Therapeut will Therapieabbruch..wie verhalten?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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candle.
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Beitrag Di., 06.05.2014, 10:12

Krang2 hat geschrieben: Vielleicht reicht bei kleinen Kindern auch was "Harmloses", um das Gleiche zu bewirken?
Da ich keine Ahnung habe, kann ich das nicht sagen.
-> F62.0
Frage mich immer noch, wieso meine Therapeuten meine Hinweise beide so dezent "übersehen" haben, bin sehr wütend darüber.
Welche Hinweise denn? Aber ich habe auch nie nach kurzer Therapiezeit eine Diagnose bekommen. Klammere dich da mal nicht zu sehr fest!
Ich möchte zu gern endlich mal an den Punkt kommen, an dem ich nicht nur investiere, sondern was zurückkommt, gern auch in Form von Gehalt.
Dann auf es mit Gebrüll!
Ich lese dich so lange und habe auch noch nicht gescannt wo bei dir das Problem liegt. Das kommt daher, dass du dazu einfach nicht schreibst.

Liebe Grüße!
candle
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Krang2
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Beitrag Do., 08.05.2014, 03:06

Hallo,

reine Langeweile habe ich als Kind oft empfunden, mittlerweile würde ich es eher als Suche nach einer langfristig sinnstiftenden und erfüllenden Arbeit sehen, denn beschäftigen kann ich mich gut. Und nein, es mir wird nicht langweilig, Themen durchzukauen, weil ich Fakten aus sehr verschiedenen Fachgebieten neu miteinander verbinde und das ist immer wieder spannend. Mir kommt das „Googeln“ dabei sehr entgegen, zumal durch die Ergebnislisten immer wieder neue Anregungen kommen. Nein, ich will niemanden austricksen, dazu besteht kein Anlaß. „Spannend“ kann für mich alles sein, ich begeistere und vertiefe mich gern. Nur allzuoft zerstören Schule und Studium/Lehre die natürliche Neugier und Arbeitsmarkt und Gesellschaft die natürliche Schaffensfreude.

Mit „Ich selbst sein“ meine ich natürlich nicht nur, meine Intelligenz zu befriedigen, sondern so denken, fühlen und handeln zu können, wie es meinem wahren Selbst entspricht. Erziehung und verinnerlichte Einstellungen und Erwartungen anderer verzerren das oft, aber bei meiner Neigung weiß ich mittlerweile, daß sie – verständlicherweise – nichts „Außengeleitetes“ ist. Sie ist Teil meiner „wahren“ Identität. Diese lange Therapie, die ich hinter mir habe, hat dazu geführt, daß ich meine Neigungen akzeptiert habe und davon ausgehend mein ganzes bisheriges Leben besser verstehen und akzeptieren kann und erkenne, was ich alles an unnötigem Ballast mitgeschleppt hatte (z.B. durch meine Mutter). Dieser Prozeß geht derzeit weiter, auch ohne die Sitzungen. Das ist auch spannend und toll. Auch verinnerlichte Vorurteile sind mir bewußt geworden, z.B. daß diese Neigungen nur möglich wären, wenn man ziemlich geisteskrank ist; oder daß ich nur akzeptiert würde, wenn ich Leistung erbringe; oder daß enttäuschte Erwartungen ein Grund wären, etwas als richtig Erkanntes in Frage zu stellen.

Ich mag den inflationären Gebrauch von Diagnosen wie Depression (ADHS, Borderline usw.) nicht, es sollte auch für normale Menschen ein Grundrecht auf negative und schwankende Stimmungen, Gefühle und Verhaltensweisen geben, ohne daß sie deshalb gleich pathologisiert werden müssen (auf die Gefahr hin, daß das Arbeitsplätze zerstört ). Selbst die normalen Wutanfälle bei Kindern werden demnächst als Störung diagnostiziert, weil Maschinenlärm und Pillen wohl gesünder geworden sind als Geschrei.
Und selbst wenn Erwerbslosigkeit ehemals psychisch Gesunde depressiv macht, beseitigt man das am besten durch einen Arbeitsplatz, nicht durch eine Therapie.
Aber man weiß nie, in welchen Situationen einem so eine Diagnose mal nützlich sein kann, ich hätte gern eine gehabt. Ich habe nämlich immer wieder beobachtet, wie Experten(meinungen) unkritische Laien beeindrucken und beeinflussen können. Da setzen sich z.B. Kommissionen aus hochdotierten Wirtschaftsfachleuten zusammen, um in jahrelanger teurer Forschungsarbeit herauszufinden, was gesunder Menschenverstand gepaart mit etwas Lebenserfahrung und Beobachtungsgabe innerhalb von Minuten vorauszusagen vermag.

Mit Hinweisen meinte ich den Vorfall, als ich Kind war. Das ist das einzige, was ich gern mal mit therapeutischer Unterstützung verarbeiten würde.

Haha, der Psychiater, bei dem ich war, sagte fast das Gleiche wie du: Daß ich durchweg Probleme schildere, die Alltagsproblemen normaler Bürger entsprächen und was denn nun mein eigentliches Problem und Anliegen sei?!

Vielleicht ist mein Hauptproblem einfach die Tatsache, daß ich in zu vielen Situationen die Wahl habe, meine wahren Gedanken entweder zu verleugnen (und Erfolg zu haben) oder anzuecken (aber integer zu sein), und mich dann oft falsch herum entscheide. Z.B. kürzlich in der Therapie.

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Beitrag Do., 08.05.2014, 14:17

Hallo Krang2!

Ich versuche nochmal auf deinen letzten Beitrag einzugehen, aber ich fürchte, ich bin mit meinem Latein so ziemlich am Ende inzwischen dir weiter zu helfen- tut mir leid!

Krang2 hat geschrieben: mittlerweile würde ich es eher als Suche nach einer langfristig sinnstiftenden und erfüllenden Arbeit sehen,
Und wieso probierst du dich nicht mal aus? Ich denke ja immer noch, dass man als Akademiker echt viele Möglichkeiten hat, jedenfalls habe ich kaum arbeitslose Akademiker kennengelernt, abgesehen von studierten Orchideenfächern, die nicht wirklich offene Stellen haben oder aus einer Branche partout nicht raus wollen. Ich habe ja sehr viel Interdisziplinarität gelernt, also selber für sich Arbeitsplätze in anderen Bereichen zu suchen oder selber eben neu zu erschließen. Und ich verstehe eben nicht warum du da ein bißchen wenig flexibel erscheinst. Ich meine, wie du schon angemerkt hast, diesen "Schnellimbiss", da kann man ja auch in leitende Funktionen aufsteigen?! Was spricht dagegen in niederen Gewässern anzufangen?
Nur allzuoft zerstören Schule und Studium/Lehre die natürliche Neugier und Arbeitsmarkt und Gesellschaft die natürliche Schaffensfreude.
Ich weiß nicht was bei dir vorgefallen ist, aber das kann auch nicht die allumfassende Ausrede sein, oder? Das klingt mir immer sehr nach Schuldzuweisung, bringt dich aber leider gar nicht weiter.
Diese lange Therapie, die ich hinter mir habe,
Wußte ich gar nicht, dass du schon eine lange Therapiezeit hinter dir hast.
z.B. daß diese Neigungen nur möglich wären,...
Und was hat das nun mit einer Jobperspektive gemein? Ich verstehe das irgendwie nicht?
es sollte auch für normale Menschen ein Grundrecht auf negative und schwankende Stimmungen, Gefühle und Verhaltensweisen geben, ohne daß sie deshalb gleich pathologisiert werden müssen (auf die Gefahr hin, daß das Arbeitsplätze zerstört ).
Was meinst du damit?
Selbst die normalen Wutanfälle bei Kindern werden demnächst als Störung diagnostiziert, weil Maschinenlärm und Pillen wohl gesünder geworden sind als Geschrei.
Da schweifst du jetzt aber sehr von dir ab.
Und selbst wenn Erwerbslosigkeit ehemals psychisch Gesunde depressiv macht, beseitigt man das am besten durch einen Arbeitsplatz, nicht durch eine Therapie.
Das muß ja auch jeder für sich entscheiden- zum Glück. Ich finde schon, dass Arbeit hilft, es ist ja nicht nur Arbeit, sondern auch soziale Interaktion.
Haha, der Psychiater, bei dem ich war, sagte fast das Gleiche wie du: Daß ich durchweg Probleme schildere, die Alltagsproblemen normaler Bürger entsprächen und was denn nun mein eigentliches Problem und Anliegen sei?!
Mir wird das auch wieder deutlich hier, weil du dazu neigst immer in Verallgemeinerungen abzugleiten oder in Schuldzuweisungen. Vielleicht bist du auch noch gar nicht bei dir selber angekommen? Mir fällt es jetzt gerade schon schwer, weil ich das Gefühl habe, dass ich bei dir nicht lande irgendwie. Es entsteht so kein bißchen "virtuelle Beziehung" zwischen uns. Nun kannst du argumentieren, dass das auch nicht notwendig ist und ich keinen Anspruch darauf habe, aber ich hätte schon gerne andere Seiten von dir gesehen.

Viele Grüße!
candle
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Krang2
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Beitrag Mo., 12.05.2014, 11:07

Hallo Candle,
das ist ein wohl "virtuelles Kommunikationsproblem", wenn jeder Satz einen zusätzlichen Erklärungssatz benötigt, deshalb telefoniere ich mit Onlinekontakten aus (Fetisch-)Foren immer. Z.B. bezog sich meine Kritik am Bildungssystem nicht auf meine Entwicklung, sondern auf Beobachtungen an anderen, und sollte auch keine Schuldzuweisung in Form einer Rechtfertigung für meine derzeitige Erwerbslosigkeit sein.
OK ein letzter Erklärungsversuch: Ich bin dann wirklich erfolgreich und effektiv (und glücklich), wenn "ich" gerade "ich" bin, dann überwinde ich auch jedes Hindernis (egal ob beruflich oder privat). Mit Halbherzigkeit und innerer Zerrissenheit bin ich aber nie weit gekommen, aber genau dieser Zustand herrschte früher privat und herrscht derzeit beruflich bei mir. Weil mich "Formalanpassung" genauso stört wie "Kämpfe gegen Windmühlen", ziehe ich mich mehr und mehr zurück. Das ist in diesem Forum nicht anders, ich schreibe nur noch deinetwegen hier oder wenn ich denke, daß ich etwas Hilfreiches für andere schreiben kann. Und den neuen Therapeuten werde ich wohl auch nur noch sehen, weil es jetzt ja nun beantragt ist und ich soviel Zeit und Mühe investiert habe und den Therapeuten nicht enttäuschen will und weil meine Freunde es von mir erwarten, daß ich mich um Besserung bemühe usw.
Die "Beziehung", die du erwähnt hast, finde ich schon wichtig, vor allem in einer richtigen Therapie. Die Chance darauf hat sich mein neuer Therapeut aber schon in der ersten Sitzung mit der drastischen Kundgabe seiner Einstellung verspielt. Klar ist er sicher genauso gebildet und engagiert wie sein Vorgänger, aber diese "Beziehung" wird es nie geben, weil ich weiß, daß ich bis zu einem gewissen Grad immer werde lügen müssen, und ich kann mich nicht öffnen, wenn ich im Hintergrund zensieren und verleugnen muß. Also verstricke ich mich weiter und weiter in Halbherzigkeit, die mich nicht weiter bringt. Mein neuer Therapeut hat auch alles getan, um Ängste zu schüren anstatt abzubauen.

Kennst du Leute, die Schuldenprobleme haben und sich immer weiter darin verstricken, je mehr sie versuchen, des Problems Herr zu werden? So ist das bei mir auch beruflich - ich habe über Jahrzehnte brav gelernt und gearbeitet und mich beworben und das getan, was von mir erwartet wurde (z.B. studiert), aber innerlich nur davon geträumt, mit Leichen zu arbeiten, und jetzt stehe ich vor dem Trümmerhaufen des ganzen Betruges, des doppelten Bodens, der in sich zusammengestürzt ist. Und immer hänge ich meinen Träumen nach, obwohl ich natürlich nach außen hin Einsicht heuchele. Ja, und wenn ich dann beim JobCenter bin, muß ich immer aufpassen, wer wovon erfahren könnte und was ich sage, und deshalb sehe ich zu, daß ich mich so durchhangele, denn lügen kann ich leider nicht, das würde man mir sofort anmerken. Sagen wir so, ich bemühe mich äußerlich um normale Berufe und sperre mich innerlich/unbewußt, während ich äußerlich kein Interesse mehr an gewissen Berufen zeige, die mir innerlich so vorschweben. Jeder merkt dann, wie merkwürdig ich rede: Als es um mein Studium usw. ging, redete ich flüssig, unbeteiligt, fast wie ein Dozent, aber als es darum ging, daß ich gern Präparator geworden wäre, erzählte ich, daß sich Gunther von Hagens auch plastinieren lassen will und merkte dann am Gesicht der Bearbeiterin, daß sie irgendwie irritiert war. Ich kann nicht lügen, man sieht mir einfach an, wenn ich schauspielere.

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Beitrag Di., 13.05.2014, 12:47

Hallo Krang2!

Ich habe in diesem Thread nochmal viel nachlesen und bin zu dem Schluß gekommen, dass dein erster Therapeut vielleicht gar nicht so unrecht hat mit dem was er sagte. Schließlich ist er da ja doch Experte auf diesem Gebiet. Und da bleibt für mich auch die Frage offen was du mit einer Therapie erreichen willst? Da seht ja auf den ersten Seiten auch schon etwas über Motivation, "Krankheitsbild" und "Heilungschancen". Zu den Ursachen wirst du vermutlich nicht viel finden können, denn die scheinen doch immer noch unklar zu sein in der Forschung. Manchmal gibt es auch einfach keine Erklärungen, was ich auch ab und an ärgerlich finde, aber das muß ich dann so akzeptieren.
Krang2 hat geschrieben: ich schreibe nur noch deinetwegen hier
Das mußt du gar nicht! Das ist ja wirklich traurig!
den Therapeuten nicht enttäuschen will und weil meine Freunde es von mir erwarten, daß ich mich um Besserung bemühe usw.
Wie oben schon geschrieben. Willst du denn Besserung? Nur für andere zu tun was du tust, ist sicherlich auch nicht gut- ein Motivator ja (!), aber das scheint es bei dir ja nicht zu tun.
Die Chance darauf hat sich mein neuer Therapeut aber schon in der ersten Sitzung mit der drastischen Kundgabe seiner Einstellung verspielt.
Und was war das?
um Ängste zu schüren anstatt abzubauen.
Das hängt wohl von Thema ab.
So ist das bei mir auch beruflich - ich habe über Jahrzehnte brav gelernt und gearbeitet und mich beworben und das getan, was von mir erwartet wurde (z.B. studiert), aber innerlich nur davon geträumt, mit Leichen zu arbeiten, und jetzt stehe ich vor dem Trümmerhaufen des ganzen Betruges, des doppelten Bodens, der in sich zusammengestürzt ist.
Findest du es denn normal, dass man einen Beruf rund um eine sexuelle Präferenz aufgebaut? Ich kann mir das auch wirklich nicht so ganz vorstellen wie man einen solchen Weg gehen kann.
Und immer hänge ich meinen Träumen nach, obwohl ich natürlich nach außen hin Einsicht heuchele.
Ja, das ist ein ordentliches Problem!
Jeder merkt dann, wie merkwürdig ich rede: Als es um mein Studium usw. ging, redete ich flüssig, unbeteiligt, fast wie ein Dozent, aber als es darum ging, daß ich gern Präparator geworden wäre, erzählte ich, daß sich Gunther von Hagens auch plastinieren lassen will und merkte dann am Gesicht der Bearbeiterin, daß sie irgendwie irritiert war.
Das ist eben auch nicht gerade ein Thema für jeden.

Ich weiß nun auch nicht weiter...

Viele Grüße!
candle
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Krang2
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Beitrag Do., 15.05.2014, 08:43

Das ist ganz lieb von dir, daß du dir solche Mühe gemacht hast, um zu einer Beurteilung zu kommen, ich weiß das wirklich zu schätzen.
Ich hatte die Therapie – auch – für mich angefangen (wenn auch unter Druck), und sie hat insofern ja etwas gebracht, als ich gelernt habe, an meiner Persönlichkeit zu arbeiten (und dafür erfolgreich eine Motivation aufzubauen). Andererseits ist es natürlich frustrierend für beide Seiten (Patient und Therapeut), wenn da viel guter Willen, Zeit und Mühe und Geld investiert werden, und man dann rückblickend sagen muß, daß die Sexualtherapie warum auch immer bis zum Zeitpunkt des Therapieabbruchs nichts gebracht hat... außer abstrakten Erkenntnissen.

Ich habe nicht nur sexuelles Interesse an Leichen, mich faszinieren der Tod und der menschliche Körper allgemein, auch wissenschaftlich. Ich bin mir dessen bewußt, daß von mir erwartet wird, daß ich davon Abstand zu nehmen habe, also werde ich auf Anfrage natürlich in der Zukunft brav antworten, daß ich in solchen Berufen nichts zu suchen habe. Träumen wird aber noch erlaubt sein oder?

„Und was war das?“ -->
Daß all der Ärger (privat, rechtlich usw.), den ich in meiner Vergangenheit hatte, richtig und (meinem Verhalten und meinem Störungsbild) angemessen gewesen sei. Daß meine Ängste nicht paranoid, sondern berechtigt seien, weil ich „etwas zu verbergen hätte“. Daß 13 Jahre Maßregelvollzug (im Fall des Alexander L., mit dem ich indirekt zu tun hatte) ebenfalls ihre Richtigkeit gehabt hätten. Daß er nicht bereit sei, mit mir über Therapieziele zu verhandeln, die einer Bagatellisierung Vorschub leisten (also nur das Verhalten zu vermeiden, das zu größeren strafrechtlichen Konsequenzen führt).
Der Tonfall in seiner Frage: „Ach, denken Sie denn, daß Sie auch eine verminderte Schuldfähigkeit bekämen?“
Überhaupt ist der Tonfall mitunter aussagekräftiger als der sachliche Inhalt einer Mitteilung. Meine „nach außen zensierte“ Reaktion: „Bin ich beim Therapeuten, um mir das Gleiche anzuhören wie draußen, nur mit Fachsprache aufgepeppt?“

Ich möchte dir, Candle, aber noch für all deine Antworten danken! Das war ganz lieb von dir, daß du dir soviel Mühe (nochmaliges Durchlesen) gemacht hast, um zu einer Beurteilung zu kommen. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Ich hätte wohl sowohl beim Therapeuten als auch hier als auch allgemein gleich weniger zensieren sollen, aber wenn man gewohnt ist, nach Erwartungen anderer zu reden und zu handeln, muß man das auch erst lernen. Dafür hoffe ich, daß ich die „normale“ Analysetherapie bewilligt bekomme.

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Beitrag Do., 17.07.2014, 03:30

Irgendwie habe ich das Bedürfnis, hier zu aktualisieren, auch wenn es wohl weniger Kommunikation als vielmehr eine Verarbeitungsart für mich ist, darüber so zu schreiben, es sozusagen auszusprechen:

Ich habe immer noch keine Therapiebewilligung. Mein Psychiater hat den nächsten Termin in drei Monaten gemacht. Jemand vom sozialpsychiatrischen Dienst, mit denen ich mehrmals in Kontakt war, erklärte mir nach einem längeren Telefonat, daß der Dienst personell gering ausgestattet und für Menschen da sei, die sich nicht anders zu helfen wüßten und wegen akuter Probleme Hilfe bräuchten... und ich solle mich doch bitte lieber an niedergelassene Ärzte wenden.
Und jetzt kommt das eigentlich Neue: Ich müßte ja nun stagnieren oder enttäuscht von der Welt sein. Doch ich fühle mich immer noch wie in Therapie! So als würden die Therapiestunden von damals jetzt erst ankommen, nach und nach ihre Wirkung entfalten. Vielleicht wurde ein Prozeß in Gang gesetzt, der von allein weitergeht, ohne daß noch ein Therapeut dabei sein muß? Ob das auch anderen Ex-Patienten so geht?
Ich drehe mich nicht mehr im Kreis, sondern es geht "weiter", ich sehe Dinge anders oder neu, die ich früher so nie wahrgenommen habe, auch eigene "Muster". Allgemein formuliert fühle ich mich mehr wie "ich", näher an mir selbst, auch befriedeter, d.h. ich muß keinem Ideal mehr nachjagen und habe weniger Angst vor Reaktionen anderer, was den Nebeneffekt hat, daß ich emotional mehr "verzeihe", was wiederum absurderweise dazu führt, daß ich in der Sache konsequenter sein kann als früher. Ich habe das Gefühl, "freier" entscheiden zu können, wenn es ein Problem gibt, d.h. ich nehme Druck und Ängste zwar noch wahr, aber kann sie aushalten. Ich habe sehr viel geweint, vor allem in den letzten Monaten, aber ich empfand das nicht als negativ und schon gar nicht als Depressionszeichen. Im Gegenteil, ich fühlte mich danach lebendiger und stärker.

Was meine Neigungen angeht, schwanke ich nicht mehr so zwischen Ausleben-wollen und Wegtherapieren-wollen und habe erkannt, daß meine Suche nach Ursachen, Erklärungen und die ganzen Diskussionen darüber nur beweisen, daß ich sie selbst nicht akzeptiert hatte, auch wenn ich so tat. Ich bin sexuell kein Stückchen "gesünder" geworden, aber die Beschäftigung, vor allem gedanklich, ist auf ein gesundes Maß gefallen, ich merke, daß es in Vielem nur ein Ersatz für andere Bedürfnisse oder Konfliktbewältigung war. Es mag kontraproduktiv klingen, aber ich fühle mich erleichtert, daß ich mich nicht für normalen Sex interessieren muß, nur weil es erwartet wird und von mir selbst auch erwartet wurde. Menschen lieben und Beziehungen eingehen kann ich trotzdem, nur daß mir eben diese Qualität fehlen wird, was mich ein wenig "behindert" macht. Und wenn ich endlich mein Erlebnis aufarbeiten und mit der Gesellschaft Frieden schließen kann, fällt vielleicht irgendwann das Motiv des Tabubruchs/Protests weg. Bis vor einiger Zeit empfand ich die Vorstellung, meine Neigungen nie mehr ausleben zu können, als existenzbedrohend, mittlerweile nicht mehr. Andererseits will ich meine Neigungen nicht mehr los werden, finde es "geil" und wenn ich jetzt daran denke, leide ich weniger, sondern genieße es mehr, ich fühle mich weniger "ausgeliefert", sondern definiere, was ich denken will, was ich tun will und wo meine Grenzen sind.

Vielleicht schreibe ich das hier auf, damit ich es ausdrücke und wahrnehme, damit es nicht nur Gedanken bleiben, sondern eine Entwicklung, mit der ich mich bewußt identifiziere.


leberblümchen
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Beitrag Do., 17.07.2014, 07:06

Hallo,
ich selbst habe auch eher abweichende Sexualphantasien, und ich frage mich schon immer, ob das nicht vielleicht alle Leute haben - oder zumindest mehr als 50%; und damit müsste sich die Frage nach der 'Abweichung' ja ganz anders stellen. Es gibt in Bezug auf die Sexualität eine Norm, die einfach irgendwer definiert. Früher war Homosexualität ein Tabu (also, ganz früher, in der Antike war das anders, aber ich rede jetzt so von der modernen Gesellschaft) - ist ja heute im Profifußball z.B. auch noch so. Dennoch gibt und gab es Homosexualität ja zweifellos. Man hat nur nicht darüber gesprochen (es sei denn, vielleicht, man war Künstler). Ich frage mich also, ob das nicht in Bezug auf alle Sexualität gilt, dass einfach nur über das gesprochen wird, was der Norm entspricht. Und dass sich deshalb alle, die dieser Norm nicht entsprechen, schon mal prophylaktisch als 'pervers' definieren müssen. Auf diese Weise wird die Norm natürlich immer wichtiger, während andere Praktiken immer peinlicher werden - und ich möchte bezweifeln, dass diese Sichtweise die Realität widerspiegelt.

Und wenn du das erkannt hast und wenn du ebenso weißt, dass du an deiner Prägung sowieso kaum was ändern kannst, dann kannst du dich viel besser annehmen. Ich glaube, das Leiden kann dann aufhören, wenn man aufhören kann, sich zu verstecken - vor allem vor sich selbst.


pandas
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Beitrag Do., 17.07.2014, 12:36

Nun, aber es gibt doch sehr unterschiedliche sexuelle Praktiken und auch hat der gesellschaftliche Umgang mit diesen auch immer etwas mit Schutz und Sinn zu tuen: Drängt es doch denjenigen, die sexuellen Praktiken auszuüben, und dass kann er/sie nicht allein bzw. kann er/sie auch allein, aber die meisten umstrittenen Sexualpraktiken begehren dies zu tun mit einem Anderen.

Ich sehe schon auch, dass Homsexualität an sich da auch nochmal herauszunehmen ist; da geht es doch eher um Geschlechtlichkeit, Definition des Geschlechtes an sich. Und es war früher nicht so, dass Homosexualität als pervers galt, sondern sie war einfach ein Nebengeschehen. D.h. sie galt schlichweg nicht als Substitut für Heterosexualität: Sie geschah nebenbei. Doch wurde erwartet, dass man sich auch heterosexuell bindet und fortpflanzt.

Dann gibt es die Schnittmenge Homosexualität und Pädophilie, die zu Recht genauso sanktioniert wird wie Heterosexualität und Pädophilie.
Das war früher mal anders, ja, aber früher war vieles anders. Anders und früher ist nicht automatisch besser, oder?

Wie gesagt, Homosexualität ist ohnehin keine sexuelle Praktik, sondern jeder Homosexuelle hat innerhalb der Praktiken unterschiedliche Präferenzen.

Sexuelle Praktiken an sich sind teilweise deshalb skeptisch betrachtet, weil sie andere Personen betreffen.
Ich persönlich würde auch nicht sehen, warum man jemand mit sexueller Präferenz zu Leichen diesen den beruflichen Zugang zu diesen ermöglichen sollte ... schon mal an die Totenwürde gedacht?
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Krang2
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Beitrag So., 20.07.2014, 23:09

@leberblümchen,
statistische Erhebungen zu sexuellen Phantasien und Praktiken sind Mangelware und ich wette, daß selbst bei garantierter Anonymität viele unehrlich antworten. Für die Wissenschaft ist das spannend, aber für mich ist gerade der Fortschritt, daß ich nicht mehr zwischen "Outing/Diskutieren" und "Verheimlichen" schwanke, sondern es einfach dadurch nicht mehr so ein großes Thema ist, daß ich es für mich annehme. Ich springe auch nicht mehr drauf auf Diskussionen über "Totenwürde" an, ich kann damit leben, daß die Leute nicht dazu da sind, meine Meinung anzunehmen, und auch ihre Gründe dafür haben.
@pandas,
Bewerbungen mit Angabe der sexuellen Präferenz habe ich aber noch nicht gesehen, diese nebst Reaktionen darauf wären aber ein gutes Thema für "Verstehen Sie Spaß". Wichtiger als die Präferenz ist, was jemand tatsächlich anstellt. Es gibt ja auch genug Kinderschänder, die nicht pädophil sind, und genug Pädophile, die keinem Kind was zuleide tun. Und "sexuell Normale", die Frauen vergewaltigen. Das ist Charaktersache. Und ich weiß, daß ich für meine Präferenz nichts täte, was ich moralisch nicht verantworten könnte oder was anderen Leid zufügt.


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Beitrag Di., 22.07.2014, 16:17

@ krang

Es ging mir nicht um Bewerbungsverfahren,

sondern um die Diskussion darum, dass bestimmte sexuelle Praktiken gesellschaftlich nicht angesehen sind, d.h. auch mit Scham, Tabu, Moralfragen belegt. Das dies auch seine Gründe hat und nicht so geschieht, weil gesellschaftlich irgendwelche Mächte wirken, die gemeinerweise den Einzelnen beschämen wollen etc.
Das hierin wiederum Differenzen getroffen werden müssen, ist klar und auch dies beschrieb ich in Bezug auf die Homosexualität. Wobei es eben auch so ist, dass dieses Argument, früher war sie okay und in der Moderne erst nicht mehr, und jetzt, durch viel Protest etc. doch wieder mehr, so allein nicht so zugkräftig ist, da viele Komponenten mit hineinspielen.

Ich wollte darauf hinweisen, dass sexuelle Praktiken gesellschaftlich mitunter umstritten sind, da sie nicht nur das Selbst berühren, sondern auch den Anderen. Sobald also jemand offenbart, er hat eine Präferenz, die ein anderes Objekt benötigt, welches dem nicht unbedingt geneigt ist, wird dies moralisch negativ belegt - welches Sinn macht.

Das wird mE nunmal bei den gegenwärtigen Diskussionen um gesellschaftliche negative Belegung mancher sexueller Praktik zu schnell vergessen.

Ansonsten ist die Gesellschaft hierzulande in Bezug auf Sexualität sehr tolerant, es gibt ja auch hochfrequente, kostenintensive Projekte für Phädophile, die diesen zeigen sollen, wie sie damit umgehen können, ohne es umzusetzen.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


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Beitrag Di., 22.07.2014, 16:20

Krang2 hat geschrieben: Wichtiger als die Präferenz ist, was jemand tatsächlich anstellt. Es gibt ja auch genug Kinderschänder, die nicht pädophil sind, und genug Pädophile, die keinem Kind was zuleide tun. Und "sexuell Normale", die Frauen vergewaltigen. Das ist Charaktersache.
Naja, sobald ein Mann eine Frau vergewaltigt, ist er nicht mehr sexuell "normal". Wobei hier eh die Frage ist, was das sein soll, sexuell normal??
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Krang2
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Beitrag Di., 22.07.2014, 21:23

Das war sprachlich ungenau von mir, mit "sexuell normal" meinte ich nur die Präferenz, natürlich ist das Verhalten eines Vergewaltigers - für mich zum Glück - nicht normal, zumindest nicht jetzt und hier.

Dein Diskussionsthema ist durchaus interessant und ein weites Feld, aber *nicht* Thema meines Beitrages und schon gar nicht meiner letzten Ergänzung. Wenn du dich darüber austauschen möchtest, empfehle ich eine neue Diskussion zu eröffnen, wo ich auch gern antworte, wenn du mir einen Verweis schickst. Oder, wenn du mit mir persönlich darüber diskutieren möchtest, kannst du mir eine PN schreiben.

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Beitrag Di., 05.08.2014, 23:18

Kennt ihr das auch, wenn ihr ein Bauchgefühl habt, für das es jedoch zumindest im Bewußtsein keine Begründung gibt? Und wenn man das anderen erzählt, wird es natürlich abgetan, bis man es selbst auch als irrational abtut. Und dann stellt sich IMMER heraus, daß es doch so war.

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Beitrag Di., 05.08.2014, 23:38

Krang2 hat geschrieben: Und dann stellt sich IMMER heraus, daß es doch so war.
Um was geht es denn?

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