Bindungstrauma und mehr...

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:03

Broken Wing hat geschrieben: So., 11.02.2018, 14:54 Das ist aber eine ganz dicke und völlig unbelegte behauptung
Wenn Du meinst. Hier, extra für Dich:

https://www.michaela-huber.com/files/vo ... 014-07.pdf

Es gibt übrigens auch sehr hübsche, intelligente, körperlich perfekte Kinder die von den Eltern emotional vernachlässigt werden. Was ist mit denen in Deiner Theorie? Welchen Fehler haben die? :kopfschuettel: :kopfschuettel: :kopfschuettel:

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isabe
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:07

Die körperliche Dimension ist ja auch in "klassischen" Psychotherapien u.U. relevant. Nur wird es da nie so richtig explizit gemacht. Da wäre das Explizitmachen IN einer körperlichen Psychotherapie vielleicht ehrlicher?


mio
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:15

Philosophia hat geschrieben: So., 11.02.2018, 17:56 Dieses Halten in der Körpertherapie...halte ich für äußerst gefährlich und sehe darin großes Missbrauchspotenzial - von beiden Seiten.
Ich glaube das ist eigentlich anders gedacht, nämlich dass man durch das "Halten" überhaupt in einen direkten Kontakt mir den abgespaltenen, schmerzhaften Gefühlen kommt und sie so eben verarbeiten kann. Also der Körper ist einfach nur der "Zugangsweg" nicht das "Heilversprechen". Die "Heilung" erfolgt wenn durch das erfolgreiche Durchleben der schmerzhaften Gefühle und eben durch die korrigierende Erfahrung nicht allein damit zu sein.

Dient das "Halten" nur als "Surrogat" kann es ja nix verändern, dann hätte es tatsächlich schlicht einen "Suchtmittelcharakter". Das Ziel muss also auch da sein die schmerzhaften Gefühle ins Bewusstsein zu heben und durchzuarbeiten.

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Scout
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:19

mio: nur liest man hier im Forum irgendwie meist vom gehalten werden mit eben diesem Suchtmittelcharakter, was dem Patienten eher schadet als ihn voranbringt.
Kommt es dann vielleicht einfach auf die Problematiken bzw. "Schwachstellen" des Patienten an, ob dieses Halten gut ist oder schädlich? Also quasi kontraindiziert für diejenigen Patienten, die eh schon diesen starken Eltern- oder Retterwunsch ihren Therapeuten gegenüber haben?

Bzw. unterscheidet sich für mich das Halten in der Körpertherapie (was ich auch nur noch rudimentär aus Klinikzeiten in Erinnerung hab) vom "Hand halten und in Arm genommen werden" in der Gesprächstherapie
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mio
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:24

Ich denke schon dass es auf die Problematik die mitgebracht wird auch ankommt, aber sicher auch auf den Behandler. Im Grunde ist es ja nur eine Therapieform unter vielen und nicht jede Therapie passt bekanntermassen auf jeden. Auch eine Psychoanalyse kann den Patienten abhängig machen wenn was schiefläuft, ganz ohne körperliches Halten, liest man hier doch häufig genug von.

Ich denke das so "ungesunde Dynamiken" in jeder Therapieform entstehen können, was das angeht dürfte keine Therapieform komplett ohne Risiko sein bei entsprechender Disposition des Patienten und mangelndem Bemerken selbiger durch den Behandler.

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Montana
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:25

Mit Jahrzehnten Abstand zum Geschehenen kann ich zumindest jetzt sehen, dass ich kein "unattraktives Kind" war, auch wenn ich mich als Kind dafür gehalten habe. Auf Fotos: total süß. Körperlich und seelisch (am Anfang) gesund. Ausgezeichnet in der Schule völlig ohne jegliche Unterstützung. Aus Erzählungen weiß ich, dass ich (am Anfang, Kindergarten) gesellig und sozial sehr kompetent war. Ich war kein Schreikind und ich war von Mutter und Vater gewollt. Wie meine Schwester, die auf Fotos wie ein kleiner, blonder Engel aussieht. Unheimlich hübsch. So, und jetzt finde den Fehler...
Ich glaube wirklich, dass das Problem eher darin lag, dass meine Mutter selbst eine schwere psychische Störung hatte, alkoholabhängig war und weitere Drogen genommen hat. Absolut jedes Kind wäre von ihr so behandelt worden wie wir. Der Fehler lag nicht bei uns. Womöglich noch nicht mal bei ihr, denn auch ihre Mutter war alles andere als normal. Wenn ich also lese, die Kinder würden selbst den Grund liefern, dann macht mich das unglaublich wütend. In meiner Kindheit habe ich SEHR viel Zeit damit verbracht, zu ergründen, warum ich nicht liebenswert war. O-Ton meiner Mutter: "Du bist es nicht wert, geliebt zu werden." Die Antwort habe ich nie gefunden.


isabe
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:28

Bei mir war das ähnlich, Montana. Ich war auch hübsch, still, nicht dumm. Irgendwann wurde ich ernst, war aber immer noch hübsch und beliebt. Und erst gegen Ende der Pubertät hat sich sozusagen mein Äußeres dem Inneren angeglichen...

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Scout
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:33

Montana hat geschrieben: So., 11.02.2018, 18:25 Absolut jedes Kind wäre von ihr so behandelt worden wie wir.
Den Satz musste ich ebenfalls erst von meiner Therapeutin hören. Und auch wenn es vom Verstand her klar ist, ziehen die Emotionen ja noch lange nicht nach
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Henryette
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:51

Oh ja und hier muss ich meinen Senf auch dazu fügen. Auch mich hat es geschockt zu lesen das Kinder selbst den Grund liefern, auch wenn das glaub gar nicht so gemeint war wie es sich liest. Meine Mutter war eine egozentrische Frau in deren Nähe es drei Grad kälter wurde und mein Stiefvater war ein Choleriker dem auch mal die Hand ausrutschte. Davor gab es einen Stiefvater der Alkoholiker war und dem auch ab und an die Hand ausrutschte, meine Mutter hat nichts getan dagegen. Nun da kann man sich dann fragen wo mit zwei Jahren mein Anteil war. So, hier entstehen natürlich Unmengen an Schmerzen wenn ich das in der Therapie immer wieder(durch Muster die ich (noch) nicht durchschaue) durchkaue. Hier wäre dann interessant mal zu erfahren, wie es eigentlich ist im Schmerz dich halten der Hand begleitet zu werden. Sicher gibt es hier missbrauchspotenzial, aber ich denke auch das gibt es überall. Ich habe das Gefühl, dass mein Therapeut mich recht gut einschätzt, er tut es noch nicht. Aber gerade durch meine Missbrauchsproblematik ist körperliche Nähe zu Männern für mich immer gefährlich gewesen. Alleine diesen Wunsch auszusprechen stellt für mich eine unglaubliche Gefahr dar. Das brauchte einfach auch Vertrauen und Mut.Hier mal in einem sicheren Rahmen zu erfahren, dass körperliche Nähe zu Männern ungefährlich sein kann, ist für mich glaub ganz doll wertvoll! Aber dafür braucht es halt wirklich Vertrauen. Ich glaube hätte er es direkt getan als ich diesen Wunsch ausgesprochen habe, wäre ich total überfordert gewesen damit! Wer weiß wo es mich hinführt.
Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.
Martin Johannes Walser

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Räbin
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Beitrag So., 11.02.2018, 18:57

Philosophia hat geschrieben: So., 11.02.2018, 17:56Die primäre emotionale Wärme kann so nicht ersetzt werden
Ich würde meinen, das geht. Ich kann mich natürlich irren...

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Scout
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:01

Die emotionale Wärme, die man als Kind von den Eltern bekommen hätte sollen kann meiner Meinung nach niemand ersetzen, kein Partner, kein Therapeut, kein Kind. Das kann nur durchgekaut und möglichst integriert werden
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isabe
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:05

Es kann sicher nicht vollkommen ersetzt werden, aber ein bisschen bestimmt. Wenn du aufrichtig spürst, dass dein Gegenüber mit dir fühlt, dann kann das ja tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen und dich ganz anders erreichen, als wenn er dir "nur" irgendwas sagt.


mio
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:05

Scout hat geschrieben: So., 11.02.2018, 18:19 Bzw. unterscheidet sich für mich das Halten in der Körpertherapie (was ich auch nur noch rudimentär aus Klinikzeiten in Erinnerung hab) vom "Hand halten und in Arm genommen werden" in der Gesprächstherapie
Ich glaube es geht da auch um "dem anderen vertrauen", also sich dem anderen "hingeben" (lernen/können) ohne Furcht.
Mit "Händchenhalten" oder "Trost" hat das ja nicht so viel zu tun, wenn die Problematik im Vertrauen liegt.

Mein Körperthera (der kein expliziter Körperpsychotherapeut ist, aber auch Gestalttherapeut) ist mir zB. in einer Stunde mal an die "Gurgel" gegangen und hat mich hinterher "gelobt", dass das sehr gut gewesen wäre. Ich hab das damals erst mal gar nicht so "direkt" verstanden, hatte allerdings schon bemerkt, dass das was mit mir macht und was in mir auslöst. Und das es gar nicht so leicht für mich war da dann entspannt bei ihm zu bleiben "körperlich", also mich nicht zu verspannen, versteifen und in den Kopf abzuhauen. Dieses sich "Halten lassen" ist vielleicht auch eher was für Menschen die grundsätzlich Probleme damit haben zu vertrauen? Und weniger was für Menschen die sich danach sehnen "sich selbst abgenommen" zu werden?

Ich hab mich mal mit so einer "Wassertherapie" (die vor allem auf vorgeburtliche Traumata abzielt) beschäftig, das zwar nicht gemacht, aber instinktiv in meiner Angsthochzeit selbst ein "bisschen" betrieben indem ich mich ganz bewusst im Wasser treiben lies und tragen lies. Das war ziemlich beruhigend und hilfreich und ich kann mir schon vorstellen, dass das es eine schöne Erfahrung sein kann, wenn einen dabei dann jemand sozusagen "trägt".

Da wird einfach eine andere Ebene angesprochen und ich glaube dass es gerade bei sehr verschütteten und frühen Geschichten hilfreich sein kann, da sehr frühkindliche Traumata dem "Wortbewusstsein" ja noch nicht wirklich zugänglich sind weil sie auf einer anderen Ebene abgespeichert werden, also eben eher einer körperlichen, eventuell noch "bildhaften", aber eben keiner die "Worte" hat.

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Broken Wing
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:10

@ Mio: Hübsches PDF. Mehr ist nicht drin.
Ja, es gibt hübsche, gesunde und trotzdem vernachlässigte Kinder. Bestreite ich nicht. Aber mal eine einfache Frage: Zwei Kinder, Ressourcenknappheit und gesunde Eltern. Ein Kind ist schwach, das andere zeigt keine Auffälligkeiten. Wer wird wohl mehr Zuwendung erhalten?
Zumindest die emotionale Zuwendung und die Zeit stellen auch hierzulande knappe Ressourcen dar, der Großteil der Menschen weltweit lebt auch noch in materieller Not.

Zu den Ursachen gibt schon die Wikipedia Auskunft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Vernachl%C3%A4ssigung

Das Wort häufig neben betroffen besagt, dass es Risikofaktoren für Vernachlässigung und selbstverständlich auch für Missbrauch auf der Opferseite gibt. Natürlich können auch schöne, intelligente und gesunde Kinder durch kranke, überforderte Eltern misshandelt werden, aber man sollte nicht automatisch davon ausgehen. Letzteren kann auch leichter geholfen werden.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Philosophia
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Beitrag So., 11.02.2018, 19:11

Ja ok, ich glaub tatsächlich schon auch, dass das ein bissl gehen kann mit dem emotionalen Nachreifen - aber es gibt eben Grenzen - und ich kann zwar sagen: Ich hab da unstillbaren Hunger, aber ich kann nicht verlangen, dass dieser gestillt wird - ich kann es wünschen, aber nicht auf Erfüllung pochen. Und ich darf mich glücklich schätzen, wenn ich durch glückliche Umstände tatsächlich etwas satter werde. Aber ich halte es für ungut, loszuziehen lechzend dieses Bedürfnis durch irgendwen zu befriedigen.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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