Antonia hat geschrieben:stefan m, ich finde es nicht komisch. Vielleicht haben einige es gelesen sich gedanken gemacht und und gehen nicht mehr online. Ich kenne es auch von mir, in einer heftigen Suchtphase würde ich so einen thread lesen und weitersurfen .
Ich finde es gut, dass es den thread hier gibt. Wenn man zum Thema googelt, ist man erschrocken, wie wenig wirklich Gutes es zum Thema Internet-Sucht zu lesen gibt, angesichts der Zahl der potenziell Betroffenen. Da greift schon dieser Effekt, dass man halt sozusagen in einer irischen Kneipe nicht über die Gefahren der Alkoholsucht philosophiert. So gesehen gehört dieser thread mit seinen 3 bescheidenen Unterseiten schon echt zu den besseren Sachen, die man im Netz zum Thema lesen kann.
Mir ging es so: Schon allein durch das Lesen hier beobachtet man plötzlich seine eigenen online-Gewohnheiten genauer. Wenn man die einschlägigen Stunden-Zahlen bei den Veröffentlichungen zum Thema online-Sucht liest, bin ich zwar noch nicht im strengeren Sinne online-süchtig (derzeit 1-2 Stunden/Tag online), aber zumindest in dem Sinne, dass ich häufig mehr im Netz bin, als ich eigentlich will. Es gibt da schon einen "Sucht-Effekt". Bei mir ist er am allerstärksten in Situationen, in denen sich sozusagen andere Leute eine Zigarette anstecken würden, z. B. nach einer anstrengenden sozialen Situation im Beruf (einem längeren Gespräch z. B.). Dann denke ich: Ach, jetzt mal eben für fünf Minuten ins Internet. Und es wird dann rasch eine halbe Stunde draus.
Auch am WE spüre ich etwas von dem Effekt, dann sozusagen umgekehrt: Nicht um Stress abzubauen, sondern die Leere zu füllen. Hier haben mir mitsukuos Regeln sehr gut gefallen, vor allem das Prinzip: Reale Kontakte haben Vorrang vor Internet. Dass man z. B. erstmal drei Freunde anruft, und dann, wenn man halt z. B. nur ABs erwischt, sagt: Gut, jetzt geh ich halt mal kurz ins Internet.
Mich fasziniert übrigens sehr das Thema, weswegen sich hier in dem thread nicht mehr "Betroffene" aus dem PT-Forum "melden". Solche "Meta-Fragen" der Diskussion finde ich immer sehr interessant. Man hat ja irgendwie schon das
Gespür, das Internet-Sucht hier ein unterschwelliges Thema ist, dass hier noch viel mehr User betrifft. Für mich macht es fast so etwas wie einen Aspekt aus, der die Posterei hier gelegentlich etwas
unheimlich macht: Das man spürt, dass Leute, die
wirklich gute Postings schreiben,
echt gute Ratschläge geben, eben zugleich ein unbewältigtes Suchtproblem haben, dass sie sich selber gar nicht oder nur so halb eingestehen. Aber warum erwartet man sich hier eigentlich eine größerer Resonanz als z. B. in einem Angler-Forum oder sonstwas?
Wahrscheinlich, weil das ober-topic dieses Forums ja sozusagen die (psychologische)
Selbsterkenntnis ist.
Man wundert sich sozusagen: Wenn die User hier auch sonst ihre intimsten Geheimnisse ausplaudern, dann würde es doch sozusagen gar nicht mehr ins Gewicht fallen, dazu auch noch ein - verglichen damit - "Randproblem" wie die online-Sucht "zuzugeben".
Aber so ist es offenbar nicht. Und woran es liegt, kann man eigentlich nur spekulieren.
Vielleicht liegt es daran, dass die
heavy-user hier das Problem gar nicht haben? Sondern für sich Wege gefunden haben, ihren online-Konsum sehr wohl zu dosieren, so dass es für sie stimmig ist (dann hierzu allerdings auch hier nichts schreiben).
Vielleicht liegt es auch an diesem Image-Ding, dass Du auch angesprochen hast. Es haben sich hier im thread ja einige zu ihrer online-Sucht geäußert, aber praktisch nur solche, die hier eine geringe Beitrags-Zahl haben (also auch kein Image, dass sie verteidigen müssten), also offensichtlich ihre Sucht überwiegend in anderen Foren, Chats usw. austoben. Von den Leuten, die hier viele Beiträge haben, hat sich dagegen außer Dir niemand bekannt.
Vielleicht liegt es paradoxerweise auch daran, dass es letztendlich sogar leichter ist, über die verkorkste Kindheit und die sich daraus ergebenden Folgen zu schreiben als über die eigene Internet-Sucht. Denn bei ersterem waren halt andere, die Eltern schuld (das meine ich jetzt nicht ironisch, sondern ganz im Ernst!). Internet-Sucht ist dagegen so verdammt banal und gegenwärtig, da wird irgendwie jedem sofort klar: das kann ich jetzt nicht auf einen anderen schieben, da müsste ich selbst ran.
Letztlich muss man da wohl auch aufpassen, dass man gegenüber den Usern hier fair bleibt. "Selbsterkenntnis" bedeutet ja nicht sozusagen
totalitäre Selbsterkenntnis. Sondern Selbsterkenntnis in den Bereichen, die man sich selbst aussucht, weil man sie für förderlich hält. Es wäre wohl sehr ungerecht, da irgendeinen "Anspruch" zu erheben, der es nicht gestattet, bestimmte Aspekte auszuklammern. Auch mal etwas liegenzulassen.