Vater mit Demenz im Pflegeheim

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Takli
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 09:52

ziegenkind hat geschrieben: Mi., 22.11.2023, 08:09 Verstörend sind jedoch die Gerüche. Es liegt immer ein leichter Geruch von Urin in der Luft. Das war aber überall so. Geht das auch anders?
Ich war in fünf Heimen und in einem Heim war es mit dem Geruch besonders schlimm. Ich habe mich richtig geekelt. Drei Heime gingen vom Geruch her. Meine Mutter ist jetzt in einem Heim in dem es gar nicht riecht und ich fühle mich auch ganz heimelig, wenn ich reinkomme.

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ziegenkind
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 10:11

Danke Dir, Takli. Ist Deine Mutter auch auf einer Demenzstation? Mein Vater selber uriniert in seinem Bad dauernd in die Ecken.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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reddie
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 10:19

Es gibt ja auch Demenz-Wohngemeinschaften mit intensiver Betreuung 24/7. Diese fand ich atmosphärisch angenehmer als Heime. Jeder hat sein Zimmer, es wird zusammen gekocht, gegessen, gespielt, musiziert...

Leider sind Aggressionen und Stimmungsschwankungen ein Symptom der Erkrankung, und da muss man sehen, ob die Umgebung überhaupt wesentlich Einfluss darauf nimmt oder eher nicht.

Alles Gute
reddie

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Kirchenmaus
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 10:42

Hallo ziegenkind,

mich haben deine letzten Beiträge betroffen gemacht.

Wie gesagt, ich habe keine Erfahrung mit einem dementen Vater (nur in seiner allerletzten Phase), aber mit Eltern, die mir im besten Falle fremd waren, im schlimmsten extrem geschadet haben, und denen ich nach Jahren ohne Kontakt erstmals auf der Palliativstation wieder begegnet bin.
Erst gestern habe ich mit meiner Therapeutin darüber gesprochen, wie sehr ich in der Zeit andauernd über meine Grenzen gegangen bin. Unbewusst habe ich mich dauernd wieder in das Familiengefüge einhämmern wollen/müssen, das von mir verlangt(e), mich vollkommen aufzugeben. Rückblickend hätte ich einiges anders machen sollen, um mich selbst nicht so gnadenlos zu überfordern.

Ist man gerade selbst in der Situation, ist ein Blick von außen natürlich nicht möglich. Deshalb möchte ich das kleine ziegenkind ein bisschen schützen, indem ich aus meiner Perspektive schreibe: Bitte pass gut auf dich auf. Bitte nimm dir genügend Abstand und Auszeiten. Bitte versuche, deine Grenzen nicht zu ignorieren – auch wenn die Aggression der Krankheit geschuldet ist, so nehme ich doch an, dass sie ein Riesentrigger für dich ist. Du musst dir das nicht aus schlechtem Gewissen reinziehen.

Mir hilft immer wieder, mich daran zu erinnern, dass jeder Mensch sein eigenes Schicksal hat, das ihm niemand abnehmen kann. Du hast deinen Vater nach bestem Wissen und Gewissen untergebracht. Das war richtig so. Mach dich jetzt bitte nicht selbst fertig. Pass gut auf dich auf, ja?

Alles Liebe sendet
Kirchenmaus
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

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ziegenkind
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 10:53

Reddie, ich habe mir eine ganze Reihe von Demenz-Wgs angeguckt. Das war das nackte Grauen, weil es keine Kontrolle gibt. Pflegerinnen, die wirklich kein Wort Deutsch sprechen, selber schmutzig und alkoholisiert sind, unglaublich dreckige Räume. Ich hatte da schnell den Eindruck, dass Heime wirklich besser sind, weil da eine dem anderen immer mit auf die Finger guckt.

Kirchenmaus, ich danke Dir. Ja, mich triggert das. Ich lebe seit Tagen mit einer latenten Panik. Ich mach jetzt erst einmal eine 3-tähige Dienstreise und kann in der Zeit nicht zu ihm. Mal sehen, wie es dann wird. Mein Mann hat versprochen, mit mir mit zu gehen, solange ich solche Angst habe. Darüber bin ich unendlich froh. Auch weil er mich aus der SItuation rausholen kann. Ich weiß nicht, ob ich das allein so hinkriege.

Ich versuche mich selbst zu beruhigen mit der Erinnerung daran, dass er mit am Sonntag noch gedankt und zudem betont hat, wie sehr es ihm gefällt.

Zu dem Geruch: Das ist wirklich etwas, was mich beschäftigt. Wegen ihm. Aber er scheint das gar nicht zu bemerken. Außerdem kann ich das Problem verstehen: Auf der Station sind 23 Leute, die fast alle Windeln tragen, sich in die Hose machen, in die Ecken schiffen - das Personal bemüht sich schon, aber mir ist klar, dass die nicht immer alles sofort geruchsneutral beseitigen können. Ihr Konzept ist zudem, die Leute machen zu lassen und nicht zu sehr zu reglementieren und einzuschränken. Vielleicht ist das wichtiger als Sauberkeit ...
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Jakob_
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 10:57

Aggression ist kein Kennzeichen der Demenz, sondern eine Projektion der Umgebung von Dementen. Es lässt sich nur fast niemand auf Demente ein.

Ich saß mit meinem Vater im Speiseraum des Pflegeheims, fütterte ihn beim Mittagessen und blieb nachher mit ihm noch lange sitzen, wie die meisten Bewohner auch. Denn der Speiseraum war gleichzeitig auch der wichtigste Gemeinschaftsraum der Station.

Herr A., der Mann, mit dem mein Vater sein Zimmer teilte, war erkennbar in Frau H. verliebt, eine andere demente Bewohnerin, die immer gerne sang, meistens alte Volkslieder. Frau H. hatte eine sehr schöne Stimme, sodass ich die Liebe von Herrn A. durchaus verstehen konnte.

Von den Pflegerinnen hatte aber keine bemerkt, dass Herr A. in Frau H. verliebt war. Denn sie hetzten immer nur herum, nahmen sich keine Zeit und wenn sie mal Zeit hatten, dann spielten sie Solitär am Computer im Schwesternzimmer. Nächstenliebe kann man halt nicht bezahlen.

Herr A. bewegte sich nach dem Essen langsam mit seinen Rollstuhl von Vaters Tisch zum Tisch von Frau H., legte dort seine Hand auf den Tisch und bewegte sie ganz langsam auf die Hand von Frau H. zu, die natürlich wartend auch auf dem Tisch lang.

Als ihre Hände sich gerade berührten, kam plötzlich eine Pflegerin ins Zimmer, sah Herrn A. und schob ihn zurück an seinen Tisch, mit der Bemerkung: "Herr A., das hier ist ihr Tisch."

Herr A. meckerte ein wenig, Als die Pflegerin den Raum wieder verließ, dauerte es nicht lange und Herr A. bewegte sich mit seinem Rollstuhl wieder auf Frau H. zu. Wieder dasselbe. Die Pflegerin kam zufällig genau wieder zum gleichen Zeitpunkt in den Raum, als sich die Hände der beiden Liebenden gerade frisch berührten. Sie schob ihn wieder zum Tisch meines Vaters und sagte dasselbe, diesmal etwas lauter "Herr A., das hier ist ihr Tisch."

Herr A. bekam jetzt einen Aggressionsanfall. Die Pflegerin, die gelernt hat, dass Demente oft aggressiv sind, wollte eine Beruhigungsspritze holen, Ich lief ihr hinterher und erklärte ihr, was geschehen war, bat sie, Herrn A. nicht zu bespritzen.


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ziegenkind
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 11:01

Jakob, wie habe ich denn die Androhung meines Vaters mich abzustechen ausgelöst? Ich weiß, er wird es nicht tun, aber dennoch ängstigt es mich. Er hat mich und meinen Bruder viel geschlagen.

Ich war jeden Tag bis zu 2 Stunden da. Was hättest Du in meiner Situation gemacht?
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Jakob_
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 11:14

Diese Fragen kannst Du Dir eigentlich nur selbst beantworten. Fremde per Ferndiagnose sind da die falschen Ansprechpartner. Mir fällt dazu nur ein, dass der Mann aus meiner Geschichte die Pflegerin eines Tages mit einem Messer bedrohte, sie schrie und ich es ihm abnahm. Man darf so etwas nicht laut sagen. Aber ich verstand es gefühlt, warum Bewohner auf diese Pflegerin extrem aggressiv reagierten. Ich habe derzeit eine Schwester im Pflegeheim, die ich zurzeit täglich besuche. Früher war es nicht ganz so schlimm wie heute. Aber meiner Meinung nach sind deutlich mehr als die Hälfte der Pflegerinnen im falschen Beruf, d.h. völlig ungeeignet für soziale Berufe. Zumindest in Deutschland.

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Ophelia12
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 11:23

Liebes Ziegenkind,
Ich wünsche dir ganz viel Kraft auch für die kommende Zeit.
Ich kann erahnen wie es dir geht.

Bei meiner Mum, gerade Anfang 60, ist eine Demenz festgestellt worden.
Ich habe zwar Kontakt zu ihr aber seit Jahren keinen mehr zu meinen Vater (Täter, Alkohliker)
Es ist so unglaublich schwierig mit dem allen gut umzugehen, zudem sie auch mit ihrem Mann zusammenwohnt und ich um mich zu schützen nicht in seine Nähe geraten möchte. Nun bin ich in diesen Strudel und merke das ich wieder symptomisch werde.

Pass gut auf dich auf

Liebe Grüße


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ziegenkind
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 11:35

Jakob, DU machst aber ganz schön eindeutige Aussagen, indem Du sagst, Aggressivität sei KEIN Kennzeichen von Demenz.

Bei meinem Vater ist Aggressivität ein Bestandteil seiner Persönlichkeitsstruktur und wird durch die Demenz und den Verlust von Impulskontrolle noch verstärkt, Er hat sich IMMER dadurch reguliert, andere fertig zu machen.

Gleichzeitig IST der Umzug in ein Pflegeheim natürlich beängstigend und verstörend. Seine Lebensumstände haben sich verschlechtert. Daran lässt sich nichts herumdeuteln.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Jakob_
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 12:10

Hallo Ziegenkind,
bestätigst Du nicht meine Aussage schon, indem Du meinst, es sei unter anderem der Umzug gewesen und Dein Vater neigte ohnehin schon immer zu Aggressivität und nicht die Demenz an sich ist die Ursache? Mein Vater ist ein eher milder Charakter gewesen und er war am Anfang seiner Demenz oft aggressiv, weil er nicht damit zurecht kam, plötzlich in vielen banalen Alltagsdingen hilflos und auf andere angewiesen zu sein. Die Demenz ist an sich gerade das Gegenteil von Aggressivität.
Zum anderen Thema: Meine Schwiegereltern sind Psychologen, mein Schwiegervater ist emeritierter Professor im Fachbereich Kinderpsychologie. Gibt ein Psychologe Ratschläge, dann ist das der Beginn des Scheiterns einer Therapie. Gute Therapeuten weisen am Anfang von Gruppentherapien die Teilnehmer auch explizit darauf hin, dass sie anderen Patienten keine Ratschläge erteilen sollen und greifen auch sofort ein, wenn das geschieht.
Jakob_


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ziegenkind
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 12:15

Jakob, Du hast schon recht. Ich bin grad in einer ziemlich verletzlichen Situation, beschwert mit allerlei Schuldgefühlen, weil ich nicht meinen Job aufgebe, mit meinem Vater zusammenziehe und mich um ihn kümmere. Ich hab mich ein wenig angegriffen gefühlt durch Deine Formulierung, die Aggressivität sei eine Projektion der Umgebung. Aber vielleicht ist auch das was dran. Dass ich mich so schwer tue, meinen Vater an diesem Ort zu sehen, hinterlässt sicher auch Spuren.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Jakob_
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 12:22

alles gut, Ziegenkind
es ist immer eine sehr schwierige Situation
für alle

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MerleX
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 13:09

ziegenkind hat geschrieben: Mi., 22.11.2023, 11:01 Ich war jeden Tag bis zu 2 Stunden da.
Darf ich fragen, warum du nicht nur täglich, sondern auch noch so lange tägliche Besuche machst? Ich bin da ehrlich verwundert. Nicht zuletzt auf dem Hintergrund einer ziemlich schwierigen Vater-Tochter-Beziehung in der Vergangenheit (wenn ich dich da richtig gelesen habe), würde ich in mich hineinhören, was mich da in der Tiefe treibt. Auf jeden Fall ist das Zeitmaß ziemlich ungewöhnlich.

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Takli
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Beitrag Mi., 22.11.2023, 13:14

ziegenkind hat geschrieben: Mi., 22.11.2023, 10:11 Danke Dir, Takli. Ist Deine Mutter auch auf einer Demenzstation? Mein Vater selber uriniert in seinem Bad dauernd in die Ecken.
Das ist ein "normaler" Wohnbereich, obwohl meine Mutter vorher psychotische Symptome hatte. Zur Zeit ist sie "nur" geistig eingeschränkt, wobei nicht ganz klar ist, was die Ursache dafür ist. Sie ist stark inkontinent und muß mehrmals am Tag auf Toilette begleitet werden. Zum Glück klappt das jetzt. In dem Heim, wo sie zuvor in Kurzzeitpflege war, wurde das nicht gemacht und sie lag ständig im Nassen.

Die Situation in den Heimen ist eben schlimm. Viele können keine Bewohner mehr aufnehmen, weil es nicht genug Personal auf dem Arbeitsmarkt gibt. Es gibt auch viele Ungelernte, die keine entsprechende Ausbildung haben.

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