Anna-Luisa hat geschrieben: ↑Sa., 22.09.2018, 14:11
Aus meiner Sicht hat es auch etwas Künstliches, wenn Personen streng darauf achten, ausschließlich die sog. "Ich-Botschaften" zu "senden".
Aus einem Yogakurs bin ich ausgestiegen, nachdem die Kursleiterin wiederholt so getan hat, als würde ihre Ansprache sich auf eine (und nicht etwa 12) Personen beschränken ("Schließ DEINE Augen und stelle DIR vor..")
Befremdlich finde ich es auch, dass so manche Grundschullehrer ihre Schüler in der Gruppe ansprechen und 25 Kinder meinen, wenn sie sagen: "DU schreibst jetzt einen Mathetest."
Ob diese Vorgehensweise eine individuelle Anrede vorgaukeln soll?
Ich kann das befremdliche Gefühl gut nachvollziehen. Allerdings glaube ich, muss "man"
hier differenzieren. Zumindest differenziere *ich* hier jetzt mal.
Du sprichst vom Yogakurs. Das ist eine Situation, die ich auch kenne und die mich auch manchmal etwas nervt. Mir würde es vollkommen ausreichen, wenn da eine Ansprache käme "Schließt die Augen". Klare Geschmackssache, aber das ist ja jedem selbst überlassen. Ich persönlich bin sowieso von allzu viel Blabla in einem Yogakurs genervt und ergreife die Flucht.
Dann sprichst du von dem Grundschulbeispiel. Das ist auch Lehrersache. Ich kenne Lehrer, die machen das, und ich kenne auch solche, die finden das albern. Ich persönlich würde als Kind wahrscheinlich einfach hinnehmen, wie es ist. Allerdings ist meine Meinung, dass Kinder eben das lernen müssen, dass sie auch hören müssen, wenn sie nicht persönlich angesprochen sind. Weil in der großen weiten Welt wird man selten direkt angesprochen, wenn es schnell gehen muss, z.B. bei Durchsagen der Bahn usw.
Aber jetzt zum eigentlich in meinen Augen wirklich relevanten Teil. Ich kenne das aus meiner Therapie, dass ich das "man" vermeiden soll und auch jedes Mal gnadenlos drauf hingewiesen werde, wenn ich es mal nutze.
Prinzipiell kann ich den Gedanken verstehen, weil man (nein, *ich*) dazu tendiert, sich hinter dem "man" zu verstecken, Dinge weniger konkret bestätigen zu müssen. "Man" kann durch das *man* viel besser ausweichen und durch verallgemeinernde Aussagen von sich weglenken.
Nutzt *man* nun aber das *ich*, ist man sofort dazu angehalten, sich noch genauer mit einer Fragestellung auseinander zu setzen. Sich selbst zu hinterfragen.
Und ich merke genau in den Momenten, in denen ich das *man* benutzte, dass mich der Hinweis meines Theras genau deswegen ärgert, weil ich mich verstecken wollte. Und er mich erwischt hat
Also im therapeutischen Kontext ist das Bestehen auf Ich-Botschaften denke ich durchaus sinnvoll und hilfreich, weil es zur Klärung von Situationen beitragen kann.
In allen anderen Kontexten muss *man* sich einfach mit arrangieren. Ich glaube, z.B. in Streitgesprächen ist es ja auch angeraten, das "ich" zu benutzen. Aber eine gute Streitkultur ist ja noch einmal ein ganz eigener Bereich.
Liebe Grüße!