Angst Thera ist schwul?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

mio
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:13

Sehr hat geschrieben: Mi., 06.12.2017, 17:37 das hier ist auch schwer zu begreifen. Aber nur für mich vielleicht.
Nein, damit bist Du nicht allein (also mit dem "schwer zu verstehen"), mir geht das auch so und ich habe mich das auch schon oft gefragt.

Ich persönlich denke dass es daher kommt, dass der Therapeut im Grunde die eigenen (also die des Patienten) Phantasien/Wünsche bestätigen/erfüllen soll. Wenn ich als Patient also (unbewusst) die Phantasie habe (die ich mir selbst aber nicht erlauben kann) als Frau begehrenswert zu sein oder eine (nach meiner Vorstellung) passende Vaterfigur suche dann wird dieser Wunsch auf den Therapeuten "verschoben", um dort "ungefährlich lebbar" zu sein. Denn wenn es nicht mehr mein Wunsch oder meine Phantasie ist, dann bin ich als Patient ja "fein raus" (innerlich gibt es denke ich beim Patienten dann ein starkes unbewusstes Verbot bezüglich dieser Phansasien oder Wünsche), weil ich mein eigenes dann ja im Therapeuten "erkennen" kann.

Im Grunde sagt dieses übergroße Interesse am "Privatmensch" ja auch aus:

Der Patient möchte "mehr" in das Leben des Therapeuten eindringen/daran teilhaben, als dies vorgesehen ist in einer Therapie. Dh. es verbirgt sich ein unbewusster Wunsch nach Nähe zur "idealisierten" Person dahinter der nun wiederum als "dem eigene Ideal über den anderen näherkommen wollen" interpretiert werden kann. "Taugt" der Therapeut nun dafür plötzlich nicht mehr (weil er dem Idealbild eben doch nicht entspricht), dann kann es natürlich hakelig werden, weil nun eine "Korrektur" dahingehend notwendig wird, dass es sich bei den Vorstellungen um nichts weiter als die eigenen Wünsche und Phantasien handelt für deren Erfüllung der Therapeut eben nicht zuständig ist und die er von "Berufswegen" her so auch gar nicht leisten darf.

Läuft es "gut" dann nimmt der Therapeut diese "Wünsche und Vorstellungen" wohl erst mal "in sich auf" und gibt sie dem Patienten dann "transformiert" zurück, so dass dieser sie als "was Ureigens" annehmen kann. Ähnlich jenem Geschehen bei dem ein Kind die Mutter als "Verursacherin" seiner Gefühle sieht und nur durch das "markierte Spiegeln" nach und nach lernen kann, dass es sich dabei um etwas was von ihm selbst "verursacht" wird handelt.

Ein Therapeut hat (in seiner Funktion) nüchtern betrachtet ja weder was mit dem "Wunsch begehrenswert" noch mit den "Wunsch nach dem idealen Vater" zu schaffen, dh. weder wird er die Patientin als Partnerin begehren noch wird er sie adoptieren, weshalb es faktisch betrachtet auch unerheblich ist, ob er nun homosexuell ist oder nicht. Seine Aufgabe ist es diese Phantasien/Wünsche für die Patientin so "aushaltbar" werden zu lassen, dass sie diese bewusster wahrnehmen kann/darf und damit befähigt wird mit ihnen im "realen Leben" umzugehen bzw. auch zu akzeptieren, dass es da "Begrenzungen" gibt die schmerzhaft sein können.

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mio
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:22

ziegenkind hat geschrieben: Mi., 06.12.2017, 17:58 wenn jemand bedauert, dass sein thera eventuell schwul sein könne, weil er dann nicht mehr als phantsasierter sexualpartner in frage kommt, stellt er diesen therapeuten doch nicht aufs podest. ganz im gegenteil. er legt ihn gedanklich eher in das eigene bett.
Na ja, wenn ich mir jemanden als "idealen Partner" zurecht phantasiere dann überhöhe ich die Person schon (stelle sie gedanklich auf ein selbstgezimmertes Podest), denn sie IST ja gar nicht so "ideal", wie von mir "verlangt"/"erwartet". Und dass es "verlangt"/"erwartet" wird das zeigt sich eben an der "Enttäuschung" darüber, dass es nicht so ist (vermeintlich) und nun die Beziehung in Frage gestellt wird.

Natürlich geht es dabei nicht wirklich um den Therapeuten sondern um den Patienten, aber Idealisierungen haben das so an sich, dass es um den geht der idealisiert (oder wahlweise entwertet, wenn das Ideal "platzt") und nicht um den der idealisiert wird.


ziegenkind
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:27

ich verstehe ums verrecken nicht, warum manche menschen glauben, sexuelle phantasien zu haben sei das gleiche, wie einen idealen partner zu phantasieren. ich finde in der phantasie und in der gelebten praxis passen sex haben und idealisieren so gar nicht zusammen.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


ziegenkind
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:30

wenn ich als hetero-frau glaube, ein mann, von dem ich eigentlich die ganze zeit ganz nette sexuelle phantasien habe, sei schwul, dann platzt damit in meinen augen nicht irgendeine idealisierung, sondern eine handfeste sexuelle phantasie.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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isabe
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:32

Das kommt ja auch auf die Therapieform an. Wenn ich den Therapeuten als Ratgeber sehe, ist es für mich irrelevant, was der im Bett macht. In psychodynamischen Therapieformen geht es aber genau um die Beziehung und damit auch um die Beziehungswünsche. Natürlich möchte kaum jemand (?!) wirklich mit seinem Th. intim werden. Aber es sollen - und das ist immens wichtig - Räume geschaffen werden, in denen darüber phantasiert und gesprochen werden kann: Ich will, dass du mich begehrst - und dann wird weiter geschaut, was das bedeutet. Sich nur darauf zu beschränken, "ich will, dass er mich begehrt, weil ich Sex mit ihm will", ist ziemlich schlicht gedacht.


isabe
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:37

Idealisierung wäre es, wenn jemand annimmt, ein schwuler Therapeut sei kein "richtiger Mann" (und klar, das kann auch ein Thema sein) und irgendwie defizitär. Ansonsten ist es einfach "nur" die Frage: "Wie sehen wir einander?" - und je nachdem, wie sehr man sich mit der Frage der sexuellen Identität und Orientierung (auch der eigenen) beschäftigt hat, umso weniger irritierend ist die eventuelle "Überraschung" womöglich.


mio
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:39

Und ich verstehe nicht, warum ich mir Sex mit einem Therapeuten herbeiphantasieren sollte - wenn ich gar keinen will - nur um eine "bessere oder engere Beziehung" zum Therapeuten haben zu können.

Würde ich WIRKLICH Sex wollen, dann sollte ich meiner Meinung nach den Therapeuten wechseln. "Benutze" ich "sexuelle Phantasien" als "Beziehungssurrogat" dann stellt sich für mich die Frage: Wieso? Und da sehe ich dann "Verschmelzungsphantasien/-wünsche" (die immer mit Idealisierung einhergehen meiner Meinung nach).

So gesehen hast Du Recht Ziegenkind:

Phantasie und gelebter Sex sind Welten auseinander. Nur warum dann sich was wünschen, was man eh nicht wollen würde, weil es der Realität nicht standhalten würde? Das ist für mich total unlogisch und hat was von "Ach gäbe es doch das Paradies wenigstens hier!". Ist also eine reine Realitätsflucht, nix weiter.


shesmovedon
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:45

Naja, die TE hat ja indirekt formuliert: ein schwuler Therapeut ist kein Vater.
Völlig absurd.


isabe
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:47

mio hat geschrieben:Und ich verstehe nicht, warum ich mir Sex mit einem Therapeuten herbeiphantasieren sollte - wenn ich gar keinen will
Das muss nicht an der TE oder an der Fragestellung liegen, dass du das nicht verstehst. Ich verstehe auch nicht alles. In der Regel halte ich mich dann aber aus den entsprechenden Gesprächen raus - oder ich frage nach, wenn es mich interessiert.


ziegenkind
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:50

mio, phantasien haben muss doch nicht notwendig surrogat für etwas sein; ganz viele menschen haben und genießen beides: sex und sexuelle phantasien. solche phantasien sind mitunter einfach ausdruck von lebendigkeit und kreativität, bei therapiepatienten vielleicht auch ausdruck einer lange durch depression verschütteten lebendigkeit.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.


mio
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 18:51

Schlendrian hat geschrieben: Mi., 06.12.2017, 18:45 Naja, die TE hat ja indirekt formuliert: ein schwuler Therapeut ist kein Vater.
In ihrem Welt- und Vorstellungsbild ist das scheinbar so, dass schwule Therapeuten keine "väterlichen Eigenschaften" haben können, weil sie keine Frauen lieben. Dass das eine nix mit dem anderen zu tun hat ist an sich ja klar.

Es wird also was "anderes" dahinterstecken.

Vielleicht der Wunsch vom (idealen) Vater endlich die lange vermisste "Erlaubnis" zu bekommen "begehrenswert" zu sein als Tochter (und damit im übertragenen Sinne als Frau)? Also vielleicht so ein "Ödipus" Dings von dem Möbius immer so gern sprach: Die Tochter möchte die "Mutter" ausstechen um "siegreich" hervorzugehen? Nun gibt es keine Mutter (sondern nur einen "zweiten Vater" und damit auch keinen "möglichen Sieg". Keine Ahnung, aber sowas wäre zumindest denkbar.


Eremit
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 19:10

Schlendrian hat geschrieben:Naja, die TE hat ja indirekt formuliert: ein schwuler Therapeut ist kein Vater.
Völlig absurd.
Dahinter muss sich nicht einmal eine generelle Ablehnung von Homosexualität verbergen, es kann sich auch "nur" um die unaufgearbeitete inzestuöse Beziehung zum Vater handeln, die dann nicht mehr projeziert werden kann.

Was mir noch einfällt: Sex/Sexualität wird recht häufig (auch) dazu verwendet, um das Gegenüber zu kontrollieren. Dadurch, dass sich der Therapeut aufgrund seiner Homosexualität dem Zugriff der Patientin entzieht wird er zwangsläufig schwerer kontrollierbar.


isabe
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 19:18

Es kann sich auch einfach wie eine Zurückweisung und Kränkung anfühlen. Und wenn man es dann weiterspinnt, kann sich eine verborgene Homophobie zeigen, die man nicht wahrhaben möchte (muss jetzt nichts mit der TE zu tun haben). So von wegen: "Wenn du ein richtiger Mann wärest, dann würdest du...". Umgekehrt kann es sein, dass der Th. hetero ist und vom Patienten als schwul phantasiert wird, weil das "harmloser" klingt. - Was es konkret ist, kann man nur im Zusammenhang erkennen.


mio
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 19:35

Eremit hat geschrieben: Mi., 06.12.2017, 19:10 Was mir noch einfällt: Sex/Sexualität wird recht häufig (auch) dazu verwendet, um das Gegenüber zu kontrollieren. Dadurch, dass sich der Therapeut aufgrund seiner Homosexualität dem Zugriff der Patientin entzieht wird er zwangsläufig schwerer kontrollierbar.
Und wenn man das jetzt noch weiter "runterbricht" dann geht es um Lust versus Unlust. Die Vorstellung des "idealen Therapeuten" (Vaters) bereitet Lust, aber um von dem "idealen Therapeuten" (Vater) auch "lustvoll zurück behandelt" zu werden muss "geleistet" (=altes Programm) werden in Form von "sexuellen Phantasien" und "Idealisierung".

Und nun: BÄM! Der Therapeut steht gar nicht auf Frauen...

Ergo: Der Therapeut empfindet das gar nicht als "lustvoll" (ich glaube ehrlich gesagt dass es kein Therapeut als lustvoll empfinden wird, wenn ein Patient sich was sexuelles mit ihm zusammenphantasiert oder ihn sonstwie unangemessen idealisiert. Ist Arbeitsmaterial, klar, aber Lust dürfte es zumindest einem "gesunden" Therapeuten nicht bereiten. Eher dürfte das Gegenteil der Fall sein.) und damit wird der Patient gefühlt "ohnmächtig".

Kontrollwünsche sind ja meist ein Zeichen von "großer verdeckter Ohnmacht".


isabe
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Beitrag Mi., 06.12.2017, 19:50

Lust dürfte es zumindest einem "gesunden" Therapeuten nicht bereiten. Eher dürfte das Gegenteil der Fall sein
Das mit dem Dürfen ist so eine Sache. Die Literatur spricht eine andere Sprache - und ich rede nicht von meinem "Fall". Wenn man sich ernsthaft für dieses Thema interessiert und es auch nicht nur voyeuristisch betrachtet, sondern sich für die Hintergründe interessiert, kann man ziemlich viel lesen, was deiner These widerspricht. Aber natürlich wünscht sich der moderne, aufgeklärte Patient einen Therapeuten, der keinerlei Triebe dem Patienten gegenüber hat, sondern der ganz nüchtern an die Sache rangeht. Weil's halt so im Lehrbuch steht und sich so leichter handhaben lässt.

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