Indivualisierung in der PT - Fluch oder Segen?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 16:58

Gothika hat geschrieben: Was, wenn es darum geht, dass der Therapeut sich beflissentlich um Rat bemüht, wie Klient X mit seiner sozialen Situation y umgehen soll, aber Situation y in Wahrheit ganz, ganz anders ist als x erzählt? Dann geht der Ratschlag doch völlig vorbei, oder?
Ich habe von meinen Therapeuten nie konkrete Ratschläge erwartet. Ich wollte immer meine eigenen Lösungen in meinem eigenen Tempo finden. Aber das mag je nach Therapieform, je nach Therapeut und je nach Klient unterschiedlich sein.
Ein sehr gutes Beispiel. Genau an solche Situationen denke ich. Wir wissen nicht, was für den Thera relavant ist, und vielleicht gar nicht böse gemeint, erwähnen wir für ihn relavante Punkte gar nicht.
Warum ist es wichtig, was der Thera für relevant hält? Wofür relevant? Um dich in eine Schublade einzuordnen? Aber vielleicht bin ich hier ein gebranntes Kind, weil ich bei einem Therapeuten erlebt habe, dass er sich ziemlich früh ein Bild von mir zurechtgezimmert hat, aus dem ich nicht mehr herausgekommen bin. Alles, was ich erzählt habe, wurde nachher nur noch in diese Schublade eingeordnet. (Und ich gebe zu, es hat mir immer wieder Spaß gemacht, das Bild, das der Therapeuten von mir hatte, zu zerschlagen, indem ich ihm Dinge erzählt habe, die nicht in seine Schublade passten. ) Aus diesem Grund bin ich auch kein Freund mehr von diesen ausführlichen Anamnesebögen zum Therapiebeginn, weil man dann unter Umständen von vornherein in eine bestimmte Diagnose-Ecke geschoben wird. Für mich kam es in meinen Therapien immer allein darauf an, was für mich zum jeweiligen Zeitpunkt relevant war. Ich habe es nie als meine Aufgabe empfunden, dem Thera ein möglichst umfassendes Bild von mir und meiner sozialen Umgebung zu vermitteln.
Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

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montagne
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 17:14

Hi Gothika,
nochmal zur Klärung:
Also, alleine wenn der Therapeut es anbietet, ist er inkompentent und macht ein groben therapeutischen Fehler? Grundsätzlich? Ich verstehe nicht so ganz, wieso das bloße Angebot (- je nach Fall! -) schon solch grober Fehler sein soll? Das würde doch die Theorie jedweder Fremdamnese ad absurdum führen, oder? Diese ist – wiederum je nach Fall – auch nicht immer nötig. Aber eben manchmal.
Ich sagte KANN. Ich sagte nicht muss oder in jedem Fall.
Ich sagte auch nicht inkompetent, aber eben fehlerhaft.
Zur Fremdanamnese: Sie ist ja nicht unumstriten. Es gibt wohl Therapeuten, die eben durch den Loyalitätskonflikt eine solche Anamnese ablehnen. Zudem gibt es ja auch methodisch ein Problem: Wenn zum Beispiel der Ehemann einer Klientin befragt wird, wo er das Problem sieht und er sagt: "Meine Frau ist immer so hysterisch, sie übertreibt echt und ist überemotional."
Was sagt das aus? Das die Frau vielleicht eine histrionische Persönlichkeitsstörung hat? Oder aber das der Mann eine zwanghafte oder schizoide Persönlichkeitsstörung hat? (Und störungsbedingt seine emotional gesunde Frau als überemotional wahrnimmt.)
Der Therapeut kann sich dann wieder nur auf seine Wahrnehmung der Frau verlassen. Nimmt er sie auch als hysterisch und überemotional wahr oder nicht? Und diese Beobachtung stellt er eh ohne den Ehemann an. Also erübrigt sich der Ehemann.
Anderseits – so eben die Kernfrage – fürchte ich, dass u.a. dadurch das Bewusstsein für „soziale Gesamtsysteme“ unser Gesellschaft immer mehr verloren geht.
Die Befürchtung habe ich nicht. Wie ich bereits schriebt habe ich eher den Eindruck Therapie stärkt das soziale Netz der Klienten und damit letzendlich das soziale Gesamtsystem.
Was, wenn es darum geht, dass der Therapeut sich beflissentlich um Rat bemüht, wie Klient X mit seiner sozialen Situation y umgehen soll, aber Situation y in Wahrheit ganz, ganz anders ist als x erzählt? Dann geht der Ratschlag doch völlig vorbei, oder? Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dies den Frust sogar noch erhöht, wenn ein Klient eifrig bemüht ist die Ratschläge umzusetzen, diese aber immer schief geht, weil es „aus Versehen“ meilenweit an der Situation vorbei geht?
Ein Therapeut wird eher weniger raten. Er wird dem Klienten eher dabei helfen seine Lösung zu finden und umzusetzen. Genau deshalb ist es auch irrelevant wie verzerrt oder nicht ein Klient die Situation sieht.
Natürlich kann es sein, das Lösungsvorschlag X herausgearbeitet wird und diese sich dan als nicht umsetzbar oder ohne Erfolg erweist. Dann guckt man eben woran es lag. Kann viele Ursachen haben, unter anderem die, das der Klient die Situation unangemessen wahrgenommen hat, klar. Und Schritt für Schritt nähert man sich einer Lösung die eben auch eine ist. Und genau so erreicht der Klient eine ausgewogene, weniger verzerrte Sicht der Dinge.
Das ist ja Therapie, Erwerb von Lebenskompetenzen. Nicht Tipps bekommen und umsetzen, sondern in der Lage sein Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen, auch nach dem Ende der Therapie.
Ich weiß, dass es kein rein objektiv gibt. Aber muss es deswegen rein subjektiv sein?
Es muss nicht, es ist so. Aber wie gesagt, man kann sich ja über die jeweiligen Standpunkte austauschen und eine intersubjektive Realität herstellen.
Wir wissen nicht, was für den Thera relavant ist, und vielleicht gar nicht böse gemeint, erwähnen wir für ihn relavante Punkte gar nicht.
Es geht nicht darum, was für den Therapeuten relevant ist. Für den Klienten schon gar nicht, aber auch für den Therapeuten nicht. der Arbeitet it dem was vom Klienten kommt. Denn das ist immer das genau richtige, weil es immer sein Thema, sein Problem repräsentiert, direkt oder indirekt. Und weil der den Klienten so ernst nimmt wie er ist. (Sagt meine Therapeutin. )



Allerdings würde ich immer noch gerne wissen ob du dich als Angehörige siehst, die außen vor bleibt und deren Sicht nicht gehört wird?
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 18:26

@Gärtnerin und Valeé

Vielen Dank für diese Ausführungen. Möglicherweise lichtet sich gerade ein wenig mein Gedankendschungel, muss es jedoch erst mal etwas setzen lassen. Im Moment bin ich etwas zu zerschlagen (Hitze, Schlafmangel) für geistige Hocharbeit. *zwinker*
Valée hat geschrieben:Allerdings würde ich immer noch gerne wissen ob du dich als Angehörige siehst, die außen vor bleibt und deren Sicht nicht gehört wird?
´
Ja, definitiv. Aber die Vergangenheitsform ist hier angebrachter. Mittlerweile habe ich längst damit abgeschlossen, zumindest so gut wie eben möglich. Ansonsten könnte ich es, glaube ich, auch gar nicht so "sachlich" betrachten. Wie hoffentlich ein wenig deutlich wurde: Ich bin auf der Suche nach meinem abschließenden Fazit.

Ich wollte vorhin schon auf "meine Erfahrungen" eingehen, hab's auch schon vorgeschrieben, ließ es dann aber erst mal wegen der Länge.

---

Hier mal eine Ausblick über die Jahre hinweg:

-2 Therapien, die eine 1 ½ Jahre, die andere läuft noch (Ex)

-3 Jahre Betreuerschaft, wobei der Betreuer regelrecht intervenierte, und selbst bei Erlaubnis seitens Klient ALS AUCH Interesse seitens mir als auch seiner Eltern nie eine Zusammenarbeit zustande kam. Andere Betreuer, fragen wenn sein muss bei weniger schweren Fällen sogar bei den Arbeitskollegen nach ob jemand zu einem Gespräch bereit wäre...

-2 Gerichtsverhandlungen wegen der Betreuerschaft. Ich habe im Internet recheriert, dass enge Angehörige angehört werden sollten und auch angehört werden dürfen, es sei denn es spricht etwas Schwerwiegendes dagegen (z.B. Missbrauchtäter), was hier aber definitiv nicht der Fall war. Ich wurde nicht mal über die Gerichtsverhandlungen informiert! Und natürlich hat er's mir verschwiegen, dass ist ja eines sehr BEKANNTEN und OFFENKUNDEN Symptome!

-Hierzu zählen auch zwei zuvor angefertigte gerichtspsychologische Gutachten. Eines davon bekam ich mal in die Hände, und was mein Ex erzählte war z.T hahnebüchend. Wenigstens fiel dem Gerichtspsychologen auf, dass viel „bagatellisiert“ und „ausgewichen“ wird... aber auf den Gedanken das engste Umgeld zu befragen, wenn er schon merkt, dass es vorne und hinten nicht stimmt? Nö!

-eine Zwangsunterbringung für zwei Nächte in der Klinik eine kurze (wenige Tage) Unterbringung in der Notfallklinik. In beiden Fällen wurde ich als Ehefrau noch nicht mal informiert!!! Ich wusste nicht mal, wo er ist, wäre beinahe gestorben vor Sorge!

-2 bis 4 mal Beratungen bei Krisendiensten

-Keine Therapie, aber mehre Monate regelmässige (2 h/Woche) „psychotherapeutische-psychologische Beratung) meinerseits

-insgesamt (er oder ich), ca. 5 bis 7 „Erstgespräche“ bzw. 2 bis 5 „Probesitzungen“

-davon, dass ich wirklich schwere Sorgen betreff dem Sorgerecht hatte, will ich gar nicht erst reden. Ich suchte überall vergeblich Beistand, weil ich zu dem Zeitpunkt nicht die geringste Kenntnisse über seinen Geisteszustand hatte nach dem seinen vollständigen Zusammenbruch, und das was ich mitbekam schon akut nach Psychose klang. Das kann mir keiner beantworten. Wie soll man denn so, ohnehin schon selbst mehr als krisengebeutelt, realtischte, vernünftige Entscheidungen treffen? Für das Kind? Selbstredend war auch das Kind „krank vor Sorge“ um ihren Papa.

-Auch noch erwähnenswert: als ich ihn einmal (zwangs-)einweisen lassen wollte, nahm man mich als Angehörige selbstverfreilich auch bei keinem Notruf ernst.

-In Zukunft steht eine Kindertherapie an, wie soll es auch anders sein? Der Umstände wegen OHNE die Einbindung des Vaters, obwohl es meiner Erachtens sehr wichtig wäre.

- bei der früheren Kinderpsychologin... ja, da war klar, dass wir beide hingegangen sind. Lief auch gut an, dann aber eben leider der spontane Umzug

Und nie (!) gab es Zusammenarbeit, nie eine Fremdamnese, obwohl - nachdem was ich Laie weiß und recheriert habe - sie gerade in seinem speziellem Fall dringend notwendig wäre.
Alles in allem wohl kein Wunder, dass ich mich frage: Was - zum Henker - stimmt da nicht? Es kann wohl nicht mehr als Zufall abgetan werden


montagne
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 19:36

Vielleicht kann ich dir da helfen einiges zu klären, da ich mich im Bereich Betreuung etwas auskenne. Ich habe selbst schon eine Betreuung übernommen und habe an Seminaren zum Betreuungsrecht teilgenommen.
Jetzt verstehe ich deine Aufruhr aber besser Gothika. Als Therapieklientin haben mich deine Beiträge schon etwas angestoßen. Ich dahcte, wenn ich someine Angehörige hätte, würde ich der was husten.
Aber als Betreuerin verstehe ich dich. Nach meiner Erfahrung ist so ein Betreuungsfall fast immer eine arge Belastung und führt zu Konflikten in der Partnerschaft oder zu den Kindern oder Eltern des Betreuten.
Manches liegt leider in der Natur der Dinge, einiges aber auch darin, das sich wirklich niemand die Zeit nimmt, die Sachlage den Angehörigen zu erläutern. Es stimmt, da müsste man die Angehörigen besser einbinden und mit ihnen und dem Betreuten besprechen, bzw. aufklären welche Aufgaben, Rechte und Pflichten jeder Beteiligte hat.

Als erstes finde ich es wichtig eine Psychotherapie und einen Therapeuten vom Betreuer und psychiatrischen Gutachter unterschieden.
Wobei allen gemeinsam ist, das es per gesetzt ihre Aufgabe ist zum Wohle des Klienten zu handeln. (und nicht unbedingt zum Wohle der ganzen Familie oder des Partners.)

und selbst bei Erlaubnis seitens Klient ALS AUCH Interesse seitens mir als auch seiner Eltern nie eine Zusammenarbeit zustande kam.
Ein Betreuer ist kein Einzelfallhelfer und kein Sozialarbeiter. Selbst wenn er wollte hätte er kaum die Ressourcen zu so einer Zusammenarbeit. Er bekommt 2 bis 4 Stunden in der Woche pro Klient vergütet. Die meiste Zeit wird durch Papierkram und Telefonate, Gespräche mit Ärzten beansprucht. Genau das ist ja auch seine Aufgabe. Wenn er gut ist, redet er 30 min pro Woche mit dem Klienten, das ist dann aber schon ein engagierter Betreuer.
Ich habe im Internet recheriert, dass enge Angehörige angehört werden sollten und auch angehört werden dürfen, es sei denn es spricht etwas Schwerwiegendes dagegen (z.B. Missbrauchtäter), was hier aber definitiv nicht der Fall war. Ich wurde nicht mal über die Gerichtsverhandlungen informiert! Und natürlich hat er's mir verschwiegen, dass ist ja eines sehr BEKANNTEN und OFFENKUNDEN Symptome!
Rechtloich ist es so, das jeder Angehörige ein recht hat sich zu dem Betreuungsverfahren zu äußern. Dh. Du hättest deine Meinung schriftlich dem Gericht bekannt geben können. Hätte es Widersprüche zum verfahren gegeben hätte das Gericht das prüfen müssen.
Das Gericht, bzw. der Richter hat jedoch nicht die Aufgabe und tut es auch nicht, Angehörige zur Äußerung aufzufordern. Das Gericht ist auch nur verpflichtet den zu Betreuenden und denjenigen, der die Betreuung angeregt hat über den Gerichtstermin zu informieren. Alle anderen dürfen gar nicht vom Gericht informiert werden.
aber auf den Gedanken das engste Umgeld zu befragen, wenn er schon merkt, dass es vorne und hinten nicht stimmt? Nö!
Auch hier wird nur der Betroffene befragt. Alle anderen die sich äußern möchten, müssen das selbst tun. Eine Ausnahme ist wieder, wenn ein Angehöriger die Betreuung angeregt hat und sich selbst als Betreuer vorgeschlagen hat.
In meinem fall war es so, da sich, wie jeder der zum Betreuer bestellt werden soll von der Betreuungsbehörde vorgeladen wurde und da erst mal meine Eignung geprüft wurde. Über den Gutachten-Termin wurde ich auch nicht persönlich informiert, aber habe es natürlich mitbekommen, da ich ja die Post von meiner Omi erledigt habe.
Ich bin dann also auch hin und die Psychiaterin hat mich auch befragt. Hätte es aber nicht, wenn ich nicht von mir aus den Wunsch geäußert hätte.
Die Richterin hat mich dann deshalb befragt, weil ich mich ja die künftige Betreuerin sein wollte und meine Oma das auch so sagte und sie eben wissen wollte, wie ich die Sache sehe, was ich bisher tue um Oma zu helfen (vllt. geht es ja auch ohne Betreuung).
Der erste „Gerichtstermin“ war übrigens eine Schreibtischentscheidung und würde negativ, also gegen eine Betreuung entscheiden. Erst als ich Widerspruch eingelegt habe, klappte es.

Im Seminar sagte mir das der Richter, der das Seminar abhielt, das Richter zwar eigentlich angehalten sind, den Betroffenen persönlich zu treffen, aber es bei Fällen, die einfach scheinen nicht gemacht wird, da die Gerichte eben auch überlastet sind. Wenn man allerdings Widerspruch einlegt MUSS der Richter die Betroffenen persönlich anhören. Also muss man als Bürger hartnäckig bleiben.
eine Zwangsunterbringung für zwei Nächte in der Klinik eine kurze (wenige Tage) Unterbringung in der Notfallklinik. In beiden Fällen wurde ich als Ehefrau noch nicht mal informiert!!! Ich wusste nicht mal, wo er ist, wäre beinahe gestorben vor Sorge!
Ich verstehe dich da wirklich. Würde mir als Partnerin auch so gehen.
Aber Rechtslage ist nun mal das nur der Betreuer, bzw,. wenn es keinen gibt das zuständige Gericht zu informieren. Der Betreuer muss die Unterbringung nach PsychKG oder BGB dann dem Gericht bekannt geben. Mehr nicht.
Und nie (!) gab es Zusammenarbeit, nie eine Fremdamnese, obwohl - nachdem was ich Laie weiß und recheriert habe - sie gerade in seinem speziellem Fall dringend notwendig wäre.
Wie gesagt, eine Fremdanamnese ist zu keinem Zeitpunkt rechtlich nötig und auch nicht erlaubt. Du hättest dich als Angehörige (auch nicht-Angehörige haben das Recht) deine Meinung dem Gericht oder Gutachter bekannt geben können.
Äußerungsrecht heißt eben nicht, dass du gefragt wirst, sondern das du dich äußern kannst und zwar schriftlich. Das wird öfters von Angehörigen falsch verstandne, weil es niemand richtig erklärt. Allerdings ist so eine Meinungsäußerung ja auch nur relevant und sinnvoll, wenn sie Umstände bekannt geben, die die Entscheidung des Gerichts ändern könnten. Sowohl in Bezug auf Bereuung ja/nein, als auch wer Betreuer sein soll.

Hintergrund, warum man Drittpersonen zu keinem Betreuungsverfahren befragt ist auch hier die Schweigepflicht. Vieles in Betreuungsangelegenheit unterliegt einer Schweigepflicht, ähnlich der von Ärzten und Therapeuten. Deshalb dar ein Betreuer auch über eine Unterbringung keine Auskunft geben, wen es nicht vom betreuten explizit erwünscht wird.
Hintergrund für das Schweigepflicht-Gedöns ist wiederum, das der Betreuer eben per Gesetz dazu verpflichtet ist für den betreuten zu handeln und zu seinem Wohle allein. Ausnahme ist Selbst- und Fremdgefährdung durch den Betreuten.

Es mag dich noch so sehr erzürnen und es mag noch so sehr ein Symptom sein. Wenn dein ex dir was verschwiegen hat, ist es sein Recht und wenn er den Betreuer bittet die Sachen ebenfalls nicht weiterzugeben, hat der sich dran zu halten. Warum? Weil Persönlicheitsrechte in Deutschland sehr hoch angesiedelt sind. Sie gehen so weit, das es in einem Präzendens-Urteil des BGH heißt, es gibt ein recht auf Krankheit. In dem Fall ging es übrigens um einen Mann, der psychiatrisch erkrankt war und sich weigerte die Behandlung fortzuführen. Es war klar, er würde wieder psychiotisch werden, wenn er die Medis absetzt. Betreuer und Angehörige wollten eine Zwangsbehandlung, das BGH sagte dazu klar, das dies nicht möglich sei, da grundgesetzwidrig.

Was du also über den Fall schreibst Gothika, kann ich nichts rechtswidriges erkennen.
Alle Gutachter, Betreuer, Ärzte haben nun mal im Interesse deines Ex’ zu handeln und nicht in deinem. Für Angehörige, die es gut meinen (tun sie oft nicht, deshalb ist die Rechtslage so und nicht anders) tut es mir wirklich leid. Denn ja eine Betreuung erzeugt oft Frust und Leid.

Aber hier auch wieder: Was Angehörige für gut und richtig erachten wird vom Betreuten oft ganz anders gesehen. Oft verläuft eine Betreuung genau deshalb so konflikthaft, weil so erstmals sichtbar wird, das der betreute eben doch etwas anderes will als die Angehörigen und erstmals die Möglichkeit bekommt seinen Willen durchzusetzen. Auch dazu ist eine Betreuung da. Das liegt in der Sache der Betreuung selbst.
Sie wäre meist nicht nötig, wenn es eine gute Übereinstimmung mit dem Ehepartner gäbe.
amor fati

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Beitrag Mi., 01.07.2009, 20:21

Hallo hungryheart!
hungryheart hat geschrieben:
oder hast du angst, tatsächlich während oder nach so einem gespräch verprügelt zu werden?
Ja, es war/ ist eine reale Angst.

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Beitrag Mi., 01.07.2009, 22:03

Hallo Valée!

Nochmals danke für die Ausführungen. Die Rechtslage und Unterschiede zwischen Betreuer, Therapeuten etc. sind mir bekannt. Ich verstehe auch die Argumente. Doch menschlich gesehen, rollt es mir die Fußnägel hoch. In unseren Fall war der Betreuer zwar niemals "rechtswidrig", aber inkompentent. Nach zwei Jahren gab er dies wenigstens zu. ("Sie überfordern meine alleinige Kompentenz.") Aber da war's schon zu spät.

Wie du selbst angefügt hast: Die Gerichte sind oft überlastet, man will es sich einfach machen, einfacher Fall, es sind auch nur Menschen mit Fehlern und so weiter. Und das ist einer der fatalen Eigenschaften meines Ex: Anfangs gibt er es, meist in Krisen dort hingehend, offen zu, wo seine Probleme liegen, nämlich in Scheinwelten, Pseudoharmonie und es allen Recht machen zu wollen, Blackouts zu haben etc. Im Laufe der Klientenbeziehung tut er was? Richtig: Er spielt vor, als sei alles in Ordnung. Tut genau das, was er vorher angekündigt hat! Und das wird dann nicht erkannt. Da fragt man sich doch: Hä?!

Erstgespräch: "Ich verstecke immer meine Rechnungen, kann mich nicht mehr darin erinnern. Nicht mal wenn ich sie wiederfinde, kein Plan, wie sie dahin gekommen sind."
Zwei Jahre später und auch nur durch eine List von mir stellt sich heraus: Einige wichtige Briefe sind gar nicht erst beim Betreuer gelandet. Und plötzlich ist der ganz überrascht und tut so als ob er die Welt nicht mehr verstehe.
Bei den Therapeuten war es nicht ganz so schlimm, denoch meine ich eine leichte Tendenz in diese Richtung festzustellen. Der jetztige scheint jedoch recht gut so sein, glaube ich.

Das mit dem Krankenhaus verstehe ich nicht.
Und wie ist das mit körperlichen Unfällen? Wenn man ein Autounfall hat, gilt ja auch keine Schweigepflicht. Vielleicht war der Herr auf dem Weg zu der Geliebten und es kommt jetzt an's Tageslicht? Oh weh und weh, am besten wir verschweigen das den Angehörigen von nun auch, wenn ihre Ehemänner oder Kinder nach einem Autounfall im Koma liegen... *zynisch*... weil der Patient muss dies selbstständig erst explizit äußern.

Also, wenn jemand eine Nacht von der Polizei aufgegriffen und in die Psychiatrie gesteckt wird... wieso ist es zum WOHLE des (nicht mehr ansprechbaren Patienten) die Familie in Todesfurcht zu lassen? Wie sieht das aus? Wenn ich dann z.B. eine Vermisstenanzeige aufgebe, bei der Polizei anrufe und die Krankenhäusere abklappere... werde ich dann angelogen? Ist dann gesetzlich so geregelt, dass ich angelogen werden soll oder muss?

Was anderes wäre es, wenn der Klient gefragt wird und explizit verneint. Aber so wie ich es erlebte, ist es wohl eher so, dass es überhaupt gar nicht erst zur Diskusion stand.

Und in manchen Fällen mag es so sein, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte die Persönlichkeitsrechte andere Menschen einschränkt. Wenn dem so ist, dann geht es meines Erachtens zu weit.

Du hast mehrmals geschrieben, Betreuer, Therapeut sei ALLEINE für das Wohl des Klienten verantwortlich, nicht für die Familie. Allein von der Umsetzbarkeit kann ich es nachvollziehen. Aber es gibt auch Einwände.

1. Der Ex sieht seinen Betreuer ca. alle 2 Wochen 30 min. Sie reden nur über Finanzen, Behördenkram. Wie kann DER entscheiden, was für den Ex psychisch am Besten ist? Da wären doch Absprachen mit nahestehenden Personen begrüßenswert. Natürlich auf freiwilliger Basis aller Beteiligten. Das sagt mir mir mein Menschenverstand. Wieso also wird so selten davon gebraucht gemacht?

Vor allem wurde ich auch kein einziges Mal über die Betreuerschaft informiert, also welche Bereiche sie nun beinhaltet. Also ich finde, dass sollte man als Angehöriger doch wenigstens wissen dürfen?! Vor allem weil einem dann ja die Angehörigenrechte aberkannt werden. Als Ehefrau habe ich doch ein Recht auf Informationen. Wenn der Betreuer im Spiel ist, offenbar nicht mehr. Und das alles ohne die geringste Information? Was bitte wäre zu viel daran, wenn es wenigstens zu Anfang EIN aufklärendes Gespräch gäbe?

Und wann endlich werden psychische Krankheiten genauso behandelt wie körperliche Krankheiten? Also, wenn einer sich systematisch in den Suizid treibt... das darf er. Wenn er sich aber körperlich eigengefährdet... nein, das darf er nicht.

2. Ich finde, dass Werte wie Familie MEHR gefördert und GESCHÜTZT gehören. Das meine ich wirklich als sachlichen Diskussionanstoß. Unabhängig von meiner Situation. Und das es mit den Persönlichkeitsrechten zu einseitig in das eine Extrem geht...

Natürlich sind Persönlichkeitsrechte sehr, sehr wichtig. Aber bedingt denn die Wahrung dieser zugunsten einer ander Persönlichkeit geht und deswegen menschlich gesehen Werte wie Familie mit den Füßen getreten werden? Genau das ist meine Frage an die Runde, ob man (= der Gesetzgeber) es nicht vielleicht an mancher Stelle damit übertrieben hat. Es gibt nur noch Individuuen. Der Einzele zählt. Aber das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

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Beitrag Mi., 01.07.2009, 22:45

Ich schnalle gerade nicht wo der Weg hingeht? Es paßt nicht mehr zur Überschrift.

Also Du hast keinen Zugang zum Betreuer bekommen? Was hast Du denn alles unternommen?

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Flugente
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 22:58

Was genau ist hier mit Betreuer gemeint? Ein Sachwalter? In Österreich bekommt man einen Sachwalter, wenn eine Person unmündig erklärt wurde. Dann hat der Sachwalter die Vormundschaft über alles. Das kann ein naher Angehöriger sein oder wenn keiner da ist, eine behördlich eingesetzte Person.

Ganz blick ich auch nicht mehr durch, was genau da bei dir los ist Gothika. Und was das mit Individualisierung zu tun hat.

Und wenn du von deinem Ex sprichst. Was genau hast du mit deinem Ex zu tun? Wenn dir das zu persönlich ist, musst du natürlich nicht antworten aber wenn du eine scheinbar "allgemeine" Diskussion lostrittst, die sich dann aber als eine rein persönliche individuelle Geschichte herausstellt, die eher in den Bereich Blog oder lange Beiträge gehört statt in Erfahrungsaustausch Psychotherapie, dann verwirrt mich das.
Eisberg voraus!


montagne
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Beitrag Mi., 01.07.2009, 23:22

Ich finde es schwierig weiter zu diskutieren. Ich habe den Eindruck du willst oder kannst nicht verstehen welche Rolle ein Therapeut oder Betreuer hat.
Und ich habe, um ehrlich zu sein langsam auch das Gefühl es geht nicht um individuelle Rechte versus Familienrechte, sondern um seine versus deine Rechte. Und irgendwie hast du das Gefühl in dem Prozess aus Betreuung, Scheidung, was immer war, den kürzeren gezogen zu haben.
Ich finde das auch okay. Klar tut sowas richtig weh Nur Frage ich mich, ob es dir etwas nützt dich über Therapeuten und Betreuer zu echauffieren, die wie ich denke, wenig mit der Trennungssituation zu tun haben. Denn wenn dein Mann gewollt hätte, das du eng eingebunden wirst, hätte er doch mit dir sprechen können. Aber er wollte es dir nicht sagen. das war seine Entscheidung, nicht die des Therapeuten oder Betreuers.
Statt dessen wäre es vllt. angesagt um das Verlorene, zu kurz gekommene zu trauern. Vielleicht auch mit therapeutischer Hilfe, wo es dann eben nur um dich und deine Sichtweise geht und du dich im Schutz der Schweigepflicht sicher fühlen kannst.
Und Kraft und Lust tanken, um auf die Menschen zuzugehen wie sie sind und wie du bist. Und nicht wie du meinst wie sie sie sollten.

Ich denke echtes Gemeinschaftsgefühl kann nur entstehen wnen wir uns darüber bewusst werden, das wir alle individuell sind, unseren eigenen Kopf haben, eigene gednaken und Gefühle. Nur wenn man das wirklich spührt, kann man mit anderen in einen Kontakt treten und sich drüber austauschen und eine Gemeinschaft, die den Namen auch verdient entstehen lassen.
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void
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Beitrag Do., 02.07.2009, 13:50

@Diskussionrunde

Eine Anmerkung eines mehrfach Betroffenen Angehörigen:

Auch Angehörige sind Menschen.

Polemisch: Psychisch belastete Personen dürfen ihre Umwelt in frei wählbarem Maß belasten, wenn es ihr psychischer Zustand erfordert, sie dürfen ihre Beziehung über Gebühr anstrengen und dann dem Partner die Schuld geben (ist eben auch Teil der psychischen Belastung), sie dürfen ihr Vermögen vernichten, wenn es aus ihrer aktuellen Verfassung heraus opportun ist.
Diese Polemik ist nicht erfunden, sie ist persönliche Erfahrung.

Ob den Angehörigen daraus unendlicher Zeitaufwand, seelische Belastung, schwere wirtschaftliche Nachteile (Stichwort Obsorgepflicht) erwachsen, ist dem in der Realität wirklich sehr individuenbezogenen System, um das es in dieser Diskussion geht, fast immer herzlich egal.

Einfacher wäre das alles, würden die Angehörigen, wenn sie etwas beitragen können, wenigstens ein wenig gehört. Dort, wo ich gehört wurde, konnte die Situation mit einem Bruchteil an Energie entscheidend verbessert werden.

Nun, nach 51 Jahren robuster Psyche und Hilfe für alle möglichen Anderen, haben mich meine mich umgebenden Baustellen soweit: Ich suche selbst Beratung und Hilfe.

Auch Angehörige sind Menschen,
void, ein einfacher Techniker
Es scheint, wie es scheint und es ist, wie es ist

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Beitrag Do., 02.07.2009, 14:18

Hallo Valée,

ja, ich gebe zu, meine Schreibweise geht hier ganz schön durcheinander. Pardon. Ich versuche es zu entwirren und zusammenzufassen, so wie ich dich verstanden habe. Korrigiere mich, wenn ich mich irre.

Deine Meinung ist, dass Fremdamnese IMMER ein therapeutischer Fehler sei und der Natur einer Therapie per se und grundlegend den Persönlichkeitsrechten widerspricht. Gleichzeitig räumst du ein, dass Fremdamnese umstritten sei. Was impliziert, dass das andere Parteien und Fachkreise gibt, die Fremdamnese befürworten.

Meine Meinung ist, dass es von Fall zu Fall unterschiedlich ist, manchmal sogar dringend erforderlich, so wie ich es auch auf Fachseiten nachgeschlagen habe.
Mein (subjektiver) Eindruck jedoch, nach eingeschlägigen Erfahrungen, war dass oft aus Bequemlichkeit und einer Art Müdigkeit heraus nicht ausreichend geprüft wird, ob dies hilfreich wäre oder sogar erforderlich ist, sondern "unter dem Tisch" fällt. Dies möchte ich zur Diskussion stellen und prüfen.

Hier im Thread steht es aktuell drei zu drei, derjenigen, die überhaupt gefragt wurden und bei dreien, wo es unter den Tisch fiel. In meinem Fall fiel es wohl im Laufe vieler Erfahrungen "außergewöhnlich oft" (?) unter dem Tisch, was diesen Eindruck erst erweckte und mich vor den Kopf stieß.

Es gab eine lange Liste von einzelnen Erfahrung über die Jahre hinweg, deswegen kann es wohl nur chaotisch werden, wenn ich versuche, diese zusammenzufassen. Ich bitte um Verzeihung, und werde mich mehr bemühen. Also jetzt wirklich nur kurz dazu:

NACH der Trennung fühlte ich mich "ausgeschlossen", alleine gelassen, etc. Aber VOR der Trennung gab es viele Jahre, da ging es nicht um MICH, sondern ich wollte Informationen geben, die sicher Behandlungsrelevant sind, und mein Ex per se nicht liefern kann selbst wenn er noch so sehr will.

In allen Fällen, wo man überhaupt so weit kam, wurde mein Angebot seitens der Therapeuten als hilfreich und begrüßenswert erachtet. Also, kann es wohl doch nicht so verwerflich sein. Aber nie kam es zum direkten Austausch. Was mich eben "wundert" ist, dass es nie von den Therapeuten ausging, obwohl diese es als hilfreich und begrüßenswert ansahen.

Ganz wichtig: mein Ex war NIE dagegen. Im Gegenteil. Er wollte es sogar. Er hat nie, schon gar nicht explizit gesagt, dass ich nicht "zu Rate gezogen werden dürfe". Aber es wurde nie von den Therapeuten aus angeregt.

Ausnahme: Der Betreuer war inkompent. Definitiv nicht nur meine Meinung war. Deswegen sollte man das Beispiel hier vielleicht wirklich besser rauslassen.

Du beharrst auf das Rechtsystem. Meine Meinung ist, dass man durchaus legitim, aber trotzdem menschlich wie ein A**** handeln kann. Das eine schließt das andere nicht aus.
Ich erlaube es mir wirklich, auch unseren Rechtssytem und Staat anzuzweifeln und habe ich den Eindruck, dass es - obwohl gut gemeint - zu einseitig in eine Richtung geht. Zum Teil vielleicht auch nur aus Ermanglung von Alternativen.

Das genannte Gerichtsurteil: Das Recht auf Krankheit. Ich weiß ja, dass es leider heute so handgehabt wird. Aber trotzdem finde ich das nicht so prickelnd. Solche Urteile "stoßen mich vor den Kopf".
Ich glaube, es ist kein großes Geheimnis, dass der Zeitgeist immer mehr weg von "Familie" u.ä. geht. Egal von welcher Seite aus. Sei es der Arbeitsmarkt oder HarzIV-Gesetze, Scheidungspolitik...Und ich glaube auch, dass genau durch diese Tendenz einige soziale Defizite erst entstehen, welche dann erst therapiebar werden.

In diesem Sinne stimme ich dir zu: Bei einem gesunden Familiennetzwerk wäre oftmals Therapien, Betreuerschaften gar nicht erst nötig. ABER dazu möchte ich noch anmerken, dass man niemanden "gesund lieben" kann. Egal wie offen und innig eine Beziehung ist, sie kann keine Gewalttraumata lösen, auch keine Persönlichkeitsstörungen oder ausgeprägte Schizophrenien etc.

Familie (u.ä.) ist ein stabiliender Faktor, sofern nicht diese selbst das Problem ist. Sollte als solcher gefördert werden. Ja, ich glaube auch, dass eine Therapie langfristig dabei hilft, sich wieder mehr in soziale Netzwerk zu integrieren. Um so mehr irritiert es mich aber, dass - wie du auch vehement betonst - Therapien so 100%ig klientenkonzentriert sind. Man als Angehörige sich offenbar oft erst hartnäckig um Aufklärung bemühen muss. Wie gesagt, wenn der Klient dies nicht möchte, erübrigt sich das Ganze. Selbstredend. Mein Eindruck ist aber der, dass selbst wenn es begrüßenswert wäre seitens des Thera, aus "irgendwelchen Gründen" (?) häufig unter den Tisch fällt.

Ich hoffe, einiges ist es jetzt klarer. Wenn nicht, muss ich es leider auch aufgeben. Was ich schade fände, weil mir einige der Antworten wirklich geholfen haben.

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candle
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Beitrag Do., 02.07.2009, 14:28

Gothika hat geschrieben: Ich hoffe, einiges ist es jetzt klarer. Wenn nicht, muss ich es leider auch aufgeben.
Mir ist zum Beispiel nichts klarer geworden. Du bist auf vallée's Posting auch gar nicht eingeangen.

Geht es um die eheliche Zeit? Nun, da kannst Du Deinem Frust Luft machen, nützt abe wohl wenig.

Und nach der Trennung hast Du als Angehöriger wohl eher Dein Recht "verwirkt", es sei denn Du strebst nun doch keine Scheidung mehr an.

Ich kann Dir erstmal nur raten, bei Dir anzufangen, denn da gibt es ja auch reichlich Probleme. Immerhin hast Du ein Kind zu erziehen und das braucht ein "ruhiges" Umfeld.

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 02.07.2009, 15:31

Gothika hat geschrieben: Deine Meinung ist, dass Fremdamnese IMMER ein therapeutischer Fehler sei und der Natur einer Therapie per se und grundlegend den Persönlichkeitsrechten widerspricht. Gleichzeitig räumst du ein, dass Fremdamnese umstritten sei. Was impliziert, dass das andere Parteien und Fachkreise gibt, die Fremdamnese befürworten.

Meine Meinung ist, daß man den bessten Eindruck von jemandem bekommt wenn man die Person in ihrer "natürlichen Umgebung" beobachten kann.

Ich meine, wenn sich jemand nur durch meine Erzählung über mich ein Bild von mir machen soll, dann könnte es sein daß da Dinge in meinem Sozialverhalten im Alltagsleben, die evtl sehr wichtig sind einfach unter den Tisch fallen.

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Flugente
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Beitrag Do., 02.07.2009, 16:02

void hat geschrieben:Polemisch: Psychisch belastete Personen dürfen ihre Umwelt in frei wählbarem Maß belasten, wenn es ihr psychischer Zustand erfordert, sie dürfen ihre Beziehung über Gebühr anstrengen und dann dem Partner die Schuld geben (ist eben auch Teil der psychischen Belastung), sie dürfen ihr Vermögen vernichten, wenn es aus ihrer aktuellen Verfassung heraus opportun ist. Diese Polemik ist nicht erfunden, sie ist persönliche Erfahrung.
Wenn du von "dürfen" sprichst: wer hat dieser Person das alles erlaubt? Der Therapeut? Glaub ich nicht. Das was du erzählst, klingt ziemlich frustrierend und du hast da offensichtlich ganz schön was mitgemacht. Das tut mir leid.

Aber mit dem Thema an sich, hat das in meinen Augen nichts zu tun. Es gibt Menschen, die, aus welchen Gründen (krank, Charakter) auch immer, anderen Menschen das Leben schwer machen. Aber wer hat die Schuld daran? Immer noch der Mensch, der es tut oder? Natürlich sind Angehörige auch Menschen, das stellt keiner in Abrede. Jeder von uns ist ein Angehöriger von irgendjemanden und in jeder Familie (denk ich mal) gibt es Angehörige, die anderen das Leben mies machen. Aber ist man machtlos dagegen? Nur weil der eine einen Therapeuten hat, heißt das doch nicht, dass er Dämonen zur Seite hat, die ihn unterstützen.

Wehren muss sich schon jeder selber. Und wenn in einer Familie etwas grundsätzlich im Argen liegt, dann ist jeder Betroffene aufgerufen sich selbst zu helfen oder Hilfe zu suchen.

Wenn ich meiner Therapeutin erzählen würde, dass ich meine Mitmenschen quäle, ausnutze und schädige, würde sie niemals wohlwollend dazu nicken sondern mit mir daran arbeiten, ein gesundes Leben mit mir und meinen Mitmenschen zu leben.

Es gibt natürlich auch leider die Variante, dass es psychische Krankheiten gibt, die eben nicht heilbar sind und die Angehörigen Leidtragende sind. Da hilft nur, sich selber so gut wie möglich davor zu schützen. Ertragen muss auf Dauer niemand einen Terror (von hilflosen Kindern mal leidergottes abgesehen).
Eisberg voraus!


montagne
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Beitrag Do., 02.07.2009, 16:52

Hallo Gothika, ich habe doch den Eindruck du nimmst die Argumente, die ich geschrieben habe nicht so wahr, sondern bist ganz versteift auf deine Sicht. was ich an sich nicht schlimm finde, ich denke jeder Mensch hat irgendwo Themen, wo er eine strikte Meinung zu hat. Nur dann erübrigt es sich ja eine Diskusiion zu beginnen.

Nochmal: Ein Therapeut gibt keinen Rat und dazu gehört auch, dass er nicht von sich aus vorschlägt mit Angehörigem X zu sprechen. Wenn der Klient selbst den Wunsch äußert ist es etwas anderes. Wie schon mehrfasch hier geschrieben geht es darum, das der Klient sein leben und seine Umwelt aktiv angeht. Im Grunde ist ein guter Therapeut sehr passiv. Seine Aufgabe ist es nur, den Klienten zu Aktivitäten zu bewegen. Selbst vornehmen wird er sie nicht.
Und wnen bei deinem Ex eine Betreuung nötig war oder ist, so ist er wohl ein äußerst schwerer Fall. Tut mir leid das so zu sagen. Aber jeder auch nur ansatzweise therapiefähige Mensch wird keine Betreuung benötigen und auch von keinem Richter bekommen. das ergibt sich aus dem was das Gesetz für die Errichtung einer Betreuung vorsieht. (Von Altersgebrechen und kurzzeitiger Unterbringung nach BGB oder PsychKG mal abgesehen.)

Ich habe auch nicht gesagt, das eine Fremdanamnese IMMER ein Fehler sei. Aber in vielen Fällen eben entweder obsolet oder ein Vertrauensbruch.

Ich habe es als Angehörige so erlebt, das ich öfters mit der Psychiaterin meiner Oma gesprochen habe. Sie hat wohl in der Tat ihre Diagnose und Medikation mehr auf meiner Aussage aufgebaut, als auf der meiner Oma. Aber eben weil ich das aktiv betrieben habe. Ich habe die Psychiaterin ja angerufen, um Termin gebeten.
Und auch weil die Klientin, meine liebe Oma also, nicht in der Lage war ihre Problem zu kommunizieren, das war ganz eindeutig.
Sobald ein klient sich halbswegs Ausdrücken kann, wird man ihn natürlich hören.

Also ich habe eben als Angehörige immer eine gute Zusammenarbeit mit Gericht, Psychiaterin und Therapeuten erlebt. Weil ich mich gekümmert habe. Von sich aus wäre bestimmt keiner gekommen. das stimmt schon. Ist eben die Eigenverantwortung, die man für seine Wünsche trägt. Will man mit solchen leuten sprechen, muss man sich melden.
amor fati

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