Terrorisiert vom süchtigen Bruder

Dieser Bereich dient zum Austausch über Entzug, Entwöhnung und Therapie von substanzbezogenen Abhängigkeiten (wie Alkohol, Heroin, Psychedelische Drogen, Kokain, Nikotin, Cannabis, Zucker,..)
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leuchtturm
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Beitrag So., 05.08.2018, 16:27

Was ich in Lieselottes Beschreibung sehe, ist weniger ein bemitleidenswerter psychsich Kranker, der gerne gesund wäre, sondern in erster Linie ein Abhängiger, der seine Angehörigen terrorisiert und erpresst und sich ein Ei auf sie pellt.

Und da wäre bei mir Schluss mit Verständnis

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shesmovedon
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Beitrag So., 05.08.2018, 16:30

Ja, das sehe ich bei Suchtkranken auch so, aber oben ging es ja kurzzeitig wieder um Psychotiker, weil der Bruder auch bipolar ist und deshalb würde ich ihn nicht dauerhaft hängen lassen, sondern ihn jetzt erstmal mit den Konsequenzen sitzen lassen bis er sich von selbst Hilfe holt.

Ich finde bei Schizophrenie kann schon der Charakter in einem akuten Schub sehr schwammig werden. Natürlich ist ein aggressiverer Charakter auch während der Psychose aggressiver, aber wenn der Wahn einen völlig einnimmt handelt auch der rationalste Schizo nicht mehr rational, auch wenn er das normal immer tut. Ein Psychotiker ist auf Hilfe von Außen angewiesen, weil er wacht auch nicht auf, wenn er obdachlos und im Wahn ist.

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Lieselotte
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Beitrag So., 05.08.2018, 16:41

Ich möchte noch mal kurz was dazu schreiben:

Mein Bruder weiß in klaren, nüchternen Momenten sehr wohl, dass er krank ist und dann sagt er zumindest auch, dass er was ändern will. Hat es auch schon zig mal mit Therapien usw. versucht, aber sobald ihm jemand was sagt, was er nicht hören will, ist es vorbei. Ich empfinde ihn nicht als komplett schlechten Menschen. Es ist so ´ne Art Dr. Jekyll und Mr. Hyde...
Ich weiß auch nicht, ob ich ihm einen kompletten Kontaktabbruch antun möchte oder kann... Das Problem ist ja auch, dass mein Vater das natürlich als Vater nicht durchziehen wird. Er kann es nicht. Das weiß ich. Ich möchte aber natürlich mit meinem Vater Kontakt haben. Ich stelle mir das sehr schwierig vor. Wenn mein Bruder mich in den nächsten Tagen noch mal anruft, sage ich ihm, dass er sich dringend Hilfe holen muss, eine Therapie machen muss und sie diesmal durchziehen muss. Dass ich sonst erstmal auf Abstand gehen werde.


Eremit
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Beitrag So., 05.08.2018, 16:43

Schlendrian hat geschrieben:(…) und deshalb würde ich ihn nicht dauerhaft hängen lassen, sondern ihn jetzt erstmal mit den Konsequenzen sitzen lassen bis er sich von selbst Hilfe holt.
Er müsste vorher allerdings die Sucht besiegen. Solange er der Sucht nachgibt ist jede psychotherapeutische Maßnahme wirkungslos, denn mit dem nächsten Drink, dem nächsten Spiel ist alles wie weggeblasen, dahin.

Wenn multiple Suchterkrankungen und bipolare Störung und soziale Phobie aufeinander treffen (!), ist die Prognose sehr schlecht. Ich glaube nicht, dass der Bruder der TE es jemals schaffen wird. Deswegen auch die Empfehlung des permanenten Kontaktabbruchs, bevor es richtig heftig wird.

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shesmovedon
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Beitrag So., 05.08.2018, 16:47

Ich habe Suchtwrkrankungen in der Familie (mehrere Mitgliedee) und nicht mit allen war ein Kontaktabbruch nötig und mit niemandem dauerhaft. Auch wenn zusätzlich noch eine weitere Diagnose vorlag. Meist würde der Kontakt übrigens vom Suchtkranken eingestellt, weil wir statt das Kind zu nehmen, das Jugendamt benachrichtigt haben und das Kind Übergangsweise ins Heim kam. Es gibt also schon unterschiedliche Möglichkeiten dem Suchtkranken Grenzen zu setzen.

Wie auch immer, ich empfahl ja auch erstmal Kontaktabbruch mit dem Bruder bis er den Entzug und so hinter sich hat.


Eremit
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Beitrag So., 05.08.2018, 17:04

Lieselotte hat geschrieben:Mein Bruder weiß in klaren, nüchternen Momenten sehr wohl, dass er krank ist und dann sagt er zumindest auch, dass er was ändern will.
Das ist eine Maske, die dazu dient, das Gegenüber hinzuhalten, Zeit zu gewinnen.
Lieselotte hat geschrieben:Hat es auch schon zig mal mit Therapien usw. versucht, aber sobald ihm jemand was sagt, was er nicht hören will, ist es vorbei.
Deswegen muss er sich auch mit sich selbst konfrontieren. Er muss diese Person sein, die ihm sagt, was er nicht hören will. Solange er das nicht ist, wird es keine Änderung zum Besseren geben.
Lieselotte hat geschrieben:Das Problem ist ja auch, dass mein Vater das natürlich als Vater nicht durchziehen wird. Er kann es nicht. Das weiß ich.
Sowas lernt man in der Regel auch erst, wenn man anfängt, die Maske als Maske zu erkennen. Das wiederum lernt man in der Regel erst, wenn man sieht, wie weit Süchtige gehen, um ihre Sucht ausleben zu können. Dass ihnen alles andere völlig egal ist. Dass sie einem die komplette Bude ausräumen und sich dann noch abputzen, so von wegen, man wäre ja selbst schuld, weil man sie nicht finanziell unterstützt hat. Oder einen gleich ausrauben. Oder einen damit erpressen, sich sonst umzubringen (was ja jetzt schon der Fall ist). Und so weiter und so fort.
Lieselotte hat geschrieben:Ich möchte aber natürlich mit meinem Vater Kontakt haben. Ich stelle mir das sehr schwierig vor.
Es ist noch viel schwieriger, als Du es Dir vorstellst, das kannst Du mir glauben. Die meisten Familien in solchen Situationen zerbrechen, es bilden sich bis aufs Blut verfeindete Fronten.
Lieselotte hat geschrieben:Wenn mein Bruder mich in den nächsten Tagen noch mal anruft, sage ich ihm, dass er sich dringend Hilfe holen muss, eine Therapie machen muss und sie diesmal durchziehen muss. Dass ich sonst erstmal auf Abstand gehen werde.
Wenn er das wirklich durchziehen will, wird er auf Abstand gehen. Ganz ohne Aufforderung. Weil ihm dann die Reue und die Scham zusetzen wird. Bricht er den Kontakt aber nicht ab, weißt Du, dass es nur die Maske ist, die Dir wieder einmal etwas versprochen hat, um Dich warm zu halten.

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Lieselotte
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Beitrag So., 05.08.2018, 18:22

leuchtturm hat geschrieben: Sa., 04.08.2018, 18:09
es ist ja nicht so, dass die TE nicht schon lange versucht hat, dem Bruder zu helfen. Dabei verweise ich nur ma dezent auf den Thread-Titel-
Wenn der sich aber nicht helfen lassen WILL (egal, ob wegen Psychose oder Sucht oder xyz),
dann kann man wirklich nur zum Kontaktabbruch raten. S.o.
Ehrlich gesagt, habe ich bisher noch nie richtig versucht, ihm zu helfen. Ich telefoniere mit ihm, versuche das auf einmal die Woche beschränkt zu halten, höre ihm zu, versuche Tipps zu geben (bringt aber nie was...), aber das war´s auch. Ich wohne zum Glück 70 km von ihm entfernt und hatte in den letzten Jahren ja auch genug mit Studium und Referendariat zu tun. Mein Vater hat allerdings schon alles versucht seit mein Bruder Teenie war bis ca. vor 10 Jahren, irgendwann wusste er auch nicht mehr weiter und am Ende hat jedes Gespräch mit Betreuern, Psychologen, Beratern usw. ja doch nicht geholfen...
Ich wüsste auch gar nicht, was ich tun sollte...


mio
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Beitrag So., 05.08.2018, 18:59

Lieselotte hat geschrieben: So., 05.08.2018, 18:22 Mein Vater hat allerdings schon alles versucht seit mein Bruder Teenie war bis ca. vor 10 Jahren, irgendwann wusste er auch nicht mehr weiter und am Ende hat jedes Gespräch mit Betreuern, Psychologen, Beratern usw. ja doch nicht geholfen...
Ich wüsste auch gar nicht, was ich tun sollte...
Hat Dein Vater denn auch Unterstützung für sich? Also zB. in Form einer Angehörigengruppe?

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Lieselotte
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Beitrag So., 05.08.2018, 19:08

Nein, hat er noch nie Anspruch genommen. Er hält auch nicht mehr viel von Beratungsstellen und Psychologen, weil das bei meinem Bruder nie geholfen hat. Mein Vater wird demnächst 70 und will nur seine Ruhe haben, deswegen wird er meinem Bruder nie wirklich Grenzen setzen. Ich habe große Angst, dass die Beziehung meines Vaters daran zerbricht. Seine Freundin ist natürlich extrem genervt und wird auch regelmäßig angegangen von meinem Bruder. Es ist eine furchtbare Situation.


Eremit
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Beitrag So., 05.08.2018, 19:25

Lieselotte hat geschrieben:Er hält auch nicht mehr viel von Beratungsstellen und Psychologen, weil das bei meinem Bruder nie geholfen hat.
Ein weiterer ungünstiger Faktor.
Lieselotte hat geschrieben:Seine Freundin ist natürlich extrem genervt und wird auch regelmäßig angegangen von meinem Bruder.
Die wird wohl irgendwann das Handtuch werfen.


mio
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Beitrag So., 05.08.2018, 19:43

Wenn Dein Vater nichts ändern möchte bzw. da keine Unterstützung für sich selbst sucht kannst Du leider genauso wenig bewirken wie bei Deinem Bruder, da müsste dann schon er was tun. Du kannst es ihm höchstens mal nahelegen, eine Angehörigengruppe ist ja was anderes als ein Therapeut oder eine Beratungsstelle, weil es da ja einfach vorrangig darum gehen würde sich mit anderen Angehörigen auszutauschen und Dein Vater hätte damit einfach noch andere Ansprechpartner, die auch nicht so "mit drin stecken".

Ansonsten bleibt Dir wohl wirklich einfach nur Dich selbst so gut es geht zu schützen, also zu kucken dass das alles nicht am Ende irgendwann Dir zu viel wird weil keiner der Beteiligten bereit ist was zu ändern und Du es zu guter Letzt ausbaden musst.

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leuchtturm
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Beitrag So., 05.08.2018, 20:21

Ehrlich gesagt, habe ich bisher noch nie richtig versucht, ihm zu helfen. Ich telefoniere mit ihm, versuche das auf einmal die Woche beschränkt zu halten, höre ihm zu, versuche Tipps zu geben (bringt aber nie was...), aber das war´s auch
damit versuchst du ja, ihm zu helfen.
er kann auf dein Mitleid, deine Tipps, deine Geduld zählen.
Natürlich setzt er deine Tipps nicht um, denn daran hat er gar kein Interesse. Wozu sollte er etwas ändern wollen, es läuft doch alles für ihn?

Ich habe den Eindruck, dein Vater und du steckt schon ganz arg in der Co-Abhängigkeitsfalle drin.


Eremit
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Beitrag So., 05.08.2018, 21:48

leuchtturm hat geschrieben:Wozu sollte er etwas ändern wollen, es läuft doch alles für ihn?
Ganz genau. Menschen verändern sich nur, wenn sie es müssen. Wenn der Leidensdruck zu groß wird, eine kritische Schwelle überschreitet. Ansonsten belassen sie alles beim alten, so lange wie möglich. Menschen sind in erster Linie Gewohnheitstiere.


Widow
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Beitrag Mo., 06.08.2018, 03:15

@ Lieselotte: Nimm die Beine in die Hand und renne fort!

Und auch das wird entsetzlich für Dich. Auch noch nach Jahren. Darüber sich Klarheit zu verschaffen, kann helfen.
(Ich bin damals gerannt: Von meiner Schwester und von meiner Mutter fort. Ich finde es immer noch entsetzlich, aber damit kann ich immerhin LEBEN.)
Für Dein eigenes seelisches (und sonstiges) Überleben gibt aus meiner Sicht keine Alternative.

@ all: Nein, hier habe ich nie "nur" über Psychotiker geschrieben. Hier, in diesem Faden, habe ich immer über Schwerstpsychischkranke geschrieben, und das sind leider nicht nur die Psychotiker. Oft gehören übrigens auch die Suchtkranken dazu, egal ob Magersucht, Alkoholsucht oder Heroinsucht.
Und ich finde es bemerkenswert, wie hier versucht wird, eine "Hierarchie" der psychischen Störung aufzubauen. Und ich finde es bemerkenswert, dass innerhalb dieses zweifelhaften Versuches den Alkoholsüchtigen und den Spielsüchtigen der letzte Platz, der des Parias, zugewiesen wird.


montagne
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Beitrag Do., 09.08.2018, 14:02

Letzlich ist es egal, welchen namen das Problem hat. Es gibt ja nicht die Störung, die es "verdient" hat (im Gegensatz zu anderen Störungen), dass man zu einem Angehörigen hält, obwohl der einem bewusst bedroht, finanziell und seelisch ausbeutet.

Man muss sich einfach slebst fragen, was lässt man sich bieten?
In meiner Familie übrigens waren sie weder schizophren noch bipolar. Aber trptzdem so scheiße und bedrohlich und übergriffig, dass ich den Kontakt komplett abgebrochen habe. Die finden das, wie ich über Cousins höre natürlich auch abwechselnd unerhörlich, unerklärlich, schlimm.

Ganz ehrlich? Im Gegensetz zu vielen anderen habe ich kein schlechtes Gewissen. Ja, der kindliche Anteil in mir, der die Botschaften verinnerlicht hat... aber ich als erwachsene Frau... finde es war eine der wichtigen, guten Entscheidungen in meinem Leben.

Was soll das Gewäsch mit Blut ist dicker als Wasser? Das sagen Leute, die wissen, dass sie Schuld, große Schuld auf sich geladen haben oder Leute die abhängig sind. Menschen, auch Familienangehörige sind wie Katzen, finde ich. Ich kann sie einsperren, aber ich kann sie nicht besitzen. Ich kann mich einsperren lassen, aber ich gehöre trotzdem zu niemandem. Wer gehen darf und bleibt oder wiederkommt... bindet oder ist gebunden.
Ich sehe so so viele Familien, wo man nicht gehen darf, sondern eingesperrt ist. Und das perfode ist, die Mauern sind unsichtbar, aber sie sind da.
amor fati

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