Thread zum Krieg in der Ukraine

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peponi
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Beitrag So., 17.04.2022, 12:01

Naja, was medial daraus gemacht wird, ist immer die andere Sache. Ich erinnere mich daran, was medial aus den Demos gegen TTIP und CETA gemacht wurde. Völliger Blödsinn, der nichts mit dem zu tun hatte, was auf den Demos stattfand und gefordert wurde.

Die Ostermärsche richten sich gegen die Aufrüstung Deutschlands und gegen globales Wettrüsten. Das ist so ziemlich der konkreteste Punkt, den ich den Infos der Veranstalter:innen entnehmen kann. Und ich vermute, wie gesagt, dass sie anderweitig nicht konkreter werden, weil sie inhaltlich zu sehr zerstritten sind und sich auf keinen gemeinsamen Standpunkt einigen können. Ja, ist in dieser Form ein wenig ein zahnloser Tiger. Daraus aber eine fünfte Kolonne Putins abzuleiten, ist zynisch und realitätsverzerrend.

Hast du übrigens eine Quelle für deine Aussage, dass die Ukraine die Neutralität schon vor dem Krieg angeboten hat? Das lese ich tatsächlich zum ersten Mal, kann aber auch sein, dass ich das schlichtweg nicht mehr im Kopf habe.
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ziegenkind
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Beitrag So., 17.04.2022, 12:42

Peponi, noch einmal: Offensivwaffen werden gebraucht, um die Russen aus Städten wie Cherson zu vertreiben, von den Orten, wo jetzt und in diesem Moment fürchterliche Dinge passieren. Das ist aus meiner Sicht viel realistischer als darauf zu warten, dass das Putin-Regime verhandlungsbereit ist.

Worauf stützt sich Deine Annahme, dass der Krieg militärisch nicht zu entscheiden ist? Wo siehst Du Signale für die Verhandlungsbereitschaft des Putin-Regimes? Wie willst Du das denen erklären, die jetzt und in dieser Stunde und in dieser Minute unter einer Soldateska aus Tschetschenien und Syrien leiden, die seit ihrer Kindheit nur Gewalt kennt?

Erfolgreiche militärische Gewalt hat das Martyrium von Menschen in Homostel und in Butscha beendet. Wie willst Du diesen Menschen vermitteln, dass ihre Freunde und Verwandten in Mariupol, in Cherson einfach weiter abwarten sollen?

Natürlich kann und soll man diskutieren. Aber man kann und soll auch wissen, was passiert, während man diskutiert und was die Folgen dessen sind, was man vertritt.
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ziegenkind
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Beitrag So., 17.04.2022, 12:49

Ich glaube übrigens nicht, dass die Ostermarschierer*innen die fünfte Kolonne Putins sind. Ich glaube, dass das Leute sind, die nicht gelernt haben, politisch zu denken; Leute, die es für selbstverständlich halten, dass sie sicher sind und dass es ihnen gut geht; Leute, die es irgendwie auch diffus für normal halten, dass es ihnen besser geht als anderen; Leute, die noch diffuser "denken", dass sie mehr und weiter sehen mit ihrer Forderung nach Beendigung der Gewalt als die Opfer dieser Gewalt, die fordern, dass man sie dabei unterstützt sich zu wehren.

Peponi, du lehnst etwas ab, weil es Ausdruck von Kriegslogik sei. Was soll das denn heißen in einem Moment, in dem der Krieg schon da ist? Wie soll man in einem Krieg nicht Kriegslogik betreiben?
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stern
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Beitrag So., 17.04.2022, 13:16

peponi hat geschrieben: So., 17.04.2022, 12:01 Daraus aber eine fünfte Kolonne Putins abzuleiten, ist zynisch und realitätsverzerrend.
Das waren nicht die Medien, sondern eine Kritik von Lambsdorff, von der man halten kann, was man will. Was ich übrigens auch nicht teile (und so auch nicht formulieren würde). Aber es ist ein Kritikpunkt von vielen an diesen Märschen, wie man ihn -aus gutem Grund- dzt. öfters hört. Meine habe ich geäußert... mit der Kritik von Thierse (die ja auch entsprechend kommentierte) kann ich mich eher identifizieren.
Hast du übrigens eine Quelle für deine Aussage, dass die Ukraine die Neutralität schon vor dem Krieg angeboten hat?
Das habe ich hoffentlich nicht behauptet. Gemeint war: Mittlerweile (mit Sicherheitsgarantien). Und sollte darauf hinweisen: Wenn es Putin wirklich darum ginge, warum geht er dann nicht darauf ein? Anders formuliert: Man wird sich zunehmend damit arrangieren müssen, dass Putin diesen Krieg führen will (solange er kann). Vor Beginn des Krieges hatte er kein Interesse an ernsthaften Verhandlungen (mehr Diplomatie ging nicht)... und auch auf solche Angebote geht er nicht ein. Und auch Sanktionen halten ihn nicht ab.
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peponi
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Beitrag So., 17.04.2022, 14:16

ziegenkind hat geschrieben: So., 17.04.2022, 12:42 Worauf stützt sich Deine Annahme, dass der Krieg militärisch nicht zu entscheiden ist? Wo siehst Du Signale für die Verhandlungsbereitschaft des Putin-Regimes? Wie willst Du das denen erklären, die jetzt und in dieser Stunde und in dieser Minute unter einer Soldateska aus Tschetschenien und Syrien leiden, die seit ihrer Kindheit nur Gewalt kennt?
Erstens auf Geschichte, die zeigt, dass Kriege so gut wie nie militärisch, sondern in erster Linie auf dem Verhandlungsweg beendet werden. Zweitens auf die schlichte Übermacht der russischen Armee, sowohl was die Ausrüstung als auch die Anzahl an Soldaten betrifft. Die Ukraine kann sicherlich jahrelang einen zermürbenden Guerilla-Krieg gegen Russland führen, und je mehr Waffen sie aus dem Westen erhält, desto länger wird der Krieg und damit die Gewalt andauern und zunehmend zu einem Stellvertreterkrieg werden. Ist das erstrebenswert? Und umgedreht gefragt: worauf stützt sich deine Annahme, dass die Ukraine Russland besiegen kann?
Signale für eine Verhandlungsbereitschaft Putins sehe ich u.a. in der Abkehr von anfänglich formulierten Zielen wie dem des Regime Change. Es läuft nicht nach Plan, die Forderungen Russlands werden bereits schwächer, und wenn man mit einem Energie-Embargo noch viel mehr Druck aufbaut, sehe ich tatsächlich Chancen, dass eine Einigung zustande kommt.
Was ich den Menschen sagen möchte, die jetzt unter dieser entsetzlichen Gewalt leiden? Das, was ich auch den Menschen im Jemen, in Syrien, im Irak, in Afghanistan, im Kongo, in Mali, in Mexiko oder Kolumbien sagen möchte: es macht mich sprachlos, was euch passiert ist und was euch weiterhin passiert. Das muss ein Ende finden, aber ein nachhaltiges Ende kann nur über Verhandlungen erreicht werden, ansonsten wird die Gewaltspirale nicht mehr aufhören. Das ist hart, aber es ist in der Ukraine nicht härter als anderswo und anderswo nehmen wir das auch einfach hin, wenn es keine weißen Europäer betrifft. Im Jemen liefern wir sogar noch dem Aggressor Saudi-Arabien Waffen bzw. haben in der Vergangenheit geliefert, wie es momentan aussieht, weiß ich nicht.
Damit das nicht falsch verstanden wird: ich halte nicht viel davon, die Brutalität in der Ukraine mit dem Verweis auf andere Kriege zu relativieren und ich finde auch diese Tendenz in der Friedensbewegung ganz schlimm. Ich finde es gut, wenn endlich mal beschlossen wird, nicht wegzuschauen und handeln zu müssen. Trotzdem verstehe ich die Kritik an der europäischen Doppelmoral, wie ich sie vor allem in lateinamerikanischen Medien lese, auch wenn ich sie nicht völlig teile.

Konkret bezogen auf deutsche Waffenlieferungen: wie hilfreich sind diese denn tatsächlich? Ich habe gelesen, dass die schweren Waffensysteme, die Deutschland liefern könnte, der Ukraine gar nicht so viel helfen, weil sie erst dafür ausgebildet werden müssten. Dann wäre das nicht viel mehr als Aktionismus.

Du schreibst nichts zu dem nicht völlig von der Hand zu weisenden Szenario, dass durch die Lieferung schwerer Waffen das Risiko der Ausdehnung des Krieges und das Risiko des Einsatzes von Atombomben erhöht wird. Das ist aus meiner Sicht aber der entscheidende Punkt und ich befürworte das in dieser Hinsicht besonnene Agieren von Scholz, der diesen Punkt sehr gut erfasst. Denn damit wäre niemandem geholfen. Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht; und so gut gemeint wie Waffenlieferungen auch sind, können sie die Situation schlimmer machen, sowohl für die Ukraine als auch für Europa als auch für den Rest der Welt. Das auszublenden ist gefährlich.
ziegenkind hat geschrieben: So., 17.04.2022, 12:49 Leute, die noch diffuser "denken", dass sie mehr und weiter sehen mit ihrer Forderung nach Beendigung der Gewalt als die Opfer dieser Gewalt, die fordern, dass man sie dabei unterstützt sich zu wehren.

Peponi, du lehnst etwas ab, weil es Ausdruck von Kriegslogik sei. Was soll das denn heißen in einem Moment, in dem der Krieg schon da ist? Wie soll man in einem Krieg nicht Kriegslogik betreiben?
Irgendwann, früher oder später, müssen wir raus aus einer Kriegslogik. Ob es uns gefällt oder nicht, wir müssen mit einem nuklear bewaffneten Russland in unserer Nachbarschaft leben, denn die einzige Alternative besteht darin, gar nicht mehr zu leben. Also müssen wir irgendwie irgendeinen Kompromiss miteinander finden. Das geht nicht, wenn der Krieg in jedem Kopf steckt und jeder nur daran denkt, den Anderen besiegen zu müssen. Deine unterschwelligen Sticheleien kannst du dir übrigens sparen. Darauf gehe ich nicht ein, denn das ist mir zu blöd.
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stern
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Beitrag So., 17.04.2022, 14:32

Genau das. Berliner Friedenskoordination:
"Wir haben uns fast entzweit über diesen Aufruf", erzählt Kausch offen. Gemeint ist ein einseitiges Papier, das die Friko zum Ostermarsch veröffentlicht hat. "Die Waffen nieder!" steht darüber. Es brauche "Kompromissbereitschaft von beiden Seiten" und "vernünftigerweise eine neutrale Ukraine". Vernunft und Diplomatie statt Waffenlieferungen und Sanktionen. Am Ende stehen sieben Forderung: Russland wird nicht erwähnt. Der Angriff des Kreml wird nicht verurteilt, dafür fällt die Kritik am 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr umso schärfer aus. Das Papier ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den man sich einigen konnte.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ost ... -1.5567710

Einen Angriffskrieg als solchen zu benennen, sollte eh selbstverständlich sein.... und würde ich noch nicht als Positionierung ansehen, sondern als pure Benennung der Realität. Wer auch das leugnen würde, wäre eh lost.

Ein Verzicht auf Waffenlieferung würde die militärisch ohnehin schwächeren UkrainerInnen in die Niederlage bzw. Unterwerfung zwingen.

Allerdings gibt es zumindest in Berlin noch einen konkurrierenden (kleineren) Marsch:
In einem Aufruf im Internet wurde die Aktion als «alternativer Ostermarsch» bezeichnet. Darin wurde kritisiert, der Aufruf der Friedensbewegung zum traditionellen Ostermarsch erwähne mit keinem Wort die russische Aggression und das Recht auf Selbstverteidigung. Auf Plakaten forderten die Demonstranten unter anderem «Schwere Waffen jetzt!» und «Stop Russian Reich».
https://www.zeit.de/news/2022-04/16/meh ... -in-berlin

Ist die Kritik so unberechtigt?
Zuletzt geändert von stern am So., 17.04.2022, 15:06, insgesamt 1-mal geändert.
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ziegenkind
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Beitrag So., 17.04.2022, 14:42

Kriege gegen aggressive Plünder-Autokratien wie das Putin-Regime enden nicht durch Verhandlungen. Mit wem hat Hitler verhandelt? Mit wem hat Assad verhandelt?

Zu der angeblichen Abschwächung von russischen Forderungen: Seine Propagandisten lässt er auch heute noch von der Ukraine als erstem Schritt, dem bald neue folgen werden, von der historischen Mission Russland in der Überwindung globaler westlicher Hegemonie schwadronieren. Kiew wird nach wie vor bombardiert. Ich finde es echt erstaunlich, wie leicht viele Leute den hin und wieder nachlässig hingeworfenen Beschwichtigungen Putins aufsitzen - ohne darauf zu gucken, was er tut und ohne zu hören, was er seine Medien täglich verbreiten lässt.
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Beitrag So., 17.04.2022, 14:46

Sorry, Pepponi, aber wie soll das gehen: sprachlos sein und gleichzeitig verhandeln?

Und: mit wem willst Du verhandeln? Alle, die mit Putin gesprochen haben, kommen verstört und entsetzt aus den Gesprächen raus. Was braucht es denn noch?
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Beitrag So., 17.04.2022, 14:47

peponi hat geschrieben: So., 17.04.2022, 14:16 Signale für eine Verhandlungsbereitschaft Putins sehe ich u.a. in der Abkehr von anfänglich formulierten Zielen wie dem des Regime Change.
Das habe ich nie eine Sekunde geglaubt. Er hat nur seine Strategie verändert, sonst nichts.
aber ein nachhaltiges Ende kann nur über Verhandlungen erreicht werden, ansonsten wird die Gewaltspirale nicht mehr aufhören.
Genau so läuft das! Es wird keine Verhandlungen geben. Du hast doch gesehen, dass nichts fruchtet.
können sie die Situation schlimmer machen, sowohl für die Ukraine als auch für Europa als auch für den Rest der Welt. Das auszublenden ist gefährlich.
Jeder Schritt ist gefährlich, ob Waffenlieferung oder Embargo.
Also müssen wir irgendwie irgendeinen Kompromiss miteinander finden. Das geht nicht, wenn der Krieg in jedem Kopf steckt und jeder nur daran denkt, den Anderen besiegen zu müssen.
Und was siehst du jetzt konkret für Alternativen?

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Beitrag So., 17.04.2022, 14:53

Und warum glaubst Du, Pepponi, dass Russland "uns" oder Polen oder Litauen nur dann angreift, wenn wir Waffen an die Ukraine liefern? Noch einmal: er hat die Ukraine ohne jeden Anlass angegriffen - weil sein nicht zukunftsfähiges Regime seit Jahren die permanente Eskalation von Konflikt und Gewalt braucht, um zu überleben. Und wenn er mit der Ukraine fertig ist, wird er sich das nächste Ziel suchen. Mit diesem Regime wird es keinen Frieden und keine Sicherheit geben - für niemanden.
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peponi
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Beitrag So., 17.04.2022, 15:30

Assad hat nie verhandelt, der Krieg in Syrien ist auch nicht vorbei. Hitler hatte keine Atombomben und von daher kann man den Krieg der Alliierten gegen Nazi-Deutschland schlecht auf das heutige Russland unter Putin übertragen, weil es per se andere Lösungsstrategien verlangt. Oder glaubst du ernsthaft, dass Russland militärisch besiegt werden kann und das einfach hinnimmt?
Wenn ja: das ist naiv, hochgefährlich und verantwortungslos gegenüber dem Rest der Welt, der ein Recht hat, nicht in diesen in erster Linie europäischen Konflikt hineingezogen zu werden, was er aber bei einer militärischen Konfrontation zwischen Europa und Russland zwangsläufig würde. Es braucht auch keine atomare Apokalypse, um einen nuklearen Winter auszulösen, da reicht schon ein lokal begrenzter Schlagaustausch mit vielleicht hundert Bomben, um die ganze Welt ins Elend zu stürzen.

Meine Alternativen habe ich schon mehrfach genannt. Ein Energie-Embargo, um den Druck auf Russland zu erhöhen und die weitere Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine zu unterbinden und dann auf eine diplomatische Lösung hinwirken. Nein, ich denke nicht, dass das ein höheres Eskalationspotenzial hat als die Lieferung schwerer Waffen. Würde sich die EU dazu durchringen, auch wenn es bedeutet, große Abstriche machen zu müssen, wer weiß, wie lange Russland das dann durchhält.

Es gibt bereits Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Diese bringen im Moment kein Ergebnis, und ich vermute ehrlich gesagt, dass Russland in der Ostukraine weitere Fakten schaffen und erst dann wirklich zu Verhandlungen bereit sein wird. Fände ich das gut? Nein. Aber es gibt keine gute Lösungen, nur schlechte, sehr schlechte und katastrophal schlechte.
Beginnen könnte man in der EU übrigens damit, eine Verhandlungsdelegation zusammenzustellen. Das ist bisher nämlich noch nicht passiert, mit der Begründung, man sei nicht neutral und das habe keinen Sinn. Ja, so kann das natürlich nie etwas werden.
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stern
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Beitrag So., 17.04.2022, 15:40

Ich habe bisher noch niemanden (niemanden!), der mit Putin persönlich gesprochen gehört, der in irgendeiner Form signalisiert hätte, dass er/sie ein Perspektive für eine Gesprâchs- oder Verhandlungsebene sieht.

Weil es mir gerade über den Weg gelaufen ist: Draghi:
Er will die Hoffnung auf einen diplomatischen Ausweg zwar nicht aufgeben und wolle auch Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron weiter unterstützen, der mehrmals und auch lange mit Putin verhandelte. »Aber ich habe den Eindruck, dass der Schrecken des Krieges mit all dem Gemetzel, mit all dem, was den Kindern und Frauen angetan wird, völlig losgelöst ist von den Worten und Telefonaten«, sagte der italienische Regierungschef.
https://www.spiegel.de/ausland/ukraine- ... b36d3700dc

Und das Fazit aus den diplomatischen Bemühungen im Vorfeld (vor dem Einmarsch) war doch (wenn ich mich recht entsinne): Dass er den Verhandlern ins Gesicht log.

Ich glaube, wenn es einen realistischen Anknüpfungspunkt gäbe, auf diplomatschem Weg etwas zu erreichen, würde man den nicht ungenutzt lassen. Aber wo soll der sein? Etwas zu fordern, was unrealistisch ist, damit ist niemandem geholfen.

Je länger sich der Kreg zieht, umso wichtiger werden aber in der Tat wirtschaftliche Sanktionen. Dazu schrieb ich ja auch schon einiges. Warum D diese Register nicht stärker zieht: Weil man noch zu sehr von russ. Gas abhängig ist. Was ökonomisch realisierbar ist, wird unterschiedlich beurteilt.
Zuletzt geändert von stern am So., 17.04.2022, 15:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag So., 17.04.2022, 15:40

@peponi:
Ich überhöhe nichts und spreche nicht von der einzig wahren Lösung. Du sprichst von der einzig wahren Lösung, Verhandlungen.
Ich sehe das jedoch wie u. a. Ziegenkind. Glaubst du wirklich, wirklich Putin und sein Gefolge hat Interesse an Verhandlungen? Nochmal, hätten sie das, gäbe es ernsthafte Verhandlungen. Gibt es jedoch nicht. Ich sehe ihn mittlerweile auch wirklich in einer Linie mit Hitler und Assad.
Nochmal, Verhandlungen mit jemandem der sich an Absprachen, an fundamentalste Werte nicht hält, sind nicht wirklich möglich.

Ich sage auch nicht, dass ich eine Lösung habe. Ich denke eher das ist das absolut Beängstigende an der Situation. Jede Lösung ist schlecht. Das genau ist Krieg. Das ist Krieg.
Die Gefahr von nuklearen Waffen ist vorhanden, sehe ich auch so. Aber glaubst du, Menschen die das anordneten und taten, was bereits passiert ist, verzichten darauf, nur weil der Westen nachgiebig ist oder sich nicht einmischt? Mittlerweile ist recht klar, dass Kriegsverbrechen nicht nur geduldet, sondern angeordnet sind. Ich denke eher das Gegenteil wäre der Fall, als das Putin sagt: Ihr mischtveuch nicht ein, dann lasse ich die Kriegsverbrechen und nuklearen Waffen mal stecken. Es wurden ja bereits geächtet Waffen eingesetzt Ich denke auch, wenn Putin nicht in der Ukraine gestoppt wird, geht er weiter westlich.
Die Suwalki-Lücke dicht zu machen und dort einen Korridor einzurichten dauert wie lange? 2 Tage? Dann ist das Baltikum abgetrennt und Polen unter Druck. Und wie lange dauert es von Suwalki nach Berlin? 1 bis 2 Tage mit dem PKW.
Was bringt es den Vergewaltigten Frauen? Nun ich persönlich denke, lieber in aktiver Verteidigung sterben, als von vorne herein Opfer sein. Und so werden wohl viele denken.
Das die Männer nicht aus der Ukraine rauskommen, finde ich auch nicht gut. Ich denke aber eh, man sollte die Ukraine nun auch nicht idealisieren. Das war nie ein Hort der Demokratie.
Trotzdem haben die Menschen ein Recht ihr Land und Leben, ihre Kultur zu verteidigen und dafür brauchen sie mehr als einen Spaten auf der Datsche.

Verstehe mich nicht falsch. Ich bin sofort für Verhandlungen. Ich denke nur aus den oft genannten und zitieren Gründen, bringt es nichts. Sollte es irgendwie möglich sein, wäre es wohl nötig, dass Putin und sein Gefolge militärisch viel stärker unter Druck geraten. Hier kommen wieder Waffen ins Spiel.
Ich wunderte mich einfach, dass noch jemand denken könnte, Verhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt wären erfolgversprechend.

Und richtig. Syrien ist alles andere als vorbei. Wegen wem wohl unter anderem? Wieder ein Hinweis, will Putin wirklich verhandeln?
amor fati


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Beitrag So., 17.04.2022, 16:46

Politik machen heißt abwägen des Möglichen und Wahrscheinlichen im Horizont des Tatsächlichen.

Und im Moment kann man in meinen Augen nur abwägen, was wahrscheinlicher ist: (i) Putin hört irgendwann einfach so auf mit dem Morden, das er einfach so ohne Grund und Anlass angefangen hat. (ii) Putin wird durch Gegenwehr entweder gezwungen aufzuhören oder er wird von professionellen russischen Militärs (fast die einzigen in Russland, die wenigstens ein professionelles Ethos haben) gestürzt. (iii) Der Krieg eskaliert.

Aus meiner Sicht spricht nichts, wirklich überhaupt gar nichts außer Wunschdenken für die erste Option und das einzige, das zwischen uns und der dritten Option steht, ist die zweite Option. Noch einmal: Stillhalten oder Wegsehen bietet überhaupt gar keine Gewähr dafür, dass es nicht zur dritten Option kommt, ganz im Gegenteil, Stillhalten und Wegsehen steigert die Wahrscheinlichkeit der dritten Option.
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Beitrag So., 17.04.2022, 17:05

Und noch mal, ziegenkind: Ich plädiere nicht für die Option Stillhalten und/oder Wegschauen.
Ich plädiere für die Option, die Gegenwehr mit nicht-militärischen Mitteln zu unterstützen, die nach wie vor nicht ausgeschöpft sind. Wenn wir Russland die Finanzierungsgrundlage dieses Krieges nehmen, setzen wir die russische Führung damit weitaus stärker unter Druck als die Ukraine es mit sämtlichen Waffenlieferungen könnte.
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