Hallo NoLimits,
ich stelle mir bei deinen Schilderungen die Frage, warum Verliebtheit und sexuelle Gefühle zwangsläufig einen Therapieabbruch erfordern. Das sind ja an sich sehr positive und belebende Gefühle, die Zeuge für die Nähe und Intimität in eurer therapeutischen Beziehung sind. Du entdeckst nach einem Trauma von sexueller Gewalt wieder deine eigene Lebendigkeit. Das kannst du nutzen, um in diesem Thema Fortschritte zu machen.
Das geht aber nur, wenn du mit ihm offen darüber sprichst, wie es dir geht.
Ich bin mir sicher, dass gute und empathische Therapeuten durchaus authentische liebevolle Gefühle für ihre Patienten entwickeln, die sie so lange begleiten. Das kann von Sympathie, fürsorgliche Gefühle bis hin zu Liebe reichen. Und das machen sie nicht nur, um die Patienten zu manipulieren oder deren Vertrauen zu gewinnen, sondern um eine Bindung herzustellen. Ich glaube, in den meisten Fällen ist das echt. Aber sein Job ist es, dich zu behandeln und die Grenzen zu wahren. Selbst ohne seine Familie ist es ihm nicht möglich, deinen Sehnsüchten nachzukommen. Das wäre verherrend für dich, wenn er die Grenzen überschreitet. Das ist also einen Schutz für den Patienten, auch wenn dieser glaubt, dass es das nicht braucht.
Dann gibt es natürlich die schlechten Therapeuten, die diese Grenzen nicht ernstnehmen und überschreiten. Es wäre also nicht in Ordnung, wenn er dir Hoffnungen macht, dich berührt oder sich zu privat dir gegenüber zeigt.
Ich denke, wenn du es schaffst diesen therapeutischen Rahmen zu akzeptieren und er es schafft, deine Gefühle anzuerkennen ohne zu agieren, dann ist das eine ganz wichtige korrigierende Erfahrung für jemanden mit einem Missbrauchstrauma o.ä.
Ich sage dir das, weil ich genau diese Erfahrung machen durfte. Mein Therapeut ist sehr souverän und gelassen mit meiner Verliebtheit (inkl. sexueller Gefühle) umgegangen. Und ich habe sehr an den Grenzen der Abstinenz gerüttelt. Er hat dieses Gefühle da sein lassen ohne Verurteilung und v.a. ohne Grenzüberschreitung (die ich mir damals aber herbeisehnte). Und er war nicht von der kühlen, professionellen Sorte, sondern liebevoll und fürsorglich (auf der Ebene der Worte, nicht der Taten). Ich bin davon überzeugt, dass er mich mehr als nur gut leiden konnte und dass das echt war. Aber warum sollte er dafür meine Heilung, seinen Beruf und seine Familie riskieren? Das hätte ich nie gewollt. Deshalb bin ich froh, dass ich die Chance hatte bis zum Ende der Therapie nach 5 Jahren offen über meine Gefühle für ihn zu sprechen und angenommen zu werden.
Wenn man diesen Prozess gemeinsam durchläuft und mit viel Akzeptanz rangeht, dann kann man irgendwann auch guten Gewissens gehen und auf eigenen Füßen stehen. Ja, die Gefühle verschwinden nicht einfach, aber sie werden erwachsen. In einer Form, dass man sie als Bereicherung erlebt, auch wenn sie nicht in einer Liebesbeziehung ausgelebt werden.
Eines noch zum Schluss:
NoLimits hat geschrieben: ↑Sa., 03.07.2021, 14:45
Eine emotional tiefe freundschaftliche Beziehung wird ja nicht möglich sein.
Aber eine emotional tiefe therapeutische Beziehung ist möglich, und das ist etwas sehr kostbares, wenn es gelingt.
Ich hoffe sehr, dass du den Mut findest, die Therapie nicht abzubrechen und dass du einen guten Therapeuten gefunden hast, der weiß, wie enorm wichtig es ist, abstinent zu bleiben.
LG
metro