Ich finde, er übernimmt keine Verantwortung

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Beitrag Sa., 25.07.2020, 22:12

Montana hat geschrieben: Sa., 25.07.2020, 21:06 Er müsste aber selber wollen, dass du ihm dabei hilfst, sich dem anzunähern. Nur dann hast du eine Chance.
Das stimmt.
Und jetzt wo du das sagst: Ich erlebe ihn als ambivalent.
Einerseits merke ich schon, dass er mich mit der ganzen Sache nicht einfach so stehen lassen will.
Andererseits lässt er sich auf die Auseinandersetzung auch nicht wirklich ganz ein, das spüre ich!!
Aber ich weiss nicht, warum.
Er befürchtet irgendwas, aber ich weiss nicht was.

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Sadako
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Beitrag So., 26.07.2020, 09:13

Hallo Capcha,
Ich glaube, jetzt kann ich dich besser verstehen., es geht auch viel um Anerkennung der Situation, darum, dass er sieht, dass er dir einen Schaden zugefügt hat und das auch aushält und nich wegschiebt oder wegdiskutiert mit Erklärungen.

Das erinnert mich an eine Unterhaltung mit meiner Psychiaterin vor rund zwei Jahren. Sie sprach mich völlig unvermittelt an und sagte, dass sie inzwischen eine ganz andere Sicht auf mich und Patienten wie mich hat. Das sie mir Dinge nicht geglaubt hat, weil sie sehr von ihrer Arbeit in der Akutpsychiatrie geprägt war und dass sie jetzt vieles anders sieht und anders macht.
Ich habe mich tatsächlich nie schlecht behandelt gefühlt von ihr. Sie hat mich immer unterstützt in dem, was ich wollte. Wenn überhaupt kann man ihr vorwerfen, dass sie nicht getan oder nicht gesehen hat.
Diese Entschuldigung, dass sie nicht wahrgenommen hat, was mit mir los ist, kam ganz unerwartet aber sie tat dennoch gut.

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Beitrag So., 26.07.2020, 10:57

Sadako hat geschrieben: So., 26.07.2020, 09:13 Hallo Capcha,
Ich glaube, jetzt kann ich dich besser verstehen., es geht auch viel um Anerkennung der Situation, darum, dass er sieht, dass er dir einen Schaden zugefügt hat und das auch aushält und nich wegschiebt oder wegdiskutiert mit Erklärungen.
Genau, genau, genau, genau!

Zur Zeit entwertet er noch jedes Zugestehen seiner Versäumnisse gleich im nächsten Satz wieder: "Okay, okay, ich übernehme Verantwortung, dass ich da nicht nachkontrolliert habe"
Und dann sagt er - weil die Komplikation mit zeitlicher Verzögerung aufgetreten ist:
"Die Behandlung an sich war ja in Ordnung" so ungefähr, es war halt mein Körper, meine Psyche, die dann "nachher" so reagiert hat.
Und das macht mich wahnsinnig, denn wenn nach einer Operation in den Folgetagen eine Nachblutung auftritt, dann hat das ja wohl einen Zusammenhang mit der Operation?!?

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Beitrag So., 26.07.2020, 10:59

Sadako hat geschrieben: So., 26.07.2020, 09:13 sagte, dass sie inzwischen eine ganz andere Sicht auf mich und Patienten wie mich hat. Das sie mir Dinge nicht geglaubt hat, weil sie sehr von ihrer Arbeit in der Akutpsychiatrie geprägt war und dass sie jetzt vieles anders sieht und anders macht.
Vor allem, dass sie es von sich aus gesagt hat, finde ich beeindruckend und kann verstehen, wie gut das tut...

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mio
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Beitrag Di., 28.07.2020, 22:14

captcha hat geschrieben: Sa., 25.07.2020, 22:12 Aber ich weiss nicht, warum.
Er befürchtet irgendwas, aber ich weiss nicht was.
Vielleicht überfordert es ihn einfach? Meine Thera meinte das mal zu mir, dass sie da oft einfach nicht "mitkommt" bei mir. Für mich total normal so zu sein und so zu "denken" und auch mich so zu "äußern", für sie zu "viel auf einmal".

Es ist ja eher normal "nur" ambivalent zu sein, wenn Du da im Vergleich zu ihm dann sozusagen "tausend" Aspekte miteinfliesen lässt (lassen kannst! Ist ja auch ne Fähigkeit) dann könnte es tatsächlich sein, dass er schlicht nicht mitkommt und deshalb auch nicht so recht weiss was er jetzt sozusagen "sagen" oder "tun" soll. Ihm ist das vielleicht zu "uneindeutig" während es für Dich glasklar ist?

Da hilft dann glaube ich nur reden reden reden und immer wieder aufs Neue (er)klären. Aber ob er das dann wirklich nachvollziehen kann ist damit auch nicht gesagt. Aber zumindest das sollte er meiner Meinung nach dann schon irgendwann zugeben können, also solange Du ihn jetzt dafür dass er sozusagen einfach nur "zu blöd" ist nicht angreifst.

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Beitrag Sa., 01.08.2020, 11:24

mio hat geschrieben: Di., 28.07.2020, 22:14 Für mich total normal so zu sein und so zu "denken" und auch mich so zu "äußern", für sie zu "viel auf einmal".

Es ist ja eher normal "nur" ambivalent zu sein, wenn Du da im Vergleich zu ihm dann sozusagen "tausend" Aspekte miteinfliesen lässt (lassen kannst! Ist ja auch ne Fähigkeit)
Woher weisst du das? ;-)
Da erkenne ich mich durchaus wieder.
mio hat geschrieben: Di., 28.07.2020, 22:14 Da hilft dann glaube ich nur reden reden reden und immer wieder aufs Neue (er)klären.
Das habe ich auch ganz lang gedacht.
Aber ich glaube, er will sich einfach nicht so gern damit auseinandersetzen und es deshalb nicht so genau wissen.
Durch eure Rückmeldungen habe ich erkannt, dass Verantwortung ein Gefühl, eine Haltung, ein Bewusstsein ist.
Mal schauen, wie weit ich da mit ihm noch komme, aber Thread erstmal mit Erkenntnisgewinn abgeschlossen ;-)

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malerin
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Beitrag Mo., 03.08.2020, 08:46

Hallo captcha,

ich kann gut nachvollziehen, dass das Verhalten deines Therapeuten dich belastet aber auch Therapeuten sind nicht perfekt und wenn du ansonsten gut mit ihm klar kommst, würde ich an deiner Stelle versuchen die Therapie normal fortzusetzen, da man ja auch nur eine begrenzte Anzahl an Sitzungen hat.

Mal ein anderer Denkansatzt:
Du könntest aber mal in dich hineinhorchen und dich fragen, warum dieses Verhalten des Thera´s dich so verletzt. Gibt oder gab es Menschen in deinem Leben, bei denen du ähnliches gespürt hast, bei denen du das Gefühl hattest, dass sie keine Verantwortung für ihr Verhalten übernommen haben und ich damit sehr verletzt haben?
Bei mir ist das jedenfalls oft so, dass wenn ich mich über das Verhalten des Thera´s ärgere, ich später merke, dass mich eigentlich nicht über den Thera ärgere, sondern das sein Verhalten mich unbewußt triggert, weil ich dieses Gefühl aus meiner Vergangenheit kenne.

Mir hilft das dann oft, mehr über mich zu erfahren und oft hilft es mir auch, kleine Schritte in der Therapie weiter zu kommen.

Therapeuten verhalten sich manchmal bewußt (aus unserer Sicht) falsch, um bestimmte Vorgänge in uns auszulösen. Sie sind nicht immer nur nett, geduldig und hören sich unser klagen an, sie provozieren auch und lösen bewußt Gefühle in uns aus, sie wollen ja etwas für uns erreichen. Dein Thera kennt ja deine Geschichte und weiß sicher auch, wie er etwas in dir auslösen kann. Auch wenn das für uns dann oft verwirrend und unverständlich ist, es gehört mir zur Therapie.

LG malerin

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Beitrag Do., 06.08.2020, 22:42

Liebe Malerin,

ich habe länger über deinen Beitrag nachgedacht und er hat mir eine wichtige Erkenntnis beschert:
malerin hat geschrieben: Mo., 03.08.2020, 08:46 Mal ein anderer Denkansatzt:
Du könntest aber mal in dich hineinhorchen und dich fragen, warum dieses Verhalten des Thera´s dich so verletzt. Gibt oder gab es Menschen in deinem Leben, bei denen du ähnliches gespürt hast, bei denen du das Gefühl hattest, dass sie keine Verantwortung für ihr Verhalten übernommen haben und ich damit sehr verletzt haben?
Wenn ein Therapeut zum Beispiel 5 Minuten zu spät kommt, könnte man sagen, das kann schon mal passieren,
und wenn der Patient sehr stark darauf reagiert: "Ich hab gedacht, Sie kommen überhaupt nicht mehr!" dann finde ich deinen Vorschlag genau passend, nachzuschauen, was denn das beim Patienten ausgelöst hat, z.B. alte Verlassenheitsgefühle etc.

Ganz anders wäre es, wenn der Therapeut fast jede zweite Stunde zu spät kommt, und dann gleich 15min, 20min und das voll abrechnet.
Wenn der Therapeut dann auf Kritik vom Patienten reagiert mit: "Was löst denn das bei Ihnen aus..." dann würden viele hier im Forum sagen: Moment mal, da liegt ein objektives Fehlverhalten des Therapeuten vor, das dieser bei sich erkennen und korrigieren muss. In meinen Augen fällt das Fehlverhalten meines Therapeuten, das bei mir zu einer Komplikation geführt hat, da hinein.

Deshalb nein nein nein, wenn ein Therapeut einen objektiven Fehler macht, dann darf das nicht zur Entwicklungsaufgabe des Patienten werden, sondern es ist erst mal Entwicklungsaufgabe des Therapeuten, sich damit auseinanderzusetzen:
Warum komme ich immer wieder zu spät? Hab ich zuviele Patienten und bin deshalb ständig gehetzt und unter Zeitdruck? Wiederhole ich da eine Dynamik aus meiner Vergangenheit, z.B.unbewusst: "Ich lasse mir nicht sagen, wann ich hier zu sein habe, ich komme, wann es mir passt!"

Dann sollte ein Therapeut sein Verhalten reflektieren, sein Fehlverhalten dem Patienten gegenüber eingestehen und sich entschuldigen. Dann versuchen, den Schaden, der für den Patienten entstanden ist zu reparieren und erst dann kann im Zuge dessen ins Spiel kommen, ob der Patient sowas vielleicht auch schon früher erlebt hat, weshalb es für ihn jetzt besonders schlimm war und dann kann man das aufarbeiten...

Dein Posting erhält noch mehr Gedankenanstösse und noch eine Frage, die ich auch beantworten will, aber erstmal soviel, sonst wird mein Beitrag zu lang

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