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Fr., 24.01.2020, 09:26
@ spirit -cologne:
Mit deiner Antwort zeigst du, dass du dich mit der Thematik nicht befasst hast und auch nicht befassen möchtest. Dennoch erkläre ich es dir gerne etwas ausführlicher:
Hier geht es nicht um Psychotherapie allgemein oder um einzelne Therapieverläufe, hier geht es um eine höhere Ebene, nämlich um die, in der man (Gutachter, Gerichte, Kollegen, Patienten, Supervisoren, usw.) sich damit auseinandersetzen muss, was passiert, wenn eine Therapie, die von der Kasse finanziert wurde, nicht gut läuft, sondern sogar schadet und im schlimmsten Fall der Patient dabei missbraucht wurde.
Ein "dann geh ich zum nächsten Therapeuten" ist eine Möglichkeit, wenn es danach bei diesem reibungslos verläuft und Therapeut und Patient sich einig darin sind, das Ganze als bedauerlichen Einzelfall zu betrachten, den man aufarbeitet und fertig.
Damit hat man die Systemfrage aber nicht gestellt, und das muss auch niemand tun - nur: Es funktioniert nicht, dass quasi von dir verboten werden soll, diese Frage zu stellen, wie einzelne missbrauchende Therapeuten von der Institution "Therapie" und vom Gesundheitswesen und von der Justiz behandelt bzw. gedeckt werden. Diese Frage wiederum kann nicht losgelöst betrachtet werden davon, was das System überhaupt vorsieht an Abläufen. Dazu gehören z. B. auch die genehmigten Verfahren. Viele Therapeuten, die selbst in den anerkannten Verfahren tätig sind, kritisieren die Willkür dieser Genehmigungen.
Weiterhin - du kannst es mir glauben oder nicht, aber an der Realität ändert das gar nichts; ich habe das recherchiert - kritisieren Therapeuten die Willkür der Kontingente: Niemand würde ernsthaft bezweifeln, dass 300 Stunden eine vollkommen zufällige und willkürliche Festlegung ist (aber solange es keine Probleme gibt, weil man sich unterordnet, sagt auch niemand was laut dagegen). Die Therapeuten müssen sich nun insofern unterordnen, als sie die Anträge so schreiben müssen, dass sie bewilligt werden und sich in die Kontingente quetschen lassen: Der Patient muss so sehr gestört sein, dass nur Verfahren XY hilft; aber er muss so gesund sein, dass er auf jeden Fall davon profitiert. Er muss im Fall eines Verlängerungsantrags so große Fortschritte gemacht haben, dass alles super ist, aber er muss noch so viel Therapiebedarf haben, dass die Verlängerung durchgeht. Und am Ende muss nach 300 Stunden ein toller Mensch rausgekommen sein, der nun sein Leben genießen kann.
Wenn man das ernsthaft genauso betreibt, bleibt das Analytische auf der Strecke; man ordnet sich den vorgesehenen Schritten unter, was mit "Analyse" kaum was zu tun hat. Aber Patient und Therapeut müssen sich selbst betrügen, weil sie sonst gar nicht erst arbeiten könnten. Sieht man eine Weiterfinanzierung als Selbstzahler vor, ist das, wie die Therapeuten selbst feststellen, strenggenommen ein Betrug am System, denn man hat die Kasse ja belogen. Dasselbe mit den Akutstunden, die an die abgeschlossene Therapie rangehängt werden.
Solange niemand das reflektiert, macht man das so. Wenn man aber anfängt, Therapeuten zu befragen (den eigenen oder fremde), dann wird ganz anders geredet, und man versteckt sich gerne hinter dem System, mit exakt den Worten: "Ich hab die Regeln nicht aufgestellt, ich lehne sie ab, aber ich muss mich ihnen fügen". Das ist alles, nur keine Analyse.
Und wenn der Patient nicht ganz naiv ist und das hinterfragt, dann wird ihm klar: Analyse, über die Kasse finanziert, ist zwar durchaus hilfreich, aber nur, indem sie belügt. Und damit ist sie keine. Und wenn man sich das bewusst macht, wird klar: Man braucht das nicht. Jedenfalls nicht, wenn man um der Aufrichtigkeit willen "angetreten" ist. Man muss sich also entscheiden, ob man sich befreit oder mitspielt.