viciente hat geschrieben:... sofern er defizite formuliert bzw. - direkt oder indirekt - um hilfe ersucht; andernfalls intervention meist eher als störung erlebt wird und nicht selten (aus dessen aktuellem "verständnis" heraus) zu massiven - reflexartigen - abwehrreaktionen führt. das kann einen sich langsam öffnenden zugang dann sogar wieder verschliessen. ab einer gewissen schwere erlebt sogar therapie schnell ihre grenzen, weil es ja u.a. ein - wenn auch eventuell unbewusstes - "gar-nicht-wollen" gibt. wenn es also vor allem nicht um das nicht können, sondern um das nicht wollen geht, dann kann und sollte man jemanden jedenfalls dort lassen, wo er ist; andernfalls versuchte intervention schnell "missionarisch" - als grenzüberschreitung wahrgenommen - werden kann.
Genau diesen missionarischen Eifer meinte ich. Eine Bewertung findet grundsätzlich in jedem Menschen statt, auch wenn er es noch so wertfrei formuliert, aber man kann das ja auch bei sich selbst lassen, wenn der Trauernde die gutgemeinte Hilfe nicht annehmen möchte. Hilfe ja, wenn erwünscht (!), doch dieses Pauschalurteil, dass Trauernde Hilfe bedürfen und stecken bleiben, finde ich schon zu übergriffig dem Trauernden gegenüber, denn es greift in die Intimsphäre. Es geht den Außenstehenden schlichtweg nichts an, auf welche Weise und wie lange jemand trauert.
Klar wenn jemand sich überhaupt nicht mehr zurechtfindet, ist es grundsätzlich erstmal eine gute Idee, ihm da irgendwie - vielleicht indirekt durch Ablenkung, wenn eine direkte Einflussnahme nicht erwünscht ist - rauszuhelfen, aber das ist nicht nur bei der Trauer so. Nur sollten eben auch die Grenzen gewahrt werden.
Gerade wenn ein Außenstehender die Trauer bald mal als "zu viel" und "zu lang" empfindet, kommt die Tendenz auf, diesem Ausgesetztsein gegenüber solchen Gefühlsausbrüchen etwas entgegensetzen zu wollen, angeblich "gut gemeinte Hilfe", aber es geht m. M. n. nur darum, den Trauernden als Störfaktor loszuwerden und nicht primär um echten Trost, den man eben leider nicht so schnell und griffig geben kann, weil das eben Zeit und Raum braucht.
Ich kann ja noch verstehen, wenn direkt betroffene Partner sich überfordert fühlen, aber Außenstehende können sich doch einfach zurückziehen und den Trauernden allein lassen in seiner Trauer, denn oftmals ist es genau das, was er auch möchte. Ich jedenfalls gehe höchstens mit Familienmitgliedern an den Friedhof, lieber jedoch allein. Und wenn ich von anderen Friedhofsbesuchern "angequatscht" werde, ist es mir eher unangenehm.
Ich glaube, dieses aktive Helfenwollen hat auch mit der Vorstellung zu sein, dass Alleinsein etwas Schlimmes sei, doch fände ich eine permanente Präsenz extrem beengend. Rein statistisch gesehen braucht jeder Mensch einen gewissen Freiraum, wie auch jedes Tier. Ganz gewiss auch Trauernde.