vertrauen, da waren wir doch schon mal, das brauen wie dich jetzt nicht noch mal besprechen…

Therapeuten die mit komplex traumatisierten Menschen gut! arbeiten wissen das nichts an Vertrauen zu erwarten ist, nie, zu keiner Zeit und richten das Beziehungsangebot danach aus, ohne Vorwürfe

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Scars
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Beitrag Sa., 16.09.2023, 10:10

Aber ist das bei nicht-traumatisierten Menschen wirklich anders? Für mich ist das so unvorstellbar, dass jemand dahin kommt und >>alles<< erzählt, was auch immer „alles“ beinhaltet.

Diese Grundeinstellungen der Therapeuten wirken für mich auch so realitätsfern, weil ich mich frage, mit welchen Menschen Therapeuten den ganzen Tag arbeiten. Das kann ich mir nämlich genauso wenig vorstellen, dass überwiegend Menschen ohne Traumatisierung dahin gehen, bei denen die Erkrankung im besten Fall noch nicht chronifiziert ist. Letzteres beißt sich ja schon damit, dass man monatelang auf einen Therapieplatz wartet.
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chrysokoll
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Beitrag Sa., 16.09.2023, 10:21

ich bin mir sicher dass auch andere Patienten nicht alle leicht und unkompliziert sind.
So wie Traumapatienten nicht alle durchgehend schwierig sind.
Andere Patienten haben vielleicht nicht so massive Vertrauensprobleme. Dafür womöglich keine Krankheitseinsicht oder sie arbeiten nicht mit oder oder

Mir hat mal ein Therapeut verraten dass jeder Therapeut so eine "Vorlieben" an Störungen und Krankheitsbildern hat und auch welche mit denen er nicht arbeiten mag und kann.

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 16.09.2023, 10:41

Scars hat geschrieben: Sa., 16.09.2023, 10:10 Aber ist das bei nicht-traumatisierten Menschen wirklich anders? Für mich ist das so unvorstellbar, dass jemand dahin kommt und >>alles<< erzählt, was auch immer „alles“ beinhaltet.
Ist das nicht vor allem in der klassischen Psychoanalyse eine Anforderung?
Scars hat geschrieben: Sa., 16.09.2023, 10:10 Diese Grundeinstellungen der Therapeuten wirken für mich auch so realitätsfern, weil ich mich frage, mit welchen Menschen Therapeuten den ganzen Tag arbeiten. Das kann ich mir nämlich genauso wenig vorstellen, dass überwiegend Menschen ohne Traumatisierung dahin gehen, bei denen die Erkrankung im besten Fall noch nicht chronifiziert ist. Letzteres beißt sich ja schon damit, dass man monatelang auf einen Therapieplatz wartet.
Ich gehe auch davon aus, dass Bindungstraumata aus der Kindheit bei ganz vielen Menschen mit psychischen Problemen vorhanden sind. Ich vermute jetzt auch mal ganz frech, dass transgenerational weitergegebene Kriegstraumata auch heute noch eine Rolle spielen weil hier die Bindungs- und Erziehungsfähigkeit einer ganzen Generation in weiten Teilen zerstört wurde und diese Defizite durch die Generationen weitergereicht werden.

Von daher sollte es Therapeuten die mit der Behandlung komplexer Traumatisierungen und Bindungsproblemen nicht klarkommen garnicht geben.

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Shukria
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Beitrag Sa., 16.09.2023, 14:46

Und weil viele sich irgendwann auf bestimmte Krankheitsbilder fokussieren und auch in ihren Arbeitsmethoden spezifischer werden, braucht es das was viele Klienten nicht können. Ein Gespür dafür, ob man mit dem Gegenüber wirklich arbeiten kann und grundsätzlich sich vorstellen mit allen Teilen dort sichtbar zu werden, den ängstlichen, verletzbaren, widerspenstigen… ich konnte mir das bei der ersten Therapeutin nicht! vorstellen war’s aber gewohnt die inneren Stimmen auszublenden. Tja und da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Wie hat Watzlawick mal so schön gesagt,“ denn wer nur einen Hammer (als Methode hat) sieht überall nur Nägel“ 😉

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