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Do., 04.04.2013, 11:57
ExVoto, jetzt mal von der 'offiziellen Lesart' abgesehen, die besagt, dass ein solches Vorgehen à la: "Ich kann mich von Ihnen ganz besonders schwer trennen; wollen wir Freunde bleiben" rein 'technisch' nicht vertretbar ist, weil du halt sein Schutzbefohlener bist und er von eurer Beziehung nicht profitieren darf, auch nicht emotional - Stichwort: "ich kann mich nicht trennen" - also, abgesehen davon:
Es kommt auch auf deine persönliche Geschichte an: Viele - nicht alle - Patienten haben unter einer emotional missbräuchlichen Beziehung zu den eigenen Eltern gelitten. Diese Beziehung bringt die Patienten in die Therapie, ohne dass sie das vorher so benennen können. Sie spüren nur die Symptome: Herzrasen, Angst, Depressionen usw. In der Therapie, v.a. in einer aufdeckenden, verstehen sie dann, woher die Symptome kommen. Ganz oft kann die Angst der Ausdruck einer Angst vor dem Sich-Lösen von den Eltern stecken, so ein "ohne die Bestätigung meiner Eltern bin ich nichts Wert. Alleine schaff ich es nicht und muss Angst bekommen, die mir meine Wert- und Hilflosigkeit immer wieder bestätigt" - und nun stell' dir vor, dass der Therapeut an das, was von den Eltern kommt, anknüpft, indem auch er den Patienten suggeriert: "Wir brauchen einander. Ich kann nicht ohne dich und du nicht ohne mich". Dann wäre der Therapieerfolg gleich Null, denn von Selbständigkeit und Reife kann man so nicht reden.
Ich stelle mir gerade vor, wie ein Therapeut zum Patienten sagt: "Von dir kann ich mich besonders schlecht trennen" - und der Patient dann ganz lässig antwortet: "Ich mich von dir aber schon". An diesem Beispiel wird der msisbräuchliche Charakter m.E. besonders deutlich: Der Therapeut würde so etwas natürlich nicht zu jemandem sagen, der diese Selbständigkeit hat und SO antworten würde. Also macht er das mit Patienten, von denen er weiß, dass sie diese Angst kennen und ähnlich empfinden.
Er wird das nicht bewusst machen à la: "Heut reiß ich mir mal 'n flottes Mädchen auf", sondern er wird wirklich so empfinden! Davon bin ich überzeugt, dass er dich wirklich sehr mag! Aber in dieser Beziehung bin ich extrem hart: Er darf dir das SO nicht zeigen! Er muss seinen eigenen Trennungsschmerz mit sich selbst oder mit seinem Supervisor ausmachen! Alles andere schadet dir.
Das ist meine Meinung; ich will dir die Freundschaft zu deinem Therapeuten nicht madig machen, denn das steht mir nicht zu. Es ist ja immer eine Sache, wie man etwas theoretisch sieht - und ob man sich praktisch an diesen ethischen Standard halten kann. Mit den Gefühlen kann es halt manchmal verflixt kompliziert sein