DIS: Ich verstehe das nicht

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Persönlichkeitsstörungen und Schizophrenie, Bipolaren Störungen ('Manisch-Depressives Krankheitsbild'), Wahrnehmungsstörungen wie zB. Dissoziationen, MPS, Grenzbereichen wie Borderline, etc.
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stern
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 10:08

Jenny Doe hat geschrieben:Zu berücksichtigen ist auch, dass wir hier von Kindern reden, die maximal 6 Jahre alt sind. Denn nach Huber bildet sich eine DIS nur in diesem Zeitraum aus (Diese Meinung teile ich nicht, Begründung siehe oben und unten).
Das schreibt Huber doch auch nicht... sondern (als Enstehungsbedingung) schwere, langjährige Misshandlung BEGINNEND zwischen Geburt und sechstem Lebensjahr, vgl.
http://books.google.de/books?id=nZB45CA ... onepage&q=

Und eben... die Traumata ziehen sich normal über lange Zeiträume hinweg.
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 11:29

Noch 1997 schreibt Prof. Dr. med. Rainer Tölle im Deutschen Ärzteblatt (DÄ): „Die sogenannte multiple Persönlichkeit oder dissoziative Identitätsstörung [. . .] ist selten, und es wird kontrovers diskutiert, in welchem Ausmaß sie iatrogen oder kulturspezifisch ist.“ (1) Dies ist heute eindeutig widerlegt. Dr. med. Ursula Gast und Kollegen nennen 2006, ebenfalls im DÄ, Prävalenzzahlen von 0,5 bis ein Prozent der Bevölkerung (2). Das entspricht der Häufigkeit der Schizophrenie.
http://www.aerzteblatt.de/archiv/160637 ... sind-Viele
Heißt in anderen Worten: Bei Quellen ist evtl. auch etwas auf das Alter zu schauen. Mittlerweile gibt es evtl. bereits neuere Kenntnisse (auch eines Autors).

Es gab wohl auch mal eine Welle, in der stärker an der Störung gezweifelt wurde... heute ist das nicht mehr so ausgeprägt. Das wird auch damit begründet, dass es heute nicht mehr so spetakulär anmutet: Der Umgang mit Traumate sei offener geworden, so dass es Patienten leichter gelingt, darüber zu sprechen, was die Synthese von Abspaltungen erleichtert. Und da Therapeuten mittlerweile erfahrener sind, komme es angeblich seltener zur Verstärkung von Aufspaltungen (indem Persönlichkeiten separat therapiert werden oder aufgrund von Faszination die Störung betreffend), usw.

Und das Argument der "puren Phantasieprodukte" wurde lediglich von Kritikern ins Feld geführt (genauso wenig ist im übrigen auch das innere Kind nicht unbedingt pures Phantasie- oder Imaginationprodukt! Kommt halt darauf an, was man damit verbindet!). Dass imaginäre Spiegefährten o.ä.Teil der normalen Entwicklung sind oder auch pathologischer Dissoziation entsprechen können (das ist abzugrenzen, wie Huber schreibt) bezweifelt meiner Meinung nach kein ernst zunehmender Fachmann. Insofern kann man nicht so tun als gäbe es derartige Phänomene nicht, nur dass die Bezeichnung Zweifler nicht verwirrt. Heute weiß man vielleicht auch schlichtweg mehr über Traumata und deren mögliche Auswirkungen als noch vor 10, 20, 30 Jahren.
Die Entwicklung einer dissoziativen Identitätsstörung ist eine Bewältigungsstrategie, wenn ein sehr kleines Kind – in der Regel unter fünf Jahre alt – unaushaltbare Angst, Not und Gewalt erfährt. Die Persönlichkeitsanteile entstehen dadurch, dass die traumatisierten Kinder nicht in der Lage sind, ein einheitliches Empfinden ihrer selbst auszubilden. Die Last der traumatischen Erfahrung wird gleichsam auf mehrere innere Schultern verteilt. Dies ist nötig, damit ein Teil des traumatisierten Kindes eine halbwegs normale Weiterentwicklung vollziehen kann, während die Schrecken der Traumatisierung abgespalten bleiben und in den entstandenen „Alters“ (Innenpersonen) gleichsam ein Eigenleben führen. Für die Entwicklung einer dissoziativen Identitätsstörung ist es nötig, dissoziieren zu können.
http://www.aerzteblatt.de/archiv/160637 ... sind-Viele
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 13:13

Jenny Doe hat geschrieben:Fazit für mich, ich sehe das teilweise wie Huber: Während des Traumas spaltet man die Erfahrung ab. Zu einer DIS kommt es erst später, im Laufe der Jahre. Erst später entwicklen sich Persönlicheiten und beginnen ein Eigenleben zu führen.
Identität/Persönlichkeit ist mMn eh nichts, was auf einmal von heute auf morgen da ist. Und ebenso wenig ist Identität/Persönlichkeit von heute auf morgen weg. Und ein Kind weiß auch nicht von Geburt an, wer "ich" ist (im Gegensatz zum anderen. Und wenn man nicht der andere ist, wer ist dann "ich", und so weiter... ja dazu braucht es natürlich ein gewisses Alter/Fähigkeiten... 6-9 Monate?). Ständige Dissoziationen und fortgesetzte Traumata erschweren natürlich die Entwicklung einer Identität ungemein. Insofern gibt es (wie bei den meisten Störungen wohl auch) keinen exakten Stichtag, ab wann sich die Störung manifestiert hat (Zersplitterung entsteht aber bereits während des Traumas)... zumal man eh erst nach einer Weile sehen kann, was nicht heilen kann.

Und was man auch nicht übersehen darf, was wandelröschen ja schon ausgeführt hat. Du scheinst vorauszusetzen, dass es schon eine Identität gibt/gab, aus der sich dann Persönlichkeit herausbilden. Nur wer sagt, dass es diese überhaupt gab:
wandelröschen hat geschrieben:Komplett übersehen wird dabei, dass kein Mensch einfach mal so eine DIS ausbildet und DIS nicht erst im Erwachsenenalter, wenn mensch schon eine Persönlichkeit ist, sondern schon im Kindesalter, wenn noch keine gefestigte Persönlichkeit vorhanden ist, entsteht.
Daher wohl auch die Formulierung "multipel sein". Das einheitliche Identitätserleben wie das eines nicht dissoziierenden Nicht-Multis gibt es vielleicht in dem Sinne gar nicht.

Und es erscheint mir alles anderes als abwegig, dass unter den Persönlichkeiten teilweise auch Beschützerfiguren sein können (gibt sicherlich auch Untersuchungen, was sich an Personen herausbildet kann).

Und es würde mir plausibel erscheinen, das Persönlichkeit(en) nicht für alle Zeiten fix/unveränderbar sind... sondern noch etwas ausgeformt werden können. Amnesie heißt ja (so stelle ich mir das vor) nicht "weg", sondern es gab evtl. einen Switch und dann agiert meinetwegen eine Beschützerpersönlichkeit. Viele Ich sozusagen, die ja nicht für alle Zeiten starr bleiben müssen. Kommt aber vermutlich auch etwas darauf an, wie abgeschottet o.ä. Teil-Persönlichkeiten sind.

Und da Nicht-Multis projizieren können oder sich mit etwas identifzieren können oder Realitätsflucht betreiben können (und was es alles an Schutzmöglichkeiten gibt), so können das (entsprechendes Alter vorausgesetzt, Kinder können das normal schon... Projektionsfiguren sind dann halt etwas anders als bei Erwachsenen) das wohl auch Multis, was in irgendeiner Form hinzukommen kann. Das es auch Amnesien gibt, schließt das ja nicht aus (meiner Logik nach zumindest nicht).
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Jenny Doe
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 14:49

@ stern,

du hast mein Posting nicht verstanden, wieder mal nicht. Du glaubst etwas korrieren zu müssen, was ich geschrieben habe, dabei habe ich nichts anders gesagt als das, was du noch Mal wiederholst.

Und Sinarellas, die mich ignoriert aber trotzdem meint ihren Senf immer wieder ihren dazugeben und mich angreifen zu müssen. Wenn du einen Kommentar von dir gibst, dann guck auch bitte, was zitiert wird. Denn Stern hat nicht mene Aussage zitiert, sondern hat ein Zitat aus einem Artikel rausgerissen, den ich verlinkt habe. Du solltest dir schon die Mühe machen und den Artikel lesen, dann wüsstest du, worum es geht!

Bin auf dem Sprung, muss wieder los.
Ich verabschiede mich aus dem Thread. Meine Frage wurde beantwortet. Danke Wandelröschen.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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stern
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 14:53

Jenny Doe hat geschrieben:du hast mein Posting nicht verstanden, wieder mal nicht. Du glaubst etwas korrieren zu müssen, was ich geschrieben habe, dabei habe ich nichts anders gesagt als das, was du noch Mal wiederholst.
Was du als Korrektur aufasst, ist dein Ding... zu wissen, was ich verstanden habe, ist mein Ding .

Viel Spaß.

Ich bin noch weiter im Faden
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Sinarellas
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 16:28

Teils habe ich hier echt das Gefühle: Da diskutieren ein Haufen an Möchtegern-Profis über eine Diagnose, die sich lediglich auf ein paar Fetzen von Büchern und irgendwelchen Menschen beziehn und quatschen dann über sachen, die eigentlich nur Betroffene beantworten können.

Ein Arzt der nicht an Schizophrenie leidet, der kann nur sich an die Realität eines Betroffenen annähern, aber niemals das aussprechen, was tatsächlich in dem Betroffenen vorgeht.

Es gibt bei der DIS klare Fakten und annähernde Fakten und einen Haufen an Quatsch.
Fragt doch mal die Betroffenen etwas, dann werdet ihr wahre Antworten finden und zwar egal was Bücher und Co. sagen.
..:..

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 19:12

@ Sinarellas: So ist das. Wir sind keine Profis, manche sind auch nicht betroffen. Dürfen wir bitte trotzdem diskutieren?
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stern
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 19:19

oh, Betroffene diskutieren doch mit... soweit sie möchten.

Bei Huber @ Co. sollte man jedoch auch annehmen, dass sie sich viel mit Betroffenen auseinandergesetzt hat... und sich nicht alles ausdachte. Sicherlich kann es nicht schaden, kritisch zu bleiben.

Im übrigen sehe ich es nach wie vor so, dass die Ausprägungen von Dissos auf einem Kontinuum liegen... DIS, Co-Bewusstsein, DDNOS, usw. und insofern manche Unterschiede bei Traumastörungen graduelle sind. Insofern finde ich es jetzt auch nicht sooo spektakulär, sondern folgerichtig, wenn jemand mehr oder weniger abspaltet.
Ein Arzt der nicht an Schizophrenie leidet, der kann nur sich an die Realität eines Betroffenen annähern, aber niemals das aussprechen, was tatsächlich in dem Betroffenen vorgeht.
Das kann niemand... weil niemand im anderen steckt. Jemand der mit einem schizophrenen Menschen Kontakt hat, nimmt aber auch etwas wahr. Im Optimalfall können sich Patient und Behandler gut austauschen (na gut, im Zuge einer akuten Psychose ist das evtl. massiv erschwert).

Und bei DIS-Betroffenen hört man auch mitunter, dass sie ein Bedürfnis haben, das System zu schützen... insofern...

Aber o.k.... mal eine Auswahl an Fragen : Wie entstehen denn die Innies aus Sicht Betroffener? Und wie ist denn die "Identifkation" mit denselben? Gilt für alle "gehört zu mir/uns"? Oder gilt auch für manche: Mit der Person wollen wir nichts zu tun haben... gehört nicht zu uns... am besten weg damit? Und gehe ich recht in der Annahme, dass sich Innies auch weiterentwickeln können (die Hauptperson tut dies ohnehin)? Also: Altern Innies auch... o.k. vermutlich nicht im gleichen Maße wie die Hauptperson, aber gibt es auch deutliche Veränderung der Innies im Laufe der Zeit oder bleiben diese eher eingefroren? Gibt es auch sowas wie Täterintrojekte als Innies? Auch Beschützer? Werden ja nicht alles Kinder sein, oder?

Warum wird Integration mitunter als bedrohlich erlebt? Weil Integration heißt ja eeeigentlich nicht, dass etwas weggemacht wird, sondern eher bessere "Eingliederung" und weniger Switches/Amnesie, die ja sicherlich auch einen Preis haben.

Und wie erklärt man denn z.B. dem Chef (oder wem auch immer), warum man sich gerade wie ein Kind verhalten hat? Also ich kann mir schon vorstellen, dass man teilweise in Erklärungsnotstand kommt, oder nicht?
Zuletzt geändert von stern am Sa., 09.08.2014, 19:35, insgesamt 1-mal geändert.
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pandas
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 19:27

Sinarellas hat geschrieben: Es gibt bei der DIS klare Fakten und annähernde Fakten und einen Haufen an Quatsch.
Fragt doch mal die Betroffenen etwas, dann werdet ihr wahre Antworten finden und zwar egal was Bücher und Co. sagen.
da trittst Du aber in die eigene Mine: Bei KEINEM Betroffenen wird man das "typische" Bild Dis finden. Denn Diagnosen sind Hilfsmittel, wie es sich bei jedem "Betroffenen" auswirkt, ist unterschiedlich. Inwiefern ist man denn auch von einer Diagnose betroffen? Oder ist die Diagnose Hilfsmittel zu einer Aussage von Zuständen, in denen Hilfe gesucht wird etc., man nicht mit der Umwelt klarkommt etc.

Nichtsdestotrotz gibt es Diagnosen.

Warum sollte man also in einem PT-Forum nicht in der Diskussion betrachten, wie das zusammenkommt?

Nicht immer nur gegenseitig jammern und keifen, sondern auch mal die Konstrukte hinterfragen? Sich eine eigene Meinung erlauben?

Abgesehen davon, passt Deine "Verteidigung nicht zu Worte kommender Betroffener" gar nicht, denn natürlich diskutieren die auch mit.

Also, erst genauer hinschauen, dann ins Robin Hood-Kostüm schlüpfen.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


pandas
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 19:29

Sinarellas hat geschrieben: Es gibt bei der DIS klare Fakten und annähernde Fakten und einen Haufen an Quatsch.
Na, wie gut, dass Du das weisst, wo alle anderen das Deiner Meinung nach nicht wissen.
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stern
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 20:15

Noch eine Doku, die aber vermutlich nichts für schwache Nerven ist:

Höllenleben - Der Kampf der Opfer - Eine multiple Persönlichkeit auf Spurensuche
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Waldschratin
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Beitrag Sa., 09.08.2014, 20:40

Stern hat geschrieben:Und wie ist denn die "Identifkation" mit denselben? Gilt für alle "gehört zu mir/uns"? Oder gilt auch für manche: Mit der Person wollen wir nichts zu tun haben... gehört nicht zu uns... am besten weg damit?
Ich versuch mal ne Antwort,allerdings nix "Allgemeingültiges",sondern rein aus meinem (unserem) eigenen Erleben damals raus.
Ein "gehört zu mir/uns" GAB es gar nicht.Das ist die ganz natürliche Sicht eines Unos,also von jemandem,der nie erlebt hat,wie es sich anfühlt,"mehrere" zu sein. Ich bin da der Meinung und erlebe es auch immer wieder mal so,daß man es sich einfach weder vorstellen und schon gar nicht nachempfinden kann,wie ein Multi seine Persönlichkeit erlebt,wenn man selber Uno ist.(Genauso aber auch umgekehrt!) Die einzige Möglichkeit einer Annäherung (eines "Verstehens") ist die Akzeptanz des Anderen in seinem So-Sein und ureigenem Erleben,ohne die urteilende Haltung einer pathologisierenden Sicht dahinter.

Wandelröschen hat das irgendwo schon mal geschrieben : Die Abspaltung an sich ist eine Fähigkeit und weder Störung noch "Krankheit".
Was einem mit der Zeit Probleme schafft und woraus sich Störungen entwickeln,das ist die Notwendigkeit einer Aufrechterhaltung über lange Zeit dieser Abspaltungen.

Daraus erklärt sich meinem Erleben nach raus auch,wie die Innenpersönlichkeiten entstehen : Die Entwicklung des Kindes an sich geht ja auch trotz aller Traumatisierungen und daraus zugrundegelegten Abspaltungen weiter,und so wird es nötig,um die Abspaltungen herum sowas wie ein "System" zu entwickeln,aus der fragmentierten Persönlichkeit raus,das "mitwächst" - das,was hier lange als "Phantasiegebilde" diskutiert wurde - und so "entstehen" aus Facetten und der zugrundeliegenden Eigenart der ursprünglichen Persönlichkeit raus die nötigen Helfer,Beschützer,Bewältiger etc.
Neben den ursprünglich aus der Traumatisierung heraus abgespaltenen Persönlichkeitsanteilen einer (unreifen) Kinderpersönlichkeit raus.

Ich schweife ab,tschuldigung...

Das Ich-Erleben war bei uns unterschiedlich.Es gab "Kernpersonen",die sich als vollständig eigenes Ich erlebten und die anderen um sich rum als ebenso eigenständige Ichs - und trotzdem "wußten" wir alle,daß unser Miteinander/Nebeneinander "zusammengehörte" zu einer "Einheit",nenn ich es mal,die nach "außen" abgegrenzt war zu anderen "Individuen". (Lustigerweise dachte "ich" lange Zeit,EIN JEDER erlebt sein Innenleben genauso wie "ich"/wir,also daß sich mehrere Ichs einen Körper teilen.Und ehrlich gesagt,auch jetzt,integriert,kann ich nicht so wirklich nachempfinden,wie es sein muß,von Anfang an ein Uno gewesen zu sein)

Es gab aber auch "Personenkomplexe",nenn ichs mal,wo ein Ich sich mit mehreren "Facetten" erlebte,in die man sich im Notfall "auffächern" konnte,wenn die Belastung von innen oder außen gar zu hoch wurde.Da WAR es dann ein Erleben von "gehört zu mir/uns".

"mit der Person wollen wir nix zu tun haben" : Ohhhh jaaaaa,das gab es auch... Bis dahin,daß manche der Meinung waren,"wir" können nur weiterleben,wenn ein Bestimmter stirbt.Wir mußten erst begreifen lernen,daß es das nicht gibt,sondern wir einen Bestimmten von uns auch nur dann "totkriegen",wenn der Körper stirbt.Also von daher war schon recht zu Anfang ein Begreifen da,daß wir nur "miteinander" eine Einheit sind,die existieren kann.


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Beitrag Sa., 09.08.2014, 20:56

Stern hat geschrieben:Und gehe ich recht in der Annahme, dass sich Innies auch weiterentwickeln können (die Hauptperson tut dies ohnehin)? Also: Altern Innies auch... o.k. vermutlich nicht im gleichen Maße wie die Hauptperson, aber gibt es auch deutliche Veränderung der Innies im Laufe der Zeit oder bleiben diese eher eingefroren?
Habe ich unterschiedlich erlebt.Ich muß aber dazu sagen,daß ich mit der Bezeichnung "Hauptperson" nix anfangen kann.Es gab mehrere "Hauptpersonen". Ich nehm mal an,je nach Entwicklungsstufe,denn eine davon war ein 3jähriges Kind,eine war ne junge Frau,und eine im besten Alter (Mitte 30).Die sind in unserem System nicht "älter" geworden,aber sie konnten (dazu)lernen und Reife entwickeln,halt jeder auf seiner eigenen Alters- und Erlebensstufe.
Wer auch nicht "gealtert" ist,das waren so "allgemeine" Persönlichkeiten wie z.B. "die Alte",die um die 80 war. Klingt jetzt wieder so nach "Phantasie". War aber die Bezeichnung für einen Bereich der ursprünglichen Persönlichkeit,die über die Traumatisierungen hinweg "gerettet" werden konnte und für sowas wie das "alte Wissen",Weisheit (Jung würde es das kollektive Unbewußte nennen ) stand.

Die durch die Traumatisierungen ursprünglich abgespaltenen (Kind)Persönlichkeiten alterten auch nicht.Manche waren "eingefroren" und mußten erst aus diesem Schockzustand rausgeholt werden,andere waren "auch so" schon die ganze Zeit im System aktiv mit dabei.Alle kamen durchs Bearbeiten zur Ruhe,fanden Frieden,wurden "zufriedene Kinder",die dann was mit Geborgenheit und Sicherheit etc. anfangen konnten - was vorher ja gar nicht vorkam in deren Erleben.Ansonsten blieben die bis zur Integration so,wie sie von Anfang waren,altersmäßig.

Manche Helferpersonen "alterten".Aber eher war es der Fall,daß wohl in ner neuen Reife-/Entwicklungsstufe ne neue Helfer/Bewältigerperson entstand.

Ich denk aber,auch da hat jedes System seine ganz eigene Struktur.Es spaltet ja jeder anders ab,je nachdem,über was für Fähigkeiten und Ressourcen er verfügt oder sich angeeignet hat.Wird ja auch nicht jeder Traumatisierte automatisch Borderliner.
Zuletzt geändert von Waldschratin am Sa., 09.08.2014, 21:13, insgesamt 1-mal geändert.


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Beitrag Sa., 09.08.2014, 21:10

Stern hat geschrieben:Warum wird Integration mitunter als bedrohlich erlebt? Weil Integration heißt ja eeeigentlich nicht, dass etwas weggemacht wird, sondern eher bessere "Eingliederung" und weniger Switches/Amnesie, die ja sicherlich auch einen Preis haben.
Stell dir mal vor,jemand will,daß du mit deinem Nachbarn "zusammengehst" im Sinne einer "Verschmelzung",also Integration.Was würde das bei dir auslösen?Angst davor,deine ureigene Persönlichkeit zu verlieren durchs "Verwaschen" mit der des Nachbarn?
So ähnlich ist das,wenn man tatsächlich mehrere autonome Persönlichkeiten im Körper wohnen hat.Bei uns war das wie das Erleben einer "Familie" - also auch da : Würdest du mit deinem Bruder/deiner Schwester ne "integrierte" gemeinsame Persönlichkeit dir "teilen" wollen...? So ne Vorstellung fühlt sich für nen Multi sehr krank an.
Stern hat geschrieben:Und wie erklärt man denn z.B. dem Chef (oder wem auch immer), warum man sich gerade wie ein Kind verhalten hat? Also ich kann mir schon vorstellen, dass man teilweise in Erklärungsnotstand kommt, oder nicht?
Deshalb war die erste Zeit der Therapie,unser gegenseitiges "Kennenlernen",für uns auch die schlimmste Zeit...Denn vorher war ja kein Bewußtsein für Alleingänge da,also : Was ich nicht weiß...
Wir haben dann aber schnell gemerkt,daß die meisten Leute um uns rum sich aber nicht recht aufregten da drüber...Die,die uns schon länger kannten,die kannten uns "nur so".
Allerdings muß ich dazusagen,daß es Alleingänge,grade die von den Kleinen,so gut wie NIE gab bei uns.Es gab sie später ein paar wenige Male unserer Thera gegenüber und ein/zwei Mal unserem Partner gegenüber.Aber da mußte erst viiiiiel Vertrauen gewachsen sein...
Ansonsten funktionierte unser System ja grade darüber,daß jedes unserer Kleinen seinen "zuständigen" Erwachsenen zur Seite hatte,der drauf aufpasste,daß da jaaaa nix nach außen drang.

Und da es bei uns ne extra Person NUR für den Job gab,war das gegenüber der Chefin kein Problem.Eher "intern",als wir uns mehr miteinander auseinanderzusetzen begannen.Aber auch da drang nix nach außen.Im Außen wurde funktioniert,alles andere auf später,der Zeit,wo ich zuhause die Türe hinter mir schloß,"vertagt".

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Beitrag Sa., 09.08.2014, 22:53

Merci für die Mühe waldschratin
Waldschratin hat geschrieben:Wandelröschen hat das irgendwo schon mal geschrieben : Die Abspaltung an sich ist eine Fähigkeit und weder Störung noch "Krankheit".
Was einem mit der Zeit Probleme schafft und woraus sich Störungen entwickeln,das ist die Notwendigkeit einer Aufrechterhaltung über lange Zeit dieser Abspaltungen.
Ich würde es auch schöner finden, wenn man "Störungen" in "Bewältigungsmodi" o.ä. umbenennen würde. Also so ist das je bei eigentlich den meisten Störungen, dass das, was man Symptom/Störung nennt, irgendeine Funktion hat(te). Zur Störung bzw. störend wird es dann, wenn man es eigentlich nicht mehr bräuchte, aber noch mit dem Muster reagiert, was dann Probleme macht bzw. irgendeine Leid erzeugt. Und klar sind Disso wichtige Anpassungsleistungen (gestört sind so gesehen Täter). Von Störung zu sprechen meine ich auch i.d.S. auch nicht irgendwie abwertend. Der ICD erfasst es halt als Störung (die PTBS ebenso wie andere Störungen, die im Grunde eigentlich Anpassungsleistungen sind).
ch bin da der Meinung und erlebe es auch immer wieder mal so,daß man es sich einfach weder vorstellen und schon gar nicht nachempfinden kann,wie ein Multi seine Persönlichkeit erlebt,wenn man selber Uno ist.(Genauso aber auch umgekehrt!)
Ja, das ist schwer, weil es relativ komplex ist und man berücksichtigen muss, dass es sowas wie ein "ausgeformtes ICH" evtl. nie gab. Sondern dass sich aus Fragmentierungen ein System entwickeln musste.
und so "entstehen" aus Facetten und der zugrundeliegenden Eigenart der ursprünglichen Persönlichkeit raus die nötigen Helfer,Beschützer,Bewältiger etc.
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Ja, genau. Und nee, abschweifen ist das nicht. Vielmehr habe ich mich auch schon gefragt, ob evtl. von anderen Personen auch manches dabei ist, was Persönlichkeiten ausformt. Vielleicht denke ich zu kompliziert *g*... aber ich denke z.B. an etwas, was man klassischerweise als Introjekt bezeichnen würde. Z.B. Bereits schwerer vorstellbar ist, wenn zum Beispiel Männer als Persönlichkeiten dabei sind (wie z.B. auch bei Nicki im Film, den ich noch nicht durch habe). Eher vorstellbar wäre z.B., wenn es sich um einen Beschützer handelt, aber in dem Fall hat er wohl auch einiges erlebt. Aber o.k. die Geschlechtsidentität formt sich evtl. auch erst später aus.
(Lustigerweise dachte "ich" lange Zeit,EIN JEDER erlebt sein Innenleben genauso wie "ich"/wir,also daß sich mehrere Ichs einen Körper teilen.Und ehrlich gesagt,auch jetzt,integriert,kann ich nicht so wirklich nachempfinden,wie es sein muß,von Anfang an ein Uno gewesen zu sein)
Naja. letztlich kennt ja jeder nur sich. Ich kann mir auch vorstellen, dass Abspaltung/Amnesie (zumindest anscheinend) leichter sein kann als mehreres parallel zu erleben (also wenn es viel Co-Bewusstsein unterneinander gibt).
Also von daher war schon recht zu Anfang ein Begreifen da,daß wir nur "miteinander" eine Einheit sind,die existieren kann.
o.k. Umso schwerer wohl, wenn es Gestalten gibt, die man am liebsten auslagern würde. Und einen gewissen Einheitsgedanken des Systems scheint es zu geben (mit Abgrenzung nach außen). Und ich kann mir auch vorstellen, das Kritiker mitunter deswegen abwehren, weil es nicht/schwer vorstellbar ist oder weil "man" es nicht an sich heranlassen will.
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